Nun wurde uns auch gesagt, die Sache sei nicht so schlecht, weil Höchstsätze eingeführt sind. Der erste Höchstsatz ist nicht gerade klein. Er beträgt 5000 Kronen. Jetzt kommt aber etwas Schöneres: Bis 50.000 Kronen muß man für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zahlen. Ich fürchte sehr, daß die Sache in zwei Punkten zu einer etwas unangenehmen Wirkung führen wird. Einerseits kann man sich leicht verleiten lassen, wenn die Kassen leer sind, es genau so, wie einst mit den Orden und Titeln, auch mit der Staatsbürgerschaft zu machen, so daß der, der die 50.000 Kronen glatt herschwitzen kann, die Staatsbürgerschaft leicht bekommt. Diese Gefahr besteht. (Posl. dr. Holitscher: Sie besteht heute schon!) Ja, sie besteht heute schon, aber noch nicht gesetzmäßig; wir reden vom Rechts- und Verfassungsstandpunkte. Die andere Seite der Sache ist folgende: Früher konnte man jemanden nicht so leicht mit dem Gesuch um Verleihung der Staatsbürgerschaft abweisen, früher war es z. B. oft unangenehm, einen Arbeiter abzulehnen. Heute macht man es leichter, man schreibt ihm einfach eine Gebühr vor, die er nicht bezahlen kann. Und damit hat man jede Interpellation, jede Intervention für ihn einfach verriegelt dadurch, daß man sagt, er habe die Gebühr nicht bezahlt. Man kann das sehr gut tun; denn der Staat, vertreten durch das Finanzministerium, ist ein sehr vorsichtiger Geschäftsmann. Heute wird schon im gewöhnlichen Geschäftsleben auf Kredit geliefert. Der Staat liefert nicht auf Kredit, im voraus muß man die Gebühr bezahlen, dann erst liefert er den "úkon". Das ist natürlich auch ein bischen rabiat, nichts so bei den kleinen Stempeln, denn das ist immer so gewesen; aber bei den wandelbaren Gebühren, bei denen der betreffende Beamte in der Bemessung der Gebür frei ist, da kann die Sache etwas unangenehm werden, wenn man auf das Ungewisse bezahlen muß, bevor die Lieferung erfolgt.
Nun lassen Sie mich zum Schluß noch darauf hinweisen, was sozusagen als Vehikel dieses Gesetzes mißbraucht wird. Man entschuldigt sich damit, daß dieses Gesetz gemacht wird, weil man den Staatsbediensteten gewisse Verbesserungen ihrer Gehaltbezüge versprochen hat und daß daher auch für die Bedeckung gesorgt werden muß. Es waren immer ganz eigentümliche Geschenke, die von diesem hohen Hause an die Staatsbeamten gemacht wurden. Dieses Geschenk aber, diese ganz niedrigen, miserablen Aushilfen, dieses Geschenk wurde durch die letzten Bedeckungsgesetze zum wahren Danaergeschenk; und daß es ein Danaergeschenk ist, haben die Vorgänge vor einigen Minuten in diesem Hause bewiesen. Hier in diesem Hause war vor einigen Minuten ein großer Krawall, als der Vertreter der Živnostenská strana gegen diese Gebühren sprach, und das, was sich hier in kultivierteren Formen abgespielt hat, das spielt sich draußen in ganz anderen Formen ab. Es wird die Kluft zwischen den Beamten und der Bevölkerung größer, und es wird durch die Art, wie dieses Gesetz propagiert wurde, eine Feindschaft zwischen der Bevölkerung und der Beamtenschaft entstehen. Die Bevölkerung muß bei dieser Art der Agitation und Propagierung sagen: "Ihr Beamten seid es, die uns die Groschen aus der Tasche stehlet." Warum macht man es mit den Zivilbeamten so, warum prangert man sie vor der Bevölkerung an? Da ist kein Geld im normalen Voranschlag! Aber wenn es sich darum handelt, den Offizieren Säbel zu kaufen, dann ist Geld im ordentlichen Voranschlag da (Výkøiky. Potlesk na levici.), dann ist das Geld da, wird im ordentlichen Voranschlag beschafft; man fürchtet sich einen