Ètvrtek 4. bøezna 1926

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 12. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve ètvrtek dne 4. bøezna 1926.

1. Øeè posl. dr Koberga (viz str. 541 tìsnopisecké zprávy):

Deutsche Volksvertreter! Wir haben heute den 4. März und ich als erster deutscher Redner möchte die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, um an diesen 4. März jener Todesopfer zu gedenken, die vor 7 Jahren dieses System, diese Militärherrschaft in diesem Staate gefordert hat. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Stivín.) Damals ist in Wien die deutsch-österreichische Nationalversammlung zusammengetreten, zu der wir nicht wählen durften, obwohl wir, auf den Grundsätzen des Selbstbestimmungsrecht fußend, diese Wahl für uns in Anspruch nahmen. Am 4. März zogen überall in Stadt und Land unsere Leute auf die Straße und demonstrierten für das Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit des deutschen Volkes. (Výkøiky: Heil!) Damals ist nun das Militär ausgerückt und hat mit Maschinengewehren und Gewehren in die wehrlosen Leute, in die Weiber und Kinder hineingeschossen und zahlreiche Todesopfer gefordert. Wir gedenken in Trauer der damals Gefallenen und sind überzeugt, daß ihr Blut über jene kommen wird, die dieses Verbrechen verschuldet haben. (Výkøiky: Heil! - Potlesk a souhlas na levici.)

Die gleichen Zustände und Verhältnisse herrschen heute noch bei uns und in Karpathorußland. Um Ihnen mein akademisches Interesse für die Frage der Suspendierung der Geschworenengerichte in Karpathorußland einigermaßen verständlich zu machen, erlaube ich mir, mich Ihnen zunächst als ein aus dem Justizdienste hervorgegangener Verwaltungsjurist vorzustellen. Aber auch als Mensch und insbesondere als Mitglied der deutschen Nationalpartei, die bekanntlich das Selbstbestimmungsrecht auf ihre Fahne geschrieben hat, das Selbstbestimmungsrecht, das gleichermaßen uns wie den Karpathorussen bisher vorenthalten wurde, nehme ich praktischen Anteil an dieser Frage. Der vorliegende Gesetzentwurf wirft ein grelles Schlaglicht darauf, wie man hierzulande mit allen Volksstämmen umspringt, die nicht zur herrschenden Nation gehören, die also den Geburtsfehler haben, Nichtèechen zu sein. Die Regierungsvorlage ist ein kleines, aber vielsagendes Beispiel für die Methoden, mit welchen die Minderheiten in diesem Staate ebenso wie durch die Sprachenverordnung mundtot gemacht werden sollen.

Bevor ich auf Einzelheiten eingehe, gestatten Sie, daß ich zunächst ganz kurz einiges über die Einrichtung der Geschworenengerichte im allgemeinen sage: Sie stammt, wie bekannt, aus England, also aus einem verbündeten Staate. Nach der französischen Revolution übernahm sie Frankreich, also der dieser Republik am nächsten stehende Staat, dessen Einrichtungen in Prag doch sonst ganz unbesehen nachgeahmt werden. Frankreichs Bürger wurden nicht nur zur Gesetzgebung, sondern auch zur Rechtsprechung herangezogen, ohne daß man dabei Unterschiede zwischen den einzelnen Departements gemacht hätte, obwohl es auch in Frankreich zurückgebliebene Gebiete gibt und obwohl sich gewiß nicht jedes französische Dorf mit Paris messen kann. Der Code d´instruction criminelle von 1808 verwies die Kapitaldelikte endgültig und überall an die Geschworenen und so blieb es in Deutschland übernommen. Allerdings werden dort schwere Bedenken erhoben gegen die Trennung der Schuld - von der Straffrage und gegen die Zuweisung der beiden Fragen an verschiedene Faktoren. Aber da wir einmal in einer demokratischen Republik leben, welche die Einrichtung der Geschworenengerichte als natürliche Folge der Demokratie mit übernommen hat, bleibt es ganz außer Frage, daß das gesamte Staatsgebiet und alle Teile der Bevölkerung ohne Ausnahme Anspruch darauf haben, in jeder Hinsicht gleich behandelt zu werden, auch in strafprozessualer Beziehung. Zwar ist es mir wohl bekannt, daß in Karpathorußland noch sehr viele Analphabeten hausen, doch ist daran wohl nicht in