Úterý 11. listopadu 1924

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 297. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 11. listopadu 1924 odpol.

1. Øeè posl. inž. Junga (viz str. 184 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die kurze, mir zur Verfügung stehende Redezeit, werde ich mir erlauben, da ich mich zu beiden Gegenständen der Tagesordnung zum Worte gemeldet habe, unter einem über beide zu sprechen. Es dreht sich um zwei anscheinend harmlose, in Wirklichkeit jedoch sehr bedeutende tief einschneidende Regierungsvorlagen. Beide haben den fühlbaren Richtermangel zur Ursache, dem die erstere abzuhelfen hofft. Meines Erachtens wäre, um dem Richtermangel abzuhelfen, nicht nur die materielle Besserstellung des Richterstandes, sondern von allen das eine notwendig, seine Unabhängigkeit wirklich zu wahren. Und gerade dem widerspricht die zweite Vorlage, die ja tatsächlich mit der Richterunabhängigkeit aufräumt und mit der Richterunversetzbarkeit und -unabsetzbarkeit bricht. Man muß sich darüber klar sein, daß diese Änderung der Verfassungsbestimmungen, die mit der zweiten Vorlage tatsächlich durchgeführt wird, unabsehbare Folgen nach sich ziehen muß. Die Vorlage bezweckt nicht so sehr eine Neuregelung des Gerichtswesens, es soll vielmehr der Regierung wohl eine Handhabe gegeben werden, bei der Durchsetzung ihrer nationalen Bestrebungen in der Besetzung der Gerichte Erfolg zu haben, und außerdem ein Mittel, deutschbewußte Richter die harte Hand des Staates fühlen zu lassen. Ist es doch heute schon leider so, daß deutsche Richter aus Angst manchmal härter entscheiden, als es unseres Erachtens notwendig wäre. Ich könnte in diesem Zusammenhang auf einen deutschen Richter in Troppau hinweisen. Die Gesetzwerdung des Entwurfes wird ohne Zweifel nicht allein für die deutsche Richterschaft, sóndern für das ganze deutsche Volk Folgen nach sich ziehen, da durch die Aufhebung der Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit der Richter die Gerichte ganz nach Belieben der Regierung zusammengesetzt werden können. Man muß in diesem Zusammenhang an die von èechischer Seite vom nationalen Standpunkt schon oft erörterte Unzulänglichkeit in der Besetzung der Gerichte denken. Immer und immer wieder wird darauf hingewiesen, daß im sogenannten gemischtsprachigen Gebiet viel zu wenig èechische Richter sitzen und daß es gerade Gerichte, wie Karlsbad, Marienbad, Teplitz und andere Gerichte im deutschen Sprachgebiete sind, die keine oder wenig èechische Richter, namentlich in leitenden Stellen besitzen.

Es wird wohl auch daran gegangen werden, deutsche Gerichte aufzulösen und auf diese Weise der deutschen Bevölkerung einen großen Schaden zuzufügen. Wird die erste und insbesondere die zweite Vorlage angenommen, und daran ist ja wohl angesichts des tadellos arbeitenden Händehochapparates der Koalition leider kein Zweifel möglich, so wird dadurch das eine, was wir immer wieder befürchten, herbeigeführt, daß die Rechtspflege hierzulande vollends zur Dirne des Systems herabgewürdigt wird - auf dem Hunde ist sie ohnehin schon. Für diese Behauptung können hunderte, wenn nicht tausende von Bei pielen erbracht werden. Meiner Ansicht nach sollte man ständig wenigtens die haarsträubendsten Fälle von Gerichtsurteilen hier vorbringen, sei es auch nur aus dem Grunde, um der Bevölkerung sinnfällig vor Augen zu führen, wie es um die Rechtspflege bestellt ist, deren strenge Unparteilichkeit und Unabhängigkeit zu wahren, der Ehrgeiz eines anständigen Staatswesens sein müßte. Die sog nannte Demokratie - besser gesagt der Schwindel, den zur Macht gelangte politische Kriegsgewinnler und Strauchrichter übelster Sorte mit diesem Begriff treiben - hat seit dem Umsturz auch die Rechtspflege gründlich korrumpiert. Sogar im Deutschen Reiche, das früher als Rechtsstaat erster Ordnung galt, ist ein ziemlich großer Rückschritt in dieser Hinsicht zu verzeichnen. Ich verweise bloß auf den Fall Hitler. Auch in Deutschösterreich beweist der Fall Castiglioni, daß es mit der Rechtspflege nicht am besten bestellt ist. Hierzulande kann man, soweit die deutsche Bevölkerung in Betracht kommt, von einer geordneten, unparteiischen Rechtspflege überhaupt nicht mehr sprechen. Besonders der Oberste Gericht shof entscheidet in Fällen, welche die Deutschen betreffen, durchaus parteiisch und seine Entscheidungen sind geradezu kindisch und an den Haaren herbeigezogen. Selbst der Oberste Verwaltungsgerichtshof, dessen Entscheidungen in den ersten Jahren noch einen Hauch von Unparteilichkeit verspüren ließen, beginnt langsam vom allgemeinen Korruptionssyst em angesteckt zu werden.

