POSLANECKÁ SNÌMOVNA N. S. R. È. 1922.

I. volební období.

5. zasedání.


Pùvodní znìní.

3489.

Antrag

des Abgeordneten Dr. Rudolf Lodgman und Genossen

auf authentische Interpretation des § 2 des Gesetzes vom 29. Feber 1920, Z. 122 Slg. d. G. u. V. (Sprachengesetz).

Die Gefertigten stellen folgenden Antrag: Das Abgeordnetenhaus wolle beschliessen:

Gesetz

vom..........1922

auf authentische Interpretation des § 2 des Gesetzes vom 29. Feber 1920, Z. 122 Slg. d. G. u. V. (Sprachengesetz).

Die Nationalversammlung der Èechoslovakischen Republik hat folgendes Verfassungsgesetz beschlossen:

Artikel I.

Der erste und zweite Absatz des § 2 des Gesetzes vom 29. Feber 1920, Z. 122 Slg., womit die Grundsätze des Sprachenrechtes in der Èechoslovakischen Republik gemäss 129 der Verfassungsurkunde festgesetzt werden, hat zu lauten:

Ueber die nationalen und sprachlichen Minderheiten (Kapitel 1 des Vertrages von St. Germain) gelten die folgenden Bestimmungen Gerichte, Behörden und Organe der Republik, deren Wirksamkeit sich auf einen Gerichtsbezirk bezieht, in dem nach der letzten Volkszählung wenigstens 20 Staatsbürger ein und derselben; jedoch einer anderen als der èechoslovakischen Zunge wohnen, sind in allen Angelegenheiten, deren Erledigung ihnen auf Grund dessen obliegt, dass ihre Wirksamkeit sich auf diesen Bezirk bezieht, verpflichtet, von den Angehörigen der Sprache dieser Minderheit, gleichgiltig, ob sie èechoslovakische Saatsbürger sind oder nicht, Eingaben in dieser Sprache anzunehmen und Erledigungen dieser Eingaben nicht nur in der èechoslovakischen, sondern auch in der Sprache der Eingabe hinauszugeben. Sofern im Gebiete einer Gemeinde mehrere Bezirksgerichte errichtet sind, wird die ganze Gemeinde als ein einziger Gerichtsbezirk angesehen.

Artikel II.

Dieses Verfassungsgesetz tritt mit dem Tage der Kundmachung in Wirksamkeit, mit seiner Durchführung ist die Gesamtregierung beauftragt.

Dieser Antrag wolle dem Verfassungsrechtlichen Aasschosse zugewiesen werden. Bezüglich der Bezeichnung des beantragten Gesetzes als Verfassungsgesetz wird auf Artikel I. Absatz 2 und § 129 der Verfassungsurkunde hingewiesen.

Begründung.

Nach Erlassung des Sprachengesetzes vom 29. Feber 1920 Sammlung 122 entstanden über seine Auslegung mehrfache Meinungsverschiedenheiten. Eine solche, die für die Bevölkerung unserer Grenzgebiete besondere Bedeutung hat, war die Frage, ob die Ausländer das gleiche Sprachenrecht hätten, wie die Inländer, ob also z. B. deutsche Ausländer in jenen Bezirken, in denen wenigstens 20 deutsche Staatsbürger wohnen, das Recht hauten, deutsche Eingaben bei den Behörden zu überreichen und deutsche Erledigungen darauf zu verlangen.

Diese Rechtsfrage wurde von der Wiener Firma Zeckendorf und Eckstein in allen Instanzen durchgefochten und schliesslich durch das Oberste Verwaltungsgericht entschieden.

Während die Instanzen vom Bezirksgericht Leitmeritz bis zum Justizministerium (dieses letztere mit Erlass vom 2. November 1920, Z. 34268/20) die oben gestellte Frage verneint hatten, wurde sie vom Obersten Verwaltungsgerichte mit Entscheidung vom 5. Oktober 1921, Z. 12285/2 bejaht.

Diese Entscheidung ist mit einer ausserordentlichen Sorgfalt begründet und weist klar nach, dass es die ausgesprochene Absicht des Gesetzgebers war, das Sprachenrecht nicht auf die Staatsbürger einzuschränken, sondern es ohne Rücksicht auf die Staatszugehörigkeit einem jeden zuzuerkennen, der sich zu jener Sprache als der seinigen bekennt, zu deren Gunsten die Vorschrift des § 2 Absatz 2 des Sprachengesetzes gegeben wurde.