letzter Linie mit die Regierung schuld. Denn innerhalb von 7 Jahren wäre es bei dieser keineswegs unbegabten Bevölkerung sicher möglich gewesen, die allgemeine Volksbildung mehr zu heben, als dies tatsächlich geschehen ist, umsomehr als doch 100.000 Magyaren und 90.000 Juden dort unter den Ruthenen leben, die gewiß auch bildungsfähig sind, und die Regierung hätte die Gelegenheit jedenfalls wahrnehmen können. Aber freilich, eine Regierung, die das Bildungsniveau von 3 1/2 Millionen Deutschen planmäßig von Jahr zu Jahr immer mehr herunterdrückt, eine Regierung, die 4000 deutsche Schulklassen sperrt, ohne mit der Wimper zu zucken, eine Regierung, die nur Èechen als Herren gelten läßt und Tag und Nacht bestrebt ist, alle anderen möglichst rasch zu Heloten und Sklaven herabzudrücken, eine solche Regierung geht natürlich und sebstverständlich leichten Herzens über 600.000 Menschen in Karpathorußland zur Tagesordnung hinweg und behandelt sie einfach wie Eingeborene einer Negerkolonie. Aber sind diese Leute nicht ebenso Europäer, wie wir und die Herren in Prag, und gebührt uns allen nicht das gleiche Recht wie den Èechen in Prag? Wurde uns dies nicht durch den Friedensvertrag von St. Germain und durch die Verfassung ausdrücklich gewährleistet? Ist das der vielgepriesene Locarnogeist, von dem Minister Dr. Beneš wiederholt gesprochen hat, oder ist das nicht eher der unselige Geist Metternichs, der bei der Beschneidung sämtlicher Freiheitsrechte der unterjochten Untertanen am Werke ist? Jedenfalls machen Sie, meine Herren Èechen, mit der Entösterreicherung verdammt schlechte Fortschritte. Sie machen sich damit keine Ehre und machen kein gutes Bild. Es ist mit der Entösterreicherung verdammt schlecht bestellt, und es wäre jedenfalls besser, als Wahlspruch dieses Staates zu wählen "Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo!" als den etwas deplaciert klingenden Wahlspruch "Die Wahrheit siegt!" Denn in Wahrheit ist dieser Nationalitätenstaat trotz des so fein erfundenen Märchens vom èechoslovakischen Nationalstaat nichts anderes, als ein schlechter Abklatsch der alten österreichischen Monarchie in verkleinerter und verschlechterter Ausgabe. Und das merkwürdige Völkergemisch von Karpathorußland ist ein getreues Miniaturabbild dieser glorreichen Republik.

Und bei derart verwickelten Verhältnissen wagt es die Regierung, im achten Jahre des Bestandes der Republik die weitere Ausschaltung der Schwurgerichte in Karpathorußland zu beantragen? Gerade dieses Gebiet hat unbedingt Anspruch darauf, durch Volksrichter aus den eigenen Reihen in allen schweren Kriminalfällen abgeurteilt zu werden, weil die dorthin versetzten Èechen die Eigenart dieses Völkchens und seine besondere Moral nicht kennen und deshalb vielfach Fehlurteile fällen müssen, die bei der bodenständigen Bevölkerung selbstverständlich großes Mißfallen erregen. Das nämliche gilt vice versa auch hinsichtlich der in unser deutsches Gebiet versetzten èechischen Berufsrichter, die ebensowenig Verständnis für die deutsche Art aufbringen, wie für die ruthenische. Deshalb wenden auch wir Sudetendeutschen uns mit aller Entschiedenheit gegen die fremden Vögte und vereinigen unsere Beschwerden mit denen der Karpathorussen. Wir geben den letzteren durchaus recht, wenn sie leidenschaftlich ihre Stimme erheben gegen die neuerliche Zurücksetzung und Bloßstellung ihres Volkes vor aller Welt als Idioten- und Trottelbande. Wenn man schon diese gegen Rußland ausgestreckte Hand im Interesse des Panslavismus gebraucht hat, wenn man die Brücke zu dem rumänischen Bundesgenossen nicht entbehren wollte, um die Kleine Entente besser beisamen zu haben, so sollte man dafür doch wenigstens die primitivsten Menschenrechte der Bewohner Karpathorußlands achten. Zugegeben, daß die politische Reife der Bevölkerung dort eine geringe ist, aber läßt sie sich nicht gerade dadurch heben, daß man die Leute, soweit sie halbwegs tauglich sind, zum öffentlichen Leben, also auch zum Geschworenenamte heranzieht?

