Ètvrtek 18. února 1926

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 9. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve ètvrtek dne 18. února 1926.

1. Øeè posl. dr Czecha (viz str. 304 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die innige Verknüpfung von Innen- und Außenpolitik tritt in keinem zweiten Lande so plastisch in Erscheinung wie gerade bei uns. Erwägungen außenpolitischer Natur waren für die Konstruktion dieses Staates, für den inneren Aufbau, für die politische und wirtschaftliche Orientierung, für die militärische Ausrüstung ausschlaggebend und umgekehrt hatten alle wichtigen innenpolitischen Ereignisse des Landes gewisse außenpolitische Auswirkungen im Gefolge. Die gegenseitige Beeinflussung von Außen- und Innenpolitik in diesem Lande war immer eine so starke, daß eine vollständige Scheidung nachgerade zur Unmöglichkeit geworden ist. Das haben wir zuletzt anläßlich des Abschlusses des Locarnovertrages gesehen, aus welchem die herrschenden èechischen Kreise prompt gewisse Folgerungen innerpolitischer Natur zu ziehen versuchten. Sie forderten sofort die bedingungslose Unterwerfung der Minoritäten unter die Fremdherrschaft dieses Staates, ohne auch ihrerseits aus diesem Vertrage die sich selbstverständlich ergebenden Konsequenzen abzuleiten, die allein geeignet gewesen wären, eine Wandlung in der Orientierung und Stellungnahme der nichtèechischen Völker dieses Staates herbeizuführen. Daß auch rein innerpolitische Vorgänge außenpolitische Wirkungen zu zeitigen vermögen, das haben wir erst jüngst anläßlich der Erlassung der Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz wahrnehmen können. Wohl suchte man auf èechischer Seite der Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz den harmlosen Anschein einer rein internen Verwaltungsmaßnahme zu geben, aber die tiefgehende Erregung, die sie innerhalb der nichtèechischen Bevölkerung auslöste und die über den Kreis der unmittelbar betroffenen Bevölkerung, über die Grenzen des Landes hinaus, weite Kreise ergriffen und aufgewühlt hatte, hat auch im Ausland Stimmungen ausgelöst, die, wenn die Anzeichen nicht trügen, auch gewisse außenpolitische Wirkungen nach sich ziehen werden. Darum wollen wir im Rahmen der Erörterung des außenpolitischen Exposés auch zur Sprachenverordnung Stellung nehmen, die den Höhepunkt der innerpolitischen Ereignisse des Landes bildet. Die Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz wurde sofort nach ihrer Erlassung von der gesamten deutschen Bevölkerung und den anderen Nationalitäten als ein wahrer Faustschlag empfunden. (Sehr richtig!) Sie hat eine mächtige Bewegung hervorgerufen, die alle Schichten der Bevölkerung und auch die Arbeiterklasse in ihren Bann zog. Obwohl sie seit Jahren fällig war, obwohl ihr Erscheinen in gewissen Zeitabständen immer und immer wieder angekündigt wurde, hat sie in der von ihr betroffenen Bevölkerung die größte Überraschung und Bestürzung ausgelöst. Ihre Folgen sind nach der politischen und wirtschaftlichen Seite unabsehbar, ihre Wirkungen lassen sich in ihrer letzten Konsequenz derzeit noch nicht ermessen. War das Leben und Kämpfen auf diesem heißen und garstigen Boden schon bisher unerträglich, es wird durch die neuerliche Vergiftung der Atmosphäre zur wahren Pein werden. Welch eine Wandlung der Dinge durch einen bloßen Federstrich! Die neugeschaffene Situation macht gewisse Feststellungen notwendig. In einer am 2. Juni 1920 von deutscher Seite überreichten Interpellation, der das Abgeordnetenhaus - was vielleicht schon vergessen worden ist - die Dringlichkeit zuerkannte (Hört! Hört!), wurden der Regierung wegen Verzögerung in der Herausgabe der Sprachenverordnung Vorhaltungen gemacht, die den Gegenstand langwieriger und aufreibender Verhandlungen zwischen den deutschen Parteien und der Regierung bildeten und dann endlich zu einer regelrechten Vereinbarung zwischen den deutschen Parteien und der Regierung führten, auf Grund deren sämtliche deutsche Parteien des Hauses von der sofortigen Verhandlung der damals nach Auffassung der Regierung noch nicht spruchreifen Interpellation Abstand nahmen, wogegen der damalige Innenminister, der heutige Ministerpräsident, in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 10. Juli 1920 namens der Regierung von dieser Tribüne herab wörtlich folgende Erklärung abgab: "Ich erkläre" sagte der Herr Minister Švehla, "daß es nach dem Fortgang der Arbeiten der Regierung möglich sein wird, bis zur Herbsttagung mit allen notwendigen Vorarbeiten zur Herausgabe der Verordnung über den Sprachengebrauch fertig zu werden. Über diese Verordnung wird sodann dem Verfassungsausschuß referiert werden, bevor sie in Kraft tritt." (Výkøiky nìm. soc. dem. poslancù. - Místopøedseda Stivín zvoní.) Die Regierung hat sich also, wir wollen die Tatsachen festhalten, rechtsverbindlich verpflichtet, die Durchführungsverordnung zum Sprachengesetz, ehe sie in Kraft tritt, dem Verfassungsausschuß vorzulegen und über sie dem Abgeordnetenhaus zu referieren. Wiederholt haben wir mündlich und schriftlich die Einlösung des Ministerwortes, das nach langwierigen Verhandlungen namens der èechoslovakischen Regierung gegeben wurde, also die Einlösung der dort abgegebenen bindenden Zusage der Regierung Tusar, verlangt. Alle unsere Mahnungen blieben ungehört, unsere Interpellationen unbeantwortet und unsere Vorstellungen blieben unberücksichtigt. So verging Jahr für Jahr in ewiger Erwartung. So wurde Jahr für Jahr die Einlösung der von der Regierung übernommenen Verpflichtung verzettelt, bis dann eines schönen Tages die Durchführungsverordnung da war, ohne daß die strikte Zusage... (Hluk na levici. Výkøiky nìmeckých a èsl. soc. dem. poslancù.)

