Pøíloha k tìsnopisecké zprávì
o 333. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 19. bøezna 1925.
1. Øeè posl. Jokla (viz str. 1369 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf füllt zweifellos eine gegenwärtig bestehende Lücke in der Gesetzgebung aus. Sicher ist, daß er einen Fortschritt in der sozialen Gesetzgebung bedeutet, wenn er auch leider nur bescheiden ist. Wir vermissen bei diesem Gesetzentwurf vor allem, daß die Gelegenheit nicht benützt worden ist, um klar und deutlich auszusprechen, daß der Arbeiter unter allen Umständen Ansprüche auf Entgeld im Sinne des § 1154 b) des bürgerlichen Gesetzbuches erheben kann, wenn er zur aktiven Dienstleistung einrufen wird. Wenn wir auf der einen Seite auch anerkennen, daß die Gesetzesvorlage einen sozialen Fortschritt bedeutet, so müssen wir anderseits die Gelegenheit benützen um darauf hinzuweisen, daß es höchste Zeit ist, endlich auch für die Angehörigen der eingerückten Personen entsprechend vorzusorgen. Der Zustan, den wir auf diesem Gebiet gegenwärtig haben, ist ein aufgelegter Skandal, ist ein unerhörtes Unrecht, das an den Frauen und an den Kindern der zur aktiven Militärdienstleistung Eingerückten verübt wird. Eine Willkür besteht in der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die unbedingt aus der Welt geschafft werden muß.
Das gegenwärtige Unterhaltsbeitragsgesetz wurde am 18. März 1921 beschlossen. Nicht mit Unrecht nimmt man an, daß, je länger ein Gesetz in Geltung ist, es um so liberaler gehandhabt wird, weil gewisser maßen die Erfahrungen der Praxis eine Korrektur der Härte der Gesetzesbestimmungen erzwingen. Bei dem Unterhaltsbeitragsgesetz ist aber das Gegenteil der Fall. Beim Unterhaltsbeitragsgesetz, das ich soeben zitiert habe, ist das offenkundige Bestreben der Behörden zu konstantieren, die Frauen und die Kinder der Eingerückten um den zurechtbestehenden Unterhaltsbeitrag mit allen Methoden und Schikanen zu bringen. Das Gesetz wird falsch ausgelegt; es werden Bestimmungen in das Gesetz hineingelegt, die gar nicht darin stehen, der Sinn des Gesetzes wird in das Gegenteil verzerrt, der Wille der Gesetzesgeber mit Füßen getreten. Als seinerzeit das Gesetz geschaffen worden ist, geschah es unter ziemlichem Aufwand von Kräften, denn schon damals wurde darauf hingewiesen, daß, wenn die Bestimmungen des Gesetzes nicht klar und deutlich sind, sie leicht dazu benützt werden können, um die Auspruchsberechtigten um ihre Rechte zu bringen. Die Regierung hatte in der Vorlage für dieses Gesetz festgelegt, daß nur diejenigen Angehörigen der zur Militärdienstleistung Eingerückten Anspruch auf den Unterhaltsbeitrag haben, die vermögens- und erwerbslos sind. Ich habe damals im Wehrausschuß auf die Tücken dieser Bestimmungen aufmerksam gemacht, ich habe darauf hingewiesen, daß diese Bezeichnungen dahinführen können, daß Leute, die unter den dürftigsten Verhältnisen leben, Arbeiter, insbesondere Arbeiter auf dem Lande, die ein Eigenhaus besitzen, um den Unterhaltsbeitrag für ihre Frauen und Kinder gebracht werden können. Man hat damals die Berechtigung dieser Einwendungen auch vollständig anerkannt und es wurde dann in gemeinsamer Sitzung des Wehrausschusses und des Budgetausschusses beschlossen, daß im § 4 die Bestimmung zugefügt werde, daß alle jene Anspruch haben auf den Unterhaltsbeitrag, wenn ihr Unterhalt von dem Arbeitseinkommen des zur Dienstleistung Herangezogenen abhängig und infolge der Heranziehung gefährdet ist. Bis zum Jahre 1923 ist tatsächlich die Handhabung des Unterhaltsbeitraggesetzes in einer Art und Weise vor sich gegangen, daß nur wenig Beschwerden zu erheben waren. Dann aber wurde das Gesetz im Stich gelassen und es wurde das Gesetz im Sinne des ursprünglichen Regierungsentwurfes gehandhabt, in einem