Bekanntlich haben sich die Ruthenen unter dem Einflusse von Dr. Žatkoviè nur unter der Bedingung an die Èechoslovakei angeschloßen, daß sie ein unabhängiges Territorium behalten. Allerdings wurde in St. Germain darauf nicht Rücksicht genommen. Immerhin hat man ihnen Autonomie gewährleistet. (Výkøiky posl. Horpynky.) Die Verfassung schwächte diese Zugeständnisse noch mehr ab und der tatsächliche Zustand bleibt demgegenüber wieder weit zurück. Weder einen Landtag, noch irgendeinen Ansatz zu einer kulturellen Autonomie sehen wir in Karpathorußland. (Výkøiky na levici.) In Wahrheit ist es noch heute ein diktatorisch beherrschtes Gebiet - ein Zeichen für die großartig konsolidierten Verhältnisse. Was gelten in Prag Versprechungen, was Schwüre, was Verträge? Dieses arme Land, in dem Gewalt und Korruption womöglich noch ärger herrschen, als in unseren deutschen Randgebieten, ist ein Schulbeispiel für das System, mit dem diese demokratischeste aller Republiken künstlich zusammengehalten wird. (Výkøiky na levici.) Die Erbitterung der Bevölkerung hat sich im Ausfalle der Wahlen zur Geltung gebracht, indem dort vorwiegend kommunistisch gewählt wurde, ein deutliches Menetekel für die Prager Oligarchie. Trotzdem aber verschließen diese Toren noch immer den gerechten Forderungen dieses gequälten Landes ihr Ohr, ebenso wie gegenüber den Beschwerden aller anderen unterdrückten Nationen, die in diesem Staat hineingepreßt wurden oder hineingeraten sind wie Pontius in Credo. Leider hat der Völkerbundsrat anscheinend noch immer nicht Zeit gefunden, sich mit den aus Karpathorußland kommenden Beschwerden zu befassen, ebensowenig wie mit irgend einer anderen aus der Èechoslovakei gekommenen Denkschrift der geknechteten Minderheiten. Dafür machen wir in erster Linie unseren viel geschäftigen und vielbeschäftigten Herrn Außenminister Dr. Beneš verantwortlich. Über ihn und seine Handlungsweise, die trotz angeblicher Abschaffung der Geheimdiplomatie sehr oft das Tageslicht scheuen muß, wird dereinst ein höheres Forum zu Gericht sitzen, als dieses hohe Haus, nämlich die Geschichte, der wir getrost das Urteil überlassen. Die Idee der Selbstbestimmung wird sich einmal auch hinsichtlich Karpathorußlands allen Gewalten zum Trotz durchsetzen und auswirken, ebenso wie auch hinsichtlich unserer sudetendeutschen Gebiete. Davon sind wir vollkommen überzeugt. Das seit seiner angeblichen Befreiung durch die Èechen immer mehr unter Hungertyphus und Tuberkulose leidende, aus einer natürlichen Lebensgemeinschaft gewaltsam herausgerissene und deshalb immer mehr verarmende, beispiellos vernachlässigte Volk in Karpathorußland, im Erzgebirge, im Böhmerwald, im Riesengebirge und Altvatergebirge wird eines Tages gewaltsam die Fesseln zerreißen, um aus diesen trostlosen Verhältnissen endgültig herauszukommen. Da es die Freiheit im Staate nicht bekommt, muß es naturnotwendig die Freiheit vom Staate anstreben.

