Pùvodní znìní ad XIV./3967.

Interpellation

der Abgeordneten Dr. Kafka, Kostka und Genossen

an die Regierung

betreffend die Konfiskation des Artikels in der periodisch erscheinenden Druckschrift Deutsche Zeitung Bohemien

Da sich in letzter Zeit die Fälle von Tagesblätterbeschlagnahmen bedenklich mehren, dürfte man wohl mit Recht vermuten, dass die Staatsanwaltschaften durch einen Wink der Regierung angewiesen wurden, ihre undemokratische Zensurtätigkeit noch schärfer zu handhaben, als dies schon unter den früheren Regierungen der Fall war:

So wurde die Nummer der Deutschen Zeitung Bohemia vom 11. November konfisziert, wett sie auf zweiter Seite eine wahrheitsgetreue und objektive, aus der Feder des schwedischen Obersten L. af Petersens stammende Betrachtung im Stockholms Dagblad über die, den deutschen Bewohnern durch die verschiedenen Regierungsmassnahmen zugefügte Benachteiligung und jeder rechtlichen Grundlage hohnsprechenden Enteignungsmanöver, brachte. Der. konfiszierte Artikel hatte folgenden Wortlaut:

Von Oberst L. af Petersens.

Der bekannte schwedische Oberst L. af Petersens, der erst kürzlich durch seine streng objektiven und darum den Franzosen höchst unbequemen Schilderungen aus dem besetzten Gebiete die Aufmerksamkeit weiterer Kreise des Auslandes erregt hat, befasst sich neuerdings im Stockholms Dagblad mit den Konfiskationen deutschen Besitzes in der Tschechoslowakei. Wir entnehmen den von genauer Kenntnis der Verhältnisse hierzulande zeugenden Ausführungen folgende Stellen.

In der Tschechoslowakei wird die Tschechisierung der nichttschechischen Minoritäten mit aller Energie - betrieben, natürlich am kräftigsten gegenüber dem 3 Millionen-Kontingent der Deutschen. Deren Stellung soll untergraben werden, teils durch wirtschaftlichen Ruin, teils durch Zerstörung ihrer kulturellen Existenzbedingungen. Der erste grosse Schlag gegen das Wirtschaftsleben der Deutschen war die Weigerung der Tschechen, die alten Kriegsanleihen einzulösen, trotzdem Präsident Masaryk öffentlich die Gerechtigkeit ihrer Einlösung anerkannt und die Einlösung befürwortet hatte. Diese Verweigerung brachte den Deutschen einen Verlust von zirka sechs Milliarden. Unzählige verloren beinahe all ihren Besitz. Jetzt wird zum vernichtenden Schlag gegen die Bodenbesitzer ausgeholt, die ihrer Güter beraubt werden sollen, um sie Legionären zu schenken oder sie unter vorteilhaften Bedingungen anderen bevorzugten Tschechen zukommen zu lassen. Auch die Tschechisierung der Badeorte steht bevor.

Vor der aussenstehenden Welt wird die Sache als gewöhnliche "Bodenreform dargestellt, die auf ausschliesslich wirtschaftliche und gemeinnützige Gründe zurückzuführen sei. Für jeden, der die Verhältnisse kennt - und ich habe sie gründlich auf einem zur Expropriation verurteilten Gut studiert -,ist es leicht, das System zu durchschauen. Die Sache liegt so, dass gamäss den Bestimmungen des Gesetzes Entschädigung für den Vorkriegswert gegeben werden soll, in jetziger Währung! Durch diese Methode konfisziert man ohne weiteres 90 Prozent des wirklichen Wertes. Der Besitzer bekommt aber nicht einmal die restlichen 10 Prozent in barem Geld, sondern in Staatspapieren mit einem Zinsfuss von 3 bis 4 Prozent, da der Zinsfuss aber jetzt wenigstens 8 Prozent ist, so wird weiter die Hälfte des Wertes konfisziert, übrig bleiben somit 5 Prozent. Aber auch mit diesem kleinen Rest kann, aufgrund der verwickelten Bestimmungen des Gesetzes, von den tschechischen Beamten im Bodenamt (in dem kein einziger Deutscher sich befindet) in solcher Weise manipuliert werden, dass die Entschädigung Null wird. So stehend die Sachen in Wirklichkeit. Jetzt könnte man einwenden, die Tschechen seien so edelmütig gewesen, zu gestatten, dass der Besitzer 250 Hektar behalten darf. Dies ist aber ein schwacher Trost. Da die Sache die Grossgüter berührt, bestehen diese 250 Hektar zum grossen Teil aus Parkanlagen, Gärten, Bauflächen um ein grosses Schloss, zu dessen Unterhalt die belassenen 250 Hektar gar nicht genügen. Dem ruinierten Gutsbesitzer bleibt wohl oft nichts anderes übrig als den kleinen Rest des Eigentums seiner Väter einem Tschechen zu überlassen, der sich auf Kosten der Deutschen bereichert hat.

