Ètvrtek 6. kvìtna 1926

Wir deutschen Sozialdemokraten begrüssen diese Entwicklung, welche die wirtschaftlichen Interessen zum Mittelpunkt der Politik macht. Freilich, die Herren Christlichsozialen und die Herren Landbündler die heute mit am Regierungsstrange ziehen, dürfen es wohl kaum mehr wagen, draußen im Lande vom Selbstbestimmungsrecht und ähnlichen Dingen zu reden. Herr Windirsch hat das Zusammenwirken der deutschen und èechischen Agrarier als eine Selbstverständlichkeit erklärt. Wir haben wirklich nichts dagegen einzuwenden. Er hat die Arbeitslosenunterstützung, die Sozialversicherung u. s. w. in eine Parallele mit den Zöllen gestellt. Das paßt wie die Faust aufs Auge. Bei den Agrarzöllen handelt es sich darum, die èechische Regierung aus einer großen Verlegenheit zu bringen. Wirtschaftlich bedeuten die Zölle einen Extraprofit für eine kleine Minderheit der gesamten Bevölkerung. Bei der Sozialreform ist es doch ganz umgekehrt. Hier zählen die Interessenten einige Millionen, bei der Sozialversicherung für die Arbeiter 21/2 Millionen, bei den Selbständigen fünf Viertel Millionen. Da kann man wohl auch sagen: Ja Bauer, das ist wieder etwas ganz anderes!

Sachliche Gesichtspunkte verlangt der gewesene Handelsminister Dvoøáèek und andere Faktoren, wie der genannte handelspolitische Ausschuß der Handelskammernzentrale. Gut! Die einzig richtige Behauptung der Agrarier in Bezug auf die Zollpolitik ist die, daß zwischen Agrar- und Industriezöllen eine große Spannung besteht. Das löst die Frage der Schutzzölle überhaupt aus. Kein Volkswirtschaftler wird sich der Notwendigkeit entziehen, unter ganz besonderen Umständen ausnahmsweise sogenannte Erziehungszölle zuzulassen. Was wir Sozialdemokraten jedoch strikt ablehnen, ablehnen müssen, sind Hochschutzzölle, die offenkundig Profitzwecken dienen, gleichviel welcher Produktionsgruppe immer sie nützen sollen. Die agrarische Behauptung, wir seien einseitig zugunsten der Industrie eingestellt, wie es auch der Herr Sen. Luksch gesagt hat, ist total falsch. Ich erinnere an den vom 30. September bis 4. Oktober 1907 in Wien abgehaltenen Parteitag der österreichischen Sozialdemokratie, der angesichts der wachsenden Teuerung - das Mehl war in einem Jahre von 24 auf 34 K gestiegen - nicht nur die Agrarzölle ablehnte, sondern auch die Aufhebung der Eisenzölle und die Verstaatlichung der Kohlengrube forderte. In jener Zeit hatte die Prager Eisenindustrie-Gesellschaft 421/2% Dividende ausgeschüttet. Heute sind es wahrscheinlich auch nicht viel weniger. Ich möchte noch hinweisen auf das Buch von Karl Kautsky: "Handelspolitik und Sozialdemokratie." Auf Seite 70 schreibt er: "Wer ruft "Fort mit den Getreidezöllen!" darf nicht zurückschrecken vor dem Rufe "Fort mit den Eisenzöllen!" Die Beschränkung des Kampfes auf ein einzelnes Stück des Schutzsystems sei praktisch ebenso unzu. reichend, wie theoretisch ungerechtfertigt.

