Und nun ganz kurz einige Worte über das Recht unserer Klagen
als Deutsche. Es wird oftmals behauptet, daß wir zu unserer
Kritik nicht immer die Legitimation haben; nun will ich Ihnen
sagen, daß wir im Falle unserer heutigen Kritik eine Legitimation
haben, die durch Leistungen gegeben ist, die unser Volk, die unsere
Wirtschaftsträger vollführt haben, sie ganze Jahre hindurch
und noch weiter vollführen, die von Ihnen nicht beanständet
werden können. Ich habe schon bemerkt, daß die Verantwortung
von Ihnen allein wunschgemäß getragen wird. Wir haben
ein Recht zu unseren Klagen als Staatsbürger im Allgemeinen,
als Staatsbürger, welche dem Staate seine Einnahmen zu einem
großen Verhältnissatze liefern, im besonderen. Die
letztere Seite unseres Rechtes wird hervorragend illustriert durch
die jüngst erfolgten Veröffentlichungen des Institutes
für Statistik der Minderheitsvölker an der Universität
in Wien "Die Belastung der Deutschen und Èechen Böhmens
durch die Personaleinkommensteuer". Die bedeutsame Studie
des Ladislaus Weiler verarbeitet nur die Statistik der Kriegsjahre.
Sie gilt aber insoferne auch noch für die heutigen Verhältnisse,
als das Hauptmoment, das sie erarbeitet, die größere
Beitragsleistung der Deutschen als der Èechen zu den direkten
Steuern heute noch nicht anders geworden ist. Der Steuerfiskus
hat sich also in der Auswirkung auf die Deutschen nicht entösterreichert.
Aus den Statistiken des Ladislaus Weiler kann vieles ersehen werden.
Während die deutschen Städte kaum ein Vierzehntel der
Bevölkerung des Staates ausmachen, zahlen sie beinahe ein
Viertel der gesamten Steuern, die èechischen Landbewohner
hingegen, welche die steuerkräftigste Kategorie der Èechen
sind, müßten ihrer Kopfzahl nach ein Viertel der Gesamtsteuer
tragen, zahlen aber in Wirklichkeit nur etwas über ein Zehntel.
Schon diese Zahlen geben Anlaß zu der Annahme, daß
die Deutschen Böhmens einen unverhältnismäßig
hohen Anteil der Steuerlast zu tragen haben. Nicht weniger deutlich
ergibt sich das aus den verschiedenen Beziehungszahlen der Statistik.
Wir sehen aus den Statistiken Ladislaus Weilers weiter, daß
die Städte mit rein deutscher Bevölkerung den größten
Prozentsatz an Steuerzahlern aufzuweisen haben, nämlich 9.79%;
die rein èechischen Städte bleiben um mehr als ein
Prozent zurück. Auch was die Steuerzahlung auf den Kopf der
Bevölkerung anlangt, marschieren die Deutschen an erster
Stelle. Auf einen deutschen Städter entfällt im Durchschnitt
mehr als das Doppelte wie auf einen èechischen, und zwar
13.20 zu 6.36. Es soll heute nicht untersucht
werden, ob in der höheren Belastung des deutschen Steuerzahlers
etwa ein Korrektiv für seine sonstigen Zurücksetzungen
gelegen ist. Das wollen wir einmal tun. Es soll mit dem Hinweise
auf die Weilerschen Statistiken nur einwandfrei und überzeugend
unser größeres Recht, als Deutsche zur Finanzpolitik
zu sprechen, bewiesen worden sein.
Wir glauben nicht, daß unsere Klagen, Warnungen und Forderungen
diesmal unbemerkt bleiben. Nachgerade wird auch den Herren von
der Regierung klar, daß man nicht ohne schädliche Wirkung
für alle, entgegen den natürlichen Bedürfnissen
und den einzigen Möglichkeiten, handelt. Je eher man aus
dieser inneren Einsicht heraus zu einsichtiger Behandlung des
Menschen als Staatsbürger auch in seiner Eigenschaft als
öffentlicher Steuerzahler schreitet, desto besser. In meritorischer
Beziehung habe zu sagen, daß wir das Gesetz ablehnen werden.