... Mehrere Privateisenbahnen sind nationalisiert d. h. beschlagnahmt worden. Das deutsche Personal wird weggejagt, und Tschechen werden eingesetzt. Besonders unangerehm sind den Tschechen die Badeorte. Hieher kommt die ganze internationale Welt und findet zu ihrem Erstaunen, dass dies Land rein deutsch ist. Darum soll jetzt diesem Fehler abgeholfen werden. Ein Gesetz ist schon ausgearbeitet zur Nationälisierung, d. h. Enteignung der Badeorte. Ein Badeort, wie z. B. Karlsbad, soll nationalisiert, zurückerobert werden von verdeutschen Gebiet, - einem Gebiet, das nie tschechisch gewesen, sondern von Germanen bebaut worden ist, Jahrhunderte bevor die Welt den tschechischen Namen gehört hatte, ein Gebiet, in dessen schönen Tälern ihre Nachkommen stets wohnten. Die Stadt Karlsbad ist mit Gewissheit niemals tschechisch gewesen, seit sie vor 600 Jahren von dem deutschen Kaiser Karl IV. gegründet wurde. Jetzt wird der über die ganze Welt bekannte Name Karlsbad in den unverständlichen Namen Karlovy Vary umgetauft. Seine in deutschen Besitz befindlichen Quellen sollen unter tschechische Leitung gestellt werden usw.

Die Tschechen versuchen durch eifrige Auslandpropaganda die erwähnten Gewalttaten zu verschleiern. Aber zu Hause sagt man offen, was man erstrebt, vielleicht im Glauben, dass auf übrige Europa nicht verstehen kann, was auf tschechisch ausgesprochen wird. In seinem eigenen Interesse hat Europa begonnen, die Verhältnisse in der Tschechoslowakei näher zu studieren. Sie sind übrigens -in den anderen neugebildeten oder vergrösserten Ländern Polen, Südslawien, Rumänien, nicht besser. Ich habe aber die Tschechoslowakei als Beispiel genommen, teils weil ich die Verhältnisse da am besten kenne, teils weil die tschechische Frage infolge der unmittelbar bevorstehenden Konfiskation aktuell ist und infolge der deutschen Klagen und Beschwerden vor das Forum des Völkerbundes gelangt. Die rücksichtslosen Unterdrückungen der Tschechen werden auch nicht von den Völkerbundligen und von der Interparlamentarischen Union gutgeheissen. Diese internationalen Organisationen, die gewiss alle Voraussetzungen für unparteiische Untersuchungen besitzen, haben die Verhältnisse genau untersucht. Die Tschechen entbehren somit der Stütze des Rechtsempfindens der Welt. Sie setzen ihr Vertrauen in die Bajonette und schwarzen Negerhorden ihres Beschützers, es ist aber nicht so sicher, dass dies für alle Zukunft die beste Stütze ist.

Bemerkenswert Ist es ferner, dass dieser Artikel in mehreren deutschen Blättern unbeanständet geblieben ist.