Reden Sie sich, meine Herren von der Regierung, bezüglich Karpathorußlands nicht wieder auf die frühere ungarische Mißwirtschaft aus, beachten Sie lieber endlich einmal die unsinnige Grenzziehung und die èechische Mißwirtschaft in den annektierten Provinzen und suchen Sie darin die wahren Ursachen für den Verfall in diesen Gebieten. Namentlich in den magyarischen Landstrichen haben die Èechen genau so wie bei uns in den Rand gebieten nicht Kulturaufbau, sondern Raubbau, planmäßige Zerstörung der Kultur und Wirtschaft getrieben. Darüber enthält die durch den Abg. Kurak dem Völkerbund im Jahre 1924 überreichte Denkschrift ein reichliches Material, hinsichtlich der Wirtschaft, wie auch hinsichtlich der geistigen Kultur. Es ist überall dasselbe System: Schulen und Kindergärten werden in Massen geschlossen, ehemalige Legionäre, die selbst keine anständige Schulbildung besitzen, kommen als Lehrer an die neuerrichteten èechischen Schulen und die Verwaltung wird von èechischen Beamten zweifelhafter Güte beherrscht; kein Wunder, da ja Karpathorußland in Prag noch immer als eine Verbannung, als ein zweites Sibiriem betrachtet wird, so daß dorthin noch schlechter qualifizierte Beamte versetzt werden, als in die deutschen Randgebiete, obwohl man dies kaum für möglich halten sollte, nach all dem, was wir schaudernd sieben Jahre lang am eigenen Leibe mit erlebt haben. War aber die Autonomie als Lockspeise für den Anschluß an die Èechoslovakei gut genug, so muß nun auch die Folgerung daraus gezogen und die Rechtlosigkeit endlich abgebaut werden, die heute noch immer dort herrscht. Der Mündigkeitsschein und die verbriefte Gleichberechtigung wurde nun einmal Karpathorußland in die Wiege gelegt; aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre selbst wenn man Karpathorußland ebenso ein gesackt hätte, wie Deutschböhmen und das Sudetenland, dann wäre es höchste Zeit, an die Aufhebung der Vormundschaft zu denken.

Ihr Èechen habt in Eurer unersättlichen Ländergier dieses Gebiet genau so wie die deutschen Randgebiete an Euch gerissen, nun schaut, wie Ihr mit dem Bissen fertig werdet, ohne daß er Euch im Magen liegen bleibt. Mit Bestechungen allein werdet Ihr auf die Dauer weder dort noch anderwärts Euer Auslangen finden und eine Bajonettherrschaft hat auch noch nie Ewigkeitswert bemesen. Durch Euere unerhörten Bedrückungen werden die unterdrückten Nationen in diesem Staate über lang oder kurz dazu gezwungen, Schulter an Schulter gegen Euch vorzugehen, mögen sie auch heute in ihrer Mehrheit noch nicht dafür zu haben sein. Ihr werdet es einmal bitter bereuen, daß Ihr in Eurem Wahne Recht und Gerechtigkeit mit Füßen getreten und Euch dadurch allmählich alle anderen Nationen zu Feinden gemacht habt. Die Sprachenverordnung ist der letzte Ausfluß dieses Eures Irrsinns. Selbst Mussolini ist nun schon urbi et orbi als Kronzeuge gegen Euch Sklavenhalter aufgetreten. Ein altes Sprichwort sagt: Wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit. Ihr Èechen seid derart mit Blindheit geschlagen daß man Euer Verderben heute schon als sicher voraussagen kann. Gut, Ihr werdet uns eine Zeit lang noch ärger knechten und entrechten können als bisher. Ihr werdet Euer Herrentum auf die Spitze treiben und den Becher der perversen Wolllust bis zur Neige leeren, indem Ihr Euere nichtèechischen Mitbürger bis aufs Blut quält, Ihr werdet uns sicher noch schwere und grausame Wunden schlagen, aber desto sicherer ist dieser Staat dem Untergange geweiht. Einst wird kommen der Tag, da wird auch das stolze Prag nicht mehr herrschen über die armen Ruthenen, Magyaren und Deutschen, dessen sind wir gewiß. Solange aber die jetzige Gewaltherrschaft besteht, werden wir sie bekämpfen, gegen wen immer sie sich richten mag. Deshalb wird die deutsche Nationalpartei selbstverständlich gegen den vorliegenden Gesetzesantrag stimmen. