Úterý 16. bøezna 1926

15. Øeè posl. Simma (viz str. 922 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Ich beziehe bei der Behandlung der Gesetzesvorlage über die Schaffung einer Einkommensgrenze für Kriegsbeschädigte keinen anderen Standpunkt als den, welchen ich schon im sozialpolitischen Ausschuß bezogen habe. Es ist das eine tatsächliche Wiederholung von Begründungen für Abänderungen des Regierungsentwurfes, eine Wiederholung, die wir uns schließlich ersparen könnten, weil wir der Meinung sind, daß dieselbe nicht unter allen Umständen einen größeren Effekt erzielt, als unsere Arbeit im Ausschuß. (Výkøik: Daher der Name Parlament!) Ja, so ist es! Die Wiederholung muß aber doch geschehen, weil wir auch von dieser Tribüne aus unsere größere Einsicht gegenüber dem Kriegsbeschädigtenproblem bekunden müssen, als diese Einsicht bei den Schöpfern des vorliegenden Gesetzes besteht, das, schon im Entstehen begriffen, den begreiflichen Widerstand aller durch dieses Gesetz zu Treffenden erregt hat.

Man sollte sich auch von der Regierungsseite zum Kriegsbeschädigtenproblem etwas anders einstellen, als es aus dem vorliegenden Gesetze ersichtlich ist. Man müßte einigermaßen zu verstehen versuchen, daß den Kriegsbeschädigten als Menschen, welche der Gesellschaft das größte Opfer an Blut und Gesundheit brachten, wenn nicht eine um eine Nuance größere Sorgfalt bei der Behandlung ihrer Fragen, so doch mindestens die gleiche Behandlung zuteil werden müßte, wie sie etwa anderen sozial Schutzbedürftigen zuteil wird. Zu diesem Standpunkte müßte man sich endlich durchgerungen haben. Jede Reminiszenz, sei sie national, historisch oder sonst wie, welche diesen Standpunkt stören könnte, hätte nachgerade zu schweigen. Wir sehen aber das Gegenteil, trotz aller Versicherungen zu ausreichender sozialer Fürsorge für die Kriegsbeschädigten. Wir sehen, daß man sich gerade die Kriegsbeschädigten aussuchte als Objekt, an welchem der staatsfinanzielle kategorische Imperativ, der in diesem Hause seitens der Regierungsparteien bei Behandlung verschiedener Gesetze immer ins Vordertreffen geführt wird, zu praktizieren möglich ist.

Zum Meritum des Gesetzes haben eine ganze Menge Vorredner schon gesprochen, so daß nicht viel Neues zu sagen ist. Die Regierung hat dem Hause einen Antrag unterbreitet, nach welchem die Einkommensgrenze nach § 2 des Versorgungsgesetzes für Kriegsbeschädigte wieder mit 5.000 Kronen für wirtschaftlich selbständig Tätige und mit 10.000 Kronen für wirtschaftlich unselbständig tätige Kriegsbeschädigte festgelegt wird. Es handelt sich dabei um eine Verlängerung des bis 31. Dezember 1925 gegoltenen Zustandes, der, als er mit der Novelle vom 10. Feber 1924, Nr. 79 Slg. d. G. u. V., festgelegt wurde, schon damals unserer größten Kritik begegnete. Wir könnten heute dem Umstande, daß dieser Regierungsantrag, der die Verlängerung des bis 31. Dezember 1925 geltenden Gesetzes auf ein Jahr festlegt, zu dem verspätet eingebracht wurde, eine größere kritische Betrachtung zuwenden. Eine Verwaltung, welche ein Gesetz, das mit 31. Dezember 1925 abgelaufen ist, erst im März 1926 neuerlich verlängert, müßte einer gewissen Versäumnis wegen angeklagt werden. Es darf keineswegs vorkommen, daß ein gesetzliches Vakuum, wie es sich durch das verspätete Einbringen dieser Vorlage ergeben hat, usuell wird. Aber wir wollen dieser Seite unserer Stellungnahme keine besondere Note geben. Der Herr Minister hat im Ausschuß die Gründe der Verspätung angegeben und wir haben in diesem Punkte keine Veranlassung, seinen Worten nicht zu glauben.

