Hohes Haus! Die Öffentlichkeit, insbesondere
die Arbeiterklasse der ganzen Welt steht seit einigen Tagen unter
dem Eindrucke des großen Kampfes, der sich in England abspielt.
Unser erstes Wort in der heutigen Sitzung gilt daher unseren kämpfenden
Klassengenossen in England.
In England ist der gewaltigste gewerkschaftliche
Kampf im Gange, den die Geschichte kennt. Das englische Proletariat
steht im Generalstreik. Es ist weit mehr als ein Lohnkampf, um
den es geht, denn mag es sich unmittelbar auch nur um die Abwehr
eines Attentates auf die Löhne und die Arbeitszeit der Bergarbeiter
handeln, so liegt doch die tiefere Ursache des Konfliktes in der
Unmöglichkeit, den englischen Bergbau auf privatkapitalistischer
Grundlage weiterzuführen. Daher kämpfen die englischen
Arbeiter um den Sieg eines sozialistischen Prinzips über
die kapitalistische Wirtschaft. Darum verfolgen, wie die Proletarier
und proletarischen Parteien aller Länder, auch wir den gigantischen
Kampf der englischen Arbeiterklasse mit angespannten Atem, wir
leben alle seine einzelnen Phasen mit brennendem Interesse mit,
wir wünschen den tapferen Kämpfern aus ganzem Herzen
einen raschen und durchgeschlagenden Sieg. Wir fühlen uns
in diesem Wunsche eines mit dem gesamten internationalen Proletariat,
das in dem Kampf der englischen Arbeiter den Kampf für seine
eigene Sache, für die Sache des Sozialismus erkennt.
Wir betrachten mit Bewunderung den großartigen
Aufmarsch der Arbeiter und sind überzeugt, daß eine
Klasse, die so zu kämpfen versteht, nicht unterliegen kann.
Wir wissen aber auch, daß sehr bald die Aufgabe an uns herantreten
kann, die brüderliche Solidarität, die wir hier zum
Ausdruck bringen, auch durch die Tat zu beweisen. Wir sind bereit
und gerüstet, wenn der Ruf der englischen Arbeiter, der Ruf
unserer Internationale an uns ergeht, ihm freudig und mit allen
unseren Kräften Folge zu leisten, und werden stolz darauf
sein, zu den Erfolgen unserer englischen Brüder das unsrige
beitragen zu können. Unsere Herzen aber sind bei ihnen und
erwarten mit brennender Sehnsucht den Sieg! (Potlesk
nìm. soc. demokratických poslancù.)
Hohes Haus! Die jetzige Aufregung angesichts
der Forderung landwirtschaftlicher Schutzzölle ist eine Auswirkung
des krank haften, nervösen Zustandes, der das öffentliche
Leben in diesem Staate befallen hat. Die Scheidung der Geister,
die von der Wählerschaft bei den letzt erfolgten Parlamentswahlen
eingeleitet wurde und den rechtsstehenden Parteien das Übergewicht
gegeben hat, hat im Parlament selbst noch keine Fortsetzung gefunden,
ein Ziel, das freilich noch erreicht werden muß. Im übrigen
ist der Anfang auch nicht sehr erfolgverheißend, denn der
Beweis hiefür ist die Erste Mai-Feier auf den elektrischen
Straßenbahnen trotz des vorhergegangener Verbots der Einstellung
des Betriebs auf den Bahnen durch das Eisenbahnministerium. Der
Lärm, der jetzt entstanden ist, als für die Landwirtschaft
die Erstellung von festen Schutzzöllen gefordert wurde, ist
unberechtigt. Diese Forderung ist kein frivoles Verlangen, sondern
eine Naturnotwendigkeit im Interesse der Erhaltung der
Landwirtschaft. Meine Partei hat sich aus diesem Grunde hinter
den von der èechischen Agrarpartei ausgehenden Antrag schon
im Senat gestellt und tut das Gleiche auch im Abgeordnetenhause.