Místopøedseda Stivín (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr Czech (pokraèuje):... bis dann eines schönen Tages... (Stálý hluk na levici.)

Místopøedseda Stivín (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr Czech (pokraèuje):... die Durchführungsverordnung verlautbart war, ohne daß die strikte Zusage der Regierung eingelöst, ohne daß dem Verfassungsausschuß über die Durchführungsverordnung referiert worden wäre.

Hohes Haus! Das gegebene Ministerwort wurde gebrochen (Výkøiky na levici: Schande!), das gegebene Versprechen der Regierung zynisch mit Füßen getreten, die Hoffnung der nichtèechischen Bevölkerung auf eine einvernehmliche Regelung des Sprachengebrauches ausgelöscht, statt freundschaftlicher Verständigung die Faust auf den Nacken! (Souhlas nìmeckých soc. dem. poslancù.)

Das ist die Antwort, die uns nach all den feierlichen Zusagen, nach all den endlosen Vertröstungen, nach jahrlangem Warten von der Regierung und von der Koalition zuteil wird. Wir aber antworten darauf, daß wir auf der Einlösung des Ministerwortes beharren, daß wir jede Maßnahme, die unter Bruch der bindenden Zusage der Regierung zustande gekommen ist, als nicht existent, als für uns unverbindlich betrachten. (Souhlas nìmeckých soc. dem. poslancù.)

Aus dieser Situation, hohes Haus, gibt es nur einen einzigen Ausweg, und das ist der Widerruf dieser Verordnungen, die strikteste Zuhaltung des Ministerwortes. So wie wir seinerzeit sofort nach dem Zusammentritt des Abgeordnetenhauses im Jahre 1920 in einer zuhanden des damaligen Ministerpräsidenten abgegebenen feierlichen Erklärung ausgesprochen haben, daß wir das unter Verletzung aller demokratischen Grundsätze zustande gekommene, mit Recht und Gesetz, mit der Verfassung und dem Minderheitenschutzvertrag kontrastierende, dem Geiste der Gleichheit und Gerechtigkeit widerstreitende, aber auch durchaus unsoziale Sprachengesetz niemals anerkennen werden, so werden wir es auch mit der Durchführungsverordnung zu diesem Gesetze halten (Potlesk nìmeckých soc. dem. poslancù.), die unter Bruch eines Ministerwortes als nacktes Diktat zustande gekommen ist, die in jeder Zeile den Geist nationaler Unduldsamkeit atmet, das Recht der nichtèechischen Völker mit Füßen tritt, die Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetz einfach annulliert, Verfassung, Recht und Gesetz zum Spielball besinnungsloser nationalistischer Politik macht. Darum lehnen wir uns, das sagen wir von dieser Tribüne offen, gegen dieses Verordnungsmonstrum auf (Potlesk nìmeckých soc. dem. poslancù.) und werden es niemals anerkennen. Wir werden nichts unversucht lassen, um es zu beseitigen. Es wird, so lange es besteht, den Gegenstand unseres heftigsten Kampfes, der leidenschaftlichsten Abwehr gegen das nationale Unrecht bilden, an dem dieses dem nationalen Chauvinismus verfallene Land so überreich ist. Es wird den Kampf um die Selbstbestimmung unseres Schicksals, um die Selbstverwaltung unserer kulturellen Angelegenheiten nur anfeuern, unsere Abwehr gegen dieses Regierungsystem nur steigern und unser Streben, an die Stelle der nationalen Vergewaltigung, an die Stelle der nationalen Fremdherrschaft eine Verständigung zwischen den Völkern herbeizuführen, nur beflügeln. (Potlesk nìmeckých soc. dem. poslancù.)