(Potlesk na levici.)
Meine Damen und Herren! Die Vorlage, über welche wir hier
zu entscheiden haben, umfaßt nur einen verhältnismäßig
kleinen Teil der Bestimmungen über die direkten Steuern,
aber auch im Rahmen dieser Vorlage ergibt sich die Möglichkeit,
eine Milderung der Steuerlasten für die arbeitende Bevölkerung
zu erreichen. In Anbetracht der Tatsache, daß der gesamte
Komplex der Steuerfragen heute von größter Aktualität
ist und durch die arbeitenden Massen der Proletarier, Kleinbauern
und Kleingewerbetreibenden eine tiefgreifende Bewegung gegen die
ungeheuerlichen Steuerlasten geht, welche die Schultern der arbeitenden
Bevölkerung bedrücken, halten wir es für unsere
Pflicht, bei dieser Gelegenheit die Steuerfrage aufzurollen.
Es ist in der letzten Zeit vieles über die Steuerfrage gesprochen
und geschrieben worden. Es mußte von autoritativer Seite
der bürgerlichen Gesellschaft zugegeben werden, daß
die Steuerbelastung heute verhältnismäßig viel
höher ist, als vor dem Weltkriege. Auf mehr als das zehnfache
ist die Steuerlast, die auf einen Kopf der Bevölkerung entfällt,
in die Höhe geschnellt, während das durchschnittliche
Einkommen nach dem Zugeständnis des Finanzministers nur um
das siebenfache gestiegen ist. Der Herr Finanzminister hat aber
auch bei seiner Betrachtung in der Sitzung des sozialpolitischen
Ausschusses einen sehr wichtigen Umstand anzuführen unterlassen.
Die Lebensverhältnisse der besitzenden Klassen haben sich
nicht verschlechtert, die Reichen sind, wie selbst von bürgerlichen
Volkswirtschaftlern zugestanden werden mußte, reicher geworden,
während die Armen ärmer geworden sind. Zugleich aber
ist in der Aufteilung der Steuerlasten auf die Reichen und Armen
eine Verschiebung zugunsten der Reichen eingetreten, durch welche
das Elend der arbeitenden Klassen verschlimmert wurde.
Eine eindringliche Belehrung über diese Verschiebung erteilt
uns das Budget für das Jahr 1926. Es präliminiert die
Einnahmen mit rund 10 Milliarden Kè, von denen 9323 Millionen
auf Steuern, Abgaben, Gebühren, Erträge der Staatsunternehmungen,
usw. entfallen. Wenn wir die in diesen Einnahmen enthaltenen direkten
Steuern samt den Verzugszinsen, Strafen, Exekutionsgebühren
zusammenrechnen, so gelangen wir zu einer Summe von 2085 Millionen
Kè. Wenn wir aber die Umsatzsteuern, die Zölle, Konsumsteuern,
die Erträgnisse der Monopole und Staatsunternehmungen sowie
der Gebühren, Stempeltaxen und Verkehrssteuern, die insgesamt
unmittelbar den Konsum belasten, zusammenrechnen, so kommen wir
zu der gewaltigen Summe von 1237 Millionen. Wir haben also bei
den staatlichen Steuereinnahmen zwischen den indirekten und den
direkten Steuern ein Verhältnis von 77.6 zu 22.4
%. Dieses Verhältnis erschöpft aber die ungerechte
Verteilung der Steuerlasten zugunsten der besitzenden Klassen
noch nicht. Unter den direkten Steuern befinden sich z. B. die
Wohnsteuern mit 841/2 Millionen, die doch
in Wirklichkeit eine indirekte Steuer sind, weil sie unmittelbar
den Wohnungskonsum belasten. In den 141 Millionen, welche die
Grundsteuer und in den 251 Millionen, welche die allgemeine Erwerbsteuer
abwirft, stecken die vielen Millionen jener Steuern, welche die
Kleinbauern und Kleingewerbetreibenden, die man nicht zu den besitzenden
Klassen zählen kann, aufbringen müssen. Und dieselben
Steuern sind dann auch in den 115 Millionen, welche die Kriegssteuer
abwirft, enthalten. Viel wichtiger aber ist unter den Ziffern
der indirekten Steuern die ungeheuere Summe des Ertrages der Einkommensteuer,
die mit ihren 997 Millionen nicht weniger als 47.8
% des gesamten Ertrages der indirekten Steuern ausmacht.