Unsere Haltung ist also vollkommen korrekt. Wie wir ablehnen, daß die Betriebsmittel des Landsmanns künstlich durch Eisenzölle u. s. w. verteuert werden, lehnen wir auch die künstliche Verteuerung der Lebensmittel zugunsten einer wirklich nur kleinen Anzahl kapitalistischer Interessenten ab. In der "Zemìdìlská jednota" macht Ing. Knespel der èechoslovakischen Industrie den Vorwurf, daß sie billig auf Koste der Landwirtschaft produzieren wolle, statt an eine bessere Betriebsorganisation und Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Arbeiter zu denken. Dem gegenüber muß doch gesagt werden, daß die Industrie in der Èechoslovakei die Hauptstütze der Volkswirtschaft ist, daß die große Mehrheit der Bevölkerung in der Industrie, im Handel und Gewerbe sowie in den freien Berufen tätig ist und daß kaum ein Drittel der Bevölkerung der Land- und Forstwirtschaft angehört. Die Zahl der in Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten sinkt ständig. Industrie und Landwirtschaft müssen einander ergänzen. Das ist selbstverständlich. Aber auch für die Landwirtschaft besteht der Zwang billiger Erzeugung und Erhöhung der Betriebsorganisation, allerdings nicht auf Kosten der Land- und Forstarbeiter. Das Problem lautet aber nicht auf Erhöhung der Einnahmen durch mehr als zweifelhafte, dabei vorübergehende Mittel, sondern durch Herabsetzung der Produktionskosten. Auch der frühere Landwirtschaftsminister Dr Hodža hat einmal darauf hingewiesen, daß man für den Freihandel eintreten kann in dem Sinne, daß auch die Industriezölle fallen, welche die Landwirtschaft belasten, und daß infolge des geringeren Druckes auf die Landwirtschaft eine billigere Produktion möglich wäre. Das ist der zweite Weg, der aber leider nicht gegangen wird. Die falsche Politik der Agrarier steigerte künstlich den Grundwert, erhöhte infolgedessen die Lasten und Zinsen, erschwerte damit die Produktion. Dazu kommen die drückenden Steuern und Abgaben. Wer die Landwirtschaft emporbringen will, muß in erster Reihe den Militarismus, die Kartelle, das Leihkapital und den Zwischenhandel bekämpfen. Das alles tun die èechischen Agrarier und ihre Knappen nicht. Auf die schädliche Bedeutung des Zwischenhandels hat Herr Koll. Patzel bereits ausreichend hingewiesen. Erfahrungsgemäß hat die agrarische Zollpolitik der Landwirtschaft nichts genützt. In der Zeit von 1878 bis 1899 nahm in Böhmen die Neubelastung durch exekutive Intabulationen um 192 Millionen Kronen zu, obwohl in dieser Zeit die Zölle um das fünffache gestiegen waren. Von 1900 bis 1910 nahm die Rinderzahl in Österreich um 3.74% ab, was Professor Dr. Rauchberg mit Recht als einen Bankerott der Landwirtschaft bezeichnet. Trotz der Schutzzölle gab es 1911 in Österreich nicht weniger als 77.000 verseuchte Gehöfte.

In völliger Übereinstimmung mit den unvoreingenommenen Vertretern der Wissenschaft, die sich gleich uns für den internationalen Zollabbau aussprachen - ich erinnere da an Sehring und andere - aber auch in Übereinstimmung mit Männern der Praxis können wir sagen, daß die Schutzzölle kein Heilmittel für die Landwirtschaft sind und nicht sein können. In England hat der Kampf um den Kornzoll jahrzehtelang gedauert. Erst 1842 war der Glaube an die alleinseligmachenden Kornzölle verschwunden. Als 1846 die Kornzölle abgeschafft wurden, gab es in Großbritannien fast keine Bauern mehr, Selbst zugegeben, daß der gegenwärtige Besitzer eines Grundstückes durch Agrarzölle gewinnt, der Nachfolger, der den verteuerten Grund übernehmen muß, steht genau dort, wo sein Vorgänger vor Schaffung der preistreibenden Zölle stand. (Odpor.) Das Gut hat wohl einen höheren Wert, das Getreide hat einen höheren Preis, aber die Zinsenlast ist auch größer, und den Vorteil hat der Gläubiger. Das sagt, um den Autor dieser Behauptung zu nennen, Kollege Wollschack, der in einer Schrift vor mehr als 20 Jahren unter dem Namen Teifen dies bewiesen hat.