Wir beschäftigen uns ausführlicher als mit der technischen Angelegenheit mit dem wirklichen Inhalte des Regierungsantrages. Der erscheint uns nun als im größten Gegensatze stehend zu der andauernden Versicherung, die soziale Gesetzgebung vorwärts zu treiben. Im konkreten Falle besonders dieses Antrages ist davon nichts zu verspüren. Ich sagte schon, daß wir bei der Behandlung des Gesetzes vom 10. Feber 1924, das die Einkommensgrenze für Kriegsbeschädigte von 6.000 auf 5.000 Kè für wirtschaftlich selbständig Tätige, beziehungsweise von 12.000 auf 10.000 Kronen für wirtschaftlich unselbständig Tätige Kriegsbeschädigte herabsetzte, davor warnten, durch Experimente, welche dem Staate gar keinen finanziellen Effekt abgeben, hiemit aber begründet werden, eine große Gruppe von Menschen, die verständlicherweise empfindlicher sind als andere, im tiefsten Innern aufzurühren.

Wir stehen auf dem Standpunkt, daß es eine Einkommensgrenze, an welche der Bezug der Rente bei den Kriegsbeschädigten gebunden ist, nicht geben darf. Wir meinen das grundsätzlich. Das Opfer, das der Kriegsbeschädigte gebracht hat, ist ein solches, daß es überhaupt nicht bezahlt werden kann. Es wäre eine Sünde wider allen guten Geist, wollte man in diesem Falle ein Honorar als Äquivalent betrachten. Es kann die Höhe einer Rente, die man zugesteht, aber doch einigermaßen ein Zeugnis sein dafür, in welchem Grade man fähig ist, ein Opfer an Blut und Gesundheit einzuschätzen. Jeder, der dieses Opfer gebracht hat, muß der Renteteilhaftig werden. Das ist, ich wiederhole es, unser Standpunkt. Mit diesem Gesetze schafft sich die Èechoslovakei dem entgegengesetzt in der internationalen Kriegsbeschädigtenfürsorge eine Sonderstellung. Die Èechoslovakei ist der einzige Staat, der eine Einkommensgrenze für Kriegsbeschädigte festlegt. Kein Staat hat eine solche gesetzliche Regelung geschaffen, keiner der im Weltkrieg irgendwie beteiligt gewesenen Staaten; überall ist der von mir angeführte Grundsatz verwirklicht, daß die Rente dem gebührt, der ein Opfer an Blut und Gesundheit gebracht hat unbeschadet seines Einkommens, das er sich etwa nachträglich, ins Zivilleben zurückgekehrt, geschaffen hat. Es könnte höchstens einen freiwilligen Verzicht auf eine solche Rente geben. Es wurde schon im Ausschuß bei Behandlung des Gesetzes festgestellt, daß kein Staat in solcher Weise bei der gesetzlichen Regelung verfahren ist. Es wird dagegen gehalten, daß Deutschland eine solche Grenze geschaffen hätte. Deutschland hat zwar in einer gewissen Form eine Einkommensgrenze für die Kriegsbeschädigten festgesetzt, doch ist diese weit höher gehalten, als die Grenze bei uns und sie ist derart organisiert, daß bei Erreichung eines gewissen Einkommens dem Kriegsbeschädigten keineswegs die ganze Rente in Wegfall kommt, bzw. abgeschrieben wird, sondern lediglich stufenweise. Dagegen wird in Deutschland die Schwerbeschädigtenzulage, bzw. die Ortszulage sowie die Ausgleichszulage unbeschadet jedweder Höhe des Personaleinkommens dem Kriegsbeschädigten zur Auszahlung gebracht. Diesem Standpunkt müßte auch unsere Regierung Rechnung tragen, auch sie müßte bei der Regelung der Kriegsbeschädigtenfürsorge in dieser Art und Weise vorgehen. Damit würde unserer zweiten grundsätzlichen Forderung, die wir in der heutigen Sitzung erheben möchten, Rechnung getragen sein, sie besteht darin, daß der Unterschied bei der Fürsorge für wirtschaftlich selbständig tätige und wirtschaftlich unselbständig tätige Kriegsbeschädigte überhaupt aufgehoben wird. Die Bestimmung über Schaffung einer Einkommensgrenze, über welche hinaus den Kriegsbeschädigten die Rente nicht mehr zur Auszahlung gelangt, ist für uns nicht akzeptabel. Wir erkennen in dieser Maßnahme viel zu sehr den eigentlichen Zweck, der darin besteht, einen großen Teil der Kriegsbeschädigten aus der Rentenversorgung überhaupt auszuschalten. Das ist so hart und so ungeheuerlich, so einzig dastehend! Kein einziger Staat, wie ich schon sagte, der am vergangenen Krieg beteiligt war, hat zu dieser Methode gegriffen, so daß wir uns mit dieser Maßnahme nicht im geringsten irgendwie verquicken wollen. Wir warnen in letzter Stunde vor der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzes vor dessen unveränderter Annahme. Es gilt diese Warnung nicht zuletzt auch denen, welche auf gegnerischer Seite stehend in den letzten Jahren versuchten, trotz aller Widerstände die Sozialgesetzgebung vorwärts zu tragen, den Rest ihres guten Namens als Sozialpolitiker zu erhalten.