Sinne, der ausdrücklich von den Gesetzgebern damals abgelehnt worden ist. Ich will Ihnen aus der Praxis eine Reihe Fälle bekanntgeben, die Ihnen zeigen, wie das bestgedachte Gesetz durch die Bürokratie zu einer Farce verzogen wird. Eine gewisse Julie Riedel aus Klein Mohrau, der Mann Waldarbeiter, die Frau ohne Erwerb, zwei kleine Kinder, wurde abgewiesen mit der Begründung, daß sie nicht unvermögend, nicht erwerbsunfähig und nicht von dem Arbeitseinkommen ihres Mannes abhängig war. Der Mann besitzt ein Eigenhaus, das noch dazu mit 2.000 Kronen verschuldet ist. Marie Kutsch er, Gotschdorf, der Mann Textilarbeiter, die Frau keinen Eigenerwerb, keinen Besitz, keine Kinder, jedoch in anderen Umständen, wurde abgewiesen, weil sie nicht erwerbsunfähig ist. Wilhelmine Arbter, Weißkirch, der Mann Arbeiter, keinen Erwerb, keine Kinder, wurde abgewiesen ohne Angabe von Gründen. - Elfriede Hafrank, Bransdorf, der Mann Arbeiter, keinen Besitz, keine Kinder, Arbeiterin, 17 Kronen tägliches Einkommen, wurde abgewiesen, weil der Unterhalt nicht bedroht ist. Hedwig Friedel, Würbenthal, der Mann Arbeiter, die Frau unvermögend, ein kleines Kind, verdient täglich 20 Kronen, die sie für die Pflege des Kindes bezahlen muß, wurde mit ihren Ansprüchen für sie und ihr Kind abgewiesen, weil der Unterhalt für sie und das Kind durch den Verdienst gedeckt ist. Glauben Sie nicht, daß solche Fälle nur in dem Bereich der politischen Landesverwaltung Schlesien vorgekommen sind. Wir haben ganz ähnliche Fälle aus dem Bereich der Bezirksverwaltung Olmütz, wir haben auch solche Fälle aus Böhmen. Was alles herhalten muß, um die Angehörigen der Eingerückten um ihren Unterhaltsbeitrag zu bringen, dafür will ich Ihnen einen ganz besonders krassen Fall zeigen. Johann Dittel in Hoschütz wurde mit seinem Ansuchen um den Unterhaltsbeitrag für seine Angehörigen abgewiesen mit der Begründung, daß das Gesuch nicht in èechischer Sprache abgefaßt ist. Im Sprachengesetz, dessen Durchführungsverordnung bis heute noch nicht entschieden ist, ist ausdrücklich festgelegt, daß wegen Unkenntnis der Sprache niemand einen materiellen Schaden erleiden darf. Hier aber ist es ein willkommener Anlaß, um den Betreffenden einfach um den Unterhaltsbeitrag für seine Angehörigen zu bringen. Wir haben eine Reihe von Fällen, wo dem unehelichen Kinde des Eingerückten der Unterhaltsbeitrag nicht zugesprochen worden ist, obwohl nachgewiesen worden ist, daß das Kind zu einem Zeitpunkt gezeugt wurde, wo der Betreffende noch nicht eingerückt gewesen ist. Auch diese Praxis widerspricht dem Gesetz, denn im § 2 des bürgerlichen Gesetzbuches heißt es ausdrücklich: Selbst ungeborene Kinder haben von dem Zeitpunkt des Empfängnisses an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze. Insoweit es um ihre und nicht um die Rechte eines Dritten zu tun ist, werden sie als Geborene angesehen. In allen diesen Fällen hätte müssen dem Kinde der Unterhaltsbeitrag gegeben werden, genau so, als ob das Kind schon zur Zeit der Einrückung des Betreffenden dagewesen wäre. Diese Praxis ist das Unerhörteste, was man sich vorstellen kann. Die Frau mit ihren kleinen Kindern wird als erwerbsfähig bezeichnet, Arbeiter, die ein verschuldetes Eigenhaus haben, als vermögend, eine Frau, die 17 Kronen täglich verdient, als nicht vom Verdienst des Mannes abhängig bezeichnet usw. Das alles geschieht willkürlich, ohne den geringsten Anhaltspunkt im Gesetz. Meine Herren, es ist nicht Zufall, daß eine derartige reaktionäre Auslegungspraxis platzgegriffen hat. Diese arbeiterfeindliche Praxis ist auf die direkte Weisung des Ministeriums des Innern zurückzuführen. Es wurden zwei Erlässe herausgegeben, ein Erlaß am 10. November 1924, in dem es ausdrücklich heißt, daß nur jene Personen als erwerbsunfähig anzusehen sind, die