Einen Trost haben die Konsumenten: Eine gewisse
Anteilnahme wird ihnen entgegengebracht! Herr Böhm
hat gestern gesagt, er bedauere die Konsumenten. Freilich, die
ausgeplünderten Konsumenten werden damit kaum zu trösten
sein, auch wenn Kollege Böhm und die anderen Wortführer
seiner Partei hervorheben, daß die Zölle eigentlich
ihr Werk seien und daß sie die èechischen Agrarier,
die anfangs von den Zöllen gar nichts wissen wollten, vorwärts
getrieben haben. Die Konsumenten und kleinen Landwirte, die von
den Zöllen betroffen werden, werden sich auch kaum damit
trösten, wenn Herr Böhm noch
deutlicher sein tiefstes Mitgefühl äußert. Der
ausgenützte Konsument wird auch durch den Hinweis auf das
alte römische Reich nicht gerührt werden, das angeblich
deshalb zu Grunde ging, weil die Getreideproduktion vernachlässigt
wurde. Wir haben in der Schule gelernt, daß andere Ursachen
den Niedergang des altrömischen Reiches herbeigeführt
haben, die volksfeindliche Feudalwirtschaft war das Unglück
der römischen Landwirtschaft und der kleinen Landleute. Wir
haben genug daran, daß Österreich infolge seiner unglückseligen
Zollpolitik vom Teufel geholt wurde. Am allerwenigsten aber wird
unseren Leuten draußen die Behauptung des Herrn Böhm
imponieren, daß feste Zölle den Zwischenhandel bekämpfen.
Diese volkswirtschaftliche Erfindung sollte eigentlich patentiert
werden. Es ist klar, daß die Zölle nur jenen zugute
kommen, die mehr produzieren, als sie verbrauchen, die etwas für
den der Spekulation unterliegenden Markt zu verkaufen haben. Und
je mehr jemand für den Markt produziert, desto größer
ist naturgemäß sein Gewinn durch die Zölle. Wenn
der Mittelbauer eine Kleinigkeit mehr durch die Zölle profitiert,
so gewinnt der Großagrarier dagegen das Hundert- und Tausendfache.
Offen erkläre ich, daß die Agrarzölle in erster
Linie dem Profitinteresse der Großbauern und des Großgrundbesitzes
dienen, daß sie progressiv den Reichen Nutzen bringen. Wenn
von landbündlerischer Seite und von den Christlichsozialen
behauptet wird, daß die gesamte landwirtschaftliche Bevölkerung
- wie Herr Böhm meint, beträgt sie 35% der
Gesamtheit, während der christlichsoziale Redner von gestern
von 40% gesprochen hat - an der Zollvorlage ein lebhaftes
Interesse hat, so wird das schlagend widerlegt durch eine Reihe
von Tatsachen. Die Herren Zollfreunde widersprechen sich selbst.
Vor allem fehlt, was wir auch in Österreich vermißt
haben, eine wirklich klare Statistik. Die Herren operieren mit
Zahlen, die keiner ernsten Kritik standhalten. Wenn sie aber die
Wahrheit schreiben, dann müssen sie zugeben, daß nur
ein Bruchteil, ein kleiner Bruchteil der gesamten landwirtschaftlichen
Bevölkerung von den Zöllen Nutzen haben wird. Ich möchte
hier zitieren, was Herr Franz Hilmer aus Brünn in einem Artikel
über die Agrarzölle geschrieben hat. Er meint, es ist
selbstverständlich verkehrt, bei einer Aufstellung über
die Berechtigung des Zollschutzes auch die 667.526 Besitzfälle
unter einem halben Hektar und die 201.389 Besitzfälle von
einem halben bis ein Hektar einzubeziehen, da dieselben weit mehr
als die Hälfte aller Besitzfälle ausmachen und viele
Besitzer von Gartenparzellen und Grundstücken nicht dem landwirtschaftlichen
Berufsstande zugezählt werden können, weil sie ihr Haupteinkommen
aus andern Berufen nehmen. Herr Hilmer streicht also mehr als
die Hälfte der Besitzer von landwirtschaftlichem Grund und
Boden, die kleinsten und allerkleinsten Leute von vornherein aus
der Liste der Zollinteressenten. Nun kommt noch die große
Zahl der Besitzer von 1 bis 5 ha Grundbesitz. 5 ha sind ungefähr
die Grenze, wo das Zollinteresse unter gewissen Umständen
beginnen kann. Es ist ganz eigentümlich, daß man Tausende