Trotz aller gegensätzlichen Einstellung, wie ich sie gekennzeichnet habe, begeben wir uns aber, um entgegenzukommen, auf den Verhandlungsweg, auf den Weg des Kompromisses. Wir beantragen, daß die Einkommensgrenze, wenn eine solche schon festgelegt werden muß, zunächst einheitlich für wirtschaftlich unselbständig tätige und wirtschaftlich selbständig tätige Kriegsbeschädigte verfügt und entsprechend hoch angesetzt wird. Unser Antrag lautet auf Festsetzung einer Einkommensgrenze von 16.000 Kronen für beide Kategorien der Kriegsbeschädigten. Wir können diesen Antrag stellen und auch den Herren von der Regierungsseite zur Annahme empfehlen, ohne des Vorwurfes gewärtig sein zu müssen, mit dem man uns immer so schnell bei der Hand ist, daß uns Demagogie ohne Rücksicht auf die Möglichkeit der Erfüllung der Forderung leitet, oder des Vorwurfes, daß wir es als oppositionelle leicht haben, gewissenlos in Verkennung der finanziellen Lage des Staates Wünsche zu äußern. Ich frage die Herren von der Regierungsseite, die als Mehrheit für die Beschlußfassung des Gesetzes mehr in Betracht kommen, als die linke Seite des Hauses, ob der Antrag auf Erhöhung der Einkommensgrenze für Kriegsbeschädigte in dem von uns gewünschten Ausmaße auch nur im entferntesten als Demagogie gewertet werden kann, ob dem Staate durch Annahme eines solchen Antrages seine finanzielle Führung zur Unmöglichkeit würde. Sie müssen mit Nein antworten und sie müßten dem Antrage zustimmen. Täten sie das, sie retteten ein gutes Stück Ihres guten Rufes. Sie wissen das so gut wie ich, weil Sie die internationale Regelung der Kriegsbeschädigtenfürsorge gleich uns Oppositionellen kennen. Ich frage Sie, sind denn 5.000 Kronen überhaupt eine Einkommensgrenze, sind denn 5.000 Kronen überhaupt ein Existenzminimum? Es soll nicht nach Zynismus aussehen, wenn ich die Herren, die solche Bestimmungen veranlassen wollen, bitte, Sie verzeihen, vielleicht einen Bruchteil des Jahres nur mit dem auf diesen Bruchteil kommenden Betrag von 5.000 Kronen Ihr Auskommen zu finden. Sie würden gewiß zu einer anderen Meinung und Ansicht kommen, als die, die Sie in diesem Gesetz verankert haben und die Sie zum Gesetz erhoben wissen wollen. Die Stellung zu unserem Antrag wird uns ein letzter Beweis für das Verhältnis der Theorie und Praxis der sozialen Einsicht der Regierungsparteien sein. Lehnen Sie diesen Antrag, den wir gestellt haben, ab, lehnen Sie sogar den von uns vorbereiteten Eventualantrag ab, die Einkommensgrenze zumindesten in der Höhe zu belassen, wie sie durch das Gesetz vom 20. Feber 1920 vorgesehen wurde, dann wissen wir, woran wir sind. Dann stimmt es, was allgemein vermutet wird in den Kreisen der Kriegsbeschädigten und darüber hinaus, daß insbesondere das Jahr 1926 von Maßnahmen erfüllt sein soll, die als sozial-reaktionär charakterisiert sind.