Jeder objektiv denkende Bewohner dieses Landes ist sich darüber klar, dass in diesem, dem Rotstift zum Opfer gefahrenen Artikel alle Angaben der Wahrheit entsprechen und gerade in diesem Falle zeigt es sich, dass man die Praktiken der Regierung auch dann leicht durchschauen kann, wenn man nicht nur ein Einheimischer ist.

Die Behörde aber, des Winkes ihrer Regierung eingedenk, Klaubt das den Deutschen zugefügte Unrecht dadurch bemänteln zu können, dass sie einer jeden ihr missliebigen Meinungsäusserung den Weg in die Oeffentlichkeit verwehrt, und in diesem Falle umsomehr, weil diese Betrachtung der Feder eines Ausländers entstammte.

Die gefertigten richten daher an die Regierung die Fragen:

1. Warum duldet es die Regierung, dass mit ihrem Amtsantritte die Staatsanwaltschaften mit einer verschärften Zensurstrenge gegen die deutsche Presse vorgehen?

2. Was gedenkt die Regierung endlich einmal zu unternehmen, dass die zu einem demokratischen Staatswesen in keinen Einklang zu bringenden Zensurmassnahmen eingestellt werden?

P r a g, am 14. November 1922.

Dr. Kafka, Kostka,

Dr. Lodgman, Heller, Dr. W. Feierfeil, Kraus, Mark, Böhr, Ing. Kalina, Scharnagl Køepek, Dr. Luschka, Schälzky, Dr. E. Feverfeil, Budig, Dr. Spina, Dr. Petersilka, J. Fischer. Pittinger,

Schubert, Bobek, Dr. Keibl, Dr. Medinger.

 

 

Pùvodní znìní ad XV./3967.

Interpellation

des Abgeordneten Josef Patzel und Genossen

an den Justizminister

wegen der Beschlagnahme der Schrift Macht und Recht.

Die Broschure Macht und Recht, eine geschichtspolitische Betrachtung von Hans Krebs, Verlag der nationalsozialistischen Partei, Wien L, Stefansplatz 5, wurde von der politischen Landesverwaltung in Prag mit Erkenntnis Zahl 8582=S.2 wegen der nachstehend angeführten Stellen mit Beschlag belegt. Die Beschlagnahme dieser Schrift, welche eine rein sachliche Abhandlung über die rechtliche Stellung der Deutschen in der Èechoslovakischen Republik darstellt, ist ein sprechendes Beispiel der vormärzlichen Presseverhältnisse in der Republik. In dieser Schrift: wurde die Einleitung beschlagnahmt, welche die nationalen Verhältnisse in der Republik auf Grund der amtlichen Volkszählungsergebnisse bespricht. Hierauf fiel dem Herrn Zensor sogar eine Stelle zum Opfer, welche die rasche Zerstörbarkeit der Èechoslovakei bezweifelt. Der zweite Teil der Schrift verfiel vollkommen der Beschlagnahme. Ein Teil ist eine Wiedergabe von Stellen einer vor 3 Jahren unbeschlagnahmten Schrift und eine Polemik gegen die Haltung der èechischen Socialzialdemokraten, obgleich weder im Strafgesetze noch in der Vierfassung der Republik ein besonderer Schutz dieser Partei vor der öffentlichen Kritik begründet erscheint. Auch der Schlussabsatz enthält wohl Vorschläge für die Stärkung der politischen Macht der Deutschen in der Èechoslovakei, aber keinerlei Aufforderung zum Kampfe gegen diesen Staat, es sei denn, dass amtlich erklärt würde, dass das Bestreben nach Erringung grösseren deutschen Einflusses im Staate in den Augen èechischer Amtspersonen schon als Verbrechen erscheint. Wenn wir den Herrn Justizminister fragen, ob ihm die vorliegende Beschlagnahme als berechtigt erscheint, so ersuchen wir ihn von vornherein, in seiner Antwort von dem beliebten Hinweis auf ein etwaiges richterliches Urteil abzusehen, denn wir kennen, ohne dass wir dabei die Rechtssprechung herabsetzen möchten, genau so wie der Herr Justizminister die von der Èechoslovakischen Republik aus dem alten Oesterreich unverändert übernommenen Verhältnisse der Rechtssprechung im sogenanntem objektiven Verfahren. Wir begehren vielmehr vom Herrn Justizminister eine klare Artwert darüber, ob er eine solche Zensurpraxis für würdig eines demokratischen Staates ansieht oder nicht.