(Hört! Hört!) Dieses
selbstverständliche Verhalten meiner Partei erfuhr nicht
nur seitens der sozialistischen Parteien insgesamt, sondern auch
von deutschbürgerlichen Parteien und seitens der in anderen
Lagern stehenden und zwar auch rechtsstehenden deutschen Zeitungen
eine scharfe Kritik. Von vielen Seiten wurde eine Meinung Ausdruck
verliehen, daß durch Unterstützung des Antrages auf
Einführung landwirtschaftlicher Schutzzölle die Beamtenregierung
unterstützt und die Wiederherstellung der Koalition gefördert
wird. Solche Vorwürfe übersehen aber absichtlich, daß
es sich um einen Initiativantrag handelt, der nichts anderes fordert,
als was unsere Partei auch schon im neugewählten Parlament
im Antrag Mayer verlangt hat. Auch dieser Antrag ruft nach
ehester Einführung landwirtschaftlicher Schutzzölle.
Die Unterstützung des Antrages auf Einführung von landwirtschaftlichen
Schutzzöllen hat aber auch gar nichts mit nationalpolitischen
Erwägungen zu tun. (Posl. Schweichhart: Nur mit dem Geldsack!)
Auch Sie treten für Ihren Geldsack ein. Wir treten ein...
(Posl. Pik: Kde jde o kapsu, tam se sejdou všichni!
Vlastenectví necháte vzadu!) Auch Sie Herr Kollege
Pik, sind dort mit zu finden. (Posl. Pik: Proti
dìlnictvu je všechno dobré!) Sie
führt nicht nur der Idealismus allein her, für die Arbeiterinteressen
einzutreten, sondern auch Ihr Bedürfnis, dabei etwas für
Ihre Tasche zu haben. Wir treten ein für das, was wir unseren
Parteiangehörigen, den deutschen Bauern versprochen haben,
u. zw. zuletzt im Herbst gelegentlich der Vorbereitung zu den
Parlamentswahlen im November 1925, als erkannt wurde, daß
die Regierungsverordnung, Gesetzessammlung Nr. 111 aus dem Vorjahr
und die darin festgelegten gleitenden Zölle nicht der Landwirtschaft
nützen, sondern sich nur zum Vorteile einiger Getreide-Großimporteure
auswirkten. Wenn ich das erwähne, so will ich im Zusammenhange
damit einen Überblick geben über die Höhe der Zollsätze,
und zwar seit dem Dezember des vorigen Jahres, seitdem die eingeführten
gleitenden Agrarzölle sich auszuwirken begannen. Im Dezember
1925 bestand für Weizen und Weizenmehl kein Zoll, dagegen
für Korn ein Zollsatz von 11.60 Kè per 100
kg Korn und 16 Kè für 100 kg Kornmehl. Braugerste
konnte zollfrei importiert werden, für Futtergerste bestand
ein Zoll von 5.60 Kè per 100 kg und für 100 kg Hafer
ein solcher von 9.60 Kè. Im Jänner trat zum erstenmal
der Schutzzoll für Weizen und Weizenmehl
in Geltung. Er betrug für das erstere Erzeugnis 12.60 Kè,
für das zweite 22 Kè per 100 kg. Außerdem trat
auch zum erstenmal der Braugerstezoll in Erscheinung, der gleichfalls
mit 5.60 Kè für 100 kg Braugerste festgesetzt wurde.
Für Hafer blieb der Zollsatz immer
gleich und zwar bis in den Mai dieses Jahres hinein. Im Feber
wurde Weizen und Weizenmehl neuerdings zollfrei eingeführt,
für März u. April bestand der Zollsatz in derselben
Höhe wie im Jänner, also 12.60 Kè für 100
kg Weizen und 22 Kè für
10 0kg Weizenmehl. Im Mai finden wir nun, daß die Zollfreiheit
wieder in Kraft trat. Wenn wir das nun hervorheben, so geschieht
das besonders deshalb, weil Weizen und Weizenmehl ein Produkt
darstellen, das in den weitesten Kreisen der Konsumenten gebraucht
wird und es besonders interessant wäre, festzustellen, ob
die Konsumenten bemerkt haben, daß hinsichtlich des Mehlpreises
oder des Gebäckpreises sich etwas geändert hat oder
ob vielleicht in jenen Monaten, wo kein Zoll bestand, die Konsumenten
billigeres Mehl bekamen oder ob vielleicht in diesen Monaten das
Gebäck bei gleichem Preise größer geworden ist.