Ich werde an der Hand einiger Akten, die nicht etwa besonders herausgeklaubt sind, die Verhältnisse beleuchten. Die Fälle betreffen das Landesgericht in Troppau und den Obersten Gerichtshof in Brünn, ferner die Troppauer Staatsanwaltschaft und in einem Falle das Kreisgericht Brüx. Sie zeigen, wie unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit und der Gesetzlichkeit und unter Mißbrauch des Gesetzes jede unliebsame Regung mit Gewalt unterdrückt und unter Anwendung von Gesetzen, die darauf sichtlich keine Anwendung finden können, gestraft wird. Was zunächst die Einschränkung der freien Meinungsäußerung anbetrifft, hat vor der Erlassung des Schutzgesetzes wie auch schon im alten Österreich neben den Paragraphen 300 und 302 hauptsächlich der § 305 des Strafgesetzes herhalten müssen, um jeder unliebsamen Äußerung in einer Rede eine Deutung zu geben, nach welcher sie in diese Gesetzbestimmmungen hineingepreßt werden konnte. Während aber im alten Österreich sich die Anklagen immerhin nur auf einige seltenere Fälle erstreckten, wimmelt es in diesem demokratischen Freiheitsstaat geradezu von Anklagen nach dem früheren § 305 des Strafgesetzes und seit Erlassung des Schutzgesetzes nach dessen § 16. Sie sind geradezu das tägliche Brot der Strafgerichte.

Aus dem Wortlaut des § 305 des Strafgesetzes geht hervor, daß das Gesetz hier an die öffentlliche Verbreitung äußerst gefährlicher Bestrebungen denkt, welche die Grundlagen der sogenannten bürgerlichen Ordnung unterwühlen und umstürzen wollen. Es handelt sich um die Propagierung gefährlicher Lehrsätze und um allgemeine Aufforderungen, nach den Grundsätzen derselben zu handeln - beispielsweise alle Juden zu erschlagen oder dergleichen - aber keineswegs um eine Aufforderung oder Anstiftung zu einer ganz bestimmten Tat. Nach der Praxis der Staatsanwaltschaften aber wird - ganz entgegen der Absicht dieses Gesetzes - die Anklage regelmäßig auch dort erhoben, wo es sich um Aufforderungen zu konkretem Tun handelt, insbesondere in Fällen, wo dieses gar nicht unter Strafe gestellt ist. Hieraus ergibt sich schon, daß es sich meistens um unerhebliche Dinge handelt, die in den Rahmen jener gefährlichen Propaganda, die unterdrückt werden soll, überhaupt nicht hineinpassen.