und Abertausende von Mitgliedern des Bundes der Landwirte, die
man sonst als Kronzeugen zu Gunsten der Agrarzölle anführt,
als Zollinteressenten ausscheidet. Wir können übereinstimmend
mit den statistischen Feststellungen anderer Länder erklären,
daß 80% der landwirtschaftlichen Besitzer an den Getreidezöllen,
aber auch an anderen Zöllen kein Interesse haben können,
ja von ihnen direkt Schaden erleiden. Insbesondere trifft das
bei den Gebirgsbauern zu. Meine Damen und Herren! Je länger
der Zollkampf währt, desto deutlicher tritt die Schädlichkeit
des Agrarzolles auch für jene hervor, denen man ursprünglich
weißgemacht hat, daß sie große Vorteile davon
haben könnten. Die Stimmen gegen die Agrarzölle mehren
sich auch in landwirtschaftlichen Kreisen. Die Flachsbauern Mährens
und Ostböhmens haben bei einer Tagung in Bärn unlängst
erklört, daß der Getreidezoll für sie ohnedies
illusorisch ist, und der agrarische "Dorfbote" in Budweis
mußte bekennen, daß die Flachsbauern an den
Getreidezöllen nicht so interessiert sind, wie die meisten
èechischen Flachlandbauern. Es wiederholt sich bei der
Zollfrage das alte Spiel, wie es in Österreich der Fall war.
Die Hauptnutznießer des Getreidezolles waren die ungarischen
Großgrundbesitzer und Großbauern. Österreich
mußte für sie Millionen bezahlen. Nun wiederholt sich
in der Èechoslovakischen Republik das Bild in verkleinertem
Maßstabe. Der Getreidebau ist meistens in den landwirtschaftlich
besseren èechischen Gebieten, dorthin
wird also der erhöhte Gewinn für den Getreidebau abfließen,
kurz, den Zollprofit werden vor allem die èechischen Agrarier
einstecken. Das deutsche Gebiet kann unmöglich den eigenen
Bedarf an Getreide decken. Im landwirtschaftlichen Ausschusse
habe ich Herrn Böhm vorgehalten,
daß die Bezirke Bensen und Tetschen in der Kriegszeit nur
im Stande waren, für 6 Wochen die heimische Bevölkerung
mit Brot und Getreide zu versorgen. Für 46 Wochen muß
Getreide in diese Bezirke eingeführt werden. Es ist demnach
vollkommen klar, daß der Hauptnutznießer der Getreidezölle
nicht der deutsche Landwirt bei uns in den Randgebieten sein wird.
Ich möchte auch darauf hinweisen, daß der Christlichsoziale
Kreissekretär Drächsler im Krummauer "Landboten"
hervorhebt, daß der größte Teil der Böhmerwaldbauern
von den Agrarzöllen keinen Nutzen haben werde. Der als Fachmann
von den Landbündlern so hoch geschätzte Oberrat Meissner
von der deutschen Sektion des Landeskulturrates in Prag mußte
bekennen, daß die Wirkungen des Agrarzolles vielfach bei
den Landwirten eine Enttäuschung hervorrufen werden, insbesondere
bei den Kornbauern. Es ist nicht minder charakteristisch, daß
in den Gemeindevertretungen vielfach die Vertreter der Christlichsozialen,
der Landbündler und der Gewerbepartei für die Protestresolutionen
gegen die Agrarzölle stimmen. Die bisherigen jahrzehntelangen
Erfahrungen mit den Agrarzöllen in Österreich haben
bewiesen, daß sie ein untaugliches Mittel sind, das vielgestaltige
Problem der Agrarfrage zu lösen. Die den Agrarzöllen
zugemuteten Wirkungen sind nicht eingetroffen, die Getreideproduktion
sank eben so wie die Viehproduktion, dabei sank aber auch der
Konsum und stiegen die Preise gewaltig. Das behauptet nicht ein
böswilliger Sozialdemokrat, dem man von Haus aus das Kainszeichen
der Agrarfeindlichkeit an die Stirne malt, das sagt Pantz, ein
ausgesprochener Agrarier, in seinem 1916 erschienenen Werkchen
"Österreichs Landwirtschaftspolitik nach dem Kriege".
Der Großgrundbesitzer Abg. Ferdinand Ritter von Pantz schreibt,
nachdem er bewiesen hat, daß die Getreideproduktion trotz
der Zölle gesunken ist, und daß die Viehproduktion
nicht zugenommen hat, worauf übrigens schon gestern Koll.