Hohes Haus! Es ist nicht die Degradierung unserer Muttersprache allein, die uns diesen Standpunkt aufnötigt, obwohl auch dieses Moment allein schon dazu hinreichen würde, sondern vor allem das materielle Unrecht, das den nach Millionen zählenden nichtèechischen Völkern dieses Staates zugefügt wird, das uns dieses Husarenstück der Koalition als unerträglich erscheinen läßt, das unseren heftigsten Widerstand gegen diese unsoziale Maßnahme mobilisiert. Darum sagen wir es rundheraus: Mag kommen was wolle, wir lassen uns unser Recht, uns bei Wahrung unserer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Interessen, bei Verfolgung unserer Rechte, uns überall im Lande unserer Sprache zu bedienen, nicht berauben. (Sehr richtig!) Wir lassen uns unsere deutschen Angestellten und Bediensteten nicht für vogelfrei erklären, wir lassen die deutschen arbeitenden Menschen nicht aus den öffentlichen Ämtern ausschließen, wir lassen uns nicht daskommunale Selbstverwaltungsrecht durch nationalistische Sprachentriks wegeskamotieren, wir lassen uns nicht das passive Gemeindewahlrecht verkümmern, aber auch nicht durch diktatorische Sprachregeln, durch nationalistische Sprachrabulistik oder durch altösterreichische Taferlpolitik in unsere Privatrechtssphäre greifen. Wir lassen uns aber auch vor allem nicht zu Staatsbürgern zweiter Klasse stempeln und werden uns nie und nimmer vor dem neuen Geßlerhut beugen, den uns eine demokratisch sein wollende Republik hiemit aufzurichten geruht.

Hohes Haus! Wenn das "Èeské Slovo" in seinem Abendblatt vom 9. ds. schreibt: " Gerade der èechische Arbeiter im Minderheitsgebiet muß, wenn er seine Rechte geltend machen will, die Möglichkeit haben, sich in seiner Sprache zu verständigen", wenn es weiter schreibt: "Nach dieser Richtung hin haben die Sprachenverordnungen auch eine soziale Bedeutung", dann muß auch der Kampf des deutschen Arbeiters um die Geltung seiner Sprache ein sozialer sein. (Výkøiky na levici.) Wir werden es niemals einsehen, warum nicht alles, was für den èechischen Arbeiter gilt, auch für den deutschen Arbeiter volle Geltung haben soll und werden niemals begreifen, warum der Kampf der èechischen Arbeiter um den Gebrauch ihrer Sprache ein sozialer, der Kampf der deutschen Arbeiter um ihre Sprache ein nationalistischer sein soll. (Potlesk nìmeckých soc. dem. poslancù.) Hohes Haus! Unser Kampfruf ergeht an die gesamte Öffentlichkeit des In- und Auslandes. Wenn wir ihn bis in die kleinste Hütte hinaustragen, dann ist es beileibe nicht unsere Schuld; nicht wir haben diese Situation heraufbeschworen, sondern besinnungsloser nationalistischer Übermut der Koalition, die, nachdem sie sich auch auf anderen Gebieten des öffentlichen Lebens ausgetobt und sie vergiftet hatte, nunmehr daran ist, ihre Tyrannei auch auf dieses Gebiet zu verlegen. Wir können unseren Protest, unseren Mahnruf an die gesamte Öffentlichkeit und, ich betone, auch an die èechische Öffentlichkeit, nicht besser schließen, als mit den Worten, die Präsident Masaryk am 5. April 1896 in einer Artikelserie zur deutsch-böhmischen Ausgleichsfrage für die Zeitschrift "Zeit" geschrieben hat und die er nach der Angabe des Schriftstellers Foøt auch jetzt aufrecht halten zu können erklärt. Er hat gesagt: "Die Regierung begeht, indem sie einseitig die vermeintliche Notwendigkeit einer einzigen Amtssprache festhält, alle Fehler des chauvinistischen Nationalismus und fordert diesen geradezu heraus." Was sagt Präsident Masaryk vom deutschen Rubrum der Gerichtsakten und Prozesse, von dem Texte der Steuer- und Postbestätigungen? "Daß die Sicherheit der böhmischen Länder und Österreichs davon abhänge, das geht mir nicht in den Sinn. Gerade so begreife ich auch", sagt Masaryk, "das Vorurteil nicht, daß der Arbeiter und Handwerker bei uns vor allem dieser oder jener Sprache bedürfe. Freilich", sagt Masaryk - "wo so viele Leute vom Maul und vom nationalen Hader leben (Hört! Hört!), dort ist das begreiflich". Masaryk schließt seinen Artikel mit den Worten: "Aber die Spekulation auf der chauvinistischen Nationalitätenbörse, sie soll einmal aufhören". (Hört! Hört!)