Antagonismus zwischen dem Militär und der Bevölkerung zu züchten. Hier züchten Sie ihn bei jedem einzelnen Falle. Bei der Verwaltungsbehörde muß der Beamte die Gebühr bemessen, er ist also der Schuldtragende; woher soll also die Freundschaft zu dem Beamten bei der Bevölkerung kommen? Der Beamte muß ihr Feind sein (Výkøiky na levici.), und das will wohl niemand von uns, daß den Beamten, die für einen Schundlohn arbeiten, auf diese Weise ihre Arbeit noch erschwert wird. Man hat uns im Rechts- und Verfassungsausschusse einigemal gesagt, wir sollen doch das vorliegende Gesetz nicht bremsen, nicht aufhalten, denn wir gefährden dadurch die Auszahlung der Bezüge an die Beamten, am 31. März seien sie fällig und sollen ausbezahlt werden. Wenn das Gesetz nicht apportiert wird, so werden sie nicht ausgezahlt. Entschuldigen Sie das harte Wort, aber das ist eine Demagogie allerschwersten Kalibers. Wir lassen uns durch diese Argumente, die fadenscheinig und nicht nur fadenscheinig, sondern unehrlich sind, nicht einfangen. Wir werden mit voller Überzeugung gegen dieses Gesetz stimmen, weil wir der festen Überzeugung sind, daß die Beamten unsere Stellung verstehen werden, diese Staatsbeamten, welche sich dagegen wehren müssen, als Vorspann für dieses Machwerk der Gesetzgebung zu dienen. (Potlesk na levici.)
3. Øeè posl. Heegera (viz str. 1406 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Seit Wochen blickt die gesamte Bevölkerung dieses Staates in gespannter Erwartung auf die Vorgänge, die sich in den einzelnen Ausschüssen bei der Behandlung des Mieterschutzes abspielen. Wir wissen, daß diese Frage des Mieterschutzes in der Koalition selbst eine große Rolle gespielt hat, daß sie der Anlaß zu sehr heftigen Kämpfen und Auseinandersetzungen gewesen ist, wir wissen aber auch, daß trotz aller dieser widerstrebenden und gegensätzlichen Anschauungen und Meinungen man doch eine Einigung gefunden hat und daß das Werk dieser Einigung schließlich ein faules Kompromiß wurde, eine Verschlechterung des Mieterschutzgestzes, daß das Endergebnis dieses traurigen Kampfes ein echt èechoslovakisches Gesetz geworden ist, das uns heute zur Verhandlung vorgelegt wurde. Scheinbar ist dieses Gesetz auch in den Mantel der sozialen Fürsorge gekleidet, aber der Inhalt dieses Gesetzes selbst kann weder uns, noch die gesamte Öffentlichkeit befriedigen.
Aber nicht nur vom sozialpolitischem Standpunkte aus sind schwere Bedenken gegen den Inhalt dieses Gesetzes zu äußern, sondern auch gegen die Art der formalen Behandlung, die dieser Gesetzentwurf erfahren hat, müssen wir einige Worte des Protestes sagen. Es ist dies eine ganz eigenartige Erscheinung der Parlamentsmaschine, die es mit sich bringt, daß für das gesamte volkswirtschaftliche und politische Leben in diesem Staat sehr wichtige Gesetze in einer solchen Hast, mit einer solchen Eile beschlossen werden, daß den Abgeordneten der Oppositionsparteien in den meisten Fällen weder die Zeit, noch die Möglichkeit zur Verfügung steht, die hochwichtigen Vorlagen und Gesetze zu studieren und durchzuberaten. Und die Folge davon ist, daß eine schleuderhafte Gesetzesfabrikation entsteht, die durch die Hast und Eile bei Beschlußfassung der Gesetze sehr viele Nachteile nach sich zieht. Ebenso war es mit dem hochwichtigen Gesetz des Mieterschutzes. Auch hier wurde dem sozialpolitischen Ausschuß der Auftrag erteilt, binnen wenigen Stunden das Gesetz zu erledigen. Man bedenke, ein Gesetz in ein paar Stunden zu erledigen, das in großem Maß das gesamte öffentliche Leben interessiert! Die Frage des