Ein reichsdeutscher Volkswirtschaftler Aereboe schrieb, das künstlich durch Agrarzölle hervorgerufene Gedeihen der Landwirtschaft bzw. eines Bruchteiles derselben wirke so wie die Stimulation durch ein Opium oder durch starke Getränke, aufregend für einen Augenblick, aber schwächend für die Lebenszeit und es wird mit Recht darauf hingewiesen, daß immer wieder Neuforderungen auf Erhöhung der Zölle eintreten müssen, wenn das so weiter geht. Es ist also eine Schraube ohne Ende.

Wogegen wir uns mit aller Leidenschaft wenden müssen, ist der ganz unverschämte Mißbrauch der Kleinlandwirte und Häusler von Seiten der Agrarier. Wir verlangen detaillierte Untersuchung der ganzen Zollfrage, so wie es der ehemalige Handelsminister Dvoøáèek verlangt. Wir können uns nicht mit den Pauschalbehauptungen begnügen, wie es auch der Abgeordnete Windirsch vorgebracht hat, mit denen die Agrarier operieren. Kommen denn die Herren mit klaren und einwandfreien Zahlen? Sie sagen bloß: Dem Bauer geht es schlecht! Welchem Bauern, dem großen, dem mittleren, oder dem kleinen Bauern, dem Hopfen-, dem Kartoffel-, oder dem Weinbauern? (Výkøiky: Allen Bauern!) Wie steht es mit dem Kreis der Zollinteressen? Hier gibt die Statistik einen gewissen Anhalt. Wir haben in Böhmen, Mähren und Schlesien nach einer älteren Statistik, ich glaube aus dem Jahre 1920 1,483.000 Besitzer von Grund und Boden. Nur darf man nicht glauben, daß das lauter Bauern sind. Der Großteil davon, nämlich 1,226.000 sind Kleinlandwirte, die im Durchschnitt mehr als einen Hektar ihr eigen nennen, und wenn man sagt, daß die Grenze für das Interesse an Agrarzöllen erst bei 5 Hektar beginnt, dann muß man zugeben, daß der allergrößte Teil, der erdrückende Teil der Landwirtschaft, der wirklichen Besitzer von Grund und Boden, absolut kein Interesse an Agrarzöllen haben kann. Von den Hopfenbauern, den Zuckerrübenbauern, den Kartoffelbauern will ich gar nicht reden. Ein Teil der Landwirte rechnet ja mit der Ausfuhr. Ich erinnere an die Interessen der Hopfenbauern, die sicherlich nicht sehr erbaut sind, wenn in England oder Deutschland oder anderswo Einfuhrzölle auf böhmischen Hopfen eingeführte werden sollten. Man kann wohl sagen, daß höchstens 17% aller Besitzer von Grund und Boden an Agrarzöllen interessiert sind, aber da muß man auch wieder untersuchen, in welchem Maße. Unser Parteifreund Dr. Renner, der spätere Kanzler von Österreich, hat ausgeführt, daß in Wirklichkeit nur 5% aller Besitzer einen großen Nutzen von den Agrarzöllen haben, insbesondere von den Getreidezöllen. 20% haben einen geringen, einen zweifelhaften Nutzen und 75% der kleinen Landwirte und Häusler haben einen effektiven Schaden. So liegen die Dinge hier ähnlich. Vor der erdrückenden Zahl der Bevölkerung der Republik überhaupt schweigt des agrarischen Sängers Höflichkeit. Ob es nun 80 oder 90% der Konsumenten sind, die durch die Agrarzölle leiden, davon wird nicht gesprochen. Ganz offenbar treiben die Agrarier in der Zollfrage ein aufgelegtes Doppelspiel, wobei die kleinen Landwirte zu Gunsten der Großagrarier die Leidtragenden sind.