Hohes Haus! Das war, das ist, das bleibt unser Standpunkt und darum kann auch dieses unser Wort nur eine Kampfansage gegen eine Regierung sein, die, anstatt im Lande Beruhigung und inneren Frieden zu bringen, in diesem Lande eine chauvinistische Nationalitätenbörse aufgerichtet hat, die das Land aus einem Konflikt in den andern, aus einer Krise in die andere treibt, die Nationalitäten, anstatt sie einander näher zu bringen, immer mehr auseinander bringt und einander immer mehr entfremdet, die die Gegensätze nach dem altösterreichischen Rezepte: "Teile und herrsche", immer mehr verschärft und jede gedeiliche Zusammenarbeit unmöglich macht. Diesem fluchwürdigen System gilt unser leidenschaftlichster Kampf. (Potlesk nìmeckých soc. dem. poslancù.)

Gestatten Sie mir nun einiges zum Exposé des Herrn Außenministers Dr Beneš zu sagen. Das Exposé des Herrn Außenministers ist uns bis auf die Darstellung der ungarischen Fälscheraffäre so ziemlich alles schuldig geblieben. Seit der letzten Berichterstattung des Herrn Außenmnisters hat sich auf dem Gebiete der internationalen Politik so manches ereignet. An all dem ist der Herr Außenminister, obwohl er nach so langer Zeit wieder einmal im Parlament das Wort ergriffen hat, einfach achtlos vorübergegangen. Von dem vielgepriesenen Locarnogeist Europas ist jetzt nach all dem, was wir sehen, verdammt wenig übrig geblieben. Der Zweiteilung der Welt, in Sieger und Besiegte, ist jetzt noch eine weitere Zweiteilung Europas, in eine englische und in eine französische Machtsphäre gefolgt: Auf der einen Seite England, das seinen Machtbereich durch Einverleibung großer Teile Europas in seine Einflußphäre zu vermehren sucht und dem es in letzter Zeit gelungen ist, Italien, einen großen Teil des Balkans, Polen und Ungarn an seine Seite zu bringen, auf der anderen Seite Frankreich, das vergebens um die Aufrechterhaltung seiner Hegemonie in Europa ringt und das durch seinen Marokkokrieg, durch seinen syrischen Feldzug, durch seine innere Krise, seine schwere Finanzkrise, von der Führung in Europa immer mehr abgedrängt wurde, wodurch sich naturgemäß die außenpolitische Situation der Kleinen Entente, die ihren hauptsächlichsten Stützpunkt in Frankreich hatte, immer mehr verschlimmerte. Schon die Locarnoverträge haben ihr den Boden unter den Füßen entzogen. Würde Ungarn nicht immer und immer wieder für neue Affären sorgen, und gäbe es also nicht den sogenannten ungarischen Kitt, die Kleine Entente hätte längst schon jede Existenzberechtigung eingebüßt. Hiezu trugen die vielen politischen, wirtschaftlichen, sozialen Schichtungen und die verschiedene Orientierung der Bundesländer nicht wenig bei, vor allem aber die immer mehr wachsenden außenpolitischen Gegensätze, die ein ständiges Abrücken einzelner Teile der Kleinen Entente in der Richtung ihrer neuen, ihrer natürlichen Interessensphäre zur Folge haben. So hat beispielsweise die ganz verschiedene Auffassungsweise Rumäniens in der russischen Frage die Freundschaft dieses Landes zu den Bundesgenossen immer mehr abgekühlt und zu einem Freundschaftsverhältnis, man spricht sogar von einem Bündnis mit Polen geführt, das nicht als eine Stärkung, sondern direkt als eine Lockerung der Kleinen Entente angesehen werden muß. Darum mußte die Temesvarer Tagung, über die sich der Herr Außenminister hier vollständig ausgeschwiegen hat und über die uns das darüber ausgegebene Kommuniqué nicht