Hohes Haus! Die innige Verknüpfung von
Innen- und Außenpolitik tritt in keinem zweiten Lande so
plastisch in Erscheinung wie gerade bei uns. Erwägungen außenpolitischer
Natur waren für die Konstruktion dieses Staates, für
den inneren Aufbau, für die politische und wirtschaftliche
Orientierung, für die militärische Ausrüstung ausschlaggebend
und umgekehrt hatten alle wichtigen innenpolitischen Ereignisse
des Landes gewisse außenpolitische Auswirkungen im Gefolge.
Die gegenseitige Beeinflussung von Außen- und Innenpolitik
in diesem Lande war immer eine so starke, daß eine
vollständige Scheidung nachgerade zur Unmöglichkeit
geworden ist. Das haben wir zuletzt anläßlich des Abschlusses
des Locarnovertrages gesehen, aus welchem die herrschenden èechischen
Kreise prompt gewisse Folgerungen innerpolitischer Natur
zu ziehen versuchten. Sie forderten sofort die bedingungslose
Unterwerfung der Minoritäten unter die Fremdherrschaft dieses
Staates, ohne auch ihrerseits aus diesem Vertrage die sich selbstverständlich
ergebenden Konsequenzen abzuleiten, die allein geeignet
gewesen wären, eine Wandlung in der Orientierung und Stellungnahme
der nichtèechischen Völker dieses Staates herbeizuführen.
Daß auch rein innerpolitische Vorgänge außenpolitische
Wirkungen zu zeitigen vermögen, das haben wir erst jüngst
anläßlich der Erlassung der
Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz wahrnehmen können.
Wohl suchte man auf èechischer Seite der Durchführungsverordnung
zum Sprachengesetz den harmlosen Anschein einer rein internen
Verwaltungsmaßnahme zu geben, aber die tiefgehende Erregung,
die sie innerhalb der nichtèechischen Bevölkerung
auslöste und die über den Kreis der unmittelbar betroffenen
Bevölkerung, über die Grenzen des Landes hinaus, weite
Kreise ergriffen und aufgewühlt hatte, hat auch im Ausland
Stimmungen ausgelöst, die, wenn die Anzeichen
nicht trügen, auch gewisse außenpolitische Wirkungen
nach sich ziehen werden. Darum wollen wir im Rahmen der Erörterung
des außenpolitischen Exposés auch zur Sprachenverordnung
Stellung nehmen, die den Höhepunkt der innerpolitischen Ereignisse
des Landes bildet. Die Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz
wurde sofort nach ihrer Erlassung von der gesamten deutschen Bevölkerung
und den anderen Nationalitäten als ein wahrer Faustschlag
empfunden. (Sehr richtig!) Sie hat eine mächtige Bewegung
hervorgerufen, die alle Schichten der Bevölkerung und auch
die Arbeiterklasse in ihren Bann zog. Obwohl sie seit Jahren fällig
war, obwohl ihr Erscheinen in gewissen Zeitabständen immer
und immer wieder angekündigt wurde, hat sie in der von ihr
betroffenen Bevölkerung die größte Überraschung
und Bestürzung ausgelöst. Ihre Folgen sind nach der
politischen und wirtschaftlichen Seite unabsehbar, ihre Wirkungen
lassen sich in ihrer letzten Konsequenz derzeit noch nicht ermessen.