In der Schrift wurde zunächst folgende Einleitung beschlagnahmt:

Wer die politische, wirtschaftliche und nationale Lage der Sudetendeutschen begreifen will, muss zunächst über Ihre geographische Lage im Klaren sein. Die Sudetendeutschen sind ein, nur durch politische Grenzen vom grossen deutschen Volkskörper getrennter Teil des Gesamtvolkes, Es handelt sich um 3,828.000 Menschen. Davon leben 3,600.000 im geschlossenen Sprachgebiet, im ununterbrochenen Zusammenhang mit dem reichsdeutschen Sprach- und Staatsgebiet und 228.000 Deutsche in den Sprachinseln. Da diese Ziffern von den amtlichen tschechischen Stellen, anlässlich der Volkszählung im Jahre 1920 ermittelt wurden, dürften sie auch den Tschechen gegenüber unanfechtbar sein. Diesen fast 4 Millionen Deutschen, stehen 6,351.000 Tschechen gegenüber. Insgesamt haben wir es in der Tschechoslowakei nach amtlichen tschechischen Angaben mit folgenden Völkern zu tun:

Tschechen

6 351.663

Slowaken

1,702.873

Deutsche

3,828.974.

Madjaren

1,071.578

Ruthenen

432.929

Polen

277.792


So hat der Friedensvertrag von St. Germain und Versailles diesen National-Staat zusammengesetzt. Derselbe Friedensvertrag, der 4 Millionen Deutsche im Elsass, in Polen, in Oberschlesien, Hultschin und Schleswig-Holstein vom Reiche abtrennte, der den 6½ Millionen Deutschösterreichern den Anschluss an das deutsche Reich verbietet... Während also heute Tschechen, Polen, Dänen, Holländer, Belgier, Franzosen, Italiener. Serben und Rumänen das Glück haben in ihren Nationalstaaten zu leben, haben die Deutschgin (und die Madjaren) das Unglück, ihre nationalen, politischen und wirtschaftlichen Kräfte nicht zu einer einzigen Kulturgemeinschaft auch im politischen Sinne zusammenfassen zu können, sondern sind in eine ganze Reihe von Staaten gepresst.

Sodann verteidigt der Zensor solche Leute welche den tschechosl. Staat als schwach ansehen, durch die Beschlagnahme folgender Stelle:

Wenn deutsche Gasthausstrategen die oft sehr nützlichen Sprachenkarten Europas betrachten, dann hört man häufig die naive Meinung, dass es ja nur eines Durchstossens des tshechischen Staatsgebietes etwa bei Glatz (von Norden und bei Znaim von Süden her) bedürfe, um dieses merkwürdige Staatsgebilde in zwei wehrlose Teile au zerbrechen. Diese Strategen haben die legten 3 Jahre verschlafen, dann sonst müssten sie doch wissen, dass Deutschland und Deutschösterreich, abgesehen vom Kriegswillen, auch eine Militärmacht zu diesem Stoss haben müsste! Es ist ja umgekehrt! Nicht die Tschechoslowakei ist bedroht oder braucht damit rechnen, vom deutschen Militarismus - den es a nicht mehr gibt,- in eine östliche und westliche wehrlose Etappe geteilt zu werden, sondern wir haben zu befürchten, dass durch Besetzung der Mainlinie (durch Franzosen und Tschechen) das militärisch wehrlos gemachte Deutschland in zwei Teile zerrissen wird.

Wir Deutschen missen es uns abgewöhnen, in Schlagworten der Wirtshauspolitiker zu denken: Wir müssen den Mut haben auch der furchtbarsten Wahrheit ins Auge zu blicken. Wir müssen den. Mut haben, auch dann, wenn die ganze Welt meint, alles getan zu haben, um die freie Entwicklung, unseres Volkes zu erdrosseln, noch an seine Zukunft und Freiheit zu glauben. Das Erste und Wichtigste aber ist, dass wir unsere Aufstiegsmöglichkeiten genau kennen. Sie zeigt uns die Geschichte.