Mieterschutzes hat schon vor vielen Wochen die Bevölkerung in Protestversammlungen veranlaßt, zu den geplanten Verschlechterungen Stellung zu nehmen. Gemeindevertretungen und andere Körperschaften haben sich mit dieser Frage beschäftigt, kurzum das ganze öffentliche Leben hat mit gespannter Erwartung alle diese Vorkommnisse verfolgt, aber die Herren der "Pìtka" kümmern sich um eine solche öffentliche Meinung nicht. Alles, was daraus entsteht, kümmert sie nicht, sie entscheiden darüber ganz selbstherrlich, im engsten Kreise wird der Kuhhandel betrieben, das Ergebnis dieses Kuhhandels dem Abgeordneten förmlich hingeworfen, im sozialpolitischen Ausschuß die Verhandlungszeit befristet, der Opposition gnädigst erlaubt, dazu Stellung zu nehmen und Anträge zu stellen, aber das Gesetz selbst, das sogenannte Fünfmännergesetz ist, wenn es auch noch so schlecht ist, unabhänderlich, ein Rührmichnichtan und muß so mit allen Fehlern und Schlechtigkeiten beschlossen werden, als es den fünf Männern gerade paßt, es dem Abgeordnetenhause zu unterbreiten. Wir halten es daher für notwendig, die Feststellung auch bei diesem Gesetz wieder zu machen. Wir wissen schon, daß dies die Herren von der Koalition gar nicht rührt, wir wissen, daß sie auf diesem Gebiet so hart gesottene Sünder sind, daß alle diese Vorstellungen bei ihnen ganz einflußlos bleiben, aber wir halten uns doch für verpflichtet, den formalen Vorgang bei der Behandlung eines so wichtigen Gesetzes, wie das des Mieterschutzes, festzustellen, damit man in der Öffentlichkeit auch hört, wie solche Fragen hier behandelt werden.
Es ist für uns auch weiter klar, daß das Mieterschutzgesetz allein nicht imstande ist, das Wohnungselend zu lindern oder aus der Welt zu schaffen. Wir wissen schon, daß dazu ganz andere Maßnahmen gehören, daß vor allem die Wohnbauförderung, die Wohnungsfürsorge im Allgemeinen mit einer größeren Aufmerksamkeit durchgeführt werden müßte, als es hier der Fall ist. Man sollte glauben, daß auch die Staatsverwaltung und die Herren von der Majorität den Grundsatz vertreten, daß es Aufgabe einer jeden Staatsverwaltung sein muß, dafür zu sorgen, daß jedem Bürger ein Raum zum Wohnen gesichert erscheint, aber wir müssen wohl sagen, daß auf diesem Gebiete nicht allzuviel geschehen ist, daß gerade dieser Staat sich nicht besonders rühmen darf, auf dem Gebiete der sozialen Wohnungsfürsorge ganz Besonderes geleistet zu haben. Wir brauchen nur Umschau zu halten, was andere Staaten auf diesem Gebiete unter ungünstigeren Verhältnissen zu leisten vermochten; man sollte einen Teil dessen, was in anderen Staaten auf dem Gebiete der Wohnungsfürsorge geschehen ist, in Anwendung bringen und die Wohnungsnot könnte zu einem großen Teil gelindert werden. Davon ist aber nichts zu sehen. Was hat man hier getan? Allerdings, ein Bauförderungsgesetz wurde geschaffen, aber auch das ist heute nicht mehr in Wirksamkeit. Auch dieses Gesetz gab den Gemeinden und Wohnungsbaugenossenschaften nicht die Möglichkeit, der Wohnungsnot in dem Maße entgegenzutreten, als es notwendig gewesen wäre. Wir brauchen nur einen Blick auf die veröffentlichte amtliche Statistik zu werfen, um zu sehen, inwieweit die Staatsverwaltung der Wohnbaufürsorge entgegengekommen ist. In dieser Statistik finden wir, daß auf Grund des Wohnbauförderungsgesetzes bis zum 30. September 1924 19.778 Häuser mit 43.376 Wohnungen geschaffen worden sind. Das ist aber auch alles und die Gesamtbelastung des Staates erfordert jährlich einen Betrag von 158.5 Millionen Kronen. Das ist im Vergleiche zu einem Jahresbudget