Ich will mir erlauben, hier in Kürze einige derartige Urteile und Entscheidungen anzuführen. Zwei davon betreffen den Schulstreik, der im Jahre 1920 stattfand. Ich werde die Namen der Betreffenden nicht nennen, um nicht vielleicht Anlaß zu etwaigen neuen Verfolgungen zu bieten. Der erste Fall betrifft einen gewissen Johann D. im Hultschiner Ländchen, welcher angeklagt wurde, in den Schulstreik im Jahre 1920 dadurch eingegriffen zu haben, daß er einen Schüler, der zur Schule gehen wollte, aufforderte, er möge der Schule fernbleiben, weil Streik sei. Darin hat nun das Gericht eine Handlung gesehen, welche dem § 305 des Strafgesetzes unterliegt, und es begründet dies folgendermaßen: "Die Verhältnisse im Hultschiner Gebiet begannen sich zu konsolidieren und die Kinder begannen tatsächlich die Schulen zu besuchen, in denen sie den Unterricht in der Muttersprache genießen sollten. Der Streik im Hultschiner Gebiet verfolgte den Zweck, diese Konsolidierung zu vereiteln, derart, daß die Bestrebungen, den Kindern den Unterricht in ihrer Muttersprache angedeihen zu lassen, erschwert, ja sogar vereitelt wurden. Es ist zwar richtig, daß er bestimmte Schüler aufforderte, nicht in die Schule zu gehen, in der Aufforderung an den Knaben Dr. - es war wohlgemerkt ein einziger Knabe - nicht in die Schule zu gehen, da Streik ist, ist aber nicht nur eine individuelle Verleitung eines Knaben enthalten, sondern auch die Aufforderung zum Streik, also zu jener individuell unbegrenzten Kollektivhandlung gegen die Gesetze. Es ist doch selbstverständlich, daß der Knabe, dessen Eltern ihn pflichtgemäß in die Schule abfertigten, am Rückwege mit anderen Schülern zusammengekommen war, daß er auch den Eltern von dem Vorfalle erzählte und so zur Ausdehnung des Streikes beigetragen hatte. Aus der vorhergehenden Erwägung folgt also, daß die Aufforderung des Angeklagten gegenüber den ihm unbekannten Schüler geeignet war, den Streik anzufachen und daß der Angeklagte diese Absicht hatte." So lautet die Begründung, und es erfolgte darauf die Verurteilung. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.) Der Oberste Gerichtshof hat die eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde verworfen und den Beschwerdeführer zur Tragung der Kosten verurteilt. Die Strafe wurde nicht erhöht. Der Oberste Gerichtshof erklärte, daß das angefochtene Urteil deshalb richtig sei, weil die Verhältnisse im Hultschiner Gebiet sich tatsächlich zu konsolidieren und die Kinder tatsächlich die Schulen zu besuchen begannen, in denen sie Unterricht in der Muttersprache genießen sollten u. s. w., wie es im Urteile des Troppauer Landesgerichtes schon gestanden hat, daß die Konsolidation damit vereitelt wurde, daß die Bestrebungen, den Kindern den Unterricht in der Muttersprache angedeihen zu lassen, durch das Vorgehen des Angeklagten erschwert, ja vereitelt wurden und daß sich die Absicht des Beschwerdeführers und seine Tätigkeit keineswegs auf die Durchführung, bezw. Erweiterung des Streiks vom 8. Oktober 1920 allein richtete, sondern daß sie darüber hinaus darauf gerichtet war, "die Einwohner in ihren Rechtsansichten über ihre Pflichten gegenüber den gesetzlichen Vorschriften in Bezug auf den Unterricht der Kinder in ihrer Muttersprache überhaupt irre zu führen. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers war sonach von einer Absicht geleitet, welche nicht bloß bestimmte, konkrete gesetzwidrige Handlungen vor Augen hatte, diese Tätigkeit stellt sich vielmehr als allgemeine abstrakte Anregung zu derartigen Handlungen dar."

Kurz und gut, auch hier ist die Begründung geradezu an den Haaren herbeigezogen. (Posl. dr. Luschka: Was glauben Sie, was dieses Budget für das Hultschiner Land kostet?) Ich glaube, daß da gründlich hineingesteckt werden wird. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Tomášek.)