Die Tatsache, daß dies nicht der Fall war, zeigt, daß
diese gleitenden Zollsätze ihren Zweck überhaupt nicht
erfüllten und auch nicht verhindern konnten, daß
der Getreidepreis tief unter die Gestehungskosten herabgesunken
ist. Bezüglich Korn ist von März an bis den Mai hinein
eine geringfügige Erhöhung des Zollsatzes und zwar von
11,60 Kè auf 17,40 Kè erfolgt. Das Kornmehl erfuhr
im gleichen Zeitraume bezüglich
seines Zollsatzes eine Erhöhung von 16 Kè auf 24 Kè.
(Posl. Wünsch: Das nennen Sie geringfügig?)
Essen Sie denn in einem Monat für
einen Meterzentner Korn Brot? Ich weiß nicht, ob Sie einen
so großen Magen haben. Davon kann sich doch eine ganze Familie
mit großer Kopfzahl einen Monat hindurch reichlich ernähern.
Übertreiben Sie doch nicht!
Es ist also vollständig unsachgemäß,
wenn das Verhalten meiner Partei in Angelegenheit der Einführung
von landwirtschaftlichen Schutzzöllen in demagogischer Weise
verdächtigt wird. Wenn heute von nichtlandwirtschaftlicher
Seite uns in Angelegenheit der landwirtschaftlichen Schutzzölle
Ratschläge erteilt werden, so muß eine derartige nichtgewünschte
Einmengung höflich abgelehnt werden. (Posl. Wünsch:
Lesen Sie doch die "Reichenberger Zeitung!") Darauf
kommen wir noch zurück, Herr Wünsch, darüber
reden wir noch.
Wir sind, was die Auffassung dieser Angelegenheit
betrifft, alt genug, um die Tragweite unserer Forderung zu erkennen
und haben auch Erfahrungen genug, um zu wissen, was wir in diesem
Falle zu tun haben. Wir haben uns doch seinerzeit auch nicht in
die Abstimmungsabsichten der anderen Parteien eingemengt, als
im ersten gewählten Parlament zur Zeit der Koalitionsregierung
über ausgesprochene Regierungsanträge abgestimmt wurde,
die nicht nur die Stimmen der Regierungsparteien, sondern auch
die Stimmen einiger deutschen Parteien erhalten haben. Ich errinnere
hier an die Abstimmung über die Arbeitslosenunterstützung,
über die Förderung der Baubewegung, über das Mieterschutzgesetz,
über das Gesetz bezüglich der Lehrlingsurlaube und dann
an das allerletzte Gesetz, das ziemlich viel Geld kostet, die
Abstimmung über das Sozialversicherungsgesetz. (Posl.
Wünsch: Das nennen Sie nicht Demagogie?) Gerade
die Erwähnung dieses letzten Gesetzes erinnert mich an einen
Ausspruch des Herrn Senators Nießner in der gestrigen
Präsidialsitzung des Senates. In dieser Sitzung stand der
Antrag Donát in Verhandlung, der innerhalb kurz
bemessener Frist im Budgetausschuß des Senates beraten und
erledigt werden soll. Herr Senator Nießner warnte
dabei vor übereilter Behandlung dieser Angelegenheit und
sagte: "Unüberlegte Experimente verträgt unsere
Wirtschaft gerade heute nicht." Das sind die Worte, die fett
gedruckt in der heutigen Ausgabe des "Sozialdemokrat"
hervorgehoben werden. Nun frage ich aber: Wenn wir die Auswirkung
des Sozialversicherungsgesetzes vergleichen mit der Auswirkung
des Gesetzes bezüglich der Einführung von festen landwirtschaftlichen
Schutzzöllen, so können wir doch wohl sagen, daß
die Wirksamkeit des Sozialversicherungsgesetzes unter unseren
Verhältnissen etwas vollständig Neues und Unbekanntes
ist und gerade unter den jetzigen Verhältnissen, wo wir uns
inmitten einer Wirtschaftskrise befinden, ist das Inslebentreten
des Sozialversicherungsgeseztes als ein sehr gefährliches
Experiment zu bezeichnen. (Posl. Grünzner: Deswegen wollen
Sie es auch verschleppen! Sie haben sich in die Sozialversicherung
eingemischt!) Es haben sich diejenigen eingemischt, die dazu
das Geld zu geben haben. (Hluk na levici.) Und zwar haben
sich die eingemischt, die berufsmäßig dazu da sind,
auch die Interessen der anderen Stände zu vertreten. (Hluk
na levici. - Posl. Taub: Es handelt sich doch bei der Sozialversicherung
um 2 1/2 Millionen Menschen, bei den Agrarzöllen
aber bloß um eine Bruchteil dieser Zahl!) Im Übrigen
werden Sie ja selbst noch von Ihren eigenen Leuten die Antwort
darauf bekommen. Wenn die Lösung der agrarischen Schutzzollfrage
als Experiment bezeichnet wird, so stimmt das nicht.