Pohl aufmerksam gemacht hat, folgendes: "Die angeführten
Daten erweisen daher, daß eine Produktionsvermehrung nicht
stattgefunden hat, wohl aber eine ungeheure Preissteigerung, welche
zu einer ungeheuren Verteuerung der Lebenshaltung führte,
die von den armen Klassen, für welche Brot und Mehl die Hauptnahrungsmittel
bilden, umso schwerer zu ertragen sind, als der für Nahrungsmittel
aufzuwendende Teil des Einkommens im Verhältnis zu den übrigen
Ausgaben außerordentlich hoch ist. Der Zweck der Produktionsvermehrung
wurde nicht erreicht, lediglich eine Erhöhung des Einkommens
aus der Getreideproduktion." Das also sagt Herr Pantz, der
die Verhältnisse gewiß genau kennen mußte. Wir
könnten an der Hand anderer Ziffern noch auf die Frage näher
eingehen: ich möchte nur darauf hinweisen, daß z. B.
im Jahre 1880 auf 100 Einwohner in Böhmen, Mähren und
Schlesien 34.56% Rinder kamen, im Jahre 1920 aber nur 30.41%.
Und so geht es weiter.
Die unheilvollen Wirkungen für die Landwirtschaft
durch die Getreidezölle sind unter anderem darin zu suchen,
daß der Grund und Boden künstlich verteuert wird, Freilich
für den Besitzer, der verkaufen will und der spekuliert,
ist es ein Vorteil. Aber die Landwirtschaft soll ja kein Handelsgeschäft
sein, sie soll für alle Menschen die Nahrung in ausgiebiger
Weise hervorbringen. Das wird aber dadurch verhibdert, daß
man eben im kapitalistischen System den Grund und Boden zu Spekulationsobjekten
macht. Und wer profitiert am meisten bei dieser Spekulation? Natürlich
der Großagrarier! Ich möchte in der Beziehung auf ein
Beispiel hinweisen. Im Jahre 1912 hat die Gräfin Olga Zedtwitz
bei Pilsen ein Gut um 2 Millionen Kronen gekauft und es einige
Jahre später um 3 Millionen verkauft, dabei also 50% gewonnen.
Daß durch die erhöhten Preisen auch die Verzinsung
steigt, daß sich der komm ende Erwerber vor neuen erhöhten
Lasten sieht, die er nicht bewältigen kann, daß dadurch
die Forderung entsteht, die Zölle zu erhöhen, um die
Einnahmen künstlich zu erhöhen, das sei nur so nebenbei
gesagt. Hohe Wertsteigerungen der landwirtschaftlichen Grundstücke
reizen stets zu Verkäufen. Das ist auch statistisch nachgewiesen.
So stieg vom Jahre 1897 bis zum Jahre 1912 der Wert der Liegenschaften
um nicht weniger als um 212% und der Wechsel der Wirtschaften
vermehrte sich infolgedessen um 18%. So schaut das verhängnisvolle
System aus, das durch die Agrarzölle inauguriert wurde. Wenn
Herr Böhm und andere darauf hinweisen, daß eine
Disparität der Preise besteht, daß die Geldentwertung
das Siebenfache ausmacht, dann möchte ich in aller Bescheidenheit
bemerken, daß auch die Preise für Lebensmittel das
siebenfache und mehr ausmachen. Brotmehl kostete im Jahre
1914 30 Heller, im Jahre 1926 2.15 Kè, Kochmehl ist von
46 Heller im Jahre 1914 auf 3.60 Kronen im Jahre 1926 gestiegen,
Rindfleisch von 2.02 Kronen auf über 14 bis 16 Kronen, Schweinefleisch
von 2.30 Kronen auf 17 bis 20 Kronen, Schweinefett
von 1.80 Kronen auf 16 und mehr Kronen, Zucker von 80 Heller auf
5.20 Kronen. Wir sehen also eine 7- bis 8fache Erhöhung der
Preise gegen die Vorkriegszeit. Aber die Herren haben noch immer
nicht genug! Was die Disparität der Industriepreise anlangt,
so steht fest, daß die Preisschere immer enger wird, daß
die Industrie immer mehr in der Lage ist, den Landwirten zu angemessenen
Preisen zu bieten, was sie brauchen. Ich möchte noch hinweisen
auf das Wort des Ritters von Pantz, der etwas betont hat, was
auch auf die heutige Zollpolitik der Mehrheit zutrifft: "Wir
betreiben eine Preispolitik, aber keine Produktionspolitik."