War das Leben und Kämpfen auf diesem heißen und garstigen
Boden schon bisher unerträglich, es wird durch die neuerliche
Vergiftung der Atmosphäre zur wahren Pein werden. Welch eine
Wandlung der Dinge durch einen bloßen Federstrich! Die neugeschaffene
Situation macht gewisse Feststellungen notwendig. In einer am
2. Juni 1920 von deutscher Seite überreichten Interpellation,
der das Abgeordnetenhaus - was vielleicht schon vergessen worden
ist - die Dringlichkeit zuerkannte (Hört! Hört!),
wurden der Regierung wegen Verzögerung in der Herausgabe
der Sprachenverordnung Vorhaltungen gemacht, die den Gegenstand
langwieriger und aufreibender Verhandlungen zwischen den deutschen
Parteien und der Regierung bildeten und dann endlich zu einer
regelrechten Vereinbarung zwischen den deutschen Parteien und
der Regierung führten, auf Grund deren sämtliche deutsche
Parteien des Hauses von der sofortigen Verhandlung der damals
nach Auffassung der Regierung noch nicht spruchreifen Interpellation
Abstand nahmen, wogegen der damalige Innenminister, der heutige
Ministerpräsident, in der Sitzung des Abgeordnetenhauses
vom 10. Juli 1920 namens der Regierung von dieser Tribüne
herab wörtlich folgende Erklärung abgab: "Ich erkläre"
sagte der Herr Minister Švehla, "daß es
nach dem Fortgang der Arbeiten der Regierung möglich sein
wird, bis zur Herbsttagung mit allen notwendigen Vorarbeiten zur
Herausgabe der Verordnung über den Sprachengebrauch fertig
zu werden. Über diese Verordnung wird sodann dem Verfassungsausschuß
referiert werden, bevor sie in Kraft tritt." (Výkøiky
nìm. soc. dem. poslancù. -
Místopøedseda Stivín zvoní.)
Die Regierung hat sich also, wir wollen
die Tatsachen festhalten, rechtsverbindlich verpflichtet, die
Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz, ehe sie in Kraft
tritt, dem Verfassungsausschuß vorzulegen und über
sie dem Abgeordnetenhaus zu referieren. Wiederholt haben wir mündlich
und schriftlich die Einlösung des Ministerwortes, das nach
langwierigen Verhandlungen namens der èechoslovakischen
Regierung gegeben wurde, also die Einlösung der
dort abgegebenen bindenden Zusage der Regierung Tusar,
verlangt. Alle unsere Mahnungen blieben ungehört, unsere
Interpellationen unbeantwortet und unsere Vorstellungen blieben
unberücksichtigt. So verging Jahr für Jahr in ewiger
Erwartung. So wurde Jahr für Jahr die Einlösung der
von der Regierung übernommenen Verpflichtung verzettelt,
bis dann eines schönen Tages die Durchführungsverordnung
da war, ohne daß die strikte Zusage... (Hluk na
levici. Výkøiky nìmeckých a èsl.
soc. dem. poslancù.)
Místopøedseda Stivín
(zvoní): Prosím o klid.
Posl. dr Czech (pokraèuje):...
bis dann eines schönen Tages... (Stálý hluk
na levici.)
Místopøedseda Stivín
(zvoní): Prosím o
klid.
Posl. dr Czech (pokraèuje):...
die Durchführungsverordnung verlautbart war, ohne daß
die strikte Zusage der Regierung eingelöst, ohne daß
dem Verfassungsausschuß über die Durchführungsverordnung
referiert worden wäre.
Hohes Haus! Das gegebene Ministerwort wurde
gebrochen (Výkøiky na levici: Schande!),
das gegebene Versprechen der Regierung zynisch mit Füßen
getreten, die Hoffnung der nichtèechischen Bevölkerung
auf eine einvernehmliche Regelung des Sprachengebrauches ausgelöscht,
statt freundschaftlicher Verständigung
die Faust auf den Nacken! (Souhlas nìmeckých
soc. dem. poslancù.)
Das ist die Antwort, die uns nach all den feierlichen
Zusagen, nach all den endlosen Vertröstungen, nach jahrlangem
Warten von der Regierung und von der Koalition zuteil wird. Wir
aber antworten darauf, daß wir auf der Einlösung des
Ministerwortes beharren, daß wir jede Maßnahme, die
unter Bruch der bindenden Zusage der Regierung zustande gekommen
ist, als nicht existent, als für uns unverbindlich betrachten.
(Souhlas nìmeckých soc. dem. poslancù.)