Ein zweiter Fall, ebenfalls aus dem Schulstreik, betrifft einen Landwirt in Thyrn, der Folgendes verbrochen hat: Er hat einen Aufsatz über den Schulstreik, der in der "Deutschen Post" erschienen ist, in einer Versammlung vorgelesen. Das genügte bereits zu seiner Verurteilung zu einer Geldstrafe von 1000 Kè, eventuell 10 Tagen Arrest. Und die Begründung lautet, er habe den bezüglichen Artikel der "Deutschen Post" zur Verlesung gebracht, offenbar um seiner Propaganda Nachdru ck zu verleihen. Die vom Angeklagten hiebei gegebene Anregung einer Abstimmung darüber, ob der Schulstreik abgehalten werden soll, wurde von der Versammlung fallen gelassen. Darauf wurde dann Bezug genommen auf das Reichsvolksschulgesetz usw. und dann heißt es: "Der von den deutschen Parteien durchgeführte Schulstreik hatte demonstrativen Charakter gegen die Regierung, stellt sich als eine durch das Gesetz verbotene Handlung dar, durch welche Abneigung gegen die Regierung, resp. Geringschätzung ihrer Anordnungen ausgedrückt werden sollte." Der Betreffende wurde bedingt verurteilt. Das oberste Gericht als Kassationsgericht hat die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gleichfalls verworfen und führte an, daß die Absicht des Beschwerdeführers noch weit hinausgegangen sei über die Absichten der übrigen Versammlungsteilnehmer. (Posl. Patzel: Der Zeitungsaufsatz war nicht beschlagnahmt!) Jawohl, er war nicht beschlagnahmt, das ist das allerköstlichste daran. Das Oberste Gericht saggt dann: "Es kann deshalb ein Rechtsirrtum darin nicht gefunden werden, wenn das Erkenntnisgericht in der Tätigkeit des Beschwerdeführers den Tatbestand des § 305 erblickt. Da die Schuld nicht in einer Aneiferung oder Aufforderung zum Schulstreik, sondern darin besteht, daß er die Rechtsanschauung, der Zuhörer über die Verpflichtung, die Kinder zum Schulbesuch anzuhalten, ins Wanken brachte, kann die Frage beiseite gelassen werden, ob unter den jetzigen Verhältnissen eine politische Demonstration sich als gesetzwidrige oder, wie der Beschwerdeführer zu beweisen sucht, als gesetzlich erlaubte Handlung darstellt."

Ein dritter Fall betrifft die Anklageschrift der Troppauer Staatsanwaltschaft gegen einen Troppauer Lehrer, welcher in einer Versammlung auf die Lammsgeduld der Troppauer deutschen Bevölkerung hingewiesen hatte, die früher unter der alten Regierung sich nicht so ohne weiters alles gefallen ließ, während sie es sich jetzt ruhig gefallen läßt, daß man ihr Schulen sperrt und dergl. mehr. Darin sieht die Staatsanwaltschaft die Aufforderung zu einer unsittlichen und durch das Gesetz verbotenen Handlung usw. Kurz und gut, auch hier ist wieder der § 305 herangezogen. Die Begründung hiefür lautet: "Daß es früher in Troppau oft, insbesondere aus nationalen und sonstigen Gründen zu schweren Ausschreitungen gekommen ist, ist gerichtsbekannt. Der Hinweis auf das frühere Verhalten der Bevölkerung war gewiß nicht mißzuverstehen und verfehlte auch seine Wirkung nicht." Der Staatsanwalt muß zwar zugeben, daß es zu keiner Ausschreitung und überhaupt zu nichts gekommen ist. Das stört ihn aber weiter nicht. "Gerade die Konkretisierung des Verhaltens der Bevölkerung früher und jetzt" - so fährt er fort - "zeigt deutlich, von welcher Absicht der Beschuldigte geleitet war, und es läßt sich keineswegs behaupten, daß es sich nur um eine unwesentliche oratorische Ausschmückung handelte, denn die Ausführungen waren zu deutlich und greifbar."