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. de Witteho (viz str. 543 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Vorlage, die zur Verhandlung steht, bedeutet ein neues schweres Unrecht gegen die Bevölkerung von Karpathorußland; zu den vielen Verfassungsbrüchen, die diese Regierung bereits am Gewissen hat, eben ein neuer. Es sieht fast so aus, als ob es auf einen mehr oder weniger nicht ankäme. Es werden verfassungsmäßige Rechte aufgehoben, es können Volksgerichte nicht mehr errichtet werden, es wird diese Zusage von Jahr zu Jahr verschoben. Man begründet es damit, daß die Bevölkerung nicht reif hiezu sei, die Judikatur könnte darunter leiden, die Rechtssprechung würde zu kurz kommen. Solche Ausreden sind freilich billig wie Brombeeren. Die Bevölkerung ist wohl reif genug, Militärdienste zu leisten, Steuern zu zahlen und sich in jeder Beziehung dem Staate zur Verfügung zu stellen, - die Volksjustiz aber schaltet man aus, man herrscht einfach mit dem Polizeiknüppel über die Menschen. (Souhlas na levici.) Und nicht nur in Karpathorußland, auch anderwärts in unserem Staate wird gegen andere Minderheiten nicht anders vorgegangen. Was sich Dienstag, um eine Illustration anzuführen, in Karlsbad abgespielt hat, (Výkøiky: Und Sonntag in Aussig!), jawohl, aber Dienstag am allerärgsten in Karlsbad, das muß hier zur Sprache kommen. Es ist unsere Pflicht, über dieses System einmal zu sprechen und uns einmal mit der Staatspolizei und dem ganzen Knüppelwesen zu beschäftigen. Die Vorgänge am Dienstag in Karlsbad erheischen die strengste Untersuchung, denn es ist nicht das Verdienst der Polizei, daß es keine Toten gegeben hat. Wären unsere Arbeiter, unsere Ordner, unsere "Rote Wehrmänner" weniger besonnen gewesen, dann wäre es nicht dabei geblieben, daß Frauen, Jugendliche und Kinder lediglich mit dem Gummiknüppel niedergeschlagen worden wären, wir hätten in Karlsbad zum zweitenmal den Tag erlebt, dessen siebenjähriges Gedenken uns eben heute mit Schmerz und Zorn erfüllt. Wir hätten einen zweiten 4. März erlebt. Die Untersuchung, nach der wir rufen, stellen wir uns jedoch anders vor, als sie damals nach dem 4. März 1919 geführt wurde. Es ist damit nichts getan, daß wieder so gelogen und alles auf den Kopf gestellt wird, wie damals nach dem Morden vom 4. März. Ich habe 1919 die Vorgänge vom Anfang bis zum Ende mitgemacht, ich habe die Provokation der bis dahin ruhigen Volksmassen durch das Militär gesehen, ich habe das blinde Hineinschießen in die Massen gesehen, ich habe mich geschämt, Zeitgenosse derer zu sein, die dann im offiziellen Bericht alles schamlos ins Gegenteil umgekehrt haben. Ich war auch persönlicher Zeuge der Vorfälle in der dienstägigen Karlsbader Versammlung und werde mithelfen, zu verhüten, daß aus Schwarz Weiß und umgekehrt aus Weiß Schwarz gemacht wird. (Hluk na levici). Karlsbad hat seit 4 Jahren Staatspolizei. Seit dieser Zeit ist die Geduld unserer Bevölkerung auf eine harte Probe gestellt worden, denn von allem Anfang an war es das Streben der Staatspolizei, die starke Faust zu zeigen, die Rolle des Landvogtes Geßler zu spielen. Gleich am ersten Tage ihres Karlsbader Daseins hat die Staatspolizei Mitglieder des Karlsbader Stadtrates, die in die Sitzung gehen wollten, mit Knütteln bedroht, und der diesbezügliche Protest des Bürgermeisters ist bis zum heutigen Tage unbeantwortet geblieben. (Hluk na levici.) Alle persönliche Freiheit in Karlsbad ist seit dem Tage einfach ausgelöscht und man kann sich beiläufig