Aus dieser Situation, hohes Haus, gibt es nur
einen einzigen Ausweg, und das ist der Widerruf dieser Verordnungen,
die strikteste Zuhaltung des Ministerwortes. So wie wir seinerzeit
sofort nach dem Zusammentritt des Abgeordnetenhauses im Jahre
1920 in einer zuhanden des damaligen Ministerpräsidenten
abgegebenen feierlichen Erklärung ausgesprochen haben, daß
wir das unter Verletzung aller demokratischen Grundsätze
zustande gekommene, mit Recht und Gesetz, mit der Verfassung und
dem Minderheitenschutzvertrag kontrastierende, dem Geiste der
Gleichheit und Gerechtigkeit widerstreitende, aber auch durchaus
unsoziale Sprachengesetz niemals anerkennen werden, so werden
wir es auch mit der Durchführungsverordnung zu diesem Gesetze
halten (Potlesk nìmeckých soc. dem. poslancù.),
die unter Bruch eines Ministerwortes als nacktes Diktat zustande
gekommen ist, die in jeder Zeile den Geist nationaler Unduldsamkeit
atmet, das Recht der nichtèechischen Völker mit Füßen
tritt, die Gleichheit der Staatsbürger
vor dem Gesetz einfach annulliert, Verfassung, Recht und Gesetz
zum Spielball besinnungsloser nationalistischer Politik macht.
Darum lehnen wir uns, das sagen wir von dieser Tribüne offen,
gegen dieses Verordnungsmonstrum auf (Potlesk nìmeckých
soc. dem. poslancù.) und werden
es niemals anerkennen. Wir werden nichts unversucht lassen, um
es zu beseitigen. Es wird, so lange es besteht, den Gegenstand
unseres heftigsten Kampfes, der leidenschaftlichsten Abwehr gegen
das nationale Unrecht bilden, an dem dieses dem nationalen Chauvinismus
verfallene Land so überreich ist. Es wird den Kampf um die
Selbstbestimmung unseres Schicksals, um die Selbstverwaltung unserer
kulturellen Angelegenheiten nur anfeuern, unsere Abwehr gegen
dieses Regierungsystem nur steigern und unser Streben, an die
Stelle der nationalen Vergewaltigung, an die Stelle der nationalen
Fremdherrschaft eine Verständigung zwischen den Völkern
herbeizuführen, nur beflügeln. (Potlesk nìmeckých
soc. dem. poslancù.)
Hohes Haus! Es ist nicht die Degradierung unserer
Muttersprache allein, die uns diesen Standpunkt aufnötigt,
obwohl auch dieses Moment allein schon dazu hinreichen würde,
sondern vor allem das materielle Unrecht, das den nach
Millionen zählenden nichtèechischen Völkern dieses
Staates zugefügt wird, das uns dieses Husarenstück der
Koalition als unerträglich erscheinen läßt, das
unseren heftigsten Widerstand gegen diese unsoziale Maßnahme
mobilisiert. Darum sagen wir es rundheraus:
Mag kommen was wolle, wir lassen uns unser Recht, uns bei Wahrung
unserer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Interessen,
bei Verfolgung unserer Rechte, uns überall im Lande unserer
Sprache zu bedienen, nicht berauben. (Sehr richtig!) Wir
lassen uns unsere deutschen Angestellten und Bediensteten nicht
für vogelfrei erklären, wir lassen die deutschen arbeitenden
Menschen nicht aus den öffentlichen Ämtern ausschließen,
wir lassen uns nicht daskommunale Selbstverwaltungsrecht durch
nationalistische Sprachentriks wegeskamotieren, wir lassen uns
nicht das passive Gemeindewahlrecht verkümmern, aber auch
nicht durch diktatorische Sprachregeln, durch nationalistische
Sprachrabulistik oder durch altösterreichische Taferlpolitik
in unsere Privatrechtssphäre greifen. Wir lassen uns aber
auch vor allem nicht zu Staatsbürgern zweiter Klasse stempeln
und werden uns nie und nimmer vor dem neuen Geßlerhut beugen,
den uns eine demokratisch sein wollende Republik hiemit aufzurichten
geruht.