Dieselbe Staatsanwaltschaft in Troppau erhob gegen einen zweiten Troppauer Lehrer und gegen einen städtischen Beamten, Dr. K. in Jägerndorf wegen einer in Troppau gehaltenen Rede die Anklage und behauptete von dem zweiten, er habe zum "bewaffneten und gewaltsamen Widerstand aufgefordert." Das soll er dadurch getan haben, daß in seiner Rede die Worte vorkamen: "Die deutschen Beamten dürfen sich durch ihnen vom Staate erwiesene Vorteile nicht beeinflussen lassen, sondern vielmehr ausharren, als die Èechen nicht geneigt sind, sich auszugleichen, werden die Deutschen den verzweifelten Kampf aufnehmen." Das ist angeblich eine Aufforderung zum bewaffneten Widerstand. Die Staatsanwaltschaft in Troppau ist in dieser Hinsicht überhaupt köstlich. Die Staatsanwaltschaften sind ja schon früher im Geruche gestanden, Dienerinnen des jeweils herrschenden Systems zu sein, daß sie sich aber derart zu Fanghunden des Systems hergeben, das hat es früher denn doch nicht gegeben.

Ein weiterer Fall, der das Landesgericht Troppau und den Obersten Gerichtshof in Brünn betrifft, ist der vielgenannte der Frau Josefine Weber, die auf ihre Nichtigkeitsbeschwerde hin bekanntlich vom Obersten Gerichtshof die Strafe nicht nur erhöht erhielt, sondern deren bedingte Strafe auch noch in eine unbedingte umgewandelt wurde. Ich habe auch die Akten über, diesen Fall hier, da er aber allgemein bekannt ist, kann ich es mir wohl ersparen, näher darauf einzugehen.

Der nächste Fall betrifft einen Troppauer Gemeindevertreter der während der Gemeindewahlen in einer nüchternen streng sachlichen Rede folgenden Satz gebraucht hatte: "Nun ist es klar, daß die Gründung des Staates ein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht war." Darin erblickt das Landesgericht in Troppau die Aufreizung der Versammlungsteilnehmer. Ich erwähne, daß die Versammlung vollständig ruhig vermief, daß es zu keinerlei Zusammenstößen am, daß der Regierungsvertreter Dr. Mainnner auf diese Worte hin den Redner bloß auffordern ließ, zur Sache zu sprechen, und ihn nicht einmal zur Ordnung rufen ließ. Ich habe der Versammlung beigewohnt. Der Betreffende wurde verurteilt u. zw. auf die Aussage des Regierungsvertreters, eines jungen Menschen, dem man nur anraten könnte, erst noch etwas zu lernen, bevor er Urteile abgibt. (Souhlas nìmeckých poslancù.) Dieser Herr erklärte, er habe den Redner deshalb unterbrochen - er wußte nicht einmal genau, ob er ihn zur Ordnung oder zur Sache rufen ließ, das einemal sagte er so, das anderemal anders aus weil er in der Versammlung so sprach, "wie die Nationalsozialisten im allgemeinen gegen den Staat zu reden pflegen." (Výkøiky na levici.) Das genügte, um die Verurteilung herbeizuführen. Man muß geradezu staunen, wie ein richterlicher Senat vor so einem blutjungen Regierungskommissär förmlich Habtacht! steht und sich dem, was er vorschreibt, fügt. (Výkøiky posl. Patzela.) Hier spielte der deutsche Richter, auf welchen ich schon hinwies, eine traurige Rolle. Ich sehe davon ab, seinen Namen zu nennen.