diese Erwerbsunfähigkeit durch ein amtsärztliches Zeugnis nachweisen können. In einem zweiten Erlaß, vom 16. Dezember 1924 - und diesen Erlässen sind schon andere im ähnlichen Sinne vorausgegangen - heißt es, daß als Erwerbsunfähigkeit nur Arbeitsunfähigkeit infolge Alters, Krankheit oder Invalidität zu bezeichnen ist. Das Ministerium des Innern ist es also, das den Wegweiser für reaktionäre Auslegungen durch unsere Bürokratie abgibt. Dabei ist das Gesetz, wie wir es heute haben, nichts anderes als ein Provisorium und das Ministerium des Innern hätte eigentlich schon längst die Verpflichtung gehabt, dieses Provisorium durch eine zweckentsprechende definitive Gesetzesvorlage zu ersetzen. Schon bei Beratung dieses Gesetzes hier im Hause und auch im Wehrausschusse, dann später auch bei anderen Gelegenheiten, wo die Vertreter des Ministeriums des Innern in dieser Sache von mir interpelliert worden sind, ist immer die Erklärung abgegeben worden, daß das Ministerium des Innern innerhalb kürzester Frist eine neue Vorlage, gestützt auf die Erfahrungen der bisherigen Praxis dem Hause unterbreiten wird. Wir haben eine Reihe von Interpellationen eingebracht, durch die wir die Regierung auf diese Zusage erinnert und von ihr gefordert haben, sie möge diese Zusage endlich erfüllen. Die Regierung hat diese Zusage nicht nur nicht erfüllt, das Ministerium des Innern hat auf unsere Interpellationen nicht einmal eine Antwort gegeben. Statt dessen aber die Weisungen, das Gesetz in der reaktionärsten Weise zu handhaben und auszulegen.
Meine Damen und Herren! Dieser Zustand ist ein aufgelegter Skandal und ich glaube, es ist Pflicht jedes sozialdenkenden Kollegen, dem Resolutionsantrage zuzustimmen, den wir unterbreitet haben und in dem die Regierung aufgefordert wird, noch in der Frühjahrsession einen endgültigen Gesetzentwurf über die Regelung der Unterhaltsbeiträge für die zur militärischen Dienstleistung Eingerückten zu unterbreiten. Ich bitte Sie zur Annahme dieses Antrages. (Potlesk na levici.)
2. Øeè posl. dr. Haase (viz str. 1383 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Der Herr Referent des Rechts- und Verfassungausschusses hat sich damit beschäftigt, die Verfassungsmäßigkeit des vorliegenden Gesetzes zu rechtfertigen. Schon diese Tatsache, daß der Herr Referent des Verfassungsausschusses die Notwendigkeit empfunden hat, über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu sprechen, ist ein Beweis dafür, daß das Gewissen der Herren von der Koalition in diesem Punkte nicht so rein ist, wie sie in der letzten Sitzung des Rechts- und Verfassungsausschusses vorgegeben haben.
Es ist ein eigentümliches Geschick, welches die Abgeordneten der Opposition, soweit sie dem Rechts- und Verfassungsausschusse angehören, immer wieder zwingt, die Verfassung, die Sie, meine Herren von der Koalition, ganz allein gemacht haben, gegen Sie zu verteidigen (Sehr richtig!). Der Traum der Demokratie, den Sie geträumt haben, war sehr kurz. Sie haben von einer demokratischen "Überschweiz" geträumt, und Ihre erste Tat war, daß Sie all diejenigen, die nicht èechoslovakisch punziert sind und die Sie mit dem Namen "Minderheitsvölker" bezeichnen, von den wichtigsten Auswirkungen der Demokratie ausschließen. Aber für sich selbst haben Sie die Demokratie in ihrer reinsten Gestalt noch immer in Anspruch genommen. Jetzt aber beginnen Sie bereits mit ziemlicher Konsequenz, auf die Demokratie auch für sich zu verzichten. Sie beginnen, an einer Selbstberaubung des Parlamentes, um nicht zu sagen an seiner Selbstentmannung zu arbeiten. Es ist dies nur allzubegreiflich: Das System der "Pìtka" muß unbedingt dazu führen, daß die Demokratie in diesem Staate immer mehr verschwindet, bis sie schließlich und endlich zu einer bloßen Form herabsinkt.