Sicher ist, daß die Einführung von
festen Schutzzöllen die Erhaltung der Landwirtschaft bewirken
wird, die im Rahmen der Nation und im Staate das wichtigste Fundament
darstellt. Im Zusammenhang damit will ich auf die Bemerkungen
des gewesenen Reichsfinanzministers von Schlieben im Deutschen
Reichstag verweisen, gelegentlich der ersten Lesung des Gesetzentwurfes
über die Zolländerungen in der Sitzung des Deutschen
Reichstages von 24 Juni v. J. Die Debatte darüber wurde vom
Reichsfinanzminister von Schlieben eröffnet, der damals sagte:
Es ist notwendig, zu klaren Verhältnissen zu kommen, weil
sonst die Handelsvertragsverhandlungen zum Stillstand kommen müssen.
Es muß aufgeräumt werden mit den Resten der Kriegsmaßnahmen,
durch welche für eine große Reihe von Erzeugnissen
in der Zeit der Zwangswirtschaft die Zölle vorübergehend
aufgehoben waren. Für Getreide, Fleisch, Fette, Gemüse,
Eier, Milchprodukte besteht noch Zollfreiheit und damit eine große
Lücke im Schutze der deutschen Wirtschaft. Es ist die Pflicht
der Reichsregierung, durch Wiedereinführung von Agrarzöllen
zwei wichtigen Zielen zu entsprechen: Erstens, das notwendige
Rüstzeug in Form von Verhandlungszöllen zu schaffen,
die wir brauchen, um mit anderen Ländern, namentlich mit
Ländern bedeutender landwirtschaftlicher Produktion unsere
Ausfuhr fördernde Tarifverträge abschließen zu
können, zweitens, aber auch der Landwirtschaft als einem
so bedeutsamen Faktor der nationalen Arbeit denjenigen Schutz
zu sichern, der ihr aus Gründen der Parität gegenüber
den Industriezöllen gewährt werden muß. (Posl.
Wünsch: Die Folge der deutschen Zölle ist dann die steigende
Teuerung!) Das erzählen Sie doch wohl uns nicht! (Posl.
Grünzner: Die kleinen Landwirte werden es schon spüren!)
Auf die kommen wir noch zu reden. Ich werde auch selbst noch Gelegenheit
haben, diesen Wunsch zu erfüllen, Ihnen zu sagen, wie die
kleinen Landwirte über diese Angelegenheit selbst denken.
Wenn wir das, was im Deutschen Reichstag bereits vor Jahresfrist
über die Notwendigkeit der Einführung von Agrarzöllen
gesprochen wurde, mit unseren Verhältnissen vergleichen,
so muß ich sagen, daß es eine lange Zeit gedauert
hat, ehe man ernsthaft daran ging, sich mit der Lösung dieses
Problems im Èechoslovakischen Staate zu befassen. Der erste,
der auf die Notwendigkeit der Erstellung landwirtschaftlicher
Schutzzölle verwies, war Dr Brdlík, der ehemalige
Landwirtschaftsminister, der in seinem Buchführungsinstitut
ziffernmäßig aus Rechnungsabschlüssen heraus den
Beweis erbrachte, daß es notwendig sei, unsere einheimische
landwirtschaftliche Produktion durch die Einführung landwirtschaftlicher
Schutzzölle zu sichern. Der zweite, der dann laut und deutlich
das Verlangen aufstellte, daß unbedingt Schutzzölle
eingeführt werden müssen, war der gewesene Landwirtschaftsminister
Herr Dr Hodža, der gleichfalls
aus dem Bereich seiner Erfahrungen heraus die Notwendigkeit der
Einführung landwirtschaftlicher Schutzzölle nachwies.