Ferner habe ich hier die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Troppau gegen einen Würbenthaler, der in einer Sonnwendrede angeblich "in roher und verhetzender Weise die Republik und die Nation derart geschmäht hat, daß es die Würde der Republik berabsetzen und den allgemeinen Frieden in der Republik bedrohen kann." Genaues wußte man über diese Sache zwar nicht. Zuhõrer waren nämlich zwei èechische Gendarmeriewachtmeister, von welchen der eine überhaupt kein Wort deutsch kann, während es der andere zur Not beherrscht. Die beiden sind als Spitzel hingegangen, waren in Zivil, u. zw. wie sie selbst zugaben, standen sie nicht in unmittelbarer Nähe des Redners, sondern etwas weiter entfernt. Trotzdem gaben sie an, alles gehört und verstanden zu haben. Der Hin weis darauf, daß es zwei Gendarmeriewachtmeister waren, genügte schon der Staatsanwaltschaft, die Anklage zu erheben, u. zw. erklärt sie in den Gründen: "Die Festrede hielt hiebei der Beschuldigte K. Laut der übreinstimmenden Zeugenaussagen der Zeugen Rudolf Paulus und Karl Laifer" - es ist sehr wichtig, diese beiden historischen Namen festzuhalten - "sprach er von 5 Jahren Unglück, Not und Elend, was noch nicht war. Im Jahre 1918 war der unglückliche Tag." Im weiteren Verlaufe der Rede seien die Worte "Knechtschaft, Schande, schmachvolle Friedensstände, Fesseln" gefallen. Man beachte einmal schon dieses glänzende Deutsch. Das ist das ganze, was die zwei Zeugen sich von dieser Rede merkten, und das genügte, um die Anklage zu erheben. Der Staatsanwalt sagt: "Hiedurch beabsichtigte der Beschuldigte in roher und verhetzender Keise die Èechoslovakische Republik und die èechoslovakische Nation zu verleumden, daß diese das vom Beschuldigten geschilderte Unglück und Elend der Deutschen verursachte. Daß sich diese Äußerungen auf hiesige Verhältnisse bezogen, dafür sprechen die Schlußworte das Redners, daß der große Tag kommen werde, an welchem eine große Tat geschehen werde." Also anderswo kann nach Ansicht dieses staatsanwaltschaftlichen Genies kein großer Tag kommen, keine große Tat geschehen. "Der Beschuldigte sprach ferner über den Baeranprozeß und beschuldigte die Regierung, daß sie den alten Abgeordneten Baeran unschuldig auf vier Jahre schweren Kerkers eingesperrt habe, damit er vollständig machtlos sei. Durch diese entstellten Mitteilungen versuchte er, die Regierung in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen, sie herabzusetzen und dem öffentlichen Spotte auszusetzen. Dies gelang ihm auch und die Zuhöher schrien: Pfui, garstige Regierung!" Ich muß sagen, ich habe in meinen unzähligen Versammlungen schon Hunderte von blöden Zwischenrufen erlebt, aber etwas so Saublödes, wie hier geschildert wird, ist mir doch noch nicht vorgekommen. (Výkøiky nìmeckých poslancù.) Ich meine, schon das ist Beweis genug, daß die ganze Anklage an den Haaren herbeigezogen war und wie wenig Glaubwürdigkeit diese Zeugen verdienen. Es ist darauf hin an das mährisch-schlesische Oberlandesgericht in Brünn Einspruch erhoben worden, und dieses gab der Anklage mit folgender Begründung Folge: "Die inkriminierten Äußerungen, welche die Anklage anführt und die auch durch die Zeugen, Gendarm eriewachtmeister Paulus und Laifer, bezeugt sind, hinsichtlich deren also der begründete Verdacht besteht, daß sie tatsächlich vom Beschuldigten gebraucht worden sind, sind von solcher Art, daß durch sie gegen die Republik und die èechoslovakische Nation als Schöpferin dieser Republik gehetzt werden kann." (Posl. Patzel: Kann?) Jawohl, kann. "Wenn die Stellung der Deutschen, also insbesondere der Deutschen der Republik" - zu denen doch gesprochen worden ist - als Knechtschaft und Schande, als Fessel, die Friedensverträge, welche die Republik geschaffen haben, als schmachvolle Friedensstände bezeichnet werden, kann man den Schluß nicht vermeiden, daß durch solche Äußerungen gegen die bestehende internationale Friedensordnung, also auch gegen die Republik und ihre Schöpferin, nämlich die èechoslovakische Nation, die gerade jene Verhältnisse schuf, Stimmung und Erbitterung geweckt werden sollte. Daß dann die Aufreizung der nationalen Gefühle hetzerisch und keineswegs sachlich war, kann aus dem Charakter der gebrauchten rohen Worte geschlossen werden, was übrigens das Erkenntnisgericht zu beurteilen haben wird."