Hohes Haus! Wenn das "Èeské
Slovo" in seinem Abendblatt vom 9. ds. schreibt: " Gerade
der èechische Arbeiter im Minderheitsgebiet muß,
wenn er seine Rechte geltend machen will, die Möglichkeit
haben, sich in seiner Sprache zu verständigen", wenn
es weiter schreibt: "Nach dieser Richtung
hin haben die Sprachenverordnungen auch eine soziale Bedeutung",
dann muß auch der Kampf des deutschen Arbeiters um die Geltung
seiner Sprache ein sozialer sein. (Výkøiky
na levici.) Wir werden es niemals einsehen,
warum nicht alles, was für den èechischen Arbeiter
gilt, auch für den deutschen Arbeiter volle Geltung haben
soll und werden niemals begreifen, warum der Kampf der èechischen
Arbeiter um den Gebrauch ihrer Sprache ein sozialer, der Kampf
der deutschen Arbeiter um ihre Sprache ein
nationalistischer sein soll. (Potlesk nìmeckých
soc. dem. poslancù.) Hohes Haus!
Unser Kampfruf ergeht an die gesamte Öffentlichkeit des In-
und Auslandes. Wenn wir ihn bis in die kleinste Hütte hinaustragen,
dann ist es beileibe nicht unsere Schuld; nicht wir haben diese
Situation heraufbeschworen, sondern besinnungsloser nationalistischer
Übermut der Koalition, die, nachdem sie sich auch auf anderen
Gebieten des öffentlichen Lebens ausgetobt und sie vergiftet
hatte, nunmehr daran ist, ihre Tyrannei auch auf dieses Gebiet
zu verlegen. Wir können unseren Protest, unseren Mahnruf
an die gesamte Öffentlichkeit und, ich betone, auch
an die èechische Öffentlichkeit, nicht besser schließen,
als mit den Worten, die Präsident Masaryk
am 5. April 1896 in einer Artikelserie
zur deutsch-böhmischen Ausgleichsfrage für die Zeitschrift
"Zeit" geschrieben hat und die er nach der Angabe
des Schriftstellers Foøt auch jetzt aufrecht halten zu
können erklärt. Er hat gesagt: "Die Regierung begeht,
indem sie einseitig die vermeintliche Notwendigkeit einer einzigen
Amtssprache festhält, alle Fehler des chauvinistischen Nationalismus
und fordert diesen geradezu heraus." Was sagt Präsident
Masaryk vom deutschen Rubrum der Gerichtsakten und Prozesse,
von dem Texte der Steuer- und Postbestätigungen? "Daß
die Sicherheit der böhmischen Länder und Österreichs
davon abhänge, das geht mir nicht in den Sinn. Gerade so
begreife ich auch", sagt Masaryk, "das Vorurteil
nicht, daß der Arbeiter und Handwerker bei uns vor allem
dieser oder jener Sprache bedürfe. Freilich", sagt Masaryk
- "wo so viele Leute vom Maul und vom nationalen Hader
leben (Hört! Hört!), dort ist das begreiflich".
Masaryk schließt seinen Artikel mit den Worten: "Aber
die Spekulation auf der chauvinistischen Nationalitätenbörse,
sie soll einmal aufhören". (Hört! Hört!)
Hohes Haus! Das war, das ist, das bleibt unser
Standpunkt und darum kann auch dieses unser Wort nur eine Kampfansage
gegen eine Regierung sein, die, anstatt im Lande Beruhigung und
inneren Frieden zu bringen, in diesem Lande eine chauvinistische
Nationalitätenbörse aufgerichtet hat, die das Land aus
einem Konflikt in den andern, aus einer Krise in die andere treibt,
die Nationalitäten, anstatt sie einander näher zu bringen,
immer mehr auseinander bringt und einander immer mehr entfremdet,
die die Gegensätze nach dem altösterreichischen Rezepte:
"Teile und herrsche", immer mehr verschärft und
jede gedeiliche Zusammenarbeit unmöglich macht. Diesem fluchwürdigen
System gilt unser leidenschaftlichster Kampf. (Potlesk
nìmeckých soc. dem. poslancù.)