"Diese Politik" - so sagt Pantz - "können
wir unmöglich nach dem Krieg aufrechterhalten, ohne wirtschaftlich
zu verfallen." Und an einer anderen Stelle erklärt er:
"Die Sorge für die Konsumenten wird in Zukunft an Bedeutung
gewinnen" - und "die Organisation der Volksernährung
eine Aufgabe der Regierung bildet." Wo ist aber die Regierung,
die bei uns diese Aufgabe erfüllen soll oder erfüllen
könnte? Ich erkläre dezidiert, daß wir Sozialdemokraten
gerne bereit sind, den wirklichen Interessen der Landwirtschaft
entgegenzukommen und sie zu fördern, wenn wir sehen, daß
der Nutzen davon wirklich der Allgemeinheit zugute kommt. Das
wichtigste Problem ist die Verbilligung der Produktion, vor allem
vom Grund und Boden, die Beistellung billiger Geräte, guten
Saatgutes usw. Gerade die Zollpolitik verteuert Grund und Boden,
erhöht die Zinsenlast, gibt Anreiz zur Spekulation, läßt
einen starken Wechsel der Wirtschaften herbeiführen und belastet
die kommenden Erben. Pantz stellte weiter fest, daß sich
die Lage der Bauern infolge der Agrarzölle im alten Österreich
sichtlich verschlechtert hat, und daß das seinerzeit vom
österreichischen Ackerbauministerium gesammelte Material
in dieser Richtung unterdrückt wurde, weil man die Öffentlichkeit
darüber nicht informieren wollte, daß die Hochschutzzollpolitik
den Landwirten nicht den geringsten Erfolg brachte und die ungeheuern
Opfer der Konsumenten deshalb umsonst gebracht waren.
Wie auch führende Landbündler, so
Abgeordneter Windirsch und Sekretär Karl Haas zugeben,
ist das Hauptinteresse der deutschen Kleinlandwirte die Viehzucht.
Das ist durch die Statistik bestätigt, welche ein erhebliches
Ansteigen der Ziegen- und Schweinezuchtbestände in den letzten
Jahrzehnten ausweist, während die Zucht von Großvieh
zurückblieb. Diese Tatsache zwingt uns zur Erkenntnis, daß
im Interesse der übergroßen Mehrzahl der kleinen Landwirte
der Aufhebung der Zölle für Futtergetreide das Wort
gesprochen werden muß. Es ist kennzeichnend, daß über
diese Frage Landbündler und Christlichsoziale wie das Gralschweigen.
Schon längst haben bedeutende Volkswirtschaftler, wie z.
B. Dr. Hainisch, heute Staatspräsident von Österreich,
und Ritter von Pantz, auf die Notwendigkeit der Einführung
des Getreidemonopoles hingewiesen. Billige Futtermittel und ein
Getreideeinfuhronopol wären die wichtigsten Vorbedingungen
einer gesunden Agrarpolitik, daneben selbstverständlich eine
Herabsetzung der Steuerlasten. Zum Kapitel Belastung der
Landwirtschaft gehören auch die Industriezölle, deren
Abbau wir erstreben. Die Arbeiterklasse ist gerne bereit - ich
erinnere an den in den letzten Tagen stattgefundenen Kongreß
der èechischen Gewerkschaften in Prag, der sich
ausdrücklich gegen die der Landwirtschaft schädlichen
Industriezölle gewendet hat, sowie an den Genossenschaftstag
in Karlsbad - den berechtigten Wünschen der Landwirtschaft
entgegenzukommen. Von unserer Seite sehen Sie also die Bereitwilligkeit
der Landwirtschaft zu helfen, aber die Zollfreunde gehen über
das notwendige Ausmaß weit hinaus, sie geben dem Staat unendlich
viele Millionen, was überflüßig wäre, wenn
das Getreideeinfuhrmonopol verwirklicht werden könnte.