Der Herr Referent des Rechts- und Verfassungsausschusses hat den § 111 der Verfassung hergenommen und zu beweisen versucht, daß nach dem Wortlaut dieser Verfassungsbestimmung das Gesetz vollständig in Ordnung ist, daß das Parlament die Grundsätze der Demokratie nicht verletzt, wenn es vollständig darauf verzichtet, festzustellen, was zu vergebühren ist, unter welchen Bedingungen und mit welchen Beträgen. Der Herr Referent des Rechts- und Verfassungsausschusses hat gesagt, im § 111 der Verfassungsurkunde steht, daß Steuern und öffentliche Abgaben überhaupt nur auf Grund eines Gesetzes auferlegt werden dürfen. Er hat sich nun auf das Wort "Auf Grund eines Gesetzes" verlegt, was nicht dasselbe sein soll, als wenn hier stünde: "durch das Gesetz". Es wird mit Spitzfindigkeit gesagt: "na základì zákona, - auf Grund eines Gesetzes" ist etwas anderes als "zákonem", das ist: "durch das Gesetz". Es mag das, wenn man bei einem Prozeß den Gegner irgendwie mit einer Auslegung des Gesetzes, die sehr spitzfindig ist, bluffen will, begreiflich, verzeihlich und vielleicht ein sehr schöner juristischer Kniff sein. Bei der Auslegung der Verfassungsurkunde aber müßte man doch, besonders wo es sich darum handelt, Einwendungen zu entkräften, daß das demokratische Prinzip verletzt worden sei, auf derartige juristische Kniffe verzichten. Ich möchte Ihnen in Erinnerung rufen, was Sie in der Einführungsformel zur Verfassungsurkunde, auf die Sie so stolz sind, gewissermaßen zur Interpretation der Verfassungsurkunde gesagt haben. Sie haben ausdrücklich und feierlich versprochen, "die Durchführung der Verfassung und aller Gesetze im Geiste moderner, dem Prinzip der Selbstverwaltung entsprechender Grundsätze zu besorgen, damit das èechoslovakische Volk sich als demokratisches und fortschrittliches Mitglied in den Völkerbund eingliedern könne." Wenn man also die Verfassung zu interpretieren hat, muß man auf diese Kinkerlitzchen und Mätzchen der Wortinterpretation verzichten; man muß sich im Gegenteil fragen, wie man die Verfassungsurkunde in ihrem Geiste der Wahrung der demokratischen Prinzipien zu interpretieren hat. Da müssen wir wohl sagen, daß man aus der historischen Entwicklung des Parlamentarismus schließen muß, daß die Grundfeste des demokratisch-parlamentarischen Systems die Finanzhoheit des Volkes, ausgeübt durch die gewählten Volksvertreter, ist. Es hieße, Eulen nach Athen tragen, erzählen zu wollen, wie der Parlamentarismus entstanden ist. Es weiß jeder, daß er seine historischen Grundlagen darin hat, daß die Finanzhoheit von dem Volk ergriffen wurde. Wenn wir nun im Sinne des demokratischen Geistes den § 111 der Verfassungsurkunde interpretieren, so besagt die Verfassungsurkunde unbedingt: "Wir müssen unter allen Umständen daran festhalten, daß die Finanzhoheit von den gewählten Vertretern auszuüben ist." Und wenn man uns nun sagt, und das sagt heute der Herr Referent des Rechts- und Verfassungsausschusses, und er sagte es auch gestern im Rechts- und Verfassungsausschuß: "Man würde bei der zu engen Interpretation dazu kommen, daß die autonomen Selbstverwaltungskörperschaften nicht mehr in der Lage wären, ihre Abgabenordnungen zu beschließen," ja dann, meine sehr geehrten Herren, von der Koalition, ist hier wieder ein kleines juristisches Mätzchen unterlaufen. Was wir verteidigen, ist nämlich die Demokratie und es ist schon etwas anderes, ob die autokratisch organisierte Regierung etwas beschließt, oder ob im Rahmen eines Gesetzes, also auch eines Rahmengesetzes, eine