Und gerade diese Einkommensteuer ist heute mehr denn je, vor allem
mehr als vor dem politischen Umsturz des Jahres 1918, die Steuer
der arbeitenden Klassen geworden.
Die Tatsache, daß bei durchschnittlich fast zehnmal so hohen
Preisen das steuerfreie Existenzminimum nur von 1600 auf 6000
Kronen erhöht wurde, hat zur Folge, daß die arbeitenden
Klassen heute in viel höherem Maße als in der Zeit
des alten Regimes zu den direkten Steuerlasten unmittelbar beitragen
müssen. So sehen wir, daß die Demokratie gerade in
der Aufteilung der Steuerlasten auf die wirtschaftlich Schwachen
und die wirtschaftlich Starken vom Standpunkt der sozialen Gerechtigkeit,
die als eine ihrer Eigenschaften gepriesen wurde, vollständig
versagt hat. Diese famose Demokratie zeigt sich gerade in diesem
Punkte sozial viel ungerechter, als das alte Regime, sie zeigt
sich als eine verläßlichere Handlangerin der besitzenden
Klassen, als das frühere Regime. Diese Tatsache ist eine
der furchtbarsten Anklagen gegen die Machthaber dieser Demokratie.
Darüber helfen auch die Nachweise über die Unumgänglichkeit
höherer Steuerlasten nach dem großen wirtschaftlichen
Aderlaß des Weltkrieges nicht hinweg. Tatsache ist, daß
die Demokratie den größeren Teil der Lasten für
Wiedergutmachung der wirtschaftlichen Schäden des Weltkrieges
auf die Schultern derer gelegt hat, denen der Weltkrieg die größten
wirtschaftlichen, körperlichen und seelischen Leiden gebracht
hat, und daß diese Demokratie jene am meisten schont, welche
unter ihm am wenigsten gelitten, dafür aber von ihm am meisten
profitiert haben.
Der uns vorliegende Gesetzantrag der Regierung gibt uns eine Möglichkeit,
die direkten Steuerlasten der arbeitenden Klassen, welche doch
nur den viel geringeren Teil der Steuerlasten der arbeitenden
Bevölkerung überhaupt bilden, aber gerade jetzt am empfindlichsten
verspürt werden, bedeutend heraufzusetzen. Darum beantragen
wir im Rahmen der Regierungsvorlage die Erhöhung des steuerfreien
Existenzminimums von 6000 Kronen auf 12.000 Kronen für Ledige
und 18.000 für Verheiratete. Außerdem beantragen wir
die Erhöhung der Einkommengrenze, bis zu welcher verschiedene
Abzüge und Erleichterungen möglich sind, sowie die Erhöhung
der Einkommengrenze, von welcher an die Steuerzahler mit verschiedenen
Zuschlägen belastet werden. Ferner verlangen wir die Befreiung
der Einkommen bis zu 32.000 Kronen jährlich von der Kriegssteuer,
die von jetzt an nach der Regierungsvorlage den Namen außerordentliche
Staatszuschläge" tragen soll. Soweit dies im Rahmen
dieser Regierungsvorlage möglich ist, verlangen wir auch
in unseren Anträgen die gleichen Erleichterungen für
die Kleingewerbetreibenden und Kleinbauern. Für besonders
wichtig halten wir unseren Antrag auf vollständige Streichung
der Personalsteuern samt den Kriegssteuern und den Verzugszinsen
für die früheren Jahre bis einschließlich 1923
für alle jene, welche in jenen Jahren kein höheres Einkommen
als 30.000 Kronen versteuerten und im Jahre 1925 nicht mehr als
24.000 Kronen Einkommen erreichen. Die Annahme dieses Antrages
soll die ungeheuerliche soziale Ungerechtigkeit der Einhebung
von Steuern in heutigen Kronen für jene Jahre der Inflation
beseitigen.