Gestatten Sie mir nun einiges zum Exposé
des Herrn Außenministers Dr Beneš zu sagen.
Das Exposé des Herrn Außenministers ist uns bis auf
die Darstellung der ungarischen Fälscheraffäre so ziemlich
alles schuldig geblieben. Seit der letzten Berichterstattung des
Herrn Außenmnisters hat sich auf dem Gebiete der internationalen
Politik so manches ereignet. An all dem ist der Herr Außenminister,
obwohl er nach so langer Zeit wieder einmal im Parlament das Wort
ergriffen hat, einfach achtlos vorübergegangen. Von dem vielgepriesenen
Locarnogeist Europas ist jetzt nach all dem, was wir sehen, verdammt
wenig übrig geblieben. Der Zweiteilung der Welt, in Sieger
und Besiegte, ist jetzt noch eine weitere Zweiteilung Europas,
in eine englische und in eine französische Machtsphäre
gefolgt: Auf der einen Seite England, das seinen Machtbereich
durch Einverleibung großer Teile Europas in seine Einflußphäre
zu vermehren sucht und dem es in letzter Zeit gelungen ist, Italien,
einen großen Teil des Balkans, Polen und Ungarn an seine
Seite zu bringen, auf der anderen Seite Frankreich, das vergebens
um die Aufrechterhaltung seiner Hegemonie in Europa ringt und
das durch seinen Marokkokrieg, durch seinen syrischen Feldzug,
durch seine innere Krise, seine schwere Finanzkrise, von der Führung
in Europa immer mehr abgedrängt wurde, wodurch sich naturgemäß
die außenpolitische Situation der Kleinen Entente, die ihren
hauptsächlichsten Stützpunkt in Frankreich hatte, immer
mehr verschlimmerte. Schon die Locarnoverträge haben ihr
den Boden unter den Füßen entzogen. Würde Ungarn
nicht immer und immer wieder für neue Affären sorgen,
und gäbe es also nicht den sogenannten ungarischen Kitt,
die Kleine Entente hätte längst schon jede Existenzberechtigung
eingebüßt. Hiezu trugen die vielen politischen, wirtschaftlichen,
sozialen Schichtungen und die verschiedene Orientierung der Bundesländer
nicht wenig bei, vor allem aber die immer mehr wachsenden außenpolitischen
Gegensätze, die ein ständiges Abrücken einzelner
Teile der Kleinen Entente in der Richtung ihrer neuen, ihrer natürlichen
Interessensphäre zur Folge haben. So hat beispielsweise die
ganz verschiedene Auffassungsweise Rumäniens in der russischen
Frage die Freundschaft dieses Landes zu den Bundesgenossen immer
mehr abgekühlt und zu einem Freundschaftsverhältnis,
man spricht sogar von einem Bündnis mit Polen geführt,
das nicht als eine Stärkung, sondern direkt als eine Lockerung
der Kleinen Entente angesehen werden muß. Darum mußte
die Temesvarer Tagung, über die sich der Herr Außenminister
hier vollständig ausgeschwiegen hat und über die uns
das darüber ausgegebene Kommuniqué nicht viel zu sagen
vermochte, gründlich ins Leere laufen, ganz bedeutungslos
bleiben. Aber auch andere wichtige außenpolitische Probleme
hätten einer Klarstellung durch den Herrn Außenminister
bedurft. Deutschland ist jetzt trotz Locarno wieder einmal Gegenstand
eines heftigen Kesseltreibens. Dabei denke ich gar nicht an den
letzten Zwischenfall Mussolini-Deutschland. Der Exzeß Mussolinis
hat wieder einmal aufgezeigt, welche Gefahren der Fascismus für
ganz Europa in sich birgt und wie er eigentlich einen der gefährlichsten
Brandherde in Europa darstellt, zu dessen Austilgung sich ganz
Europa zusammenschließen sollte. Daß sich ein Mitglied
des Völkerbundrates, daß sich einer der Friedensgaranten
von Locarno so völlig widerspruchslos und ungestraft, so