gewählte, also wieder auf demokratischen Grundsätzen aufgebaute Selbstverwaltungskörperschaft sich eine Abgabenordnung beschließt! (Souhlas na levici.) Das wollte die Verfassung, das liegt in ihren Geiste, nicht aber, daß sich das Parlament selbst entmannt, daß es abdiziert und das wichtigste Recht der denokratischen Volksvertretung, das Finanzrecht, einer bürokratisch organisierten, autokratischen Regierung überträgt. (Výkøik: Hier werden die autonomen Körperschaften auch ernannt, wie Sie wissen!) Von diesem Gesichtspunkt aus hat der Herr Referent natürlich Recht, aber ich gehe von der Verfassung aus und da habe ich Recht. Aber die ganze Geschichte ist eben die, daß wir die Verfassung überhaupt nur noch zur Dekoration für das Ausland haben. (Posl. dr. Hnídek: Tak máme oba dva recht!) Oba dva. Podle ústavní listiny já, ale podle praxe koalièní a pìtkáøské máte vy pravdu. Nun, meine geehrten Herren, die Auffassung der beiden Herren Referenten ist in dieser Beziehung nicht ganz einheitlich. Der Herr Referent des Rechts- und Verfassungsausschusses ist, weil er eben für den Rechts- und Verfassungsausschuß gesprochen hat, ununterbrochen in seinem Gedankengang davon beherrscht gewesen, er müsse um alles in der Welt die Verfassungsmäßigkeit der Vorlage rechtfertigen: er hat sich bemüht, nur ja nicht das Wort "Rahmeengesetz" zu gebrauchen, nur ja nicht noch einmal den § 1, Absatz 3 zu wiederholen, durch welchen unterstrichen wird, daß die Regierung ermächtigt wird, durch Verordnung die Abgaben festzusetzen. Der Herr Referent des Budgetausschusses war in dieser Beziehung schon etwas unvorsichtiger, er hat das Kind beim rechten Namen genannt, er hat gesagt: Es ist ein Rahmengesetz und in dem Rahmengesetz wird nichts anderes bestimmt, als daß man der Regierung die Vollmacht erteilt, die Abgaben festzusetzen. Nun, meine Herren, es wurde vom Herrn Referenten des Rechts- und Verfassungsauschusses auch auf ein bischen Literatur reflektiert, ein ganz klein wenig auch auf Präjudizien und Präzedenzfälle. Nun, was die Literatur anlangt, muß man selbst bei der konniventesten Auslegung im Interesse der Entdemokratisierung sagen, daß doch alle auf dem Standpunkt stehen, daß wenn schon nicht die Abgabenhöhe, so zumindest doch das Objekt, welches zu versteuern ist, im Gesetz feststehen muß. Diese richtige Behauptung ist auch in einem kleinen Nebensatz dem Herrn Referenten des Budgetausschusses so nebenbei - sagen wir - durchgerutscht. Nun ist im Entwurfe gesagt: die Regierung wird durch Verordnung festsetzen, in welchen Zweigen der öffentlichen Verwaltung, in welchen Fällen und in welcher Höhe die Gebühren einzuheben sind. Ich möchte nun gern wissen, meine Herren, was hat das Gesetz also eigentlich festgesetzt? Weder die Zweige der Verwaltung, noch die Verwaltungsakte, noch die Höhe. Das zu vergebührende Objekt ist also nicht einmal im mindesten festgesetzt. Dieser Absatz 3 des § 1 ist tatsächlich nichts anderes als die Negation der Finanzhoheit der demokratischen Volksvertretung, es ist die Abdikation der Demokratie zu Gunsten der autokratischen Bürokratie. (Souhlas na levici.) Und wenn man sich sich nun, meine Herren, auf Präzedenzfälle beruft, so könnte man ja das sofort abtun mit dem bekannten Wort: "Dadurch, daß jemand dreimal stiehlt, wird er noch nicht berechtigt, es das viertemal zu tun." Präzedenzfälle der Verfassungsverletzung rechtfertigen nicht eine neue Verletzung; und wenn es hundert wären, so darf die Verfassung nicht das hunderterstemal verletzt werden.