Unsere Anträge sind äußerst bescheiden im Verhältnis
zu dem geradezu ungeheuerlichen Steuerraub, den der kapitalistische
Klassenstaat an den arbeitenden Klassen begeht. Ihre Annahme könnte
nur einen kleinen Teil des himmelschreienden Steuerunrechts, das
die besitzenden Klassen mit Hilfe der Demokratie an den arbeitenden
Klassen begehen, beseitigen. Wir haben aber unsere Anträge
deshalb so bescheiden formuliert, um den anderen sozialistischen
Klubs die Möglichkeit zu geben, für sie zu stimmen.
Wir wollen ihnen die Möglichkeit geben zu zeigen, ob sie
ernstlich gewillt sind, wie sie immer behaupten, auf dem Boden
des Parlamentes etwas Positives für die arbeitenden Klassen
zu erreichen. Um Ihnen dies zu ermöglichen, haben wir auch
zwei Anträge eingebracht, durch welche eine Deckung des durch
die Annahme unserer Anträge entstehenden Abganges in den
Steuereinnahmen erzielt werden soll. In erster Linie durch die
Verdoppelung der außerordentlichen staatlichen Zuschläge
bei den Einnahmen über 100.000 Kronen jährlich und durch
die Aufforderung an die Regierung einen Gesetzesantrag auf Erhöhung
der Einkommensteuer und der Grundsteuer für die höheren
Einkommen und die größeren Besitze auszuarbeiten.
Es ist damit zu rechnen, daß man unsere Anträge unter
Hinweis auf die bevorstehende große Steuervorlage der Regierung,
auf das bevorstehende Werk der Reform der direkten Steuern zurückweisen
wird. Es ist uns selbstverständlich ebenfalls bekannt, daß
die Verhandlung dieser Regierungsvorlage, die übrigens noch
lange nicht eingebracht ist, Gelegenheit geben wird, alle Forderungen
in Bezug auf die direkten Steuern zur Geltung zu bringen. Es ist
uns auch noch unbekannt. daß der gegenwärtige, fast
hätte ich gesagt, augenblickliche Finanzminister mit Bestimmtheit
erklärt hat, daß er diese Vorlage noch im Laufe des
heurigen Jahres einbringen wird. Aber ich erlaube mir, auf alle
diese Erklärungen und Zusicherungen von Regierungsseite nicht
viel zu geben. An dem Beispiele des vielgerühmten Wechsels,
den der Ministerpräsident zum Zwecke des Stimmenfanges unter
den Staatsangestellten kurz vor den letzten Wahlen ausstellte
und dessen Einlösung heute aber schon sehr zweifelhaft ist,
sehen wir deutlich genug, daß auch die feierlichsten Versicherungen
solcher Regierungen und solcher Minister nicht besonders ernst
zu nehmen sind. Ich verhehle aber nicht, daß ich den Versicherungen
des jetzigen Finanzministers mehr Glauben schenke, vor allem deshalb,
weil die Vorlage, die er uns versprochen hat, ja eine Tat im Interesse
der besitzenden Klassen werden soll. Und wenn es gilt, den besitzenden
Klassen das gegebene Wort einzulösen, da kann man sich auf
die kapitalistischen Regierungen und ihre Minister schon viel
eher verlassen. Aber die Verhältnisse in der Regierungskoalition
und auch die Position des gegenwärtigen Herrn Finanzministers
erscheinen doch zu wenig konsolidiert, um auf seine Zusagen bauen
zu können. Fällt der Minister, so fallen auch seine
Zusagen, und wer kann wissen, wie lange der gegenwärtige
Finanzminister noch die Feindschaft des Živnokonzerns und
seiner politischen Vertretung, der nationaldemokratischen Partei,
aushalten und wieviele Börsenmanöver von dieser Seite
er noch in voller Gesundheit überleben wird? Angesichts dieser
Sachlage h alten wir es gerade vom Standpunkt der vielgerühmten
positiven parlamentarischen Arbeit für geboten, unsere Anträge
auf Erleichterung wenigstens der direkten Steuerlasten für
die arbeitenden Klassen bei der ersten geeigneten Gelegenheit
einzubringen, die sich uns bietet. Und wer es mit dem Willen nach
Erleichterung dieser Steuerlasten ehrlich meint, der muß
mit uns diese Gelegenheit beim Schopfe fassen und darf sich nicht
hinter den fadenscheinigen papierenen Vorhang von Regierungsversprechungen
verstecken.