von 17 Milliarden fast gar nichts, ist aber auch im Vergleiche zu den Kosten des Militarismus, die fast 3 Milliarden betragen, kaum ein Zwanzigstel der Ausgaben, die für den Militarismus in Verwendung gebracht worden sind. Aber das Wenige, das bisher auf Grund des Wohnbauförderungsgesetzes geschehen konnte, ist jetzt auch nicht mehr möglich, weil dieses Gesetz nicht mehr besteht, sondern bereits außer Wirksamkeit getreten ist. Und was weiter geschehen soll, weiß man momentan nicht, darüber hüllen sich die verantwortlichen Faktoren in Stillschweigen oder es werden weiter geheime Packeleien durchgeführt. Wie sie auch immer enden mögen, eines wissen wir: Allzuviel wird für die Wohnbauförderung nicht herauskommen. Alle diese wichtigen Fragen, die zweifellos hätten in Angriff genommen werden müssen, wenn ernstlich daran gedacht worden wäre, das Wohnungselend aus der Welt zu schaffen, alle diese wichtigen Fragen finden bei der Mehrheit dieses Hauses nicht jenes Verständnis, das notwendig wäre, und das Mieterschutzgesetz allein ist nicht im Stande, jenes Wohnungselend zu mildern, unter dem in dem Staate hunderttausende von Menschen samt ihren Familien zu leiden haben. Das Mieterschutzgesetz wird weiters durch die Aufhebung der Wohnungsbeschlagnahmen fast unwirksam gemacht. Wir sehen, daß trotz der nicht allzugroßen Bautätigkeit in diesem Staate, daß trotz der 43.376 neuen Wohnungen eigentlich nur ein verhältnismäßig ganz kleiner Teil von Wohnungen für die Vermietung frei geworden ist. Daraus ist klar und deutlich ersichtlich, daß durch die Auflassung des Wohnungsbeschlagnahmegesetzes auch jene Wohnungen, die durch Neubauten frei geworden sind, der Vermietung nicht zugeführt wurden und es wäre daher notwendig, daß wenn der Mieterschutz für den Mieter nicht nur wirksam bleiben soll, sondern wenn auch Wohnungen frei werden sollen, durch dieses Gesetz die Möglichkeit zu geben wäre, die freiw erdenden Wohnungen dem Wohnungssuchenden zuzuweisen.
Wir finden nun, daß das neue Gesetz, das uns unterbreitet worden ist, durchaus nicht befriedigend erscheint. Es ist allerdings in diesem Gesetz ein kleiner Fortschritt, ein Lichtblick gewissermaßen, zu verzeichnen und das ist der, daß dieses Gesetz nicht nur auf ein Jahr, sondern auf drei Jahre in Wirksamkeit bleiben soll. Durch diese Bestimmung, daß nicht wie bisher die Mieter jährlich von der Sorge gequält werden, daß der Hausbesitzer sie nach Ablauf dieses Gesetzes, falls es nicht erneuert wird, hinauswerfen kann, sind sie doch einigermaßen auf die Dauer von drei Jahren geschützt. Wir sind aber auch durchaus nicht der Auffassung, daß das Mieterschutzgesetz eine Ewigkeitseinrichtung bleiben wird. Wir sind jedoch der Anschauung, daß, solange derartig abnormale Wohnungsverhältnisse bestehen, wie sie gegenwärtig herrschen, es die Pflicht der Staatsverwaltung sein muß, die Mieter zu schützen, und weil wir gegenwärtig noch solch triste Wohnungsverhältnisse haben, müssen wir uns gegen jede Verschlechterung des Mieterschutzgesetzes stellen. Was aber ganz besonders als erschwerend bezeichnet werden muß und was geradezu unmöglich erscheint nachdem doch die Macher dieses Gesetzes und die fünf Männer, die dieses Gesetz fabriziert haben, doch sicher wissen mußten, was auf diesem Gebiete in allen anderen Staaten geschehen ist, wie großzügig man dort die Frage zu lösen versucht und durch Einhebung von gewissen Umlagen, Wohnungssteuerndie Förderung des Baues von Wohnungen durchgeführt hat - ist der Umstand - daß diese grundsätzliche Anschauung bei der Schaffung dieses Gesetzes