Pondìlí 5. øíjna 1925

Wie in wirtschaftlicher Beziehung, so sieht es auch in der sozialen Gesetzgebung aus. Man spricht soviel, besonders im Auslande, über die guten sozialen Gesetze in diesem Staate. Man kann sich nicht genug tun darüber, daß die Èechoslovakei so viele soziale Gesetze geschaffen hat. Ich bin überzeugt, daß der Herr Minister für soziale Fürsorge den guten Willen und das Bestreben hat, sein Amt wirklich so auszuüben, wie es sein sollte und wozu es geschaffen wurde. Aber wir sehen auf der ganzen Linie und so auch in diesem Budget, daß an diesem wichtigen Zweig gespart wird. Es wurde bereits von einem meiner Klubkollegen gestreift, wie wenig für das Sozialministerium ausgegeben wird. Da wird für die Arbeitslosenunterstützung ein lächerlicher Betrag eingestellt, während man ein Fünftel der gesamten Ausgaben für den Militarismus ausgibt. Die kleine Summe von 27 Millionen Kronen ist für die Ärmsten der Armen, für die Opfer Ihrer Wirtschaftspolitik, der Wirtschaftspolitik der Koalition in diesem Staate, veranschlagt. Die Lasten hat man den Gewerkschaften aufgehalst. Da wird vielleicht einer sagen: Wenn tausende Arbeiter keine Unterstützung erhalten, ist es ihre eigene Schuld, sie sollen sich kümmern, daß sie von der Gewerkschaft die Unterstützung erhalten. Aber in Bezug auf die Auszahlung der Unterstützung wird den Gewerkschaften kein Entgegenkommen gezeigt, man hat für sie niemals Geld. Während wir verlangen, daß für die laufenden Ausgaben der Gewerkschaften Vorschüsse gegeben werden, erklärt man, man habe kein Geld. Wir haben Organisationen, die monatlich 60 bis 90.000 Kronen Staatszuschüsse ausb ezahlten, die vom Staat rückvergütet werden sollen. Sie mußten Gelder aus anderen Fonds als aus dem Arbeitslosenunterstützungsfond nehmen, nur damit die Unterstützungen ausgezahlt werden können. Da muß die Regierung, insbesondere das Finanzministerium, den Gewerkschaften diese Vorschüsse geben. Insbesondere müssen wir verlangen, daß die Regierung für die Arbeiter, die kurzarbeiten, unbedingt entsprechende staatliche Unterstützung zahle. Es geht nicht an, daß man im Verordnungswege ganz einfach erklärt, die Gewerkschaften können die Gelder auszahlen und sie bekommen dann vom Staate Refundierung geleistet. Solche Lasten kann eine Gewerkschaft nicht aushalten und daher muß der Staat, aber auch die Unternehmer, wenn sie nicht voll arbeiten, die Unterstützung dieser Arbeiter übernehmen. Sowie mit der Arbeitslosenunterstützung ist es auch mit dem Rechte der Arbeiter bei der Einstellung in die Arbeit. Mit dem Gesetz über das Genter System hat man gleichzeitig auch die Zuweisung von Arbeitern durch die staatlichen Arbeitsvermittlungsanstalten aufgehoben. Wir sehen, daß jetzt ein förmlicher Raubbau an den Menschen getrieben wird, wie die Arbeiter von den Unternehmern ausgesucht und ausprobiert werden, damit der Arbeiter ja vielleicht nicht zuviel Lohn erhält, oder vielleicht gar ein Stänkerer aufgenommen wird. Man sucht Leute für den Betrieb, die möglichst billig die Arbeit übernehmen. Es ist notwendig, daß den Gewerkschaften, die die Last übernommen haben, für die Arbeiter zu sorgen, die Geld zu leisten haben, auch das Recht gegeben werde, auf den Arbeitsmarkt Einfluß zu nehmen, bei Vergebung der Arbeiter an die Betriebe vor allem befragt zu werden und mitzuwirken. Wir verlangen, daß endlich das Gesetz über die Vermittlung der Arbeit herausgegeben werde. In diesem Zusammenhang möchte ich noch kurz erklären, wie die Ausführungen des Herrn Arbeitsministers zu werten sind, der eine Behauptung unseres Redners im Budgetausschuß für unrichtig erklärte, daß die deutschen Arbeiter nicht berücksichtigt und zurückgedrängt werden. Ich will diese Behauptung an einem Beispiel demonstrieren! Zum Staustufenbau der Elbe in Schreckenstein bei Aussig hat die Arbeitsvermittlungsstelle in Aussig Arbeitslose aus diesem Bezirke geschickt. Die Arbeiter kamen mit der Meldung zurück, daß keine Arbeiter mehr aufgenommen werden, es sei alles besetzt. Der Unternehmer hat sich also seine Arbeiter selbst mitgebracht, hat sie aus anderen Gegenden zu billigem Lohn eingestellt, Arbeiter aus dem Bezirk Aussig aber nicht aufgenommen. Es ist ja ein bekanntes Mittel der industriellen Untern ehmungen, Arbeiter aus recht entfernten Bezirken heranzuziehen, weil sie wissen, daß sich Arbeiter, die die Familien nicht mithaben, nicht rühren können, und schließlich und endlich gezwungen sind, um jeden Preis zu arbeiten, weil sie nicht mehr zurück können. Wir verlangen daher, daß den Gewerkschaften Einfluß auf die Vergebung von Arbeit gegeben werde.