Die Steuerfrage ist heute für die arbeitenden Klassen höchst
aktuell und höchst ernst. Gerade die letzte Rede des Finanzministers
im sozialpolitisch en Ausschuß signalisiert höchste
Gefahr. Dr. Engliš ragt als Finanzfachmann und vor
allem als Finanzminister durch zwei Eigenschaften hervor. Er ist
der unbedingte Vertreter der Interessen der besitzenden Klassen,
er schützt dieselben mit aller Energie vor einer höheren
Steuerbelastung und mit ebensolcher Energie setzt er sich für
die Erhöhung der Steuerlasten der arbeitenden Klassen ein.
Seine Steuervorschläge zur Deckung des Mehraufwandes für
die Regelung der Gehälter der Staatsangestellten und zur
Deckung des durch den Budgetschwindel seines Vorgängers entstandenen
Defizits zeigen deutlich, wohin die Reise gehen soll. Angesichts
dieser Haltung des Finanzministers und angesichts seiner jetzigen
Pläne kann es für die Vertreter der arbeitenden Klassen
ihm gegenüber keinen anderen Standpunkt geben, als den des
äußersten, schärfsten Kampfes. Wir wissen und
wir sagen es den arbeitenden Massen mit aller Deutlichkeit, daß
dieser Kampf nicht leicht sein wird, denn hinter Dr. Engliš
steht das verzweifelte Ringen der ganzen kapitalistischen
Welt, vor allem der besitzenden Klassen in diesem Staate um die
Konsolidierung ihres Systems, um die Rettung des kapitalistisch
en Systems vor dem Zusammenbruch. Die besitzenden Klassen sind
sich dessen bewußt, daß es in diesem Kampfe um Leben
und Tod geht, daß ihr Untergang unabwendbar ist, wenn es
ihnen nicht gelingt, die arbeitenden Klassen bis zum äußersten
Rande der Verelendung für die Zwecke der Konsolidierung des
kapitalistischen Systems auszubeuten. Dieses Bewußtsein
löst bei den besitzenden Klassen und bei allen, welche sich
an das kapitalistische System klammern und von einer sozialen
Umwälzung nichts wissen wollen, gewaltige Energien aus. Mit
diesem Gegner werden die arbeitenden Klassen nur dann fertig werden,
wenn sie sich ebenfalls zum klaren Bewußtsein dessen, was
auf dem Spiele steht, durchringen und zum Kampfe bis zum Äußersten
entschlossen sind. Die Kraft zum Siege wird den arbeitenden Klassen
erst die Erkenntnis verleihen, daß es in diesem Kampfe um
mehr geht, als um Steuer- und Lohnfragen.