Zwar hat schon viel früher auch der Zollausschuß der
ständigen Delegation der Landeskulturräte die gleiche
Forderung aufgestellt, aber nachdem diese Quelle einen viel zu
landwirtschaftlichen, viel zu agrarischen Anstrich hatte, schenkte
man ihrer Forderung keinesfalls Beachtung und wartete erst noch
eine geraume Zeit, bis schließlich ohne Unterschied der
nationalen Zugehörigkeit von der gesamten Landwirtschaft
in diesem Staate die Einführung landwirtschaftlicher Schutzzölle
gefordert wurde. Wenn über die Notwendigkeit der Einführung
landwirtschaftlicher Schutzzölle gesprochen wird, so hören
wir, besonders von sozialistischer Seite, oftmals als Gegenargument
die Ausführungen und den Inhalt verschiedener Zeitungsartikel,
die im Herbst 1924 und im Winter 1925 unter der Überschrift
"Lösung und Berechtigung landwirtschaftlicher Zölle"
von Geheimrat Dr Aeroboe in Berlin veröffentlicht worden
sind. Dr Aereboe hat seinerzeit bezüglich der landwirtschaftlichen
Erzeugung. (Posl. Wünsch: Die Argumente sind aus Berlin,
die Bundesgenossen aus Prag schreiben nicht?) Sie werden wahrscheinlich
nur die großen Führer Ihrer politischen Richtung kennen,
die sind Ihnen geläufig, andere Wissenschaftler kennen Sie
nicht. Sie kennen vielleicht den Herrn Krasin und andere, die
sich mit solchen Dingen befassen, aber den Namen eines Aereboe
haben Sie noch nie kennen gelernt, Sie wissen nicht, daß
er Professor an der landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin
ist und daß gerade er es gewesen ist, der für die Zollfreiheit
landwirtschaftlicher Erzeugnisse eintrat. (Posl. Schweichhart:
Einmal, jetzt nicht mehr!) Ja, aber er ist anderer Anschauung
geworden. Ich glaube, daß auch der Herr Abg. Schweichhart
den Dr Aereboe einmal zitiert hat. Dieser ist deswegen zu einer
anderen Meinung gekommen, weil die Voraussetzung der Zollfreiheit
für landwirtschaftliche Erzeugnisse vollständig abgeht,
denn er sagte, die Zollfreiheit landwirtschaftlicher Erzeugnisse
setzt wieder voraus die Zollfreiheit für Kraftfuttermittel,
Düngemittel, Maschinen, kurzum für alles, was der Landwirt
selbst wieder braucht. (Potlesk poslancù republikánské
strany a klubu "Bund der Landwirte".)
Wir wissen nun aus Erfahrung, wenn wir den
Zolltarif durchgehen, daß dasjenige, was die Landwirtschaft
notwendig braucht, weidlich hoch durch Zollsätze geschützt
ist. Im übrigen konnte ich auch kürzlich gerade in der
Zeitung, die Koll. Wünsch erwähnt, in der "Reichenberger
Zeitung", einen Aufsatz lesen, der sich mit Ratschlägen
zur Lösung der Wirtschaftskrise befaßte. In diesen
Ratschlägen heißt es unter andern: Und was soll man
wünschen? Vor allem muß der Staat das Seinige tun.
Er muß die Schwere der Krise für alle wirtschaftlichen
Kräfte seines Staates erleichtern. Er kann das erstens durch
erhöhten Zollschutz der Inlandsproduktion zur Abwehr der
ausländischen Importe. Das hätte zur Folge die Anregung
der inländischen Produktion und damit indirekt die Stärkung
der Kaufkraft des Inlandes. Der Verminderung der Einfuhr muß
als Gegengewicht eine vermehrte Ausfuhr gegenüberstehen.