unverhüllt, so offenkundig gegen einen Staat von dem Range
Deutschlands dies leisten konnte, daß er mit einem Vorantragen
der Trikolore über den Brenner mit den 2 Millionen sprungbereiten
auf ein Wort lauernden jungen Leuten drohen konnte, daß
er sich ungesühnt die Herausforderung eines großen
Staates, die Herausforderung eines nach Millionen zählenden
Volkes herausnehmen durfte, das bestätigt die Feststellungen,
die wir gleich einleitend gemacht haben, charakterisiert aber
auch die Ohnmacht des Völkerbundes, der sich übrigens
schon einmal anläßlich des griechisch-italienischen
Konflikts von Mussolini eine recht scharfe Abfuhr bieten lassen
mußte. Indem wir dies feststellen, rufen wir alle demokratischen
Schichten zum Kampf gegen den Faszismus, diese gefährliche
Geißel, auf und sprechen dem italienischen Volke, das alle
Torturen des faszistischen Regimes über sich ergehen lassen
muß, vor allem seiner von Mussolini gepeinigten Arbeiterklasse,
deren Genossenschaftsbewegung erst kürzlich das Opfer des
faszistischen Terrors geworden ist, nicht minder aber auch der
um ihre Kultur, um ihre nationale Existenz kämpfenden deutschen
Bevölkerung Südtirols unsere innigsten Sympatien aus.
(Potlesk na levici.) Nun, hohes Haus, lassen Sie mich einiges
zur Hetze sagen, die seit einiger Zeit wieder gegen Deutschland
betrieben wird. Solange sich Deutschland weigerte, in den Völkerbund
einzutreten, bildete dies den Grund zu heftigsten Angriffen der
nationalistischen Kreise aller Siegerländer; es wurde Deutschland
vorgehalten, daß seine Weigerung von Revancheabsichten diktiert
sei, es wurde ihm gesagt, daß seine Weigerung die wahre
Gesinnung Deutschlands verrate, den alten kriegerischen Geist,
den alten Herrengeist manifestiere. Kaum hatte aber Deutschland
seine Bereitwilligkeit zum Eintritt in den Völkerbund erklärt,
als sofort eine veritable Hetze einsetzte, an der sich bis auf
einen kleinen Teil auch die gesamte èechische Presse,
auch die dem Herrn Außenminister nahestehende Presse, selbstverständlich
aber auch die gesamte nationalistische èechische Presse
dieses Landes beteiligte. Das mußte natürlich überall
das größte Befremden auslösen. Um so befremdlicher
aber mußte die aus Temesvar herrührende
Meldung der "Neuen Freien Presse" wirken, wonach die
Kleine Entente nach Entgegennahme des Berichtes des Außenministers
Dr Beneš beschlossen haben soll, Schritte zu unternehmen,
um zu verhindern, daß Deutschland die Frage der deutschen
Minderheiten in den Staaten der Kleinen Entente, wie es wörtlich
heißt, im Völkerbunde in einer Weise aufwerfe, die
die Interessen der Kleinen Entente beeinträchtigen könnte.
(Výkøiky na levici.)
Hohes Haus! Es wird gut sein, daß der
Herr Außenminister zu dieser Meldung der "Neuen Freien
Presse" Stellung nehme und damit allen sich daraus ergebenden
Mutmaßungen den Boden entzieht. Vor allem aber müßte
der Herr Außenminister sich dazu äußern, ob es
der Wahrheit entspricht, daß sich auch die Èechoslovakei
an einer Aktion gewisser ententistischer Kreise gegen Deutschland
beteiligt, ob die Èechoslovakei entschlossen sei, wie behauptet
wird, die Bemühungen Polens um einen ständigen Ratsitz
im Völkerbund zu unterstützen, und ob bei dieser Gelegenheit,
wie gemeldet wird, auch die Umwandlung des nichtständigen
Völkerbundsitzes der Èechoslovakei respektive der
Kleinen Entente in einen ständigen aufgerollt werden soll.