Ich komme zum Schluß. Nach Pantz, der
einer der Wortführer der Agrarpolitik im österreichischen
Parlament war, muß die Landwirtschaftspolitik im Sinne einer
einheitlichen, das ganze Volk fürsorglich umfassenden Volkswirtschaftspolitik
mit den Wirtschaftserfordernissen der übrigen produzierenden
Stände und der Konsumenten in harmonischen Einklang gebracht
und damit die gedeihliche Entwicklung unserer Volkswirtschaft
für die Zukunft gesichert werden. Dies ist möglich,
sagt Pantz, es muß nur ernsthaft angestrebt und gewollt
werden. Bei dem in Verhandlung stehenden Zollantrag ist aber von
einer Rücksichtnahme auf die anderen Schichten der Bevölkerung,
von der Notwendigkeit des Schutzes anderer Produktionskreise absolut
keine Rede. Die Zollvorlage ist diktiert von der nacktesten Profitgier
einer kleinen Hand voll kapitalistischer Interessenten, Agrarier,
Industriellen im Bunde mit den Klerikalen, um neue Milliarden
aus dem Volke herauszupressen. Wir betrachten das als den Anfang
einer Periode der Reaktion nicht nur auf dem Gebiete der Volkswirtschaft,
sondern auch auf geistigem und kulturellem Gebiete. Dem Kampf
unserer geschworenen Feinde setzen wir darum das Streben nach
sozialem Fortschrift entgegen, nach dem Aufstieg der breiten Massen,
nach der Beseitigung des herrschenden Systems und nach Errichtung
einer neuen Gesellschaftsordnung im Sinne des Sozialismus. Meine
Herren von der Gegenseite! Wir werden uns finden, wir werden draußen
kämpfen, wir sehen uns bei Philippi wieder. (Potlesk
nìm. soc. demokratických poslancù.)
Meine Damen und Herren! Die Stellungnahme unserer
Partei zum vorliegenden Zollantrag hat, wie ich gestern bei der
Rede des Kollegen Matzner festzustellen Gelegenheit hatte,
bei den Parteien, sowohl links wie rechts, einiges Befremden hervorgerufen,
was sich in erregten Zwischenrufen Luft machte. Das zwingt uns,
noch einmal zu demselben Gegenstand Stellung zu nehmen und unsere
politische Haltung ausführlich und eingehend zu begründen,
damit jedermann klar und deutlich erkenne, daß wir vom Standpunkt
unserer Partei und damit auch des deutschen Volkes aus gar keine
andere Haltung einnehmen konnten, als die ist, die wir einnehmen.
Ich habe mich pro eintragen lassen, weil, wie Kollege Matzner
gestern und Senator Brunar seinerzeit im Senat nachgewiesen
und dargetan haben, die deutsche Nationalpartei die Berechtigung
des Schutzes der landwirtschaftlichen Produktion anerkannt hat,
wenn sie auch aus politischen Gründen heute gezwungen ist,
im vorliegenden Falle ihre Stimmen gegen die Vorlage abzugeben.
Die deutsche Nationalpartei als wahre Volkspartei hat die Interessen
aller Stände wahrzunehmen und ist daher in Verfolg ihres
Programmes in gleicher Weise für die berechtigten Forderungen
des Gewerbes, des Kaufmannsstandes, der Industrie, der Beamtenschaft
wie auch der Arbeiter jederzeit eingetreten. Sie muß in
konsequenter Weise daher auch für die berechtigten Forderungen
der Landwirtschaft eintreten und den landwirtschaftlichen Produzenten
jenen Schutz angedeihen lassen, den sie unbedingt zum Leben brauchen.
Das ist nicht eine Forderung, die wir vielleicht erst heute erheben,
das ist niedergelegt in unserem Parteiprogramm, das geht auf Erklärungen
der Partei seit Jahren zurück.
Wir sind zu dieser Ansicht auch aus nationalen Beweggründen
gekommen, weil wir wissen, daß der Bauer die festeste Säule
unseres Volkstums darstellt, daß er der Èechisierung,
fußend auf seinem Boden, am besten Widerstand leisten kann
und daß es daher eine nationale Aufgabe
ist, ihn auf seinem Grund und Boden, den er mit seinem Schweiße
gedüngt hat, zu erhalten. Wenn wir trotzdem unsere Stimme
gegen die Vorlage abgeben, so ist unsere Opposition eine vollkommen
verschiedene gegenüber jener der èechischen
und deutschen sozialistischen Parteien und gegenüber jener
der Kommunisten, weil wir eben die Vorlage nicht als eine wirtschaftliche
Angelegenheit betrachten, sondern als eine politische von eminentester
Bedeutung, und wir verstehen nicht, wie der
Deutsche Verband seinerzeit erklären konnte, und zwar einmütig,
also auch mit den Stimmen der deutschen Nationalsozialisten, daß
die Zollvorlage mit Rücksicht auf ihren vorwiegend wirtschaftlichen
Charakter nicht als eine Verbandsache bezeichnet werden kann.