Trotzdem wird das Erkenntnis des Obersten Verwaltungsgerichtshofes in der Praxis nicht anerkannt und es ist daher notwendig, durch authentische Interpretation des Gesetztexes dem Willen des Gesetzgebers zum Durchbruche zu verhelfen. Aus diesen Gründen stellen die Gefertigten den obigen Antrag, indem sie zu seiner weiteren Begründung auf das folgende Erkenntnis des Obersten Verwaltungsgerichtshofes Z. 12.285/21 verweisen.

Im Namen der Èechoslovakischen Republik!

Das Oberste Verwaltungsgericht hat unter dem Vorsitze des ersten Präsidenten Dr. Pantuèek, in Anwesenheit der Räte des Obersten Verwaltungsgerichtes Øíha, Dr. Bohuslav, Dr. Tuèek, Dr. Zikan, sowie des Schriftführers Vizesekretärs Dr. Hufnagl, über die Beschwerde der Firma Zeckendorf & Eckstein in Wien gegen die Entscheidung des Justizministeriums in Prag vom 2. November 1920, Z. 34268/20, betreffend das Sprachenrecht der Ausländer, nach der am 5. Oktober 1921 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung u. zw. nach Anhörung des Vortrages des Referenten, sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerdeführerin Dr. Fritz Eiselt, Advokaten in Prag und des Vertreters der belangten Behörde Sektionsrates Dr. Jaroslav Voska, zu Recht erkannt:

Die angefochtene Entscheidung wird ale gesetzwidrig aufgehoben.

Gründe:

In der Exekutionsangelegenheit der beschwerdeführenden protokollierten Firma Zeckendorf & Eckstein in Wien gegen Franz und Franziska Hübner pcto 73.25 Kè samt Nebengebühren hat die Beschwerdeführerin bei dem Bezirksgerichte in Leitmeritz am 27. Mai 1920 sub. Gesch. Z. E 414/15-3 in deutscher Sprache einen Antrag auf zwangsweise Pfandrechtsbegründung eingebracht. Dieser Antrag wurde mit dem Beschlusse desselben Gerichtes vom 30. Mai 1920 Gesch. Z. E 414/15-3 wegen Verletzung des Sprachenrechtes zurückgewiesen, weil die Auslandspersonen nach § 1 des Verfassungsgesetzes vom 29. Feber 1920 Z. 122 Sammlung der Gesetze und Verordungen und 2 dieses Gesetzes a contrario ausnahmslos verpflichtet sind, sich des Staats (offiziellen) Sprache zu bedienen.

Dem Rekurse der Firma Zeckendorf Eckstein in Wien gegen diese Entscheidung hat das Präsidium des Kreisgerichtes in Leitmeritz laut Erlass vom 14. Juni 1920 praes. K. 2889-17/20 a keine Folge gegeben, da es nicht gefunden hat, dass das Bezirksgericht in Leitmeritz bei der Handhabung des Sprachengesetzes unrichtig vorgegangen wäre. In den Gründen wurde insbesonders bemerkt, dass die Beschwerdeführerein nicht berechtigt war, auf Grund des § 2 des Sprachengesetzes als Angehörige der deutschen Nationalität Eingaben in ihrer Sprache zu überreichen, weil sie eine in Wien domizilierte Handelsfirma, daher eine Ausländerin ist, welche die im § 2 des Sprachengesetzes statutierte Sprachen begünstigungen für sich nicht beanspruchen kann. (§§ 4, 28 und 33 a. b. G. B.).

Eine weitere Beschwerde wurde vom Präsidium des Oberlandesgerichtes irr Prag mit dem Erlasse vom 3. August 1920 praes. Z. 33105-17/20 unter Hinweis auf die Gründe des angefochtenen Erlasses abgewiesen.