Kurz und gut, es kam zur Verhandlung. Ich habe ihr beigewohnt. Einvernommen wurden die beiden Zeugen. Beide erklärten auf die Anfrage des Vorsitzenden, ob sie deutsch verstehen: Jawohl. Der erste, der einvernommen wurde, kannte deutsch. Der zweite kannte überhaupt kein Wort deutsch und mußte èechisch einvernommen werden. Von der ganzen Rede, die er gehört und verstanden haben wollte, vermochte er nur folgenden Satz wiederzugeben. "Am 28. Oktober 1918 war der Tag... ". Ich habe als Zuhörer sofort den Eindruck gehabt, daß es eine auswendig gelernte Epistel ist und daß er sie von seinem Kumpan so aufgeschrieben bekommen hatte. Wie ihm dann näher auf den Zahn gefühlt wurde, mußte er zugeben, daß er vom 28. Oktober nichts gehört hatte, vom Jahre 1918 auch nichts, und es wurde die Verhandlung zur Einvernahme neuer Zeugen vertagt. In der nächsten Verhandlung wurde der Angeklagte von diesem Punkte der Anklage freigesprochen.

Und nun gestatten Sie mir, kurz auszuführen, wie man den Rechtsanwälten die Redefreiheit beschneidet. Es schreibt mir hier ein Rechtsanwalt wegen einer Strafsache: "Der Angeklagte war beim Bezirksgericht in Hultschin wegen Übertretung nach § 314 Str. G. unter anderem auch deshalb schuldig erkannt worden, weil er seinem wegen eines politischen Deliktes verhafteten Schwager bei der Verhaftung zurief, er möge sofort die Zuziehung eines Rechtsanwaltes verlangen." - Also das darf man anscheinend nicht. "Bei der Berufungsverhandlung legte ich dar, daß in diesem Rat, von einem ihm zustehenden Rechtsmittel Gebrauch zu machen, kein Eingriff in die Amtshandlung der Verhaftung seines Schwagers gelegen sei und daß der Betreffende seinem Schwager diesen Rat zu erteilen vollkommen berechtigt war. Hierauf unterbrach mich der Vorsitzende Herr Vizepräsident Reinelt und erklärte, er könne nicht dulden, daß ich ausführe, daß die Handlungsweise des Angeklagten straflos und berechtigt war, weil die Partei meine Anschauung für richtig halten und die strafbare Handlung nächstens wieder begehen könne." (Posl. dr. Luschka: Aber der Staatsanwalt darf eine deutsche politische Partei beleidigen!) Der Staatsanwalt darf selbstverständlich alles. (Posl. dr. Brunar: Der Verteidiger muß immer sagen: Sie sind schuldig!) Natürlich! Darauf hat der Verteidiger von Polizeigeist gesprochen; das ist ihm ungeheuer verübelt worden und die Staatsanwaltschaft Troppau hat gegen ihn wegen des Ausdruckes "Polizeigeist" und "Polizeistaat" an die Advokatenkammer in Troppau die Anzeige erstattet, weil diese Äußerungen angeblich gegen die Ehre und das Ansehen des Advokatenstandes und gegen die Berufspflichten des Anwaltes verstoßen. Der Ausschuß der Advokatenkammer beschloß zunächst, über diese Anzeige nichts zu veranlassen; über neuerliche Aufforderung der Staatsanwaltschaft wurde die Sache dann dem Disziplinarrat der Kammer übergeben und dieser beschloß, daß kein Grund zur Disziplinarverhandlung vorliege. Dagegen wurde von der Staatsbehörde die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof als oberste Disziplinarbehörde eingebracht und dieser beschloß, daß Grund zur Disziplinarbehandlung