Jedermann wird erkannt haben - und der Verlauf der bisherigen
Debatte hat das vollkommen bestätigt - daß wir es hier,
wie ich einleitend gesagt habe, mit einer nationalpolitischen
Angelegenheit zu tun haben. Wir finden uns in dieser Auffassung
auf der gleichen Linie mit den Vertretern anderer Parteien. Ich
erwähne nur, daß im christlichsozialen "Landboten"
in Krummau am 6. Mai über die Getreidezölle ein Aufsatz
erschienen ist, worin es unter anderem heißt: "Etwas
anderes aber ist es, wenn durch die deutschen Stimmen nicht eben
nur dem Bauer geholfen, sondern das jetzige Regierungssystem gerettet
werden soll, wenn nicht die wirtschaftliche, sondern die politische
Seite dieser Frage ausschlaggebend ist. Dazu dürfen sich
deutsche Stimmen nicht hergeben. Denn mehr als unter dem mangelnden
Zollschutz leidet der Bauer wie das ganze deutsche Volk unter
dem herrschenden System, das durch seine verfehlte Wirtschaftspolitik
alle Kreise verelenden läßt, das alle Deutschen ständig
mehr und mehr enteignet und dessen Unterdrückungsmaßnahmen
heute den Hauptteil des nationalen und wirtschaftlichen Notstandes
unseres Volkes ausmachen. In diesem Falle ist der Bauernstand
ein Teil des Volkes, dessen Interessen vor dem der einzelnen Stände
stehen. Dem deutschen Bauer wird ein größerer
Dienst erwiesen, wenn es uns gelingt, das herrschende System zu
stürzen, als wenn wir den Zersetzungsprozeß der èechischen
Politik durch Eintreten für eine Regierungsvorlage aufhalten.
Wenn ohne deutsche Hilfe die Regierung nicht bestehen kann,
so wendet man sich an sie. Die Deutschen können aber nur
für eine Regierung stimmen, an der sie Anteil haben. Der
Regierung aber ohne Gegenleistungen durch eine Abstimmung aus
dieser Verlegenheit zu helfen, um sich dann mit einem Fußtritte
wieder heimschicken zu lassen, hieße, die Interessen des
Volkes nicht vertreten, sondern sie verraten."
In gleicher Weise schildert dann die "Deutsche
Presse" vom 27. April die Sachlage, indem sie schreibt: "Was
ist für uns besser? Mit uns die drei Gesetze, oder ohne uns
der Fall des Systems? Das letztere. Wirtschaftlich verlangen wir
wohl ebenso dringend den einen, wie den anderen und den dritten
Punkt. National aber müssen wir erkennen, daß diese
Punkte zum Grabstein der Koalition werden können und zur
Plattform, auf der ein neues Leben in diesem Staate beginnen
kann. Wer hat dann noch den Mut, nicht für das letztere zu
sein? Vermag die èechische Koalition die Fragen nicht allein
zu erledigen, dann dürfen wir deutsche Stimmen nicht zu ihrer
Rettung, zur Rettung der èechischen
Regierung gebrauchen lassen." Und weiter: "Die deutschen
Stimmen sind nicht zur Rettung der Koalition zu haben, nicht für
ein freundliches Lächeln oder einen Händedruck - sondern
nur gegen Teilnahme an der Macht in dem uns gebührenden Maße.
Was eine èechische Regierung Èerný
nicht vermag, soll nur eine gemischtnationale Regierung vollbringen."
In gleicher Weise äußert sich die
"Volkspost", wo Dr. Fritz Keiner ausdrücklich feststellt,
daß nur die größeren Grundbesitzer von den Getreidezöllen
profitieren werden, und zu dem Schlusse kommt: "Gibt man
heute der Beamtenregierung die Möglichkeit, jene ungelösten
Fragen lösen zu können, dann wird dadurch nur der Wiederkehr
jener abgetretenen Koalitionsregierung der Weg bereitet."
Die "Deutsche Presse", das Hauptorgan
der deutschen christlich-sozialen Volkspartei, faßte ihr
Urteil seinerzeit in einem Aufsatz zusammen, in dem es hieß:
"Wir sind überzeugt, daß die deutsche christlich-soziale
Volkspartei die Frage der Agrarzölle so wertet, wie sie heute
gewertet werden muß, nämlich nicht nur als wirtschaftliche,
sondern auch als eine hervorragend politische Angelegenheit."