Ueber die Beschwerde der Firma Zeckendorf & Eckstein hat schliesslich das Justitzministerium laut Erlasses vom 2. November 1920 Z. 34268 ausgesprochen, dass es in die Angelegenheit nichts zu veranlassen vermag, weil durch den Vertrag von St. Germain die Regierung der Èechoslovakischen Republik sich nur verpflichtet hat, einen entsprechenden Schutz den Staatsbürgern anderer Nationalitäten für den Fall zu gewähren, wenn eine Sprache für die Staatssprache erklärt worden wäre. Das Gesetz vom 29. Feber 1920 Z. 122 Sammlung der Gesetze und Verodnungen erklärt im § 1 die èechoslovakische Sprache für die Sprache der Republik (Artikel 7 des in St. Germain en Laye am 10. September 1919 gefertigten Vertrages), in welcher Sprache mit Vorbehalt dessen, was in den §§ 2 und 5 festgesezt ist, alle Gerichte, Behörden, Anstalten etc. der Republik das Amt zu handeln verpflichtet sind. Für die nationale und Sprachenminorität (I. Abschnitt des St. Germain Vertrages) hat der § 2 Ausnahmen getroffen. Wenn auch der Wortlaut des zweiten Absatzes dieses Paragrafen ein wenig abgeändert worden war, so folge doch aus den weiteren Bestimmungen und aus den Verhandlungen des Verfassungsausschusses, dass dieser Paragraf nur die Staatsbürger der Èechoslovakischen Republik vor Augen hatte, denen er durch den Vertrag gewährleisten Schutz gewähren wollte, dass er aber nicht beabsichtigte für die Ausländer gewisse besondere Vorteile zu statuieren, zu denen sich der èechoslovakische Staat nicht verpflichtet hat. Auch hier sei nach der Reciprocität vorzugehen (§ 33 des allg. b. G. B.) und keiner der Staate habe sich verpflichtet, den Angehörigen der Èechoslovakischen Republik überhaupt, oder jenen die dort ansässig sind, ein hier für die Ausländer angesprochenes Recht vor den Gerichten und Behörden in eigener Sprache zu handeln, zu gewähren. Es gelte daher für die Ausländer die allgemeine Bestimmung des § 1 des Sprachengesetzes und die Gerichte seien verpflichtet und berechtigt, ihre Einaben nur in der Staatssprache anzunehmen. Hat die Einschreiterin ihren Wohnsitz ausserhalb des Gebietes der Republik, so sei anzunehmen dass entweder sie oder ihr Inhaber ein fremder Staatsangehöriger ist und es würde nur ihr selbst obliegen das Gegenteil nachzuweisen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Firma Zeckendorf und Eckstein erhobene Beschwerde, über welche das Oberste Verwaltungsgericht nachstehendes erhoben hat:

I. Die Rechtsquelle, aus welcher die Lösung des vorliegenden Strittes zu schöpfen ist, erscheint in der Vorschrift des § 2 al. 1 Spr. Ges. gegeben, welche den nachstehenden Wortlaut hat:

Bezüglich der nationalen und sprachlichen Minderheit (I. Hauptstück des Vertrages von St. Germain) gelten folgende Bestimmungen:

Die Gerichte, Behörden und Organe der Republik deren Wirksamkeit sich auf einen Gerichtsbezirk erstreckt, in dem nach der letzten Volkszählung wenigstens 20 Prozent Staatsbürger derselben, jedoch einer anderen als der èechoslovakischen Sprache wohnen, sind verpflichtet, in allen Angelegenheiten, deren Erledigung ihnen auf Grund dessen, dass ihr Wirkungskreis sich auf diesen Bezirk erstreckt, zusteht, von den Angehörigen der Sprache dieser Minderheit Eingaben in dieser Sprache anzunehmen und die Erledigung dieser Eingaben nicht bloss in èechoslovakischer Sprache, sondern auch in der Sprache der Eingaben herauszugeben.

Im Hinblicke darauf, dass die Frage, auf welche die Antwort zu suchen und zu finden ist, sich nur darin erschöpft, ob die in dieser Vorschrift gegebene Begünstigung bloss den Angehörigen der Èechoslovakischen Republik gewährt ist oder auch den Ausländern zukommt, wird es notwendig sein, aus der oben zitierten Vorschrift namentlich jene Worte ins Auge zu fassen, welche das Subjekt des darin festgelegten Sprachenprivilegiums bestimmen, und den eigentlichen Sinn und Inhalt dieser Worte ins Klare zu bringen.

Es sind dies die Worte: Angehörige der Sprache dieser Minderheit - mit denen die Träger des im § 2 al. 2 statuierten Rechtes, Eingaben in ihrer Sprache zu überreichen und Erledigungen derselben auch in ihrer Sprache zu erhalten, bezeichnet werden.

Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass dieser Passus, wird er nur nach den Regeln der grammatischen Interpretation das ist nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte und dem Zusammenhange mit dem übrigen Texte des bezogenen § 2 gedeutet, die Folgerung, welche in der angefochtenen Entscheidung enthalten ist, keineswegs ausschliesst.

Denn einerseits müsste aus dem blossen Umstande, dass die Subjekte des strittigen Sprachenrechtes nicht als Staatsangehörige, sondern nur als Angehörige der Sprache der betreffenden Minorität bezeichnet werden, nicht mit Notwendigkeit deduziert werden, dass die Angehörigen dieser Sprache nicht gleichzeitig auch Staatsangehörige sein müssen.

Und wenn dann andererseits das Gewicht darauf gelegt werden sollte, dass das Gesetz von den Angehörigen der Sprache dieser Minorität spricht, d. i. derjenigen Minorität, welche es in den vorangehenden Worten erwähnt und mit 20 Prozent der im Bezirke wohnenden anderssprachigen Staatsbürger berechnet, sowie darauf, dass der Eingangssatz des, 2, welcher gewissermassen programmatisch den Inhalt des 2 umschreiben zu wollen scheint, die im § 2 getroffenen Bestimmungen als nur auf die nationalen und sprachlichen Minoritäten in Sinne des ersten Abschnittes des St. Germainer Vertrages anwendbar erklärt, so könnte man gewiss zu dem Schlusse gelangen, dass die im § 2 al. 2 gewährte Begünstigung nur für die Angehörigen des eigenen Staates gedacht und festgesetzt ist.

Wenn man das Gesetz von diesem Gesichtspunkte aus lesen wollte und dürfte, so würde auch die Antwort auf die Frage, warum das Gesetz nicht selbst, wie es doch naheliegend war, die Staatsbürger als die Träger dieses Rechtes bezeichnet hat, nicht schwierig sein.

Die Wahl der allerdings wenig üblichen Fassung Angehörige der Sprache dieser Minderheit könnte nämlich darin ihre Erklärung finden, dass diese Wendung bloss die Deutung ausschliessen wollte, als ob die für den Bezirk gegebene Begünstigung des § 2 al. 2 nur auf die die Minorität eben dieses Bezirkes bildenden Staatsbürger eingeschränkt bleiben solle, sodass z. B. bei dem Bezirksgerichte Warnsdorf nur ein in dem Bezirke Warnsdorf, nicht aber ein in einem anderen Bezirke des Staates wohnende Staatsangehöriger deutscher Zunge sich der deutschen Sprache bedienen dürfte.

Allein alle diese Gründe, die für den Standpunkt der angefochtenen Entscheidung, welche die Worte Angehörige der Sprache dieser Minorität mit der Einschrängung auf Staatsangehörige auffasst, auf Grund der grammatischen Interpretation mit Recht angeführt werden können, erweisen sich als hinfällig, wenn die Materialien zu diesem Gesetze mit in Betracht gezogen werden.

Aus denselben ist mit aller Sicherheit zu entnehmen, dass der Wille der gesetzgebenden Faktoren dahin ging, die im § 2 al. 2 des Sprachengesetzes normierte Begünstigung nicht auf die Staatsbürger einzuschränken, sondern dieselbe ohne Rücksicht auf die Staatszugehörigkeit einem Jeden anzuerkennen, welcher sich zu jener Sprache als der seinigen bekennt, zu deren Gunsten die Vorschrift des 2 al. 2 gegeben erscheint, und dass dieser Wille eben durch die Wahl der Worte: Angehörige der Sprache dieser Minderheit zum vollen und klaren Ausdruck gebracht werden wolle.

Diese Intention tritt über alle Zweifel klar hervor, wenn man den einzelnen Phasen, welche der Entwurf des Sprachengesetzes in der hier massgebenden Stelle durchgemacht hatte, nachgeht und auf diese Weise feststellt, welcher Gedanke es war, der schliesslich durchgedrungen und zum Gesetz geworden ist.

Der erste Regierungsentwurf stand unbestreitbar auf der Idee, dass die den Sprachenminoritäten zu gewährenden Vorteile nur auf die Staatsbürger beschränkt bleiben müssen.