Das Wort von den unerträglichen Soziallasten soll anscheinend auch bei uns interpretiert werden. Hart und grausam will man das tun, wie man das bei uns gewohnt ist, wenn man etwas tut. Wir haben demgegenüber zu warnen. Die Herren von der Regierung, die ja verantwortlich sind für die Gesetze in diesem Hause, werden neue Erregung schaffen, größer als sie jeweils in dem Leben des jungen Staates bestand, größer deshalb, weil alle Enttäuschungen ja auch übertroffen werden sollen. Alle Bestimmungen sollen übertroffen werden, die man bisher erleben mußte, trotz all der großen Verheisungen, mit welchen das Leben des Staates begonnen hat. Das Wort von den unerträglichen Soziallasten ist nicht hier geprägt worden, wir müssen leider gestehen, daß es in Deutschland und Deutschösterreich geprägt worden ist. Wir nehmen nicht einmal Veranlassung, bei dieser Feststellung einen Hinweis auf die prekäre Lage dieser Staaten zu tun, die gewiß nicht eigenes Verschulden derselben ist. Ein solches Wort darf nicht gelten. Die verantwortliche Führung des Staates hat sich über alles hinweg eben zur Wehr zu setzen, wenn man etwa auch nur durch Diktat, die Verelendung seiner Glieder zu verfügen zwingen will. Dabei ist die Sache aber so, daß man bei allem Versuche, über Geheiß oder zwangsläufig die Soziallasten abzubauen, in Deutschland und Deutschösterreich bei weitem noch nicht dorthin gekommen ist, noch man auch nicht dorthin kommen will, als man hier in der Èechoslovakei den Willen aufbringt, tatsächlich zu kommen. Ich möchte zum Beweise dessen die Novellierung des Versorgungsgesetzes in Deutschland anführen, die vor kurzem vorgenommen wurde und die bedeutend höhere Sätze aufweist, als unser Versorgungsgesetz. Interessant ist, diese Relation festzustellen durch einen Vergleich der Renten der deutschen Kriegsbeschädigten zu denen, welche unsere in Deutschland lebenden Kriegsbeschädigten beziehen. Es wäre mehr interessant, hier im Zuge der Debatte in dieser Beziehung eine statistische Gegenüberstellung zu geben. Man würde trotz aller prekären Lage Deutschlands den Beweis dafür geliefert erhalten, daß Deutschland, trotzdem das von mir erwähnte Schlagwort vom Abbau der sozialen Lasten dort aufgekommen ist, die Kriegsbeschädigtenfürsorge wie überhaupt jede andere soziale Fürsorge noch bedeutend höher und größer ist, als sie hier seit Jahr und Tag besteht, und die ja noch abgebaut werden soll. Warum soll und muß die Èechoslovakische Republik ihren internationalen Ruf schädigende reaktionäre Maßnahmen vornehmen? Sie hat ja keine Ursache, das zu tun. Wir wissen alle, in welcher Art und Weise die èechoslovakische Republik schon durch ihre nationalen Maßnahmen um ihren guten internationalen Ruf gekommen ist. Es ist genug, daß die Revisionen im Jahre 1925 eine große Anzahl von Kriegsbeschädigten aus der Versorgung gebracht haben. Kriegsbeschädigte, die in Deutschland oder Deutschösterreich keineswegs eine Ausscheidung aus der Rentenversorgung erfahren hätten. Wir denken mit Betrübnis dieser strengen Revisionen. Wir werden als Abgeordnete, die Gelegenheit haben hinauszugehen, nicht fertig von Klagen, die uns Hunderte und Tausende von Kriegsbeschädigten und deren Witwen und Waisen zu Gehör bringen. Die Opfer der Revisionen sollen heute wenigstens in uns einen Anwalt finden, der ernst die Wiedergutmachung der ihnen 1925 angetanen Schäden fordert, ernster aber noch die Einstellung aller anderen Bedrängnis, die etwa noch im Projekte der Regierung und der Regierungsparteien steht.