Und einige Tage später zum gleichen Gegenstande: "Ohne
grundsätzliche autonome Zugeständnisse für das
sudetendeutsche Volk darf keine sudetendeutsche Partei ihre oppositionelle
Haltung aufgeben, wenn wir nicht die Erfüllung unserer grundsätzlichen
Forderungen auf ewige Zeiten vertragen wollen."
Ich glaube damit genügend dargetan zu
haben, daß die Auffassungen aller deutschen Parteien von
Haus aus dahin gerichtet waren, daß wir es bei der Zollvorlage
mit einer nationalpolitischen Vorlage zu tun haben. Später
allerdings hat sich diese klare Stellungnahme etwas verschoben,
als der Kuhhandel begann, bei dem man einzelnen Parteien einzelne
Zugeständnisse machte, die sie vom Standpunkt ihrer Partei
brauchen, de einen die Kongrua versprach, den andern dies und
das, mit einem Worte jede Partei bekam etwas. Heute aber macht
man uns gerade von dieser Seite her den schweren Vorwurf, daß
unsere Haltung unverständlich ist, uns, die wir von Haus
aus immer dasselbe vertreten haben. Man geht hinaus, um in unserer
Wählerschaft gegen uns Stimmung zu machen, und erzählt
den Bauern, daß wir von Haus aus gegen Getreidezölle
sind, wie dies Abg. Hodina in Bärn getan hat. In dem
Bericht darüber heißt es: "Besondere Empörung
herrschte darüber, daß die deutsche Nationalpartei
gegen die landwirtschaftlichen Schutzzölle stimmt, obwohl
in allen ihren Tagungen immer behauptet wurde, daß sie ebenfalls
gewillt ist, für das Wohl der Landwirtschaft einzutreten.
Jetzt aber wird es ersichtlich, daß all diese schönen
Worte nur Demagogie waren und die wenigen Bauernanhänger
der Nationalpartei werden wohl nun darauf kommen, daß sie
schon Jahre hindurch an der Nase herumgeführt worden sind."
Meine sehr geehrten Herren, ich überlasse
es Ihnen, sich selbst Ihr Urteil über die Demagogie, wie
sie in diesen Äußerungen zum Ausdruck kommt, zu bilden.
Unsere Stellungnahme wird dadurch nicht beeinflußt. Sie
können reden und schreiben, was Sie wollen: Die deutsche
Nationalpartei läßt sich bei Behandlung dieser Frage
nicht von irgenwelchen Parteirücksichten leiten. Sie betreibt
keine Politik von der Nasenspitze bis zum nächsten Kirchturm,
keine Politik, die diktiert ist von Standesinteressen, von den
Interessen der eigenen Tasche oder eines kleinen wirtschaftlichen
Vorteils. Sie ist bei Verfolg ihres Zieles lediglich geleitet
vom Standpunkte der Volksliebe und des Volksganzen. Wir wissen
und geben auch der Erwartung Ausdruck, daß unsere Anhängerschaft
diese unsere Stellungnahme verstehen wird, und daß es nicht
gelingen wird, politisch aufgeklärte Bauern in ihrer Treue
zu unserer Partei wankend zu machen. Die Zukunft wird lehren,
daß unsere Haltung die einzig richtige gewesen ist.
Nun rächt sich auch, daß seitens
dieser Parteien immer und immer wieder die Standesinteressen in
den Vordergrund gestellt wurden und daß damit ihre Anhängerschaft
durchaus materialisiert worden ist. Nun rächt sich das vollkommen
unrichtige Schlagwort, das in ihren Versammlungen immer gebraucht
wurde und noch wird, daß "wir zuerst trachten müssen,
wirtschaftlich stark zu werden, dann werden wir auch politisch
stark werden". Das Gegenteil davon ist richtig und wir haben
immer und immer wieder behauptet, daß die beiden Begriffe
nicht auseinander zu halten sind und daß wir heute deshalb
wirtschaftlich schwach sind und darniederliegen, weil wir keine
politische Macht haben und daß wir daher erst trachten müssen,
auch ein politischer Faktor in diesem Staate zu werden. Bisher
waren wir das Aschenbrödel, bisher waren wir eine Null, über
die man zur Tagesordnung hinweggegangen ist. Sechs Jahre Tätigkeit
in diesem Hause liegen hinter uns. Sie wissen, daß viele
von uns mit großen Hoffnungen in dieses Haus eingezogen
sind, bereit zur Mitarbeit. Unzählige Anträge wurden
eingebracht, Verbesserungsanträge, sie wurden alle entweder
in dem Initiativausschuß begraben oder wenn sie bis in das
Haus kamen, hier nicht behandelt. Interpellationen wurden zu Hunderten
eingebracht, die sich mit den vielfachen Übergriffen und
sonstigen Unregelmäßigkeiten im Staate beschäftigten.