Im weitem schützt der Herr Zensor die sakrasankte tschechische Sozialdemokratie und ihre angeblichen Gesinnungsgenossen durch die Beschlagnahme des Teiles, welcher lautet:

Ein Volk sein, heisst:

eine gemeinsame Not empfinden.

Lagarde.

Wir haben bisher nur wen Deutschland, seiner Geschichte, Lage, Wirtschaft und Not gesprochen. Und das mit gutem Grund, denn auch wir Deutsche in der Tschecheslowakei sind ja nur ein Teil des Gesamtdeutschtums. Und wenn wir es nicht an den Tausenden Bindungen der gemeinsamen Kultur, der Sprache und Sitte empfänden, dass die Sudetendeutschen und die Reichsdeutschen ein Volk sind, - die gemeinsame Not, die wir empfinden, sie würde es uns sagen.

Es ist, trotz allem so: Wir Deutschen in der Tschechoslowakei können uns nur in unserer heute so unwürdigen Lage befinden, weil das ganze grosse deutsche Volk gleich uns In schwerster Not ist und uns - jetzt noch - nicht helfen kann.

So ist unser Schicksal mit dem Deutschlands verbunden: Wird Deutschland wieder mächtig, dann sind - als Teil des Ganzen - auch wir! Was aber ist, das uns so am Boden hält?

Wir haben schon vorhin gesagt, dass unser Volk trotz all seiner Tüchtigkeit, besonders in politischen und geschichtlichen Dingen recht ungebildet und daher nahezu willenlos ist. Was unser Volk an seiner politischen Schulung versäumt hat das ist es, was uns an den Rand des Verderbens brachte. Die Geschichte ist dazu da: um aus ihr zu lernen. - Das grösste und wichtigste Gesetz der Geschichte, konnten wir alle aus unseren eingenen geschichtlichen Erlebnissen lernen - das Schulgeld war, weiss Gott, teuer genug! Dieses Gesetz aber heisst:

Es gibt kein Recht - ohne Macht.

Man hat uns das Selbstbestimmungsrecht versprochen und man hat es uns deshalb genommen, weil wir keine Macht hatten, es durchzusetzen, oder besser gesagt, diese Macht zerfallen liessen. Statt die Trümmer des selbstschützenden Machtinstruments zu neuer Wehrkraft zu formen, zerfielen sie unter dem Einfluss der Internationalen Propaganda.

Wir bauen auf die Friedenskonferenz!

Die Macht des internationalen Proletariats wird die Versklavung der deutschen Arbeiter nicht zulassen!

Die Weltrevolution - auf dem Marsche! Ute bringt uns die Freiheit! Mit solchen und ähnlichen Schlagworten betörte man das erwachte Volksgewissen, das sich zu Ende 1918 in Hunderten Massenversammlungen zum Ausdruck durchrang. Man machte Resolutionen - statt Revolutionen. Aber es wäre das ärgste nicht, dass uns die Tage des Umsturzes ungerüstet und zaudernd fanden, dass wir die Tage der Freiheit einfach verpasst und verschlafen haben. Viel ärger war's dass sich die Massen unseres Volkes in jenen kritischen Tagen den falschen Propheten anvertrauten, die da versprachen dass unsere Freiheit, von Wilson, von der Friedenskonferenz, von der saghaften Internationale kommen würden. Dass wir Barnichts dazu tun brauchen, um sie zu erlangen, als abzuwarten. So warteten wir bis Wilson, die 14 Punkte verriet, bis die Internationale sich als lächerliches, einflussloses Gebilde erwies, bis uns die Fridenskonferenz die Freiheit, - um die wir selbst uns nicht bemühten - nahm.