Aber der jetzige Herr Finanzminister besitzt auch eine andere
u. zw. seltene Eigenschaft. Er geht gerade offen und brutal auf
sein Ziel los. In diesem Punkte ist er mehr Doktrinär und
Phanatiker als Politiker. Er hat den ganzen politischen und Wahlschwindel
der Koalitionsparteien von dem aktiven Budget und den bereits
konsolidierten Finanzen unbarmherzig zerrissen. Er zeigt mit aller
Offenheit, welch weiten und beschwerlichen Weg die Demokratie
noch zu gehen hat, wenn sie ihre Aufgabe, die Konsolidation der
bürgerlichen, der kapitalistischen Ordnung erfüllen
will. Das betretene Schweigen der Koalitionspresse mit Ausnahme
der offenen Feinde des Finanzministers zeigt deutlich, mit welcher
Beklommenheit die rücksichtslose Offenheit des Finanzministers
die Koalitionspolitiker erfüllt. Sie wissen ganz gut, daß
Dr. Engliš die Wahrheit gesprochen hat, und die Wahrheit
spricht. Sie wissen ganz gut, daß die Lage dieser wirtschaftlichen
Ordnung kritisch ist und daß es noch vieler Opfer bedarf,
um, wenn überhaupt, über die chronische Krise der kapitalistischen
Wirtschaftsordnung hinwegzukommen. Sie wissen ferner auch, daß
diese Opfer ausschließlich die arbeitenden Klassen werden
tragen müssen. Aber sie wollen nicht, daß das den arbeitenden
Klassen mit so brutaler Deutlichkeit gesagt werde. Es gehört
zum eisernen Bestande ihrer Politik, den arbeitenden Klassen die
Wahrheit zu verschleiern und sie von einer Illusion zur anderen
zu führen und so gewissermaßen das Opfer im Zustande
der Hypnose zu scheren. Herr Dr. Engliš und seine
Freunde sind in ihrem Fache Fanatiker der Wahrheit, soweit sie
sich ihnen vom kapitalistischen Standpunkt offenbart. Aber sie
vergessen, daß der Kapitalismus seine eigene Wahrheit, die
Wahrheit über sich selbst, nicht verträgt und daß
seine politischen Verteidiger mit Illusionen arbeiten müssen.
Wenn Herr Dr. Engliš nicht bald auch dieses Stück
Wahrheit erkennt und ihm alle andere Wahrheit unterordnet, so
wird er wohl am längsten Finanzminister gewesen sein.
Wenn der Herr Finanzminister feststellte, daß die Welt nach
dem Weltkriege ärmer geworden ist, so spricht er, wenigstens
so weit Europa in Betracht kommt, auch eine allgemeine Wahrheit
aus. Und nicht minder wahr ist es, daß wir diese Armut nicht
überwinden, daß wir nicht wieder reich werden können,
wenn wir nicht sparen und uns einschränken. Aber die Frage
ist nur die, für wen wir uns einschränken, für
wen wir sparen sollen und wem der wiedergewonnene Reichtum zugute
kommen soll. Die Kapitalsakkumulation in der kapitalistischen
Gesellschaft vollzieht sich auf Kosten der arbeitenden Klassen,
ihre Quelle ist der Profit, die Ausbeutung. Das Ergebnis der Akkumulation,
eben das neue, akkumulierte Kapital kommt aber ausschließlich
den Kapitalisten zugute. vermehrt ihren Reichtum und damit auch
ihre ökonomische Macht gegenüber den arbeitenden Klassen.
Und deshalb richten wir unseren Kampf gegen die wirtschaftliche
Konsolidierung und die Kapitalsakkumulation innerhalb dieser Wirtschaftsordnung.
Auch wir wollen, daß die Gesellschaft ihre Armut. die ihr
der Kapitalismus und ein Weltkrieg gebracht haben, überwinde;
auch wir wollen. daß die Gesellschaft ihren Reichtum vermehre
und damit die Grundlage für die Hebung ihrer materiellen
und geistigen Kultur gewinne; auch wir sind der Ansicht, daß.
die Gesellschaft zur Erreichung dieses Zieles auch Opfer bringen
muß, das man in der Gegenwart entbehren muß, um die
wirtschaftliche Zukunft und damit die Zukunft überhaupt sicherzustellen.
Aber wir wollen, daß diese Opfer von allen gebracht werden,
nicht von der großen Masse im Interesse einer geringen Minderheit,
und daß das Ergebnis ihrer Ökonomie der Gesamtheit
zugute komme und nicht der kleinen Minderheit der besitzenden
Klassen. Wir wollen, mit einem Wort gesagt, den wirtschaftlichen
Aufbau auf sozialistischer Grundlage nach sozialistischen Methoden.
Der kapitalistische Aufbau und die Konsolidierung der kapitalistischen
Wirtschaft jedoch befestigen, verankern die Macht des Kapitalismus
aufs neue und verrammeln den arbeitenden Klassen den Weg zum Sozialismus.