Diese Interpellationen wurden entweder gar nicht beantwortet,
auch solche Fälle können wir nachweisen, oder sie wurden
ausweichend in einer Weise beantwortet, daß der beantwortende
Minister den Fragesteller noch direkt verhöhnte. Es liegen
uns viele derartige Fälle vor, daß man uns auch dieses
kümmerliche Recht der Fragestellung noch weitgehend verkümmert,
bezw. zu einer Farce gemacht hat. Trotz unseres Widerstandes,
trotz unseres Stimmenaufgebotes und unseres Kampfes war es nicht
möglich, schwere Anschläge gegen unser deutsches Volk
hier zu verhindern. Ich erinnere an die Schuldrosselungen, an
die Wälderverstaatlichung, an die Bodenreform, an die Kriegsanleiheeinlösung,
an die Verstaatlichung der Eisenbahnen, wie z. B. der A. T. E.
Das kommt daher, daß wir einer allnationalen Koalition gegenüberstanden,
die sich von den internationalen Sozialdemokraten bis zu den Kramáø
leuten, den Nationaldemokraten, erstreckte, die in vollständiger
völkischer Geschlossenheit einig war in dem Gedanken, das
deutsche Volk zu knebeln, das deutsche Gebiet so rasch als möglich
zu èechisieren, um den èechischen Nationalstaat
aufzurichten. Diesem Zwecke diente die Geschäftsordnung,
brutal in ihrer Art, ein Hohn, eine Farce auf den Begriff der
Demokratie, zu diesem Zwecke wurden alle Anträge, die einmal
in der Koalition durchgearbeitet worden waren, ohne Zuziehung
der anderen Oppositionsparteien hier im raschen Tempo durchgepeitscht,
in Tag- und Nachtsitzungen, und jeder Antrag, der dazu eingebracht
wurde, wurde restlos niedergestimmt. Nicht einmal beim Staatsvoranschlag
jedes Jahr wurde uns die Möglichkeit gegeben, zu den einzelnen
Bestimmungen und Posten dieses Voranschlages Stellung zu nehmen.
Alle unsere Anträge wurden niedergetrampelt, wir haben das
bitter empfinden müssen, wir haben uns dagegen gewehrt und
haben getobt, es nützte nichts, denn letzten Endes erschien
die Parlamentswache und wir wurden hinausbefördert. Alle
deutschen Parteien waren einig in dem Gedanken, daß diese
brutale Geschäftsordnung in erster Linie beseitigt werden
muß. Um so schmerzlicher müssen wir es empfinden, daß
sich heute deutsche Parteien dazu hergeben, sich dieser Geschäftsordnung
selbst zu bedienen, daß sie sich die alten Praktiken der
Koalitionsregierung zu eigen machen, damit die Zollvorlage in
dem gleichen Tempo, in forcierten Tag- und Nachtsitzungen durchgepeitscht
wird, daß wie früher die Redezeit beschränkt
wird und daß keinerlei Verbesserungsanträgen, die dazu
wahrlich ziemlich zahlreich einzubringen gewesen wären, stattgegeben
wird. So wie die Vorlage ausgearbeitet wurde von den èechischen
Parteien, von den èechischen Agrariern, den Nationaldemokraten
und der Lidová strana, so und nicht anders, muß sie
angenommen worden. Selbst der vernünftige Antrag der Opposition,
die Minister und die Fachreferenten vorzuladen und ihre Stellungnahme
zur Vorlage kennen zu lernen, wurde niedergestimmt. Es wurde der
Regierung Èerný sehr leicht gemacht,
sich um die Verantwortlichkeit herumzudrücken, denn in Wirklichkeit
haben wir es mit einer Vorlage der Parteien und nicht der Regierung
zu tun, aber nicht aller sogenannten Zollparteien, sondern es
ist nur eine Vorlage der èechischen
Zollparteien, weil selbst die deutschen Parteien, die für
diese Vorlage stimmen, nicht einmal um ihre Meinung geliört
wurden, hinter ihrem Rücken wurde die Vorlage ausgekocht,
sie waren daher auch nicht in der Lage, ihre deutschen Wünsche
in die Vorlage hineinzubringen, sie hatten keine Möglichkeit,
die Wünsche der deutschen Landwirtschaft entsprechend zum
Ausdruck zu bringen.