Statt der Weltrevolution des Proletariats, kam die Besetzung Deutschböhmens durch die tschechischen Proletarier. Oder waren es die Fabrikanten, Kapitalisten und Grossgrundbesitzer der Tschechen, die im Spätherbst 1918 Deutschböhmen und das Sudetenland besetzten? Bei Gott nein! Tschechische Proletarier mit Gewehren und Maschinengewehren bewaffnet waren es, die Bahnhöfe, Brücken und Städte besetzten, und Deutschböhmens Arbeiter in die imperialistischen Fänge der tschechischen Kapitalisten brachten!

Es ist unglaublich, dass diese Tatsache unserem Volke, noch immer nicht zum Bewusstsein kam: Wären wir alle uns dieser Dinge bewusst, erinnerten sich die deutschen Sozialdemokraten der Tatsache, dass die tschechischen Sozialdemokraten nicht nur als Soldaten und Legionäre unser Land besetzten, sondern sogar in allen Regierungen sassen, die die Besetzung des deutschen Landes anordneten, dass die tschechischen Sozialdemokraten an den Staatsgrundgesetzen die ans Deutsche zu Staatsbürgern 3. Klasse machten, mitarbeitete, dass unter der Regierung des tschechischen Sozialdemokraten Tusar als Ministerpräsident und des tschechischen Sozialdemokraten Habrman als Unterrichtsminister, der Feldzug gegen die deutschen Arbeiter-Volksschulen begonnen und durchgeführt wurde, dass es die tschechischen Sozialdemokraten heute noch sind, die eine vernünftige Führung der Staatsgeschäfte unmöglich machen, weil sie sich mit den Deutschen, ja selbst deutschen Sozialdemokraten in rein gar keinen Punkte verständigen wollen - wären sie, sagen wir, sich aller dieser Fusstritte bewusst, sie könnten nicht weiterhin ihre Politik des unwürdigen Nachlaufens üben, statt sich endlich zur Erkämpfung wenigstens der Selbstverwaltung an die Seite aller anderen deutschen Parteien zu stellen.

Aber gerade innerhalb der Sozialdemokratie sehen wir das grösste Nebel unseres Volkes verkörpert! Dieses Uebel dass man etwa so bezeichnen kann:

Sie verlassen sich auf fremde Hilfe!

Was sagt doch ein altes Wahrwort! Wer sich auf andere verlässt - der ist verlassen. So bleiben wir auch verlassen. Es hilft nichts, aus einen sagenhaften Proletarierkongress zu hoffen, der ja doch nicht kommt, - weil die Tschechen nicht wollen.

Es hilft nichts, sich auf den Gang der Geschichte zu verlassen, wenn wir nicht selbst bereit sind, diese Geschichte zu machen.

Es gibt nur eine Hilfe für unser Volk, nicht nur in der Tschechoslowakei, sondern in ganz Deutschland Das ist der Glaube an uns selbst! In unserer eigenen Macht:

In dem festen Glauben an die Gewalt der Gedanken, und an den Wiederaufstieg liegt die Gewähr für die Zukunft und die Freiheit!

Dieser Glaube muss uns dazu führen, dass wir über alle Parteien hinweg, das grosse Ziel wieder finden das da heisst: Selbstbestimmung recht auch dem deutschen Volke! Trotz aller Schwierigkeiten werden und müssen wir diesen leg finden. Warum, das hat kein anderer als der verstorbene Führer der Sozialdemokraten, Abgeordneter Josef Seliger in seiner Schrift: Warum kämpfen wir für das Selbstbestimmungsrecht unseres Volkes? folgendermassen gesagt:

In diesem Staate (der Tschechoslowakei, Anm. d. V) ist gleicherweise der Weg zur Demokratie und der Weg zur Sozialiserung versperrt. Das Proletariat würde nach den Wünschen der imperialistischen tschechischen Bourgeoisie zu dauerndem Elend verdammt:.. Für die Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschböhmens ist der Kampf um das Selbstbestimmungsrecht unseres Volkes in diesem Sinne der Kampf um den Weg zur Demokratie und zum Sozialismus! Es geht also um alles. Es geht um das, was uns allen das Höchste ist, um unsere wirtschaftliche, politische und geistige Befreiung: In tausenden Kämpfen haben wir unsere Kraft gestählt, unseren Opfermut gefestigt.. Wir werden jetzt nicht in Verzweiflung heulen, wenn Opfer fallen, und nicht jammern um den Einsatz, den wir in dieses gewaltige Spiel bringen, bei den wir alles gewinnen und nichts verlieren können als unsere Ketten.