Die schwierige Situation in der Zollfrage geben auch Leute zu, die ich höher schätze als gewisse Kollegen, die sich so enragiert für die Agrarzölle einsetzen. Ich möchte hinweisen auf das Werk vom Oberrat Andreas Meissner, von der deutschen Sektion des Böhmischen Landeskulturrates, "Agrarische Zollpolitik" wo er offen zugeben muß, daß durch die Erhöhung der Zölle auf die Landwirtschaft die Kleinlandwirte leiden. Er schreibt auf Seite 85: "Der Umstand, daß die Getreideschutzzölle eine gewisse Verteuerung des Getreides und der daraus gewonnenen Erzeugnisse (Mehl, Schrot, Kleie und dergleichen), im Inlande zur Folge haben und daß daher auch die inländischen Viehzüchter die von ihnen durch Kauf zu beschaffenden Mengen an Getreide, Mehl, Schrot, Kleie u. s. w. teuerer bezahlen müssen als ohne Bestand von Getreidezöllen, kann und soll nicht in Abrede gestellt werden. Ebenso ist es richtig, daß die Viehzölle für jene inländischen Landwirte, welche Vieh- oder Viehprodukte (Fleisch, Butter u. dgl.) für Haus und Wirtschaft kaufen müssen, eine gewisse Verteuerung dieser Bedarfsartikel, die aber wieder hinter der Zollhöhe in der Regel beträchtlich zurückbleiben wird, zur Folge haben. Die landwirtschaftlichen Interessenvertretungen", sagt Meissner, "befinden sich fast bezüglich aller Agrarzölle in der schwierigen Lage, daß sie bei ihren gegenständlichen Gutachten nicht allein die Interessen jener Landwirte, welche das betreffende Erzeugnis herstellen und hiefür einen Schutzzol benötigen, sondern auch die Interessen jener Landwirte, welche dieses Erzeugnis kaufen müssen und daher durch diesen Schutzzoll belastet werden, zu berücksichtigen haben."

Kollege Windirsch hat aber nicht bloß eine 6fache Erhöhung der Zölle verlangt, sondern er hat eine achtfache als notwendig hingestellt. Da möchte ich ein Wort von Meissner anführen. Er sagt: (Posl. dr Hanreich: Lesen Sie alles, lesen Sie die Tendenz des Buches!) Hören Sie das Ganze an, ich komme schon auf die Tendenz zu sprechen. Meissner sagt: "Die Agrarzölle dürfen also schon mit Rücksicht auf die verschiedenen Wirkungen, welche sie im Bereich der landwirtschaftlichen Interessensphäre selbst haben, je nachdem die Landwirte als Produzenten oder aber als Konsumenten im weitesten Sinne des Wortes in Betracht kommen, nie übermäßig hoch gehalten werden." Das mag sich Herr Kollege Windirch merken. Dann möchte ich darauf noch hinweisen, was Meissner, direkt an unsere Adresse gewendet, sagt, u. zwar Seite 89 und 90: "Die Gegner der Agrarzölle, zu welchen vielfach auch politische Führer der Kleinhäusler gehören, weisen darauf hin, daß die Kleinhäusler weder Viehzucht noch Getreidebau in einem derartigen Ausmaß betreiben können, daß sie nennenswerte Mengen zum Verkaufe bringen könnten. Für den Kleinhäusler sei es gar kein Vorteil, wenn die Kuh, die er im Stalle hat, einen hohen Geldwert repräsentiert, der höhere Wert könne von ihm doch nicht realisiert werden, wohl aber steigere er die Größe des Verlustes im Falle der Notschlachtung oder des Umstehens der Kuh. Für den Kleinhäusler sei die Hauptsache, daß die Kuh viel Milch gibt. An einem hohen Milchpreis habe er auch kein Interesse, da er ja die in seinem Stall gewonnene Milch für den eigenen Hausbedarf benötige und eventuell für eine vielköpfige Familie noch Milch zukaufen müsse. Desgleichen sei es für den Kleinhäusler nur erwünscht, daß die Getreidepreise möglichst niedrig sind, da ihm ja von seiner eigenen Getreidefechsung nicht nur nichts für den Verkauf übrig bleibe, sondern er Futtergetreide, Kleie und meist sogar auch Brotgetreide, bzw. Brot und Mehl kaufen müsse. Aus allen diesen Umständen wird der Schluß gezogen, daß die Kleinhäusler weder an Viehzöllen noch auch an Getreidezöllen ein aktives Interesse haben, sondern derlei Zölle als für sie nachteilig ablehnen müßten." Meissner sagt weiter: "Wie wohl die geschilderte wirtschaftliche Lage der Kleinhäusler unbestreitbar richtig ist, ist der darauf aufgebaute Schluß trotzdem nur ein Trugschluß." Was hat er uns, den Kleinhäuslern zu sagen, die gegen die Schutzzölle sind? Er sagt ihnen: Ohne den Agrarzoll gebe es keinen Zuchtstier mehr, ohne Zölle gebe es kein Saatgut mehr, die Landwirtschaft werde zugrunde gehen. Das ist wohl eine lächerliche Ausrede. Ich möchte eine andere Stimme zitieren, die den Herren Landbündlern gewiß bekannt ist. Der Hauptkassier des Bundes der Landwirte, Herr Ikert aus Kosel bei Böhm. Leipa, hat im Feber 1922 bei der zoll- und handelspolitischen Tagung in Teplitz wörtlich erklärt: "Ein großer Teil der kleinen Landwirte und Häusler hat nur wenig Interesse an hohen Getreidepreisen, weil er selbst noch Getreide kaufen muß. Im Prinzip stehen wir kleinen Landwirte auf dem Standpunkt des Freihandels."