Und nun werde ich Ihnen, damit Sie nicht einwenden, ich spreche nur als Oppositioneller, eine kleine Vorlesung über Ihre Verfassungsverletzungen halten, u. zw. aus den "Lidové Noviny" vom 17. März. Die "Lidové Noviny" mischen sich in die Polemik und sagen: "Man hat bisher immer gesagt, daß bei derartigen Dingen" - ich werde èechisch lesen - "Nouze láme železo", Not Eisen bricht. Der Herr Referent des Budgetausschusses hat auch darauf reflektiert: "Es war die Zeit zu kurz", hat er gesagt, "man konnte nicht ein komplettes Gesetz machen." Nun sagen aber auch davon die "Lidivé Noviny" weiter: "Ale ústava snad není takovým železem, - die Verfassung ist wohl nicht ein solches Eisen, welches durch Notstand gebrochen werden kann." Wenn Sie die Präzedenzfälle anführen, so kann man Ihnen vielleicht zubilligen, daß in früheren Zeiten die Verhältnisse nicht stabilisiert waren. Aber heute sind Sie doch stabilisiert. Sie sagen ja selbst, wir seien der stabilisierteste Staat, der überhaupt existiert. Damals also konnte man noch sagen: "Es konnte in der Geschwindigkeit etwas unterlaufen"; aber heute ist es wirklich, wenn man Sie schon darauf aufmerksam macht, nicht gerade schön für Sie, bedeutet nicht ein Ehrenschild für Sie, wenn Sie um sich frei zu machen von dem Vorwurf der Verfassungsverletzung, die Verfassung in dieser Weise, mit allen möglichen juristischen Kniffen auszulegen versuchen, um imstande zu sein, auf Ihr demokratisches Recht zu verzichten, d. h. dieses Recht des Parlamentes auf die Regierung zu übertragen! Und nun, meine Herren, wurden wir damit getröstet, der § 9 des Gesetzes sei so geartet, daß er das Parlament vor Übergriffen der Bürokratie vollständig schützt. Vor allem möchte ich Folgendes feststellen: Ich glaube, ja bin fest überzeugt, daß dieser § 9 beileibe nicht ein Kompliment vor der Demokratie, vor dem demokratischen Prinzip, sondern nur ein Ausfluß der Tatsache ist, daß die Herren in der "Pìtka" sich gegenseitig nicht trauen. Es weiß keiner, wann er hinausgelehnt werden wird, es weiß keiner recht, wer übermorgen die Regierung darstellen wird, und da wollten Sie sich so ein bischen mit dem § 9 gegeneinander schützen; dieser § 9 ist aber wiederum eine Verfassungsverletzung. Das ist schon einmal so. Im § 1 haben Sie die Verfassung verletzt, und die notwendige Konsequenz ist, daß Sie sie im § 9 neuerlich verletzen. Der Beweis ist hier sehr leicht ohne juristische Argumentation zu erbringen; ich möchte Sie damit nicht aufhalten, nur bloße Tatsachen möchte ich anführen: In der gestrigen Sitzung des Rechts- und Verfassungsausschusses habe ich mir die - sagen wir - die Unverfrorenheit erlaubt, zu fragen, auf Grund welcher verfassungsrechtlichen Bestimmung dieser § 9 in das Gesetz hineingegeben werden konnte. Die Herren Vertreter der hohen Ministerien blieben auf diese Frage die Antwort schuldig und haben lediglich erklärt: Es seien bereits Präzedenzfälle da. Nun, was ich von den Präzedenzfällen halte, habe ich schon vorhin gesagt.
Man müßte uns jedoch sagen, auf welche verfassungsmäßige Bestimmung sich dieser § 9 stützt. Der Herr Referent des verfassungsrechtlichen Ausschusses hat sich gestern auf den § 54 der Verfassungsurkunde gestützt, heute gibt er es etwas billiger, er geht um zwei Ziffern zurück, er nimmt jetzt den § 52. Mit derselben Berechtigung nun, mit der der § 54 angegeben wurde, mit derselben Berechtigung wird der § 52 als jene Bestimmung angegeben, auf welche sich der § 9 stützen kann. Es handelt sich im § 9 nämlich darum, daß die Abgabeordnungen dem Parlamente vorzulegen sind; wenn eines der Häuser sie binnen 14 Tagen nicht zur Kenntnis nimmt, dann tritt die betreffende Abgabeordnung außer Kraft. Also erstens, meine Herren, "nicht zur Kenntnis nimmt!" Was ist das für ein Begriff in der Gesetzgebung? Man nimmt eine Erklärung der Regierung nicht zur Kenntnis, aber eine Verordnung zur Kenntnis nehmen oder nicht, das habe ich in der Verfassung nicht gefunden. Außerdem tritt von vornherein in Gesetzgebungsangelegenheiten - denn