So sprach Seliger noch am Jahre 1919. Der Mann ist zu früh gestorben. Heute schiebt die Sozialdemokratie, politische Kulissen, statt auf der Bühne der Geschichte die Hauptrolle im Befreiungskampf zu spielen.

Muss man es noch sagen warum der nationale Kampf geht? Es ist doch klar: Der nationale Kampf ist kein Kampf um schwarz-rot-goldene Bänder, um Strassentafeln oder Bahnaufschriften. Das alles sind bestenfalls Symbole der Freiheit oder Unfreiheit. Der Kampf der Nationen geht um viel Wertvolleres! Sonst wäre ja auch seine Hartnäckigkeit und Dauer unfassbar! Darum dreht es sich im nationalen Kampf:

Ob auf unseren Bähnen - deutsche oder tschechische Eisenbahner fahren,

Ob wir von deutschen Richtern und Beamten, gerichtet und verwaltet werden - oder von tschechischen,

Ob in unseren Fabriken Deutsche - oder tschechische Arbeiter Arbeit und Brot finden,

Ob der deutsche Kaufmann und deutsche Konsumverein - oder der tschechische Kaufmann und der tschechische Konsumverein in unseren Städten und Orten besteht,

Ob bei der Bodenreform, den aufguteilenden Grund und Baden der Deutsche, einheimische. Arbeiter oder Kleinwirt - öder der ortsfremde tschechische Legiorär bekommt.

Kurz: ob wir hier im deutschen Sprachgebiet auch fernhin für uns und unsere Kinder Brot und Arbeit finden - oder ob wir Platz machen müssen: den Anderen!

 

 

Ouffnen wir doch endlich die Augen! Die Staatsgewalt ist in den Händen der Tschechen, in Vielem können sie heute uns Abbruch tun, noch nicht in Allem! Aber sie erstarken zusehends auch wirtschaftlich. An allen Ecken und Enden in jeder deutschen Stadt erstehen tschechische Banken. Mit Feiereifer stürzen sie sich auf den Ankauf von Häusern und von Bodenbesitz, trachten sie Einfluss auf die noch deutsche Industrie zu gewinnen. Eine Aktiengesellschaft nach der Anderen gleitet sacht und sicher in ihre Bände. Ist sie einmal in dar Mehrheit tschechisch finanziert, dann wird sie auch Im inneren, im Personal tschechisiert! Tschechische Direktoren, tschechische Betriebsleiter, tschechische Werkführer, tschechische Arbeiter.

Der Kampf um den Arbeitsplatz -- das ist der Sinn des nationalen Kampfes!

Wie lange können die Sudetendeutschen, diesem heute mit wahrhaft ungleichen Kräften geführten Kampf aushalten? Wenn es so weiter geht wie bisher, wohl kaum mehr als 15 Jahre. Dann ist das geschlossene deutsche Sprachgebiet -- gewesen.

In 15 Jahren wird es keine Lüge mehr sein, wenn die Tschechen vom gemischten Sprachgebiet sprechen. werden und wenn der Gegenstand unseres Kampfes, das deutsche Sudetenland und Deutschböhmen, nicht mehr deutsch sein werden.

Zum Zeichen, dass selbst politisches denken in diesem Staate als unerlaubt verfolgt wird, beschlagnahmte endlich der Zensor auch den nachstehenden Schlussabsatz:

Wie können wir diesen Kampf erfolgreich bestehen?

Das ist die nächste und wichtigste Frage. So wie ihn bisher die Mehrzahl unserer Parteien geführt hatten, muss er mit unserer Niederlage enden.