Man redet den Kleinlandwirten ein, sie müßten aus Solidarität für die Interessen der anderen einstehen und den Schutzzoll vertreten. Hier appelliert man an die berühmte Dorfgemeinschaft, weil es um kapitalistische Interessen geht. Bei der Bodenreform, der Pächterfrage, der Frage des Gemeindegutes, der Steuerleistung, Verwaltung der Gemeinden, bei Fragen des sozialen Fortschrittes u. s. w., die von den reichen Bauern und Großgrundbesitzern Opfer erfordern würden, spürt man von der Dorfgemeinschaft verteufelt wenig. Wo es um lebenswichtige Fragen, um das wirkliche Interesse der kleinen Landwirte geht, wenden sich die Agrarier wütend dagegen. So in der Frage der Futtermittel. In diesem Punkte scheiden sich die Wege der beiden Interessentengruppen vollständig. Von der Einfuhr billiger Futtermittel wollen die Großagrarier, die selbst mehr erzeugen als sie brauchen, nichts wissen, die Kleinlandwirte aber müssen naturgemäß mit billigen Futtermitteln rechnen. Und wenn Kollege Windirsch die Glasschleifer des Isergebirges als Beispiel hingestellt hat, daß es der Landwirtschaft schlecht geht, so ist das darauf zurückzuführen, daß eben die Futtermittel zu teuer sind für jene, die zu wenig haben und sie kaufen müssen. Dort liegt der Hund begraben. Was hierzulande fehlt an Futtermitteln, sollte ohne Zoll und bei den geringsten Frachtsätzen aus dem Auslande eingeführt werden können. Wir haben diesen vernünftigen Standpunkt zugunsten der Kleinlandwirte schon immer vertreten. Anders die Agrarier: Die Herren, die heute èechische und deutsche Agrarpolitik machen, folgen den Spuren Hohenblums. Ich möchte dabei über die Agrarpolitik Hohenblums etwas sagen: In Bezug auf den im Herbst 1910 im österreichischen Abgeordnetenhaus angenommenen Antrag auf Herabsetzung der Futtermittelzölle schrieb damals das Hohenblumsche "Österreichische agrarische Handbuch 1911": "Diese Betrebungen wären geeignet, einen Keil in die Interessensolidarität der Landwirte zu treiben. Denn die Agrarzölle beruhen auf einem Kompromiß zwischen den Interessen der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionszweige, es ist nur solange möglich, den von ihnen geforderten Schutz aufrecht zu erhalten, als die Grundlage, auf welcher sich dieser aufbaut, nämlich das gegenseitige Einvernehmen, intakt bleibt." Sie sehen, man appelliert an die Solidarität der kleinen Leute, zugunsten der Großproduzenten Lasten auf sich zu nehmen.