So könnten Sie jedes Gesetz durchnehmen, und bei jedem, selbst dem besten, werden Sie mißbräuchliche Anwendung finden. Eines der besten Gesetze ist das über die 8 stündige Arbeitszeit, das nach Gründung des Staates beschlossen worden ist. Wir wollen nicht verkennen, daß dieses Gesetz gute Bestimmungen enthält, die etwas wert sind, aber wir sehen, daß diese Bestimmungen fortgesetzt durchbrochen werden, daß der Achtstundentag durch massenweise Bewilligung von Überstunden durchbrochen wird. Gehen Sie hinaus zu den Bauten, dort wird tagtäglich vom frühen Morgen bis zum späten Abend, 10 Stunden und länger, gearbeitet, und so wie es auf den Bauten ist, ist es in vielen anderen Betrieben. Und wenn sich der Arbeiter dagegen auflehnt, wenn die Vertrauensmänner erklären, daß Überstunden nicht gemacht werden dürfen, weil sie nicht notwendig sind, kommt man mit dem berühmten § 82 der Gewerbeordnung, legt die Sache als Arbeitsverweigerung aus, der Arbeiter wird entlassen. So müssen wir erleben, daß das Gute aus den Gesetzen immer mehr abgebaut wird, statt daß derjenige strenge bestraft wird, der das Gesetz durchbrochen hat.

Das Urlaubsgesetz, welches die Arbeiter bekommen haben, schaut nicht so gut aus. Ich erinnere mich noch an jene Debatte vor Beschlußfassung des Gesetzes im Hause. Als unser Redner den Entwurf kritisierte, machte ein èechischer sozialdemokratischer Kollege den Zwischenruf: "Setzt die große Brille auf!" Ich glaube, da braucht man keine große Brille aufzusetzen, um die Nachteile herauszulesen, aber eine große Brille muß man aufsetzen, um die Vorteile gegenüber demjenigen herauszufinden, was der Arbeiter schon vorher hatte. Durch das Gesetz sind tatsächlich viele Arbeiter geschädigt worden. Vielleicht bedeutet das Gesetz für einen Teil der Arbeiter einen Fortschritt, für die größere Masse aber war es ein kolossaler Rückschritt. In einer sozialen Gesetzgebung soll man doch wenigstens als Minimum das festsetzen, was der Arbeiter schon hat, nicht aber seine erkämpften Errungenschaften als Maximum festsetzen. Das Urlaubsgesetz wurde durchaus nicht das, was sich die Arbeiterschaft versprochen hat. Dazu kommt noch die Schandbestimmung, daß Arbeiter, die notgedrungen nicht das ganze Jahr arbeiten können, die kurz arbeiten müssen, welche nicht 48 Stunden regelmäßig in der Woche arbeiten, entsprechende Abzüge vom Urlaub erhalten. Eine ganze Reihe von Bestimmungen könnte man zitieren, die für den Arbeiter nicht vorteilhaft sind.