vorstellen, wenn das hier bei uns in Karlsbad vorkommt, wie es der Bevölkerung von Karpathorußland ergehen mag. (Souhlas na levici.) Nicht nur jede Versammlung bei uns hier in Karlsbad, die kleinste Zusammenkunft steht unter Polizeikontrolle und (Posl. Wünsch: Jede komunistische Versammlung wird verboten!) auf Schritt auf Tritt sind wir bevormundet. Zu Versammlungen kommt die Polizei herdenweise, bewaffnet. Ich gehe auf den Zwischenruf des Kollegen Wünsch ein und stelle fest: Ich war selbst Zeuge, daß kommunistische Versammlungen stattfanden, wo mehr Polizisten als Versammlungteilnehmer anwesend waren. Bei einem Bezirkssommerfest der sozialdemokratischen Partei wimmelt es von Poliozisten; bei jedem Fest stiftet die Polizei Unfrieden. Beim Bundesfest hat die Polizei das Tragen von kleinen Fähnchen durch die Kinder zum Anlaß genommen, zu raufen und Exzesse herbeizuführen. Beim Egerländer Trachtenfest, (Hluk na levici trvá.), das mit etwa 20 Dutzend Teilnehmern abgehalten wurde, kam es Dank der Polizei zu Krawallen und zu Exzessen. Dazu kommt die rigoroseste Auslegung des Versammlungsgesetzes. Überdies ist die Polizei in Karlsbad nicht vertragsfähig; sie schließt mit den Versammlungseinberufern Verträge ab, um dann auf die Leute, die vertragsgemäß vorgehen, den Gummiknüppel niedersausen zu lassen. (Výkøiky posl. Kreibicha.) Eine Stunde Verspätung in der Anmeldung bedeutet das Versammlungsverbot (Hluk trvá. - Místopøedseda Stivín zvoní.), die kleinste Unterhaltung wird polizeilich überwacht. Im Vorjahre hat - da kann man einen Rückschluß auf Karpathorußrand ziehen - die sozialdemokratische Lokalorganisation in Karlsbad einen Faschingsball im Kurhaus veranstaltet; und zu diesem Ball hat man 3 Polizeibeamte, 2 Detektivs, einige Wachleute geschickt und 10 Mann hat man in Bereitschaft gehalten. Die Kosten dafür hat man den Versammlungsteilnehmern aufgerechnet. (Výkøiky na levici.) Jeder Vortragstext steht unter strengster Zensur (Výkøiky na levici.), und dabei bleiben die Erkenntnisse jahrelang liegen. Wir haben heute den 4. März, und ich muß da an einen Vorfall erinnern, der kennzeichnend ist für die Herrschaft, die sich da aufgetan hat. Ich habe im vergangenen Jahre eine Märzfeierrede zu halten gehabt. Man hat von mir verlangt, daß ich erst den Text meiner Rede im Wortlaut vorlegen soll und man hat mir schließlich verboten, über den März 1919 zu sprechen. (Výkøiky na levici.) Für unsere Staatspolizei gibt es Revolutionen nur bis zum Jahre 1848. Alles, was nach dem Jahre 1848 kommt, duldet die Staatspolizei einfach nicht. Bei der Gedenkfeier der Märzgefallenen in Karlsbad, die von meiner Partei veranstaltet wurde, durften die Männer, die gefallen sind und der Anlaß, nicht einmal erwähnt werden. (Hört! Hört!) Keine Wirtshausgesellschaft bleibt mehr ohne Polizei. Die Mannschaft ist elend, erbärmlich bezahlt, erhält Hungerlöhne, und damit sie leben kann, muß man Gebühren einheben, die unerträglich sind. Ein anderes Beispiel: Wir haben in Karlsbad eine sozialdemokratische Frauenorganisation. Sie kommt dann und wann einmal auch zu einer gemütlichen Unterhaltung zusammen, wobei immer irgendwelche Vorträge stattfinden; wenn sich unter den Anwesenden jemand befindet, der Violine oder Klavier spielen kann, spielt er etwas vor. Es wird dafür nichts bezahlt, es wird kein Entré eingehoben, es ist eine ganz interne Veranstaltung. Das wird seit Jahrzehnten geübt; aber jetzt kommt ein Polizist hinein, beleidigt die Anwesenden und verlangt 60 Kè Gebühr dafür. (Výkøiky na levici.) In der kleinen unschuldigen internen Versammlung gibt es infolgedessen einen Exzeß. So geht es ununterbrochen weiter, die Provokationen nehmen einfach kein Ende.