in kein er Weise berücksichtigt worden ist. Wir finden in den §§ 8 und 9 eine Erhöhung der Mietzinses, und zwar in der Form, daß bei kleineren Wohnungen der Grundmietpreis um 30%, bei Wohnungen mit zwei Zimmern und Küche um 50% und bei größeren Wohnungen um 70% erhöht werden kann, wir finden weiter, daß bei erwerbsmäßiger Benützung von Räumlichkeiten, die nicht den Bestandteil einer Wohnung bilden, die kleinen Betriebsstätten um 40, die mittleren um 50 und die größeren um 70% erhöht werden und daß dann weiter am 1. Jänner 1926 und am 1. Jänner 1927 eine weitere Erhöhung um je 10% erfolgen soll. Wir sind zumindest der Anschauung, daß, wenn man schon von der Öffentlichkeit, wenn man schon von den Arbeitern und Angestellten, die unter den gegenwärtigen Teuerungsverhältnissen so ungeheuer schwer zu leiden haben, wenn man schon von all diesen Kreisen glaubt eine Erhöhung des Mietzinses fordern zu dürfen, so müßte diese Erhöhung doch vor allem der allgemeinen Bauförderung zugute kommen und nicht restlos in den Taschen der Hausbesitzer verschwinden. Das allein zeigt schon, daß man dieser grundsätzlichen Frage, die in allen anderen Staaten gelöst worden ist, hier keine Beachtung geschenkt hat. Es ist vielleicht sogar recht und billig, daß man jenen, die Wohnungen haben und noch verhältnismäßig billig zu wohnen in der Lage sind, die Pflicht auferlegt, durch irgendeinen Betrag mit dazu beizutragen, daß für die armen bedauernswerten Wohnungslosen die Erbauung von Wohnungen möglich wird. Aber wenn man einfach eine Erhöhung der Mietzinse nur zu dem Zwecke durchführt, damit diese Erhöhung restlos in den Taschen der Hausbesitzer verschwinden kann, so ist das etwas, was man gerade bei den èechisch-sozialistischen Parteien nicht hätte erwarten dürfen.
Die Erhöhung der Mietzinse trifft die Arbeiter und Angestellten an und für sich schon sehr schwer, vor allem deshalk sehr schwer, weil die Arbeiterschaft, erst in den Jahren 1922 und 1923 einen nicht unbedeutenden Lohnabbau über sich ergehen lassen mußte. Die Staatsverwaltung hat es als ihre Pflicht erachtet, bei ihren Arbeitern und Angestellten der Privatindustrie gegenüber vorbildlich vorzugehen, so daß es jetzt dazu kommt, daß die in den letzten Monaten sich stark bemerkbar machende Teuerung die Lebenshaltung der Arbeiterschaft bedeutend verschlechtert hat. Berechnungen haben ergeben, daß der Haushalt einer vierköpfigen Arbeiterfamilie im Jahre 1913 eine Wochenausgabe von 32 Kronen erfordert hat und daß die Bestreitung eines solchen Haushaltes Ende 1924 bei Umrechnung der Preise für die Artikel im Verhältnis zum Jahre 1913 nicht weniger als 314 Kronen wöchentlich erfordert. Wo ist der Arbeiter, dessen Arbeitseinkommen sich ebenfalls in diesem Ausmaß erhöht hat? Diese Leute zu schützen, müßte die Aufgabe der Staatsverwaltung vor allem sein, zumindest aber jener Parteien, die in den Koalitions- und Regierungskreisen als Vertreter der Arbeiter fungieren und deren Pflicht es wäre, deren Interessen wohl zu wahren. Den Hausbesitzern, die sich in der letzten Zeit sehr bemerkbar gemacht haben, geht es noch lange nicht so schlecht. Es ist schon vorher in einem Zwischenruf richtig gesagt worden, daß deren Besitz ja im Werte gestiegen ist. Es geht ihnen aber auch sonst noch lange nicht so, wie allen jenen Kriegsanleihezeichnern und den Besitzern von Vorkriegsrenten, die fast alles verloren haben. Die Hausbesitzer würden wahrscheinlich auch dann noch weiter existieren, wenn diese 10% der allgemeinen Bauförderung und nicht den einzelnen Hausbesitzern zufließen würden.