Auch ein anderes Gesetz hätte ein soziales Gesetz werden sollen, nämlich das Feiertagsgesetz. Kaum ist das Gesetz beschlossen worden, so hat sich niemand daran gehalten. Das Gesetz hat die zweiten Feiertage abgeschafft, die wir verteidigt haben, nicht aus religiösen, sondern aus sozialen Rücksichten. Tausende Arbeiter gibt es, die ein oder zwei Jahre lang keinen Urlaub erhalten können, aber selbst wenn die Arbeiter 6 Tage Urlaub erhalten, wird es ihnen nicht schaden, wenn im Jahre zwei bis dreimal Pausen von zwei bis drei Tagen eintreten, wo die Arbeiter der Ruhe pflegen können, um ihren Verpflichtungen privater Natur nachgehen zu können. Hier aber hat man die zweiten Feiertage abgeschafft. Es wäre Aufgabe, hier sofort eine Novellierung zu beschließen, weil durch das Gesetz Streitigkeiten in den Betrieben entstanden sind, während Sie doch Ruhei in der Volkswirtschaft haben wollen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.)

Ein anderes Gesetz, auf das man sich in sozialer Hinsicht nicht viel einzubilden braucht, ist das Gesetz zum Schutze der zur Waffenübung Einrückenden. Man bestimmte für die Beamten eine sogenannte Schutzzeit von einem Monat, für die Arbeiter eine Schutzzeit von 10 Tagen vor der Einrückung und 7 Tagen nach der Einrückung, in der sie nicht gekündigt werden dürfen. Es ist kein Schutz, wenn einem Arbeiter innerhalb 7 Tagen nicht gekündigt werden darf. Wenn man einen Schutz aussprechen will, dann muß der Zwang statuiert werden, daß die Einrückung für den Angestellten überhaupt keinen Schaden bedeuten dürfe, dann muß man längere Schutzfristen bestimmmmen. Im selben Gesetz aber steht auch, daß er kein Entgelt zu erhalten habe. Das ist eine Schädigung. Diese Bestimmung wurde von den Unternehmern sofort ausgenützt, sie haben den Angestellten das nicht mehr gegeben, was sie früher erhalten haben. Die Angestellten müssen daher wieder kämpfen, müssen die Jury entscheiden lassen, müssen zu den höchsten Gerichtsstellen gehen, und es dauert monatelang, bevor der Arbeiter zu seinem Rechte kommt, und auch da ist ein Erfolg noch zweifelhaft. Auf der einen Seite wollte man die Arbeiter und Angestellten schützen, auf der anderen Seite hat man ihnen bedeutenden Schaden zugefügt. Dasselbe war mit dem Betriebsausschußgesetz. In Ihrer schnellen Beschlußfassung hören Sie nicht die Ratschläge der Opposition, akzeptieren nicht die Anträge derjenigen, die im Interesse der Bevölkerung handeln wollen. Was nicht von der "Pìtka" kommt, wird niedergestimmt. Genau so ist es mit der Gewerbeordnung, die unbedingt einer Novellierung bedarf, denn wir haben heute noch veraltete Bestimmungen darin, die der heutigen Zeit nicht mehr entsprechen, vor allem den § 82, nach welchem Arbeiter ohne Kündigung plötzlich entlassen werden können, eine wahre Schandbestimmung; und eine Novellierung wird nicht vorgenommen. In diesem Paragraph heißt es z. B., daß Personen, die die Arbeit unbefugt verlassen haben oder beharrlich ihre Pflichten vernachlässigen oder die übrigen Hilfsarbeiter oder die Hausgenossen zum Ungehorsam, zur Auflehnung gegen den Gewerbeinhaber usw. aufhetzen, entlassen werden können. Und ein solcher Paragraph ist heute noch anwendbar auf einen Vertrauensmann, der Ratschläge erteilt, eventuell auf unrichtiges Vorgehen des Unternehmers hinweist; denn er ist dann nach diesem Gesetze ein Aufwiegler der Hausgenossen und Arbeiter und kann infolgedessen nach dem § 82 entlassen werden. Ich glaube, selbst die Sozialdemokraten der Koalition müßten alles aufbieten, daß diese Schandbestimmungen aus der Gewerbeordnung entfernt werden. Und zumindest in dieser Hinsicht sollten sie uns deutsche Sozialdemokraten unterstützen. Denken Sie nur, was es zum Beispiel nach diesem Paragraph bedeutet, daß einer, der länger als 4 Wochen krank war, entlassen werden kann, oder daß, wenn nach einer oberstgerichtlichen Entscheidung während einer Krankheit das Krankengeld weiter bezahlt werden muß, der Unternehmer deshalb den Arbeiter entläßt. Kurz und gut, die Gewerbeordnung gibt den Unternehmern die Möglichkeit, mit den Arbeitern aufs brutalste umzugehen. Selbst die Betriebsausschüsse können die wenigen Rechte, die sie zum Schutze der Arbeiter haben, nicht ungefährdet ausüben. Gestern erhielt ich einen Brief, wonach ein Arbeiter von der Betriebsleitung aus einem ganz nichtigen Grunde keinen Urlaub erhielt, der intervenierende Vertrauensmann wurde vom Betriebsleiter handgreiflich förmlich zur Tür hinausgeworfen, da er kein Recht habe, innerhalb der Arbeitszeit vorzusprechen und erst nach Feierabend kommen solle. Das alles eben infolge der rückständigen und unklaren Gesetzesbestimmungen.