Wenn wir das lesen und die vergangene Zeit daraufhin untersuchen,
finden wir, daß gerade, was die Ausfuhr der landwirtschaftlichen
Erzeugnisse betrifft, die größten Hindernisse in den
Weg gelegt werden. Ich kann Ihnen im Zusammenhange damit sagen,
daß mein Kollege Abg. Wagner sich bereits seit mehreren
Wochen bemüht, für Südmähren die freie Ausfuhr
oder überhaupt die Ausfuhrmöglichkeit für Milch,
Frühgemüse und für sonstige gärtnerische Erzeugnisse
zu erlangen, die in früherer Zeit immer eine ausgedehnte
Abnahme in Wien und im benachbarten Niederösterreich gefunden
haben. Kollege Wagner läuft sich heute nutzlos seine
Beine ab, es gelingt ihm nicht, die verschiedenen amtlichen Stellen
von der Notwendigkeit der Zustimmung zur Ausfuhr zu überzeugen,
und die Folge ist, daß die Leute rein nicht mehr wissen,
was Sie mit der Milch anfangen sollen und zusehen müssen,
wie ihr Frühgemüse und ihre dem Verderben leicht unterliegenden
gärtnerischen Erzeugnisse verderben. (Posl. Wünsch:
Was würden denn die österreichischen Agrarier dazu sagen?)
Der betreffende, der gewiß nicht ein Agrarier ist es
ist ein Herr Kuno Grohmann - verlangt in dem Aufsatz, der in der
"Reichenberger Zeitung" erschienen ist, auch weiters
die Einführung eines Zollschutzes u. zw. für Getreide.
Wir sehen also aus der ganzen Darstellung, daß sie von einer
Seite kommt, die die wirtschaftlichen Zusammenhänge vollauf
zu würdigen vermag und sich ganz richtig sagt: Wenn die Landwirtschaft
leidet, so kann dieser leidende Zustand auch für die Industrie
nicht von Vorteil sein.
Die Aufrollung der Notwendigkeit landwirtschaftlicher
Schutzzölle benützt man auch dazu, um die kleinen von
den größeren Landwirten zu trennen. Es wird den kleinen
Landwirten immer eingeredet, bei ihnen ständen die Konsumenteninteressen
im Vordergrund. Das stimmt aber nicht. Denn auch der kleine Landwirt
ist ein Produzent, der ebenso wie der größere seine
Produkte verkaufen muß, denn er muß zu Geldeinnahmen
kommen (Rùzné výkøiky.),
auch er braucht das Geld zur Bezahlung von Steuern, und er muß
Verschiedenes kaufen, wofür der Verkäufer nicht Eier,
Butter oder Milch, sondern nur Geld nimmt. (Posl. Grünzner:
Die Arbeiter, die kleinen Landwirte werden da schon ganz anders
sprechen! Ihr seid doch Lohndrücker!) Herr Kollege, das
wissen Sie aus einiger Erfahrung, daß wir uns niemals gegen
entsprechend hohe Löhne der Arbeiter gesträubt haben
(Odpor a hluk.) und besonders wir im nördlichen Böhmen,
im Reichenberger Gebiet, wo wir unmittelbar mit den Arbeitern
zusammenleben, wissen ganz genau, daß die Arbeiter auch
die Abnehmer für die Landwirtschaft darstellen. Unterstellen
Sie uns nicht falsche Absichten! Wir wünschen Ihnen recht
hohe Löhne, damit Sie auch kaufkräftig werden. Aber
anderseits müssen Sie auch den Landwirten höhere Einnahmen
gönnen, damit diese wiederum kaufkräftig werden. Wenn
die Landwirtschaft kaufkräftig wird, so lebt davon die Industrie
und davon wieder der Arbeiter. Wir wissen doch aus eigener Erfahrung,
daß das in einer Wechselbeziehung steht. Die Bauern sind
doch nicht allein auf der Welt. (Posl. dr Stern: Für die
kleinen Landwirte ist das doch nichts, was Ihr da wollt, sondern
bloß für Euch Große!) Wenn wir von kleinen
Landwirten sprechen, so ist von ihnen bekannt, daß sie,
wenn ich hier in erster Linie an die Gebirgsbauern denke, keine
Getreideerzeuger sind, sondern sie sind Viehzüchter, Viehhälter,
Erzeuger von Milch, machen Butter und erzeugen Eier. Wenn wir
aber das, was im Antrage Donát gewünscht wird,
durchsehen, finden wir ja auch, daß bezüglich der tierischen
Produkte, bezüglich des Rindviehs und der Schweine gleichfalls
an eine Sicherung der Preise in der Richtung gedacht wird, daß
man gleichfalls die in Giltigkeit befindlichen Zollsätze
entsprechend erhöht (Posl. Kaufmann: Dann denken Sie auch
an die entsprechende Lohnerhöhung für die Industriearbeiter!)