Dieser Gedanke wurde überaus klar im § 3 al. 2 dieses Entwurfes ausgedrückt, welcher es für notwendig fand, zu der im ersten Absatze desselben Paragrafen gegebenen, die Sprachenrechte der Minderheiten normierenden Bestimmung den Nachsatz beizufügen: Diese Berechtigungen stehen nur den Staatsangehörigen zu.

Der Verfassungsausschuss der Nationalversammlung, der sich in seiner Sitzung vom 16. Jänner 1920 mit dem Sprachengesetzentwurfe befasste, hat zwar diesen Nachsatz gestrichen, hiedurch aber an dem ursprünglichen Gedanken nichts geändert, sondern denselben durch die neue Formulierung des ersten Absatzes in ebenso klarer Weise, ja noch deutlicher zum Ausdruck gebracht.

Es wurden nämlich in dem ersten Absatz die Worte: Angehörige anderer als der èechoslovakischen Nationalität mit denen die Träger der beabsichtigten Sprachenbegünstigung bezeichnet werden sollten durch die Worte èechoslovakische Staatsbürger anderer als der èechoslovakischen Nationalität ersetzt.

In gleicher Weise hielten auch alle Anträge, die sei es als Regierungsentwurf, sei es als Elaborat des Subkomitees oder als Initiativanträge der einzelnen Mitglieder dem Verfassungsausschusse noch in dessen Sitzung vom 24. Feber 1920, in welcher die definitive Fertigstellung des Sprachengesetzentwurfes erfolgen sollte, vorlagen, an dem Gedanken fest, dass der den Minoritäten zu gewährende Sprachenschutz nur den Staatsbürgern zugute kommen solle. So enthielt insbesondere der in dieser Sitzung vorgelegte Regierungsentwurf, der sonst bereits den gleichen Wortlaut, wie das Sprachengesetz im § 2 al. 2 aufwies, anstatt der Worte von den Angehörigen der Sprache dieser Minderheit noch immer die Worte: von den Staatsangehörigen.

Erst im Laufe der Debatte wurde, und zwar auch seitens der Regierung der Antrag gestellt, die obige Einschränkung fallen zu lassen und die gleiche Begünstigung auch den der Nationalität der betreffenden Minorität angehörenden Ausländern zuzuerkennen. Dieser Antrag wurde insbesonders mit dem Hinweise auf die Notwendigkeit, den Grenzverkehr zu erleichtern, motiviert.

Nach einer Diskussion wurde diese Anregung von dem Ausschusse aufgenommen und es wurde. beschlossen, des im § 2 al. 2 den Sprachenminoritäten zugesicherten Schutzes auch die Ausländer teilhaftig werden zu lassen.

Um diesen geänderten Gesichtspunkt auch in der Gesetzestextierung zum Ausdrucke zu bringen, wurden die Worte von den Staatsangehörigen durch die Worte: von den Angehörigen der Sprache dieser Minderheit ersetzt.

In der Plenarsitzung der Nationalversammlung vom 28. resp 29. Feber 1920 wurde noch einmal der Versuch gemacht, den ursprünglichen Gedanken zur Geltung zu bringen und die vom Verfassungsausschusse beschlossene und dem Plenum vorgeschlagene Erweiterung des Kreises der Personen, denen der Sprachenminoritätschutz zukommen solle, rückgängig zu machen.

Diesem Zwecke diente der Antrag, es seien an Stelle der Worte von den Angehörigen der Sprache, dieser Minderheit die Worte von jenen Bürgern der anderen Sprache zu setzen und durch diese Fassung, insbesondere durch das hinweisende Fürwort jene als Träger dieses Rechtes die im Vorangehenden bezeichneten, die Minderheit bildenden Staatsbürger zu erklären.

Allein dieser Abänderunsantrag wurde abgelehnt und der vom Verfassungsausschusse beschlossene Wortlaut unverändert angenommen. (Vergl. stenogr. Protokoll über die 126. Sitzung S. 3865).

Aus alledem geht hervor, dass sowohl der Verfassungsausschuss, als auch das Plenum der Nationalversammlung. die Sprachenbegünstigungen des § 2 al. 2 auch den Ausländern zu gewähren beabsichtigten und diese Absicht durch die obige Aenderung des Textes, aus welchem das Attribut Staats -, weggelassen wurde verwirklichen wollten.