Zunächst gilt es zu erkennen, dass wir ohne Macht rechtlos sind. Wollen wir unser Recht, unser Selbstverwaltungs- oder gar unser Selbstbestimmungsrecht, dann müssen wir unsere Kräfte zu einer Macht zusammenfassen.

Was ist Macht? Zunächst Waffen, Soldaten, Armeen. Es gibt aber auch noch andere Machtmittel! Man kann nicht immer Krieg führen, man wendet nicht alle Tage die äussersten Machtmittel, die Waffen, an. In friedlichen Zeiten führen friedlichere Götter- als Mars das Wort. Machtmittel in der Politik sind Gedanken. Der Altmeister unserer nationalen Philosophie J. G. Fichte sagt:

Es siegt immer und notwendig die Begeisterung über den, der nicht begeistert ist. Nicht die Gewalt der Arme, noch die Tüchtigkeit der Waffen, sondern die Kraft des Gemütes ist es, welche Siege erkämpft.

Der grösste deutsche Geschichtsschreiber Heinrich von Treitschke aber schrieb:

Glückselig das Geschlecht, welchem eise strenge Notwendigkeit einen erhabenen politischen Gedanken auferlegt, der gross und einfach, Alien verständlich, jede andere Idee der Zeit in seine Dienste zwingt.

Dieser Macht des Gemütes, der Begeisterung, der Gedanken ist es, die uns heute noch fehlt. Und weil sie fehlt, sind wir ohnmächtig und rechtlos geworden.

Wir können sie wieder gewinnen! Klar und deutlich müssen wir uns zum Machtgedanken bekennen in der Erkenntnis, dass es ohne Macht kein Recht gibt haben wir diese geistige Einstellung erzwungen, dann ist die politische Macht der Deutschen in der Tschechoslowakei bald In der Bildung eines einheitlichen Willens aller Deutschen Parteien geschaffen. Auf uns selbst gestellt, aus eigener Kraft werden wir erfolgreich im Kampfe sein. Gewiss, es ist auch möglich, dass wir trotz der vollsten Geschlossenheit Im Ziele und im Wege, längere oder kürzere Zeit ohne Erfolge bleiben. Geduld ist in der Politik ein gar kostbar Gut. Und dann: selbst wenn die Tschechen dauernd unbelehrbar blieben, brauchten wir dann nicht erst recht die vollste Einheit des Volkes, die vollste Einigkeit aller Parteien, um im letzten Kampf um die Macht, unser Selbstbestimmungsrecht zu erkämpfen?

Es ist ohneweiters klar, dass diese Einheit des Wolens der Deutschen nicht von heute auf mengen kommen wird. Viele schwere Stunden werden uns noch belehren müssen, dass der bisherige Weg falsch war. Aber der Tag wird kommun, an dem alle Deutschen- und nicht nur In der Tschechoslowakei - einsehen werden, dass- die neue Zeit, einen neuen Geist und neuen Parteiwillen braucht.

Der Tag wird kommen, wo wir erkennen werden, dass selbst die tiefsten Klüfte, die Parteien aufreissen können. doch nicht so tief und breit sind, dass wir für ein Ziel nicht doch uns die Bände reichen könnten:

Für die Erkämpfung unserer Freiheit!

Wir stellen daher an den Herrn Justizminister folgende Fragen:

1. Hält der Herr Minister die Beschlagnahme dieser Schrift für gerechtfertigt?

2. Ist er bereit, die Beschlagnahme mit Hilfe der ihm zustehenden Mittel rückgängig zu machen?

3. Ist er gewillt, die Zensurpraxis der unterstehenden Behörden in einem modernen Sinne wirklich zu entösterreichern?

Prag, am 24. Oktober 1922.

Patzel,

Dr. Jabloniczky, Palkovich, Füssy, Dr. Lelley, Dr. W. Feierfeil, Mark, Dr. Lodgman, Dr. Radda, Dr. Baeran, Kraus, Matzner, Scharnagl, Schälzky, Böhr, Wenzel, Simm, Ing. Jung, Szentiványi, Dr. Lehnert, Knirsch.

 

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