Wir denken auch daran. (Posl. Heeger: Sie denken bloß
daran!) Wenn die Bauern recht viel kaufen können, werden
auch Sie höhere Lohneinkommen haben. Der Zustand ist nun
so, wenn wir an den Antrag denken, der zunächst im Senate
eingebracht wurde, so wünscht dieser Antrag, und er wird
gewiß auch in diesem Hause hier seine Wiederholung finden,
daß bei der Regierungsverordnung Nr. 111 vom Vorjahre der
Artikel II - das sind die gleitenden Zölle - beseitigt werden
soll und daß Artikel I in Kraft zu treten habe. Im Artikel
I dieser Regierungsverordnung ist nun bei den Zollsätzen
aus der Vorkriegszeit der Koeffizient sechs erwähnt. Ich
bitte nun die Herren von der sozialistischen Seite, nicht zu erschrecken,
wenn ich Ihnen sage, daß dieser Koeffizient sechs uns viel
zu niedrig erscheint (Výkøiky posl. Tauba.),
und zwar aus folgendem Grunde: Der Koeffizient sechs entspricht
nicht den Tatsachen. Wir wissen, daß die Entwertung des
Geldes gegenüber der Vorkriegszeit bedeutend größer
als sechsfach ist und daß mit der Ziffer acht die ungefähre
Annäherung gefunden werden könnte. (Posl. Grünzner:
Die Löhne sind auch nicht achtfach!) Infolgedessen wäre
es notwendig, daß man auch in dieser Beziehung, wenn in
späterer Zeit zur Beratung eines autonomen Zolltarifes geschritten
wird, die notwendige Angleichung gegenüber der Vorkriegszeit
mit herbeiführt. (Posl. Grünzner: Dann auch bei den
Löhnen!) Reden Sie nicht fortwährend über die
Löhne, Sie wissen es ja aus Eigenem und haben es jetzt von
mir bestätigt gehört, daß wir Ihnen hohe Löhne
wünschen. (Výkøiky. Hluk.)
Allerdings: wenn Sie von landwirtschaftlichen
Löhnen sprechen, so müssen Sie sich sagen, daß,
wenn der Landwirt aus dem Ertrag seiner Arbeit selbst nichts hat,
es ihm ungemein schwer wird, all den Lohnforderungen entsprechen
zu können, die von sozialistischer Seite ausgehen. (Výkøiky.)
Sie dürfen aber auch nicht vergessen,
daß, wenn die landwirtschaftlichen Produkte auch in der
Zukunft zu Preisen abgegeben werden müssen, die unter den
Gestehungskosten liegen, besonders der kleine Landwirt, der ja
Arbeiter in seinem landwirtschaftlichen Betriebe ist und der das
Einkommen aus seinem Betriebe gewissermaßen als Lohneinkommen
erhält, dadurch in der Höhe seines Lohneinkommens geschmälert
wird.. Wenn Sie also wirklich sozial empfinden, müssen
Sie mir zugestehen, daß der kleine Landwirt, für den
Sie ein besonderes Interesse haben, nicht zu leben vermag. (Potlesk.)
Hier werden Sie beweisen können, ob Sie imstande sind,
die Versprechungen zu erfüllen, die aus Ihrem Munde, hie
und da gelegentlich von Agitationsversammlungen in der Wahlzeit
zu hören waren. Jetzt ist auch für Sie der Wechsel präsentiert
worden, den Sie seinerzeit auf Sicht ausgestellt haben. Auch an
Ihnen liegt es mit, diesen Wechsel einzulösen.