Diese so klar kundgegebene Absicht, darf nicht bei der Auslegung des Gesetzes unbeachtet bleiben.

Es könnte hievon nur dann abgesehen worden, wenn diese Absicht im Gesetze selbst nicht zum Ausdrucke gekommen wäre d. i. wenn der Wortlaut des Gesetzes selbst im direkten Widerspruche zu dieser aus den Motiven sich ergebenden Intention stünde.

Ein solcher Widerspruch kann aber im vorliegenden Falle nicht gefunden werden.

Es wurde zwar oben gezeigt, dass der Wortlaut des § 2 al. 2 insbesondere die hier massgebenden Worte, die engere Interpretation wie sie in der angefochtenen Entscheidung gegeben ist, nicht unbedingt ausschliesst.

Allein es kann auch nicht behauptet werden, dass nach dem Wortlaute des Gesetzes nur diese engere Interpretation möglich wäre, die Subsummierung der Ausländer unter die Worte Angehörige der Sprache dieser Minderheit hingegen gänzlich untunlich erschiene.

Im Gegenteile kann auch vom Gesichtspunkte der grammatischen Interpretation zu gunsten des letzteren Standpunktes geltend gemacht werden, dass

1. das Sprachengesetz als solches sich nicht bloss als kein Gesetz zum Schutze sprachlicher Minderheit präsentiert, sondern Grudsätze über den Gebrauch der Sprache bei den Gerichten, Behörden, Organen, Anstalten und Unternehmungen der Republik im Allgemeinen aufstellt und sonach auch für die Ausländer, für welche es keine Sonderbestimmung trifft, volle Giftigkeit hat, dass

2. sowohl die Verfassungsurkunde, als auch das Sprachengesetz selbst überall; wo sie eine nur für die Staatsbürger geltende Bestimmung treffen, dies immer deutlich aussprachen, indem sie sich des Termines Staatsbürger oder Staatsbürger der Èechoslovakischen Republik bedienen. (Vergl. Z. B. §§ 1, 9, 10, 14, 15, 46, 56, 106, 108, 122, 127, 128, 130-132 Verf. Urk. u. § 2 des Sprachengesetzes).

Wenn dann selbst die hier entscheidende Norm des § 2 al. 2, die ebenfalls sich derselben Terminologie bedient, indem sie von den Staatsbürgern derselben, aber anderer als der èechoslovakischen Sprachen spricht, im Folgenden einen von dieser Fassung abweichende Termin wählt und von den Angehörigen der Sprache dieser Minderheit redet, dann bleibt nichts anderes übrig, als diesem anderen weiteren Ausdruck auch einen anderen weiteren Sinn beizulegen.

3. Dieser Interpretation steht auch der Eingangssatz des § 2 mit seinem Hinweise auf den ersten Abschnitt des St. Germainer Vertrages nicht unbedingt entgegen, weil dieser Satz unmöglich dahin gedeutet werden kann, als ob er den Inhalt der in den nachfolgenden Absätzen beabsichtigten und getroffenen Disposition bestimme oder begrenze. Die Unmöglichkeit dieser Deutung folgt schon daraus, dass des St. Germainer Vertrag an der hier massgebenden Stelle (Art. 7 al. 4) der Èechoslovakischen Republik bloss die Verpflichtung auferlegt, den èechoslovakischen Staatsbürgern anderer als der èechischen Sprache die entsprechende Möglichkeit zu gewähren vor den Gerichten mündlich oder schriftlich sich ihrer Sprache zu bedienen.

Ebenso wie der § 2 al. 2 weit über diese Grenze hinausgegangen ist, wenn er die Sprachenbegünstigung der Minderheiten auch in ihrem Verkehre mit anderen öffentlichen Organen als bloss mit den Gerichten statuiert, ohne dass dieser Disposition der Eingangssatz hinderlich wäre, so kann dieser Satz auch nicht der Ueberschreitung dieser Grenze in subjektiver Beziehung entgegenstehen.

Das, was zum Schutze der Sprachenrechte der Minoritäten der Staat gewähren wollte und tatsächlich gewährt hat, ist daher ausschliesslich aus dem Inhalte der dispositiven Bestimmungen des Sprachengesetzes und ohne Rücksicht auf den St. Germainer Vertrag festzustellen.