Man komme uns nicht mit dem Hinweis, daß durch Agrarzölle die Löhne der Landarbeiter steigen werden. Wenigstens nicht in entsprechendem Ausmaß. In Deutschland, England und anderswo hat man die Erfahrung gemacht, daß die Steigerung der Löhne weit hinter dem Steigen der Lebens, mittelpreise zurückbleibt. In Wirklichkeit haben also die Landarbeiter nichts oder verteufelt wenig von den hohen Zöllen zu erwarten.

Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Feststellung machen. Im Jahre 1922 hat man auf der zoll- und handelspolitischen Tagung in Teplitz den zehnfachen Zollkoeffizienten verlangt. Damals behauptete Dr Karl Fiedler vom Landeskulturrat in Prag, daß bei Getreidepreisen von 369 bis 444 Kronen noch 23 bis 73% Verlust für den Produzenten vorhanden sein sollten. Wie hoch sollten dann die Getreidezölle eigentlich sein? Es herrschte einst die Meinung in vielen landwirtschaftlichen Kreisen, daß es vielleicht möglich sein werde, den während des Krieges erzielten Preis von 600 Kronen per q Getreide aufrecht erhalten zu können. Wie sollten dann bei solchen Preisen die Getreidezölle ausschauen, wenn noch 73% Verlust durch den Zoll gedeckt werden sollten? Nimmt man an, daß vor dem Kriege der q Weizen, respektive Korn, 18 bis 20 K kostete, muß doch zugegeben werden, auch von Ihrer Seite, daß die heutigen Preise angesichts der sechs- bis siebenfachen Geldentwertung den damaligen Preisen entsprechen. Wohin will die agrarische Zollpolitik denn steuern?

Was wir gern und freudig begrüßen und fördern, ist die systematische Hebung der landwirtschaftlichen Produktivkräfte mit Hilfe von Technik und Wissenschaft durch Meliorationen, billigen Kredit, Ausbau der Genossenschaften, der theoretischen und praktischen Bildungsstätten für die Landwirte u. s. w. Wo es unbedingt notwendig ist und nicht anders geht, wo ein Schutz der landwirtschaftlichen Produktion erforderlich ist, empfehlen wir nach dem System Norwegens und der Schweiz die Schaffung eines Einfuhrmonopols für Getreide, wie es auch der österreichische Staatspräsident Dr. Hainisch in seinem berühmten Werk "Die Landflucht" warm anpreist. Er schreibt auf Seite 332 wörtlich: "Vor dem Schutzzoll hat das Getreidemonopol große Vorteile voraus. Zunächst wirkt es nicht so roh mechanisch wie der Schutzzoll, es wäre denkbar, zu individualisieren. Man könnte, wenn nicht schon für jeden einzelnen Besitzer fruchtbarer Gründe, so doch für ganze fruchtbare Bezirke die Preise etwas niedriger halten als für unfruchtbare Gegenden, auf deren Erzeugnisse man nicht verzichten wollte. In dieser Weise ist Ungarn verfahren, als es während des Krieges die Bewirtschaftung des Getreides übernahm." Warum sprechen Sie nicht von diesen Dingen? Ihr Kollege in der Schweiz, Prof. Laur, auf den Sie sich selbst berufen, ist ein warmer Freund des Einfuhrmonopols für Getreide. Warum denken Sie nicht an diese neuzeitliche Idee, warum gehen Sie den Weg Hohenblums weiter.

Daß die èechoslovakische Landwirtschaft in Bezug auf die Getreideproduktion auf der Höhe steht, wird man schwer behaupten können. Die fehlenden 40.000 Waggon Getreide, die alljährlich eingeführt werden müssen, könnten bei besseren Methoden im Lande selbst produziert werden. Da möchte ich noch Eines sagen. Schon Kautsky hat im Jahre 1911 nachgewiesen und andere haben es ebenfalls getan, daß der Durchschnittsertrag an Weizen in jenen Ländern am größten war, wo kein agrarischer Schutzzoll bestand, wo die Landwirtschaft auf sich selbst gestellt ist, aus eigener Kraft konkurrenzfähig geblieben ist. Ich verweise auf England, Holland, Belgien und Dänemark. In den Jahren von 1901 bis 1905 betrug der Hektarertrag an Weizen in Deutschland 18.44 q pro Hektar, in Österreich 11.97 q, in Belgien dagegen 22.33 q und in Dänemark war der Ertrag sogar noch höher, 29.56 q. Ähnlich ist es mit dem Kartoffelbau und anderen Produkten.