viel zu sagen vermochte, gründlich ins Leere laufen, ganz bedeutungslos bleiben. Aber auch andere wichtige außenpolitische Probleme hätten einer Klarstellung durch den Herrn Außenminister bedurft. Deutschland ist jetzt trotz Locarno wieder einmal Gegenstand eines heftigen Kesseltreibens. Dabei denke ich gar nicht an den letzten Zwischenfall Mussolini-Deutschland. Der Exzeß Mussolinis hat wieder einmal aufgezeigt, welche Gefahren der Fascismus für ganz Europa in sich birgt und wie er eigentlich einen der gefährlichsten Brandherde in Europa darstellt, zu dessen Austilgung sich ganz Europa zusammenschließen sollte. Daß sich ein Mitglied des Völkerbundrates, daß sich einer der Friedensgaranten von Locarno so völlig widerspruchslos und ungestraft, so unverhüllt, so offenkundig gegen einen Staat von dem Range Deutschlands dies leisten konnte, daß er mit einem Vorantragen der Trikolore über den Brenner mit den 2 Millionen sprungbereiten auf ein Wort lauernden jungen Leuten drohen konnte, daß er sich ungesühnt die Herausforderung eines großen Staates, die Herausforderung eines nach Millionen zählenden Volkes herausnehmen durfte, das bestätigt die Feststellungen, die wir gleich einleitend gemacht haben, charakterisiert aber auch die Ohnmacht des Völkerbundes, der sich übrigens schon einmal anläßlich des griechisch-italienischen Konflikts von Mussolini eine recht scharfe Abfuhr bieten lassen mußte. Indem wir dies feststellen, rufen wir alle demokratischen Schichten zum Kampf gegen den Faszismus, diese gefährliche Geißel, auf und sprechen dem italienischen Volke, das alle Torturen des faszistischen Regimes über sich ergehen lassen muß, vor allem seiner von Mussolini gepeinigten Arbeiterklasse, deren Genossenschaftsbewegung erst kürzlich das Opfer des faszistischen Terrors geworden ist, nicht minder aber auch der um ihre Kultur, um ihre nationale Existenz kämpfenden deutschen Bevölkerung Südtirols unsere innigsten Sympatien aus. (Potlesk na levici.) Nun, hohes Haus, lassen Sie mich einiges zur Hetze sagen, die seit einiger Zeit wieder gegen Deutschland betrieben wird. Solange sich Deutschland weigerte, in den Völkerbund einzutreten, bildete dies den Grund zu heftigsten Angriffen der nationalistischen Kreise aller Siegerländer; es wurde Deutschland vorgehalten, daß seine Weigerung von Revancheabsichten diktiert sei, es wurde ihm gesagt, daß seine Weigerung die wahre Gesinnung Deutschlands verrate, den alten kriegerischen Geist, den alten Herrengeist manifestiere. Kaum hatte aber Deutschland seine Bereitwilligkeit zum Eintritt in den Völkerbund erklärt, als sofort eine veritable Hetze einsetzte, an der sich bis auf einen kleinen Teil auch die gesamte èechische Presse, auch die dem Herrn Außenminister nahestehende Presse, selbstverständlich aber auch die gesamte nationalistische èechische Presse dieses Landes beteiligte. Das mußte natürlich überall das größte Befremden auslösen. Um so befremdlicher aber mußte die aus Temesvar herrührende Meldung der "Neuen Freien Presse" wirken, wonach die Kleine Entente nach Entgegennahme des Berichtes des Außenministers Dr Beneš beschlossen haben soll, Schritte zu unternehmen, um zu verhindern, daß Deutschland die Frage der deutschen Minderheiten in den Staaten der Kleinen Entente, wie es wörtlich heißt, im Völkerbunde in einer Weise aufwerfe, die die Interessen der Kleinen Entente beeinträchtigen könnte. (Výkøiky na levici.)