Ein weiterer Lichtblick in dem Gesetze soll die angebliche Aufhebung des § 12 sein, jenes Paragraphen, der bisher dem Hausbesitzer das Recht gab, allfällige Reparaturen, die er an seinem Hause vornehmen ließ, auf den Mietzins zu überwälzen und einzurechnen. Gerade der § 12 ist die Ursache großen Unrechtes, das den Mietern gegenüber begangen worden ist. Wir könnten Fälle nachweisen, daß unter Berufung auf diesen Paragraphen des Gesetzes die unmöglichsten Dinge gemacht worden sind, daß einzelne Hausbesitzer ihre Häuser innen und außen auf Kosten der Mieter restaurieren ließen, daß man auch sonst Einrichtungen geschaffen hat, die niemals geschaffen worden wären, wenn nicht auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmungen die Mieter die Kosten für diese Einrichtungen hätten zahlen müssen. Es wäre daher nur zu begrüßen, wenn dieser Paragraph wirklich verschwinden würde. Man hat dies gewissermaßen als ein Äquivalent für die Erhöhung der Mietzinse in Aussicht gestellt, man hat darauf verwiesen, daß durch die Erhöhung der Mietzinse dieser § 12 des Gesetzes verschwinden werde. Nun finden wir aber, daß dies nur scheinbar der Fall ist. Wir sehen, daß der Absatz 4 des § 12 in seiner jetzigen Fassung so unklar ist, daß er weiter den Hausbesitzern die Möglichkeit gibt, dieselben Lasten wie vorher auf die Schultern der Mieter abzuwälzen. Es ist daher eine große Lüge, wenn behauptet wird, daß dieser § 12 verschwindet und daß seine Anwendung wie früher nicht mehr möglich ist.
Wir müssen uns aber auch mit aller Schärfe gegen jede Erweiterung der Kündigungsgründe aussprechen. Schon bisher waren die Möglichkeiten der Kündigung so große, daß tausende und tausende von Mietern auf Grund des alten Gesetzes auf die Straße gesetzt werden konnten, und eine Erweiterung dieser Kündigungsgründe muß zweifellos als ein schwerer Schlag gegen das Mieterschutzgesetz überhaupt bezeichnet werden. Ebenso schwere Bedenken muß die Bestimmung des Gesetzes wachrufen, die den Gemeinden, Bezirken, Gauen, Ländern, Bauvereinigungen, Fürsorgeanstalten usw. das Recht gibt, daß auf deren Häuser das Mieterschutzgesetz nicht zur Anwendung kommt. In dem alten Mieterschutzgesetz war eine Bestimmung enthalten, daß die Eisenbahnverwaltung, soweit es sich um deren Häuser handelt, von dem Mieterschutzgesetz befreit erscheint, daß also das Gesetz dort keine Anwendung findet. Meine Damen und Herren! Die praktischen Erfahrungen, die da im Laufe der Zeit gemacht wurden, die Tatsache, daß Menschen, die ein ganzes Menschenalter treu und redlich ihre Pflicht im Dienste der Eisenbahnverwaltung erfüllt haben, alte Pensionisten einfach auf die Straße geworfen sind, die Tatsache, daß Witwen samt ihren Kindern aufs Pflaster geworfen wurden, die Tatsache der rücksichtslosesten Anwendung dieser Gesetzesbestimmung durch die Eisenbahnverwaltung diesen bedauernswerten Menschen gegenüber gibt uns wohl das Recht, die schwersten Bedenken zu äußern, wenn diese Bestimmung auch noch auf andere Gebäude, die in der Verwaltung anderer Körperschaften stehen, zur Anwendung gebracht wird. (Posl. Kaufmann: Auch den Fabrikanten wird ein Gefallen erwiesen!) Das ist ein Kapitel für sich. Ebenso sehen wir, daß eine solche Bevorzugung gewisser Gebäude mit Rücksicht auf all die Erfahrungen der letzten Monate und Jahre zweifellos das Mieterschutzgesetz für große Teile der Mieter unwirksam macht.