Ein geradezu lächerlicher Betrag isst im Budget für die Gewerbeinspektion ausgeworfen. Statt diese wichtige Institution auszubauen, die dazu bestimmt ist, die Arbeiter möglichst vor Unfällen zu schützen, bestimmen Sie die Bagatelle von 4 Millionen Kronen hiefür und kümmern sich gar nicht darum, ob diese Gewerbeinspektoren ihre Pflicht erfüllen können. So schaut es mit der sozialen Fürsorge aus, während Sie für das Militär eine Masse Geld haben. Gerade dieser Tage muß man sich daran erinnern, daß jährlich Tausende von Arbeitern als Rekruten einrücken müssen, die sicherlich nicht freudig zum Militär gehen. Denn sie müssen für die Zukunft bangen, da sie um ihren Arbeitsplatz kommen und die diesbezüglichen Schutzbestimmungen des Gesetzes ganz und gar ungenügend sind. Wir können das Militär entbehren, wir haben Schutz genug; sorgen Sie für vernünftige Handelsverträge und gute wirtschaftliche Beziehungen mit den anderen Staaten, dann brauchen wir kein Militär.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf verweisen, daß Sie viele Geschäftsleute damit direkt wirtschaftlich schädigen. Nur ein Beispiel: In Krumau hat man seit 1. September 1921 die Säle zweier Gasthäuser mit Beschlag belegt. In dem einen Gasthaus bekommt der Wirt für den ganzen Belag eines Jahres 2.200 Kronen, wovon er noch die Reparaturen, Licht, Steuern, selbst Einkommensteuer von dem genannten Betrag zu bezahlen hat. Während der Manöver sperrt man ihm das Lokal auf zwei Monate, versiegelt es, so daß er nicht einmal während dieser Zeit damit etwas verdienen kann. Sein Geschäft ist durch die kolossale Einbuße ruiniert. Der andere Saal ist mit Beschlag belegt für 2 bis 3 Mann Belegschaft, wofür der Wirt 5·20 Kronen monatlich bekommt.

Ich ersuche Sie daher, unsere Mahnung doch zur Kenntnis zu nehmen und ernstlich dahin zu wirken, daß überflüssige Posten im Militärbudget gestrichen werden. Solange das Budget nicht anders wird, so lange die Wünsche der breiten Massen der Bevölkerung nicht darin berücksichtigt werden, können wir dafür nicht stimmen. (Potlesk na levici.)


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