Wie wir vernehmen, soll auch Hand an die Berufungskommissionen gelegt werden, welche als Einrichtung bestanden zum Schutze der Kriegsbeschädigten gegen allzu harte Verfügungen der Amtsärzte. Diese Kommissionen waren in letzter Zeit gewiß nicht mehr als Ideal zu bezeichnen. Der Kriegsbeschädigtenvertreter war in ihnen in letzter Zeit durch den Amtsvertreter in den Hintergrund gedrängt. Ihre gänzliche Auflassung würde aber dennoch von uns nicht gewünscht werden. Wenn sie auch in letzter Zeit nicht als Idealinstitutionen bestanden, waren sie doch bis zu einem gewissen Grade Apellationshöfe, in denen immer noch der Kriegsbeschädigtenvertreter für die Kriegsbeschädigten eine Lanze brechen konnte. Würden sie also reorganisiert werden, wie wir vernehmen, daß es im Projekte steht, und zu rein fiskalischen Institutionen herabsinken, dann hätten wir in der Tat für sie nicht mehr übrig.

Bei dieser Gelegenheit der Kritik an dem vorliegenden Gesetze wiederholen wir auch die schon oftmals gestellte Bitte, von der Rigorosität bei der Behandlung von verspäteten Rentenanmeldungen Abstand zu nehmen. Wir bitten darum besonders für jene Fälle, bei denen es nachweislich ist, daß die verspätete Anmeldung keineswegs im Verschulden der Partei gelegen ist.

Mein Kollege Patzel hat an dem Herrn Minister in einer Reihe von Anfragen Beschwerde über die Behandlung von Kriegsverletzten, welche in Deutschland wohnen, geführt. Ich bitte auch in seinem Namen den Herrn Minister, die in der Beschwerde geführten Fälle eingehend zu untersuchen zumal diese Fälle nicht Einzelfälle, sondern Typen für eine ganze Reihe von Fällen, vielleicht von hunderten Fällen sind - und sie einer günstigen Lösung zuzuführen.

Ich habe resümierend zu bemerken, daß wir es für nötig erachtet haben, wenn auch nur ganz kurz, uns zu den vorliegenden Gesetzesantrage kritisch einzustellen und Abänderungsanträge einzubringen, die Ihnen zur Abstimmung vorgelegt werden. Wir wollen uns keineswegs mit dem identifizieren, was etwa geschehen würde, wenn der vorliegende Regierungsantrag unverändert zur Annahme gelangte. Unser Gewissen steht denn doch etwas höher als das Gewissen derjenigen, die sich nichts daraus machen, den Regierungsantrag in seiner vorliegenden Form unverändert anzunehmen. Wir haben kein so eng gezogenes Gewissen. Wenn Sie es haben, werden Sie auch in der Folge die Verantwortung für Ihre Maßnahmen zu tragen haben. (Souhlas na levici.)