hier substituiert ja die Verordnung das Gesetz - eine Diskrepanz zwischen den beiden Kammern ein, indem die eine Kammer, ohne daß die andere befragt wurde oder überhaupt die Möglichkeit hatte mit der ersten Kammer in Verbindung zu treten, einen endgültigen Beschluß faßt. Sie heben, meine Herren, sogar die verfassungsmäßigen Bestimmungen über das Verhältnis der beiden Kammern zu einander auf. (Posl. dr. Hnídek: Pane kolego, toho je tøeba pøi zákonì, ale to není zákon!) Však právì proto, když to není zákon, nemìli jste to právo dávati vládì. Nun hat sich gestern der Herr Referent des Verfassungsausschusses, wie schon gesagt, auf den § 54 berufen. Daß er sich heute auf den § 52 beruft, beweist, daß er nicht ganz sicher ist; und wenn an als Koalitionsabgeordneter, der mitgeholfen hat, die Verfassung zu machen, etwas vertritt, so muß man doch auf der ganzen Klaviatur so zu spielen in der Lage sein, daß wenn man wirklich die ehrliche Überzeugung hat, man sofort die maßgebende Bestimmung der Verfassung trifft. (Posl. dr. Holitscher: Auch ein Künstler greift manchmal daneben! Posl. Heeger: Das ist dann ein Mißton!) Das war ein furchtbarer Mißton, das Zitat, des § 54! Der handelt nämlich vom Stálý výbor, vom ständigen Ausschuß. (Posl. dr. Hnídek: To bylo analogicky!) Já pøijdu ještì na tu analogii, pane referente. Když chcete, já vám to všechnu øeknu. Der § 54 läßt sich nicht analog anwenden, denn die erste Voraussetzung ist, daß es sich um ein "opatøení Stálého výboru", um eine Verfügung des Ständigen Ausschusses, das ist einer parlamentarischen Körperschaft, handelt. Hier handelt es sich hingegen um die Verfügung einer bürokratischen Regierung. Die zweite Tatsache, welche eine Analogie ausschließt, ist die, daß im § 54 die Voraussetzung steht, daß das Parlament zur Zeit, wo diese Verfügung von der parlamentarischen Körperschaft getroffen wird, nicht tagt. Hier haben wir doch das Gegenteil: obwohl wir tagen, wollen wir selbst die Verfügung nicht machen. Eine Analogie ist hier nicht möglich. Und weil der Herr Referent des Rechts- und Verfassungsausschußes sich von gestern auf heute bewußt wurde, daß man auch in der Verfassungsurkunde mit Analogien zum Zwecke des Abbaues der Demokratie nicht arbeiten darf, hat er uns heute den § 52 serviert. Nun, meine Herren, der § 52 sagt, daß das Parlament das Recht hat, die Verwaltungshandlungen der Regierung zu überprüfen. Es heißt im § 52 "správní úkony". Nehmen Sie sich den vorliegenden Entwurf her, da heißt es auch: Úkony ve správních vìcech. Ich bitte, Herr Referent, Sie wissen, ich kann sehr gut èechisch, aber in einer solchen Terminologie kenne ich mich nicht mehr aus. Wenn eine Verordnung ein "správní úkon" ist, dann wird langsam alles gebührenpflichtig, dann wird wahrscheinlich auch die Interpellation eines Abgeordneten gebührenpflichtig sein, weil sie auch einen "správní úkon" hervorruft, und der Abgeordnete, der sie einbringt, ist derjenige, "který byl pøíèinou". Mit dem § 52 kommt man da nicht sehr weit. Der Herr Referent hat sich das auch sehr leicht gemacht, er hat sich nur auf den § 52 berufen und damit war der § 9 der Vorlage erledigt. Sie werden aber zugeben, daß der § 9 sich absolut nicht hineinfügen läßt in unsere ganze Apparatur, und wenn Sie tausende von Präzedenzfällen hätten, wird es dadurch nicht besser. Nun, meine sehr verehrten Herren, es scheint, als ob wir in die Zeiten des verewigten § 14 Altösterreichs in verschlechter Wiedergeburt zurücksinken. Der § 14 war ein bischen nobler ausgestattet: mit dem Namen "kaiserliche Verordnung", Gesetzeskraft, Verordnungen auf Grund desselben sollten dem Parlamente vorgelegt werden, es sollte mit seiner Anwendung wenigstens gewartet werden, bis das Parlament nach Hause gejagt wird usw. Wir brauchen das alles nicht. Wir sagen freiwillig, daß wir mit der Gesetzgebung nichts zu tun haben wollen, daß die Regierung so gescheit, weise, voraussichtig, so kolossal genial ist, daß sie das alles schon machen wird. Es ist also viel schlechter als zur Zeit des § 14.