Eine weitere Verschlechterung der bisherigen Bestimmungen finden wir im § 1, Abs. 11, wonach den Inhabern fabriksmäßiger, gewerblicher, landwirtschaftlicher Unternehmungen das Recht gegeben werden soll, der Mietpartei zu kündigen, wenn er die von der Mietpartei bewohnte Wohnung für seine anderen Angestellten benötigt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem alten Gesetze war es bisher so, daß nur jene Wohnungen unter die Kündigung fielen, die als Naturalwohnungen bezeich et waren, unmittelbar in der Nähe oder mit dem Betrieb zusammenhängend waren, während es bisher unmöglich war, daß irgend ein Unternehmer Arbeiter aus den anderen ihm gehörigen Häusern entfernt. Nun soll diese Bestimmung erweitert werden und den Unternehmern soll es dadurch völlig freigestellt sein, über seine Arbeitssklaven, auch wenn sie in Häusern außerhalb des Betriebes wohnen, zu verfügen. Meine Herren, es ist geradezu unfaßlich und unglaublich, daß sich sozialistische Parteien finden konnten, daß sich Vertreter von Gewerkschaften finden konnten, die einer solchen Bestimmung ihre Zustimmung geben. (Posl. Beutel: Bitte zu sagen, welche Gewerkschaften dies sind, damit es kein Mißverständnis gibt. Die deutschen waren es nicht, das muß konstatiert werden!) Ich meine, das ist im ganzen politischen Leben des Staates wohl bekannt. Die Sache ist vor allem deshalb bedenklich, weil gerade die Abhängigkeit des Arbeiters vor allem in der Wohnungsfrage, soweit wir wirtschaftliche Kämpfe verfolgen können, oft das Hindernis für den Arbeiter gewesen ist, seine Rechte, seine Interessen so zu vertreten und so zu wahren, wie es notwendig erscheint. Bedenken Sie nur, meine Damen und Herren, um einen Fall herauszugreifen, wie die Sache im großen Ostrauer Industriegebiet aussieht! 44% der Arbeiter in Ostrau wohnen in solchen Werkswohnungen. Welche Waffe, welche Handhabe, welche Möglichkeit ist den Unternehmern den Arbeitern gegenüber durch diese Gesetzesbestimmung gegeben! Wer im Betriebe nicht parieren wird, wer sich erkühnt, eine Forderung zu stellen, wer sich anmaßt, für die Besserstellung seiner Arbeiterinteressen einzutreten, wer nicht so tut, wie es den Unternehmern paßt, wird jetzt nicht nur aus der Arbeit hinausfliegen, sondern auch noch wohnungslos gemacht, und es ist unerklärlich, wie die èechisch-sozialistischen Parteien und vor allem Gewerkschaftler einer solchen Bestimmung ihre Zustimmung geben können!
Wir müssen weiters die Forderung nach Beibehaltung der Lex Meissner erheben, weil wir der Ansicht sind, daß mit allen Mitteln verhindert werden muß, daß die gekündigten Wohnparteien, auch wenn sie sich bemühten, eine Wohnung zu suchen, ohne eine solche finden zu können, einfach dem Willen des Hausherren entsprechend auf die Straße gesetzt werden. Wir sind der Meinung und Auffassung, daß die primitivsten humanitären Rücksichten, daß das menschliche Mitgefühl die Beibehaltung der Lex Meissner verlangt.
Es soll ja auch noch darüber gepackelt werden; ob und inwieweit wir mit einer solchen Änderung noch beglückt werden, vermag ja kein Mensch von den Oppositionsparteien vorauszusehen.
Meine Damen und Herren! Wir haben eine ganze Reihe von Abänderungsanträgen gestellt. Wir sind der Meinung, daß wir durch die Abänderungsanträge, die wir zu den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes eingebracht haben, doch einigermaßen die in dem Gesetze enthaltenen Verschlechterungen und Härten zu mildern versuchen. Wir sind ferner der Auffassung und der Meinung, daß alle diejenigen, die es wirklich ernst mit dem Mieterschutzgesetz meinen, die ein Interesse daran haben, hunderttausenden von Menschen durch dieses Gesetz wirklich eine Stütze zu geben, daß alle diese für unsere Abänderungsanträge stimmen müssen. Wir sind daher - und das sagen auch unsere Anträge ganz offen - gegen jede Verschlechterung des Mieterschutzes, wir sind gegen jede Erhöhung der Mietpreise, umsomehr wenn diese Erhöhung nur den Hausherren und nicht der allgemeinen Wohnbauförderung dienen soll. Aus all diesen Gründen haben wir diese Abänderungsanträge gestellt und wir ersuchen Sie, wenn es Ihnen ernst damit ist, dem Mieter den Schutz angedeihen zu lassen, der ihm gebührt, für diese Anträge zu stimmen. (Potlesk na levici.)