Bei den kleinen Landwirten finden wir vorwiegend
deren Interesse als Viehzüchter und Viehhalter. Was nun die
Viehpreise selbst betrifft, lehrt die Erfahrung - und da bitte
ich im Gebirge bei den Kleinbauern nachzufragen - daß die
Bauern für ihr Vieh überhaupt keine Abnehmer mehr finden
können. (Odpor na levici.) Freilich, wenn sich die
Viehhälter dazu verstehen, das Vieh wegzuschenken, wird immer
jemand da sein, der es ihnen abnehmen wird. Aber dazu haben sie
keine Veranlassung, denn es kommt der Steuerbüttel und fordert
vom Kleinbauer die Steuer. So muß er eben in die Tasche
greifen und die sauer erworbene Kronen und Heller herausziehen
und seiner Steuerverpflichtung entsprechen.
Wir haben sehr viel Vieh im Staate (Veselost.),
ich bitte, nicht zu lachen, und bloß die Zahl der Beine
in Betracht zu ziehen. (Veselost.) Im Vorjahr, und zwar
Ende Dezember, wurde eine Viehzählung veranstaltet. Es wäre
wünschenswert, wenn sich das statistische Staatsamt endlich
dazu bereit finden würde, die Ziffern der Viehzählung
zu veröffentlichen. Aus den Ziffern würden wir erfahren,
daß wir tatsächlich sehr viele Rinder haben, nicht
genug daran, daß wir die Ställe vollgefüllt haben,
tätigt man auch noch aus dem Ausland ganz immense Viehimporte.
Was die Viehzählungsdaten betrifft, haben wir schon die Erfahrung
für einige nordböhmische und ostböhmische Bezirke,
ich verweise auf den Bezirk Braunau, Hohenelbe, auf Reichenberg,
wo eine ganz beträchtliche Zunahme an Haustieren zu verzeichnen
ist. Ich möchte nun gerade - das wird die Herren von sozialdemokratischer
Seite interessieren - auch noch auf Folgendes verweisen. Ich sehe,
daß ein Herr da ist, der aus dem Isergebirge kommt. (Výkøiky
posl. Neuratha.) Sie sind nicht gemeint,
Herr Neurath, Sie sind schon so vorsichtig, sich nicht
so hoch hinaufzusetzen, Sie sind lieber in der Nähe, im Zentrum,
wo etwas zu holen ist. (Rùzné výkøø:iky.)
Gerade, im Isergebirge sehen wir, daß
sehr viele Arbeiter der Glasindustrie auch Kleinlandwirte sind.
Aus dem Munde dieser Leute in Polaun, Grünthal u. s. w. können
wir immer wieder hören: "Sorgt für die Verbesserung
der Absatzpreise, sorgt für die Erleichterung des landwirtschaftlichen
Betriebes, insbesondere soweit die öffentlichen Abgaben in
Betracht kommen. (Hluk.) Denn das, was wir an Lohn in der
Fabrik bekommen, müssen wir daheim in der Wirtschaft wieder
zuschustern." Ein Zeichen, daß diese kleinen Leute
aus dem Betrieb der Landwirtschaft gar nichts haben. Wenn heute
trotzdem diese Leute ihren landwirtschaftlichen Betrieb noch in
ihren Händen zu halten versuchen, entspricht das der offenen
oder unbewußten Liebe zu ihrem deutschen Heimatsboden, den
Sie nicht so ohneweiter preisgeben wollen. (Výkøiky
komunistických poslancù.)
Hohes Haus! Wenn es zur Lösung dieser
landwirtschaftlichen Schutzzollfrage kommt, möchte ich Ihnen
eines anheimstellen: Treten Sie der Lösung dieser Frage nicht
mit falschen Gefühlen gegenüber (Výkøiky
nìm. soc. demokratických poslancù.),
lösen Sie die Frage mit Vernunft und ohne Leidenschaft. (Potlesk
poslancù strany republikánské a klubu "Bund
der Landwirte".)