16. Øeè posl. Bartela (viz str. 924 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Der Antrag des sozialpolitischen Ausschusses, beziehungsweise der Regierungsantrag, betreffend die Feststellung der Einkommensteuer für selbständige Kriegsbeschädigte auf 5000 und für Unselbständige auf 10.000 Kronen, ist für uns ungenügend, in dieser Form unannehmbar. Es heißt in der Antragsbegründung, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse von 1924 oder der früheren Jahre nicht geändert haben. Das mag sein. Aber auch 1924 war die Einkommensgrenze schon viel zu niedrig angesetzt. Zu dem Antrag, die Einkommensgrenze mit 5000 Kronen festzusetzen, fehlt meiner Meinung nach eine Ergänzung, nämlich eine Gebrauchsanweisung, wie eine mehrköpfige Familie mit diesem Betrage das Auslangen finden kann. Aber dieser Regierungsantrag ist noch nicht das Schlimmste. Weit drückender empfinden die bedauernswerten Opfer des Krieges noch die Handhabung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen.

Besonders die Landesstelle Brünn leistet ganz Hervorragendes in der Kriegsinvalidenfürsorge. Mit Stolz weisen amtliche Statistiken darauf hin, daß die Zahl der Kriegsverletzten von 600.000 auf 280.000 gesunken ist. Liegt nun die Wahrscheinlichkeit nahe, daß die Differenz von 320.000 inzwischen gesund geworden ist. Wenn alle amtlichen Stellen so arbeiten, wie die Brünner Landesstelle, dann begreift man, woher solche Feststellung kommt. Denn was man sich dort an sogenannten Gesundmachen leistet, hat nichtseinesgleichen. Leute, die bei der sozialärztlichen Kommission daheim mit 60% bemessen sind, werden den nächsten Tag in Brünn kaltblütig auf 20% heruntergesetzt. Es ist in letzter Zeit in Zuckmantel in Schlesien ein Fall vorgekommen, der die entweder oberflächliche oder, was richtiger sein wird, gewissenlose Handhabung bei den maßgebenden Stellen deutlich aufzeigt. Ein rückenmarkleidender Kriegsinvalide wird bei der sozialärztlichen Untersuchung mit 80% erkannt, er wird nach 2 Jahren nach Brünn zitiert. Weil er nicht allein zu reisen imstande ist, kommt er mit einem Begleitmann nach Brünn zur Landeshauptstelle. Brünn macht ihn gesund. Um 60% wird er gesunder gemacht, auf 20% wird er gesetzt. Der Mann wird wieder verladen, er fährt heim und in Zuckmantel trägt man eine Leiche vom Bahnhof. (Hört! Hört!) Das nennt sich in diesem Staate Invalidenfürsorge. (Posl. Dr Luschka: Wie hat der Mann geheißen?) Der Name steht zur Verfügung im Briefe, den ich drüben in der Bank habe, der Name ist mir momentan entfallen.