Hohes Haus! Es wird gut sein, daß der Herr Außenminister zu dieser Meldung der "Neuen Freien Presse" Stellung nehme und damit allen sich daraus ergebenden Mutmaßungen den Boden entzieht. Vor allem aber müßte der Herr Außenminister sich dazu äußern, ob es der Wahrheit entspricht, daß sich auch die Èechoslovakei an einer Aktion gewisser ententistischer Kreise gegen Deutschland beteiligt, ob die Èechoslovakei entschlossen sei, wie behauptet wird, die Bemühungen Polens um einen ständigen Ratsitz im Völkerbund zu unterstützen, und ob bei dieser Gelegenheit, wie gemeldet wird, auch die Umwandlung des nichtständigen Völkerbundsitzes der Èechoslovakei respektive der Kleinen Entente in einen ständigen aufgerollt werden soll. Sollte sich dies bewahrheiten, so müssen wir das im Interesse einer friedlichen Entwicklung der Verhältnisse in Europa auf das lebhafteste bedauern. Schon wiederholt hat sich die Èechoslovakei durch Beteiligung an deutschlandfeindlichen Aktionen - ich erwähne Oberschlesien - in schwierige Situationen diesem Lande gegenüber gebracht und dadurch auch gewisse innerpolitische Stimmungen ausgelöst, die das Verhältnis der beiden Volksstämme dieses Landes zueinander nur zu erschweren geeignet waren. Die Teilnahme der èechoslovakischen Außenpolitik an den neuen Treibereien gegen Deutschland würde die ohnehin gespannte innerpolitische Situation nur noch erschweren, vor allem aber gerade in einer Zeit der Wirtschaftskrise, in der beide Länder, Deutschland und die Èechoslovakei, friedlicher und vertrauensvoller Zusammenarbeit bedürfen, schwere politische Folgen für die gesamte notleidende Bevölkerung nach sich ziehen.