Deshalb sagen wir dem kapitalistischen Aufbau und der kapitalistischen
Konsolidierung den schärfsten Kampf an. Und unser Kampf gegen
den Steuerraub an den arbeitenden Klassen, gegen die ungeheuerlichen
Steuerpläne der kapitalistischen Regierung ist nur ein Teil
unseres Kampfes gegen das kapitalistische System überhaupt.
(Potlesk na levici.)
Hohes Haus! Die Beratung der gegenwärtig in Verhandlung stehenden
Gesetzvorlage gibt uns Anlaß, eine ganze Reihe Wünsche,
Beschwerden und Forderungen der Arbeiterschaft, der Kleinlandwirte
und der Kleinbauern vorzubringen. Wir bringen diese Beschwerden
nicht nur vor und wünschen nicht nur, daß sie protokolliert
werden, sondern wir verlangen, daß sie Berücksichtigung
finden. Wir verlangen, daß die Staatsverwaltung auf diese
für das Leben der Arbeiterschaft so wichtigen Fragen Rücksicht
nimmt.
Es hat gestern der Herr Finanzminister im sozialpolitischen Ausschuß
darauf verwiesen, daß die Löhne ungefähr 70%
der Vorkriegslöhne betragen. Wir können dem Herrn
Finanzminister Fälle und Berufsgruppen nennen, wo die Löhne
nicht 70% der Vorkriegslöhne erreichen, sondern nur
60 und weniger als 60% betragen. Es ist selbstverständlich,
daß die Lebenshaltung der Arbeiterschaft schon vor dem Kriege
ohnehin schlecht war, wo Not und Elend in den Familien der Arbeiter
an der Tagesordnung waren. Diese Not und dieses Elend haben dadurch,
daß die Löhne heute viel tiefer sind und ihr Kaufwert
viel geringer ist, eine Verschlimmerung erfahren. Es ist selbstverständlich,
daß es unter diesen wirklich schweren Existenzverhältnissen
ausgeschlossen ist, daß das, was die Steuerverwaltungen
und das Finanzministerium gegenwärtig planen, für die
arbeitende Bevölkerung in diesem Staate erträglich ist.
Wir haben im alten Österreich vor dem Kriege und auch während
des Krieges ein Existenzminimum von 1600 Kronen jährlich
gehabt. Ein Arbeiter, der 1600 Kronen oder darunter verdient hat,
war von der Einkommensteuer befreit. Wir haben in der Èechoslovakei
gegenwärtig ein steuerfreies Existenzminimum von 6000 Kronen,
was perzentuell nach der Entwertung in keinem Verhältnis
zu dem Existenzminimum steht, das im alten Österreich gegolten
hat. Wir müßten zumindesten heute ein Existenzminimum
von etwas mehr als 14.000 Kronen haben, um die Angleichung an
die damaligen Verhältnisse zu erreichen. Die Steuern, die
jetzt vorgeschrieben werden und mitunter drei, vier, ja sechs
Jahre zurückgehen, werden für eine Zeit vorgeschrieben,
als die Arbeiterschaft bedeutend höhere Löhne hatte.
Seit dieser Zeit sind die Löhne um 30, 35, 40 ja 50 %
abgebaut worden. Es ist ganz unmöglich, daß die
Arbeiterschaft heute unter diesen Verhältnissen imstande
ist, diese Steuerverpflichtung zu ertragen. Die Steuerämter
haben die ganze Zeit hindurch die Stösse von Einbekenntnissen
liegen gehabt. die Steuer konnte nicht bemessen werden, ich weiß
nicht, aus welchen Gründen das nich t möglich war, und
heute, nach so und so viel Jahren schreibt, man der Arbeiterschaft
die Steuer vor, oder verlangt von ihr, daß sie zumindesten
für ein Jahr die Steuer jetzt zahlt. So rigoros ist die Finanzverwaltung
in diesem Staate noch niemals vorgegangen, wenn es sich um die
Kapitalisten des Staates gehandelt hat. Wir verlangen, da es sich
hier um den wichtigsten Teil der Staatsbürger, um die Arbeiterschaft
handelt, daß die Arbeiterschaft so berücksichtigt wird,
daß ihr die Existenzgrundlage nicht entzogen wird. (So
ist es!)