Ich kann wohl sagen, nur eine übermäßige Geduld der Bevölkerung ist imstande gewesen, das alles bisher zu ertragen. Das ist die Staatspolizei, die in Karlsbad am Dienstag exzediert hat. Wie sie eingestellt ist, dafür ist ein Beweis die Erledigung unserer Versammlungsanzeige. Es heißt hier: Allen Anordnungen des intervenierenden Polizeibeamten haben Sie so wie alle übrigen Veranstalter zu gehorchen. Gleichzeitig fordere ich Sie auf, die eventuelle Resolution dem intervenierenden Beamten spätestens bei der Eröffnung der Versammlung zur Einsicht vorzulegen. "Haben Sie zu gehorchen", "fordere ich Sie auf", so hat kein k. k. Bezirkshauptmann gewagt, mit den kaiserlichen Untertanen zu sprechen. Dieser Herrenton, dieser Kasernenton, dieser Ton des Übermutes, er kennzeichnet die Situation.

Und nun einige Worte über die Versammlung selbst. (Stálé výkøiky.) Sie werden den Fall aus den Zeitungen kennen. Die drei großen Versammlungen wären in vollster Ruhe und Würde verlaufen. Die Teilnehmer der Versammlung wollten an der Bezirkshauptmanschaft vorbeiziehen - da ist in Karlsbad schon hundertemale geschehen, ohne daß es zu irgendeinem Exzeß oder zu Störungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung gekommen wäre. Beim Stadttheater hält der Revierinspektor Kaša, der Name muß festgehalten werden, den Zug auf. Dieser ehemalige k. k. Rittmeister, von dem bekannt ist, daß er keine Ahnung vom Dienst hat, stört den ganzen Zug, stört den Schluß der Versammlung, stört die Ordnung in der empfindlichsten Weise. Man muß sich vorstellen: etwa 15.000 Menschen drängen nach, und der Mann will mit einer Handvoll Polizisten den Zug aufhalten! Ich interveniere, und er gibt mir zur Antwort: "Der Zug ist nicht angemeldet." Ich sage ihm darauf: Das ist ein Unsinn, Sie sehen doch diese Menschenmassen, sie werden vorbeiziehen. Sie werden es doch nicht hindern wollen, Sie werden kein Unglück herbeiführen wollen." Daraufhin sagt er, daß er den Zug auf meine Verantwortung hin freigibt. (Výkøiky na levici.) Nun streben diese Massen vorwärts und jetzt geschieht der Wahnsinnsakt. Plötzlich macht die Polizei kehrt und haut mit den Knütteln besinnungslos auf die Menschen ein, auf alte Frauen, die zufällig in die erste Reihe gekommen sind, auf Jugendliche, auf Kinder, die dazu gekommen sind, wird losgeschlagen. Es wurde ein offizieller Polizeibericht herausgegeben. Es heißt hier: "Da ein Teil der Teilnehmer Miene machte, in das Gebäude der politischen Bezirksverwaltung einzudringen, wollte die Wache sie daran hindern. Hiebei kam es zu Gewalttätigkeiten seitens der Umzügler. Die Wache wurde mit Steinen angegriffen. Polizeiinspektor Vech und Polizeimann Kropáèek wurden von der Menge angegriffen." Es ist vom ersten bis zum letzten Wort eine Lüge, eine Lüge und nichts weiter. (Hluk trvá.) Man hat geschlagen, lange bevor man bei der Bezirkshauptmannschaft war. Es gibt dort keine Steine, um sie werfen zu können. Man warf