Nun eine andere Frage: Von dem wahren Zustand Europas und von der Weltsituation gibt am besten die Tatsache Zeugnis, daß die für den 15. Februar angesagte und unter Zustimmung sämtlicher Mächte - ich stelle fest: auch Amerikas, auch Rußlands, auch Deutschlands - geplante vorbereitende Abrüstungskonferenz im letzten Augenblick abgesagt wurde. Wir halten diesen Schritt für einen der schwersten Schläge gegen den Weltfrieden. Als wir seinerzeit mit aller Wärme für das Genfer Protokoll eintraten, obwohl es, wir unterstreichen dies, ebenso wie Locarno eine rein kapitalistische Friedenslösung darstellt, so geschah es vor allem deshalb, weil das Junktim der Abrüstung eines der wichtigsten Fundamente des Genfer Protokolles bildete. Dieses Junktim aber fehlt bei Locarno und darum kommt von Haus aus dem Locarnoer Übereinkommen eine geringere Bedeutung zu. Wir haben bereits in unserer letzten außenpolitischen Aussprache im ständigen Ausschuß deutlich zum Ausdruck gebracht und mit allem Nachdruck vom Herrn Außenminister gefordert, daß er seine Kraft für das baldige Zustandekommen einer Abrüstungstagung einsetze. Wir erblicken nun aus diesen Gründen in der erfolgten Absage der Abrüstungskonferenz eine Sabotage des Friedens. (Sehr richtig!) Die Vertagung erscheint uns durchaus unmotiviert, und daß die èechoslovakische Regierung den Vertagungsantrag mit unterbreitet, das machen wir ihr, und daß der Herr Außenminister Dr Beneš als Referent der Abrüstungskommission seine Zustimmung gab, das machen wir ihm speziell zum Vorwurf. (Souhlas nìmeckých soc. dem. poslancù.) An dem Ernst der kapitalistischen Staaten und Machthaber zur Abrüstung haben wir immer gezweifelt. Die Seemächte waren immer nur für die Landabrüstung und die Landmächte immer nur für die Seeabrüstung und keine der interessierten Mächte war für die volle Abrüstung zu Lande und zur See zu haben. Das war uns ein deutliches Zeichen dafür, daß sie alle zusammen immer nur für die Abrüstung der anderen und für die Entwaffnung der anderen, niemals aber für die eigene Entwaffnung und Abrüstung zu haben gewesen sind. Sie, die mit unglaublichem Elan die Entwaffnung Deutschlands, Österreichs, Bulgariens durchgeführt haben, sie, die jedem Gewehrkolben in diesen Ländern nachgestöbert haben, haben in ihrem Lande nicht nur kein einziges Geschütz abgebaut, sondern sich im Gegenteil alle neuesten Errungenschaften der Mordtechnik zu eigen gemacht. Auch die Èechoslovakei gab sich immer als antimilitaristisch aus, aber nur in der Theorie. Ihr erstes Wort in der Washingtoner Deklaration hieß "Miliz", ihr Wehrgesetz ist auf Miliz und auf fortschreitende Abrüstung aufgebaut und auch sonst pflegt man immer bei ganz besonders feierlichen Anlässen von Antimilitarismus zu übertriefen; so oft bei irgendwelcher feierlichen Gelegenheit irgendjemand das Wort ergreift, kommt immer als Erstes das feierliche antimilitaristische Bekenntnis, dann aber stellt sich ungesäumt der Nachsatz von der Notwendigkeit der Berücksichtigung der geographischen, politischen und der strategischen Lage des Landes ein und schon ist es um den Antimilitarismus geschehen und es zeigt sich die imperialistische Fratze, die recht martialische Grimassen zu schneiden vermag. (Souhlas nìmeckých soc. dem. poslancù.) Während man sonst mit einer reichen Ernte an politischen Pakten, an Arbitrageverträgen, an Locarnoübereinkommen im Auslande paradiert, im Inlande operiert, verweist man andererseits auf die Notwendigkeit - wie es heißt - der Erhaltung der Wehrmacht und fordert immer wieder eine weitere Ausgestaltung der Armee. Besonders herrliche halsbrecherische Kunststücke leistet sich bei solchen Anlässen die offiziöse Presse. Wir haben es erst in den letzten Tagen gesehen, so schreibt beispielsweise in der Nummer vom 5. Jänner die "Prager Presse": "Die Verkürzung der Dienstzeit", - ich zitiere wörtlich - "im Sinne des Wehrgesetzes ist natürlich vollständig außer Frage. Das einzige Problem wäre bloß die Art der Durchführung. Die Hauptsache aber dabei ist immer, daß dadurch die Verläßlichkeit und die Intensivität der Armee nicht verringert wird." Also das bekannte Wort: "Wasch´ mir tüchtig den Pelz, aber um Gottes Willen, mach* mir ihn nicht naß!"

Da die Absicht der herrschenden politischen Klassen ist, das jetzige militärische System aufrecht zu erhalten, immer offenkundiger wird, wird es Sache der Arbeiterklasse, der Arbeitermassen sein, zu Gunsten des Abrüstungsgedankens zu mobilisieren und große Aktionen zu veranstalten, die den kapitalistischen und imperialistischen Mächten die Abrüstung ihrer Länder aufzwingen. In diesem Zusammenhang erklären wir, hohes Haus, daß wir uns der beabsichtigten Novellierung des Wehrgesetzes im Sinne der Beibehaltung der 18monatlichen Dienstzeit mit aller Entschiedenheit widersetzen. (Potlesk na levici.) und mit dem leidenschaftlichsten Kampfe gegen diese volksfeindliche Maßnahme beginnen werden, falls man versuchen sollte, sie zu verwirklichen. Daß der abtretende Herr Generalstabschef, der französische èechische Obergeneral Mittelhauser es wagen durfte, dem èechischen Staate formell als sein Testament die Beibehaltung der 18monatlichen Dienstzeit zu empfehlen, ohne daß sich irgendjemand an leitender Stelle gefunden hätte, diesen General in die gesetzlichen Schranken zu verweisen, halten wir für eine außerordentlich betrübliche Erscheinung in einer Zeit, die nach Abbürdung der Militärlasten förmlich schreit, in einer Zeit, wo der Notstand der gesamten Bevölkerung geradezu zur Unerträglichkeit gesteigert ist.


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