Auch jetzt wieder, wo man die Gehaltsfrage der Staatsbeamten lösen
will, hat man keinen anderen Einfall gehabt, als wieder mit indirekten
Steuern zu kommen. Es sollen die Personentarife auf den Bahnen
erhöht werden, es soll die Zuckersteuer kommen, wiederum
indirekte Steuern, wo an und für sich die arbeitende Bevölkerung
dieses Staates schon heute zu mehr als drei Vierteln mit indirekten
Steuern belastet ist. Dagegen müssen wir natürlich den
schärfsten Einspruch erheben. Wir wissen schon, daß
der Herr Finanzminister in der Steuerfrage Ordnung haben möchte
und einmal mit den alten Rückstanden aufräumen will.
Wir wissen, daß heute draußen Zustände bestehen,
die für die Steuerämter unerträglich sind, die
aber auch für jene unerträglich sind, von denen man
die Steuern einhebt. (Výkøiky posl. Grünznera.)
Die Finanzverwaltung hat in der letzten Zeit versucht, den
Steuerverwaltungen einen Vorschlag zu unterbreiten, daß
in Wege der Vereinbarung für das Jahr 1926 die Arbeiter einen
Steuerabzug über sich ergehen lassen sollen. Wir stehen auf
dem Standpunkt, daß eine solche Vereinbarung ungesetzlich
ist. Wir stehen weiter auf dem Standpunkt, daß sie auch
im gegenwärtigen Zeitpunkt unerträglich ist. Sie dürfen
nicht vergessen, daß wir uns gegenwärtig wieder in
einer schweren Wirtschaftskrise befinden, daß die Betriebe
ihre Tore schließen sollen, daß die Arbeiter entlassen
werden, daß wir auf der ganzen Linie heute schon in vielen
Industriezweigen Kurzarbeit haben und, da kommt die Steuerverwaltung
und sagt: Abzug über Abzug soll der Arbeiter leisten, wo
er doch 70, 60 ja 50% von dem Lohn hat, den er in der Vorkriegszeit
hatte und da soll er noch die Steuer zahlen. (Souhlas na levici.)
Die Art, wie einzellne Steuerverwaltungen das machen, grenzt
mitunter an Erpressung, und gegen diese Art wenden wir uns. So
kann die Frage nicht gelöst werden, wie sie da gelöst
werden soll. Wenn der Herr Finanzminister in der Steuerverwaltung
Ordnung haben will, dann ist es nicht so zu machen, daß
man die Arbeiter in dieser Wirtschaftskrise bedrückt und
ihnen das Letzte nimmt, was sie zum Leben brauchen. Denn es ist
nur so möglich, daß man die Steuer, die die Arbeiter
schuldig sind, abschreibt, und außerdem muß noch das
Steuerexistenzminimum bedeutend erhöht werden. Wir schlagen
deshalb die Abschreibung der gegenwärtigen Steuerrückstände
vor, wir schlagen weiter vor, daß die Regierung bald möglichst
Veranlassung nimmt, das Existenzminimum mindestens auf 14.000
Kronen zu erhöhen, daß der Abzug der Steuern bei den
Arbeitern in der gegenwärtigen Zeit der Wirtchaftskrise sofort
eingestellt wird und daß man den Arbeiterfamilien bei diesem
Existenzkampf entsprechende Ermäßigungen gewährt.
Das sind unsere Wünsche und Forderungen und Beschwerden,
die wir hier kurz vorbringen möchten und wir erwarten, daß
das Finanzministerium in Anbetracht der furchtbaren Notlage und
der schweren Wirtschaftskrise, in der die Arbeiterschaft gegenwärtig
lebt, Veranlassung nimmt, alle Schwierigkeiten zu beseitigen,
um die Steuer an abzuschreiben und dafür sorgt, daß
in allernächster Zeit das Existenzminimum bis auf 14.000
Kronen erhöht wird. (Potlesk na levici.)