Sollte sich dies bewahrheiten, so müssen wir das im Interesse
einer friedlichen Entwicklung der Verhältnisse
in Europa auf das lebhafteste bedauern. Schon wiederholt hat sich
die Èechoslovakei durch Beteiligung an deutschlandfeindlichen
Aktionen - ich erwähne Oberschlesien - in schwierige Situationen
diesem Lande gegenüber gebracht und dadurch
auch gewisse innerpolitische Stimmungen ausgelöst, die das
Verhältnis der beiden Volksstämme dieses Landes zueinander
nur zu erschweren geeignet waren. Die Teilnahme der èechoslovakischen
Außenpolitik an den neuen Treibereien gegen Deutschland
würde die ohnehin gespannte innerpolitische
Situation nur noch erschweren, vor allem aber gerade in einer
Zeit der Wirtschaftskrise, in der beide Länder, Deutschland
und die Èechoslovakei, friedlicher und vertrauensvoller
Zusammenarbeit bedürfen, schwere politische
Folgen für die gesamte notleidende Bevölkerung nach
sich ziehen.
Nun eine andere Frage: Von dem wahren Zustand
Europas und von der Weltsituation gibt am besten die Tatsache
Zeugnis, daß die für den 15. Februar angesagte und
unter Zustimmung sämtlicher Mächte - ich stelle fest:
auch Amerikas, auch Rußlands, auch Deutschlands - geplante
vorbereitende Abrüstungskonferenz im letzten Augenblick abgesagt
wurde. Wir halten diesen Schritt für einen der schwersten
Schläge gegen den Weltfrieden. Als wir seinerzeit mit aller
Wärme für das Genfer Protokoll eintraten, obwohl es,
wir unterstreichen dies, ebenso wie Locarno eine rein kapitalistische
Friedenslösung darstellt, so geschah es vor allem deshalb,
weil das Junktim der Abrüstung eines der wichtigsten Fundamente
des Genfer Protokolles bildete. Dieses Junktim aber fehlt bei
Locarno und darum kommt von Haus aus dem Locarnoer Übereinkommen
eine geringere Bedeutung zu. Wir haben bereits in unserer letzten
außenpolitischen Aussprache im ständigen Ausschuß
deutlich zum Ausdruck gebracht und mit allem Nachdruck vom Herrn
Außenminister gefordert, daß er seine Kraft für
das baldige Zustandekommen einer Abrüstungstagung einsetze.
Wir erblicken nun aus diesen Gründen in der erfolgten Absage
der Abrüstungskonferenz eine Sabotage des Friedens. (Sehr
richtig!) Die Vertagung erscheint uns durchaus unmotiviert,
und daß die èechoslovakische Regierung den Vertagungsantrag
mit unterbreitet, das machen wir ihr, und daß der Herr Außenminister
Dr Beneš als
Referent der Abrüstungskommission seine Zustimmung gab, das
machen wir ihm speziell zum Vorwurf. (Souhlas nìmeckých
soc. dem. poslancù.) An dem Ernst
der kapitalistischen Staaten und Machthaber zur Abrüstung
haben wir immer gezweifelt. Die Seemächte waren immer nur
für die Landabrüstung und die Landmächte immer
nur für die Seeabrüstung und keine der interessierten
Mächte war für die volle Abrüstung zu Lande und
zur See zu haben. Das war uns ein deutliches Zeichen dafür,
daß sie alle zusammen immer nur für die Abrüstung
der anderen und für die Entwaffnung der anderen, niemals
aber für die eigene Entwaffnung und Abrüstung zu haben
gewesen sind. Sie, die mit unglaublichem Elan die Entwaffnung
Deutschlands, Österreichs, Bulgariens durchgeführt haben,
sie, die jedem Gewehrkolben in diesen Ländern nachgestöbert
haben, haben in ihrem Lande nicht nur kein einziges Geschütz