Der Hinweis auf diesen Vertrag im Eingange des § 2 des Sprachengesetzes hat dann nur anzudeuten, dass die Èechosloslovakische Republik in dieser Gesetzesstelle die im Art. 1 und 7 al. 4 des Vertrages übernommene Verpflichtung erfüllt, indem sie in Form eines Verfassungsgesetzes den Sprachengebrauch regelt und dabei auch den Minoritäten den entsprechenden Schutz gewährleistet.

Ist es aber möglich den Text des § 2 al. 2 in dem eben geschilderten weiteren Sinne aufzufassen, dann darf im Hinblicke auf den oben dargelegten Willen des Gesetzgebers nur diese weitere Deutung des Gesetzes als einzig und allein richtig angesehen und es muss dem zufolge die gegenseitige Auffassung des angefochtenen Entscheidung als ungesetzlich bezeichnet werden.

II. Der bekämpfte Erlass begnügt sich aber nicht damit, den vorliegenden Fall nur aus dem Sprachengesetze heraus zu lösen, sondern beruft sich auf den § 33 des a. b. G. B. der folgendes bestimmt:

Den Fremden kommen überhaupt gleiche bürgerliche Rechte und Verbindlichkeiten mit den Eingeborenen zu, wenn nicht zu dem Genusse dieser Rechte ausdrücklich die Eigenschaft eines Staatsbürgers erfordert wird. Auch müssen die Fremden, um gleiches Recht mit den Eingeborenen zu geniessen, in zweifelhaften Fällen beweisen, dass der Staat; dem sie angehören, die hierländigen Staatsbürger in Rücksicht des Rechtes, wovon die Frage ist, ebenfalls wie die seinigen behandle.

Nachdem - wie bereits gezeigt - der Genuss des im § 2 al. 2 des Sprachengesetzes festgelegten Rechtes die Eigenschaft eines Staatsbürgers nicht nur ausdrücklich nicht erfordert, sondern im Gegenteile dieses Recht nach der Absicht des Gesetzgebers auch den Fremden gewährt wird, kann der erste Satz der zit. Vorschrift schon aus diesem Grunde für den Standpunkt der angefochtenen Entscheidung nicht herangezogen werden, sondern spricht im Gegenteile gegen denselben.

Es bleibt nur zu erwägen, ob diese Entscheidung nicht etwa auf den zweiten Satz des § 33 fundiert werden könnte.

Diesbezüglich ist zunächst zu betonen, dass der ganze § 33 und daher auch sein zweiter Satz nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn die eigene Gesetzgebung keine das fragliche Recht des Fremden regelnde Bestimmung enthält. Eine solche Bestimmung ist aber im § 2 al. 2 getroffen.

Es ist zwar richtig, dass auch dieses den Fremden eingeräumte subjektive Recht unter gewissen Bedingungen, insbesondere wegen Verhaltens des Staates, dem der Fremde angehört, dem Fremden vorenthalten werden könnte.

Allein diese Massregel, die nach ihrem Inhalte und Zwecke der Suspension der Giftigkeit des § 2 al. 2 des Sprachengesetzes gleich käme, würde schon unter den Begriff der Retorsion fallen, durch welche der fremde Staat zu einer Leistung, Gewährung oder Duldung verhalten werden soll.

Eine Retorsion aber, die das Verhälnis des Staates zum Staate betrifft, kann nicht ein einzelnes Gericht oder eine einzelne Behörde des Staates proklamieren, sondern die Zulässigkeit oder Notwendigkeit derselben könnte nur durch das Gesetz oder durch eine andere allgemein bindende Norm ausgesprochen werden. Da eine solche Norm die die Suspension des § 2 al. 2 des Sprachengesetzes aus dem Titel der Retorsion verfügen würde, überhaupt nicht besteht, erscheint auch dieses zweite Argument der angefochtenen Entscheidung nicht stichhältig.

Aus allen diesen Erwängungen gelangte das Oberste Verwaltungsgericht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Gesetzwidrigkeit.

Prag, am 28. März 1922.

Dr. Lodgman;

Dr. E. Feyerfeil, Dr. Schollich, Dr. Radda, Schälzky, Matzner, Budig, Röttel, Bobek, Ing. Jung, Ing. Kallina, Dr. Brunar, Dr. Lehnart, Windirsch, Scharnagl, Mark, J. Mayer, Dr. Hanreich, Dr. Petersilka, Dr. Luschka, Schubert.

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