Noch eine andere Härte des Gesetzes, die Frist für die Einbringung von Gesuchen, muß ich zur Sprache bringen. Der seinerzeitige Hutarbeiter, gegenwärtiger Invalide Ferdinand Blaschke aus Seitendorf bei Neutitschein, am 5. Jänner 1875 geboren, ist Vater von 8 Kindern, von denen das jüngste 3, das älteste 16 Jahre alt ist, ein Mädchen, das sich im Dienste befindet, jedoch noch nicht in der Lage ist, sich durch denselben selbständig zu erhalten. Blaschke wurde am 16. November 1915 zum Heeresdienst einberufen und ist am 19. August 1917 am Isonzo verwundet worden. Es wurde ihm das Kinn gespalten und die Blutgefäße wurden verletzt. Im Dezember 1917 trat Blaschke wieder ins Gefecht, und zwar, was zur Beurteilung der Sachlage von wesentlicher Bedeutung ist, in Liegestellung und ins dunkle Terrain. Zu Kriegsende wurde Blaschke vom Militärdienst entlassen und arbeitete darum bei der Firma Hückel, Hutfabrik in Neutitschein, bis gegen Ende März 1924. Am 23. März 1924 wurde Blaschke von Dr Perl in Freudenthal das erstemal und am 6. April das zweitemal an den Augen operiert. Im ersten Falle wurde der operative Eingriff an beiden, im letzten Falle am linken Auge vorgenommen. Es handelte sich um grünen Star. Dr Perl gibt ohne weiteres zu, daß die Ursache der Erblindung auf den Kriegsdienst zurückzuführen ist. Im Juli 1924 wandte sich Blaschke an die Kriegsverletztenfürsorge in Prerau und wurde da abschlägig beschieden mit dem Hinweise, die Frist zur Stellung von Ansprüchen auf Fürsorge, beziehungsweise Unterstützung verstrichen, das Ansuchen zu spät eingegangen sei. Das Sittenzeugnis sowie das ärztliche Attest sind in Prerau zurückbehalten worden. Solchem Verhalten gegenüber ist festzustellen, daß die Verordnung über die Einhaltung einer Frist zur Anmeldung von Kriegsverletzungen eine große Lücke aufweist, und zwar insofern, als diese Bestimmung von Rechts wegen nur auf Verletzungen amputativen Charakters angewendet werden kann. Es ist eine Tatsache, die auf keinen Fall bestritten werden kann, daß viele Soldaten wegen andauernder Liegestellung erblindet sind, ohne daß erst irgendwelche Defekte am Kopf hinzutreten müssen. Die strikte Anwendung obiger Verordnung bedeutet eine Härte in Fällen, wo erst nach Jahren Schäden von Kriegsfolgen sich auswirken, und es wäre daher sehr angebracht, daß die genannte Bestimmung abgeändert wird. Wie soll es erst einmal werden, wenn bei den meisten Soldaten die sogenannten rheumatischen Folgen, die ja, wie allgemein bekannt, erst nach Jahren zum Vorschein kommen und welche in schweren Erkältungen, im langen Stehen im Wasser etc. ihre Ursachen haben, aufkommen?

Auch die Durchrechnung der Witwen- und Waisenrenten ist bis heute nicht vollendet. Hunderte und Tausende Witwen und Waisen warten bis heute auf die versprochene Nachzahlung. Meine Herren, das nennt man soziale Fürsorge!

Interessant, aber auch tief beschämend ist es, daß die internationale Genfer Tagung festgestellt hat, daß Jugoslavien und die Èechoslovakei die elendsten Versorgungsbestimmungen für die Kriegsinvaliden haben. Inzwischen hat Jugoslavien vieles gut und besser gemacht, nur hierzulande rührt sich nichts. Die Èechoslovakei will sich den traurigen Ruhm nicht nehmen lassen, in diesen Belangen an erster Stelle, natürlich von rückwärts, zu bleiben. Wenn hier nicht ebenfalls bald Wandel geschaffen wird, gehen Tausende braver Menschen zugrunde, die nichts anderes getan haben als die ihnen auferlegte Pflicht, die Scholle, auf welcher nicht bloß Deutsche, sondern auch Èechen lebten, vor Verwüstung zu bewahren.

Andererseits wird durch solches Vorgehen der Amtsstellen den Gemeinden eine Verpflichtung aufgehalst, die sie bei der allgemein bekannten Lage der Gemeinden finanziell nicht zu tragen imstande sein werden.

Ich empfehle den Antrag meines Kollegen Greif, die Einkommensgrenze auf 16.000 Kè festzusetzen, zur Annahme. Den gegenwärtigen Machthabern aber möchte ich zurufen: Mehr soziales Gewissen! (Souhlas na levici.)

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