abgebaut, sondern sich im Gegenteil alle neuesten Errungenschaften
der Mordtechnik zu eigen gemacht. Auch die Èechoslovakei
gab sich immer als antimilitaristisch aus, aber
nur in der Theorie. Ihr erstes Wort in der Washingtoner Deklaration
hieß "Miliz", ihr Wehrgesetz ist auf Miliz und
auf fortschreitende Abrüstung aufgebaut und auch sonst pflegt
man immer bei ganz besonders feierlichen Anlässen von Antimilitarismus
zu übertriefen; so oft bei irgendwelcher feierlichen Gelegenheit
irgendjemand das Wort ergreift, kommt immer als Erstes das feierliche
antimilitaristische Bekenntnis, dann aber stellt sich ungesäumt
der Nachsatz von der Notwendigkeit der Berücksichtigung der
geographischen, politischen und der strategischen Lage des Landes
ein und schon ist es um den Antimilitarismus geschehen und es
zeigt sich die imperialistische Fratze, die recht martialische
Grimassen zu schneiden vermag. (Souhlas nìmeckých
soc. dem. poslancù.) Während
man sonst mit einer reichen Ernte an politischen Pakten, an Arbitrageverträgen,
an Locarnoübereinkommen im Auslande paradiert, im Inlande
operiert, verweist man andererseits auf die Notwendigkeit - wie
es heißt - der Erhaltung der Wehrmacht und fordert immer
wieder eine weitere Ausgestaltung der Armee. Besonders herrliche
halsbrecherische Kunststücke leistet sich bei solchen Anlässen
die offiziöse Presse. Wir haben es erst in den letzten Tagen
gesehen, so schreibt beispielsweise in der Nummer vom 5. Jänner
die "Prager Presse": "Die Verkürzung der Dienstzeit",
- ich zitiere wörtlich - "im Sinne des Wehrgesetzes
ist natürlich vollständig außer Frage. Das einzige
Problem wäre bloß die Art der Durchführung. Die
Hauptsache aber dabei ist immer, daß dadurch die Verläßlichkeit
und die Intensivität der Armee nicht verringert wird."
Also das bekannte Wort: "Wasch´ mir tüchtig den
Pelz, aber um Gottes Willen, mach* mir ihn nicht naß!"
Da die Absicht der herrschenden politischen
Klassen ist, das jetzige militärische System aufrecht zu
erhalten, immer offenkundiger wird, wird es Sache der Arbeiterklasse,
der Arbeitermassen sein, zu Gunsten des Abrüstungsgedankens
zu mobilisieren und große Aktionen zu veranstalten, die
den kapitalistischen und imperialistischen Mächten die Abrüstung
ihrer Länder aufzwingen. In diesem Zusammenhang erklären
wir, hohes Haus, daß wir uns der beabsichtigten Novellierung
des Wehrgesetzes im Sinne der Beibehaltung der 18monatlichen Dienstzeit
mit aller Entschiedenheit widersetzen. (Potlesk na levici.)
und mit dem leidenschaftlichsten Kampfe gegen diese volksfeindliche
Maßnahme beginnen werden, falls man versuchen sollte, sie
zu verwirklichen. Daß der abtretende Herr Generalstabschef,
der französische èechische Obergeneral Mittelhauser
es wagen durfte, dem èechischen Staate formell als sein
Testament die Beibehaltung der 18monatlichen Dienstzeit zu empfehlen,
ohne daß sich irgendjemand an leitender Stelle gefunden
hätte, diesen General in die gesetzlichen
Schranken zu verweisen, halten wir für eine außerordentlich
betrübliche Erscheinung in einer Zeit, die nach Abbürdung
der Militärlasten förmlich schreit, in einer Zeit, wo
der Notstand der gesamten Bevölkerung geradezu zur Unerträglichkeit
gesteigert ist.