Meine sehr verehrten Herren, sollte schon dieser prinzipielle Standpunkt zur Ablehnung des Gesetzes genügen, will ich Ihnen, damit Sie sich noch ein wenig über das Gesetz unterhalten, noch einige Details zu Gemüte führen. Im § 2 z. B. heißt es, daß die Gebühr zu veranlagen ist unter Berücksichtigung des Umfanges und der Schwierigkeit der Verhandlung. Ich habe das bereits gestern gesagt und wiederhole, daß die Schwierigkeit der Verhandlung der Beamte beurteilen soll, der die Verhandlung führt. Nun, meine Herren, der tüchtige Mann, der geschickt, gebildet und rasch ist, hält die Verhandlung für leicht; je weniger geschickt, je weniger klug und je weniger gebildet der Beamte ist, um so leichter kommt er dazu, eine Verhandlung für schwer zu halten. Um das auf eine kurze Formel zu bringen: Wenn so ein armer Staatsbürger zu einem Beamten kommt, der nicht viel taugt, ist er schon ohnehin von Gott gestraft. (Veselost na levici.) Aber damit ist noch nicht genug! Nach dem Gesetz muß er noch höhere Gebühren zahlen, weil der betreffende Beamte sagt: "Ta obtížnost byla veliká." Und damit man die Angelegenheiten den Verhältnissen besser anpassen kann, also auch der Intelligenz der Beamten, so können Sie eben nicht durchwegs fixe oder perzentuelle Gebühren festsetzen, sondern müssen einen Unterschied machen. Die kleinen Gebühren werden, wie uns der Vertreter des Finanzministeriums versichert hat, fixiert, die größeren werden nur mit einer Höchstziffer begrenzt, innerhalb welcher sich dann der Geschmack und vielleicht manchmal auch die Willkür ausleben kann. Der Maßstab ist "kolossal genau", wie der Referent des Budgetausschusses gesagt hat. Ich bitte, die Genauigkeit der Umschreibung ist folgende. Die Größe des Aufwandes, welcher durch die Verhandlung der Sache hervorgerufen, ferner Umfang und Schwierigkeit der Verhandlung, darüber habe ich schon gesprochen, weiters die Wichtigkeit der Sache - das ist ja Gummi, Kautschuk zum Quadrat - des weitern der Vorteil, welcher der Partei entstanden ist - das ist auch "sehr bestimmt" - und schließlich kommt nocht etwas: Rücksicht zu nehmen ist auch auf die ermögensverhältnisse. Nun, da hat man mich im Verfassungsausschuß beruhigt und gesagt: Der Beamte wird doch beurteilen können, in welcher Weise so ein Mann auftritt, ob er der Arbeiterklasse angehört usw. Nun, meine Herren, da kann man antworten: Wenn einer, keinen Respekt vor der Behörde hat, vom Arbeitsplatz im eingeschmierten Gewande kommt und noch ein bischen grob wird, dann wird der Beamte erkennen, daß das ein armer Teufel ist. Wenn aber einer aus Respekt vor der hohen Behörde sich sein Sonntagsgewand anzieht und höflich ist, dann kann man ihm eine höhere Gebühr aufpelzen. Repariert soll die Geschichte werden durch den § 4, in welchem es heißt, daß die Verleihung des Armenrechtes möglich ist. Die Voraussetzung aber ist dieselbe, wie wir sie aus dem alten Österreich geerbt haben - und das wurde im Rechts- und Verfassungsausschuß verteidigt - daß nämlich durch die Gebühr der notdürftige Unterhalt gefährdet sein muß. Wir haben beantragt, daß das Wort "notdürftig" aus dem Gesetz verschwinden soll, weil wir aus der Praxis wissen, daß bei der Erteilung des Armenrechtes in Gerichtsangelegenheiten oft auf diesem Wort "notdürftig" herumgeritten wird und daß oft den Ärmsten der Armen das Armenrecht nicht zugebilligt wird. Wenn Sie hier damit operieren, der notdürftige Unterhalt müsse durch die Gebühr gefährdet sein, dann ist es sicher, daß nur ein ganz geringer, verschwindender Prozentsatz der armen Bevölkerung des Armenrechtes teilhaftig werden wird.