Ich will auf Details nicht eingehen, möchte aber noch folgendes sagen: In Dänemark, wo das Genossenschaftswesen ausgezeichnet orgasiert ist, wo die Kleinlandwirtschaft vorherrscht, wo heute eine sozialdemokratische Mehrheit und eine sozialdemokratische Regierung ist, entfallen auf tausend Einwohner 720 Rinder und 320 Schweine, bei uns kamen unter der agrarischen Regierung, die angeblich das Landvolk retten will, nach der letzten Viehzählung im Jahre 1921 auf tausend Einwohner nur 322 Rinder und 121 Schweine. Dagegen führen wir in der Èechoslovakei riesige Mengen von Kartoffeln in Form von Spiritus aus, statt daraus Fleisch zu produzieren. Die Volkswirtschaft ist infolgedessen, weil man nach höheren Gewinnen jagt, mit Milliarden passiv in Bezug auf die Fleischproduktion. Der agrarische "Venkov", das Hauptorgan der èechischen Agrarier, schrieb im Jahre 1924: "Ändert die Wirtschaft, ändert den Wirtschaftsplan und lernt die Tiere gut füttern." Wir lehnen also die rein mechanische, lediglich momentanen Profitzwecken dienende Zollpolitik im Sinne Hohenblums ebenso entschieden ab, wie es seinerzeit im Jahre 1909 der österreichische Abgeordnete Ritter von Pantz getan hat. Dieser im Sinne der Landbündler ein Vollblutbauer, hat durchaus richtig erklärt, daß der Bauernstand in seiner ganzen Interessensphäre dem Gewerbetreibenden und Arbeiter weit näher steht, als dem Großgrundbesitzer und daß der Bauer bei der bisherigen Agrarpolitik schließlich doch nur die Kastanien für andere herausholt und sich hiebei selbst die Hände verbrennt.

Meine Damen und Herren! Wir wissen sehr wohl, daß der Kampf um die Zölle ein Stück Machtfrage ist. Sehr mit Recht hat auf dem bereits erwähnten sozialdemokkratischen Parteitag im Jahre 1907 in Wien ein Redner betont, daß eine der Ursachen der Teuerung der Lebenshaltung für die Arbeiterklasse die fortschreitende bessere Organisation von Agrariern und Industriellen ist. In der damals angenommenen Entschließung wird klipp und klar ausgesprochen, daß die Teuerung durch Zölle und Kartelle eine Wirkung der kapitalistischen, auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln beruhenden Produktionsweise sei. Der Kampf gegen das Zollsystem spielt hinein in die ungeheuer bedeutungsvolle Frage der internationalen Arbeitsteilung von Agrar- und Industriestaat, in die Frage des Welthandels und der Weltwirtschaft.

Diese brennenden Fragen der Gegenwart werden freilich nicht von der kapitalistischen Gesellschaft endgültig gelöst werden können, sondern nur von der kommenden sozialistischen. Heute aber gilt es sich zu wehren gegen jene reaktionären Gewalten, die uns verweigert haben das gleiche politische Recht, die uns neiden den geringsten sozialen Fortschritt, die Feinde sind jedes Kulturaufstiegs des Proletariats. Die Agrarier und Christlich-Sozialen, die Agenten des Kapitals, kämpfen um Geld und Profit, wir kämpfen für Brot und Freiheit. Die wahre Demokratie lehnt jede Ausbeutung der breiten Massen zugunsten einer handvoll Agrarier oder Industriebarone entschieden ab. Darum Schach den Agrarzöllen jetzt und immerdar! (Potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)

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