nicht, man schlug nicht, man wurde geschlagen. Die Vornestehenden haben zurückgedrängt und die nachdrängenden Massen haben vorgeschoben. Es hat für die Polizei nur eine einzige Lösung gegeben, den Weg frei zu geben. Ich will nur als Beispiel an führen - damit Sie sich vorstellen können, wie es zugegangen ist - daß man mir vom rechten Fuß den Schuh in Stücken gerissen hat, (Výkøiky na levici. - Trvalý hluk.) das Gewühl bei dieser Polizeischlacht. Die Polizei hat auf die Fliehenden losgeschlagen, auf Frauen, auf Jugendliche; und nun erst haben einzelne Leute zurückgeschlagen. Und auf wen haben Sie zurückgeschlagen? Wer ist dieser Kropáèek? Gestern abend habe ich erst erfahren, daß er kürzlich auf zwei Monate außer Dienst gestellt war unter dem Verdacht der Unzurechnungsfähigkeit. (Hluk na levici.) Und wer ist der Kaša? Eine Stunde vor diesem Exzeß hat er mit seinen Leuten Exerzierübungen abgehalten, wie sie gegen die Demonstranten vorzugehen hätten. Man hat den Eindruck, es mindestens mit einem unsinnigen tölpelhaften und gewissenlosen Menschen zu tun gehabt zu haben, der in einem Kulturstaate nicht eine Minute länger auf seinem Posten bleiben dürfte. (Posl. Horpynka: Hier wird er avancieren!) Sicher. Es hat kein Vor und kein Zurück gegeben. Die Leute sind an die Teplufermauer getrieben und dort geschlagen worden. Mehrere sprangen in den Fluß, um sich zu retten. Ein Teil der Demonstranten hat sich bis zur Puppbrücke vorgedrängt, um über die Alte Wiese zurückzufliehen. Dort hat sich ihnen die Polizei wieder mit Revolvern in den Weg gestellt. Ich habe Zeugen dafür, daß einzelne Polizisten auf der Alten Wiese, wo es Steine gibt, solche aufgehoben und in die Tasche gesteckt haben, um für alle Fälle Beweise in der Hand zu haben. Es waren die Seitengassen abgesperrt, die Hauptstraße beiderseits abgesperrt und die Polizei hat mit den Pendreks auf die Massen losgedroschen. Viele sind trotz der Kälte in den Teplfluß gesprungen. Interventionen waren unmöglich. Kollege Hillebrand wollte intervenieren, der Polizeibeamte schrie ihn aber an: "Es ist mir ganz egal, wer Sie sind! (Výkøiky na levici.) Auch Senator Löw hat intervenieren wollen, man hat ihm jedoch gesagt: "Wären Sie zuhause geblieben!" Man hat an den Polizeichef telephoniert, er hat erklärt, der Zug sei gestattet; trotzdem wurde fortgedroschen. Unsere Leute haben, kann man sagen, allein die Situation gerettet, sie haben die Verletzten weggeschafft, sie haben die Leute beruhigt, trotzdem sie selbst von der Polizei geschlagen wurden, ich selbst war darunter. Den Ordnern wurden die Bänder heruntergerissen. (Posl. dr Czech: Wir stellen fest, daß der Zug kunstgerecht von der Polizei bewilligt worden ist; trotzdem ist die Polizei gegen ihn los gegangen!) Wäre unser Volk nicht disziplinierter gewesen als die Polizei, so wäre ein fürchterliches Blutbad die Folge gewesen. (Výkøiky na levici.)


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