vorliege. Und das Endergebnis davon wird sein, daß der betreffende Rechtsanwalt jedenfalls eingehen wird. Er bemerkt weiter, daß die Akten bei der Staatsanwaltschaft oft sehr lange liegen und daß man einmal dagegen protestieren muß, daß politische Vergehen anders behandelt werden als andere Strafsachen und vor allem, daß die Gerichtsakten im Laufe der Strafsache von der Staatsanwaltschaft an die Oberstaatsanwaltschaft nach Brünn geschickt werden. In politischen Sachen scheinen die Staatsanwälte irgendwelche Erlässe zu besitzen, dahingehend, daß sie öfter über den Stand der Sache an die Oberstaatsanwaltschaft Bericht zu erstatten haben. Das hat natürlich eine ungeheuere Verzögerung zur Folge und die Kosten dieser Verzögerung hat der Angeklagte zu tragen. Dieser Rechtsanwalt teilt mir auch noch mit, daß die Verschickung der Akten auch im Rechtsmittelverfahren vorkommt. Das Urteil der ersten Instanz geht hinaus und jetzt hat sowohl der Staatsanwalt als auch der Angeklagte binnen 8 Tagen die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung auszuführen. Diese Frist ist namentlich in größeren Sachen ohnehin schon zu kurz, wird aber ganz bedeutend noch dadurch gekürzt, daß, wenn man am zweiten oder dritten Tag zu Gericht kommt und in die Akten einsehen will, einem erklärt wird, sie befänden sich bei der Staatsanwaltschaft. Dort sind sie auch nicht und man erklärt dem Betreffenden, man könne ihm nicht sagen, wo sie sich befänden. Es ist also wohl klar, daß die Staatsanwaltschaften die Akten an die Oberstaatsanwaltschaft schicken. Ich verweise noch auf zwei Fälle, betreffend den § 14, Absatz 3 des Schutzgesetzes, welcher die öffentliche Aufforderung zum Hass gegen einzelne Gruppen der Bevölkerung wegen ihrer Nationalität, Sprache usw. zum Gegenstande hat. Der eine Fall betrifft Freudenthal. Hier besteht ein städtisches Lichtspielhaus und das eines gewissen Adam, eines nicht sehr gut beleumundeten Menschen, dessen Konzession ganz gegen alle Vorschriften einem dortigen èechischen Verein verliehen wurde. Adam selbst hat sich sehr mißliebig gemacht und man hat es ihm auch sehr übel vermerkt, daß er sich mit dem Verein wegen Erlangung der Lizenz in Verbindung gesetzt hat. Eines Nachts wurden an verschliedenen Stellen Zettel angeklebt, welche folgende Worte enthielten: "Auch-Deutsche, die das èechische Kino besuchen", und es folgt eine Reihe von Namen. In der Anklage wird nun behauptet, daß die Verbreiter des Zettels zum Haß gegen die èechische Nationalität aufreizen wollten, obzwar - wie bemerkt - die Zettel nur Namen von Angehörigen der deutschen. Bevölkerung enthielten. Ferner der Fall des Turnvereins in Bennisch. Auch der spricht Bände. Es ist dort ein Eislaufplatz errichtet worden und auf diesem "die Mitteilung angebracht, daß der Eintritt nur "Stammesdeutschen" gestattet sei. Das wurd natürlich bereits zum Gegenstand einer Anklage gemacht. Ich kann hier auf eine Antwort verweisen, die mein Parteigenosse Patzel vom Justizminister vor nicht allzu ferner Zeit auf eine Anfrage bekam. Diese Anfrage befaßte sich mit der Beschlagnahme einer Zeitung die erfolgte, weil es am Kopfe geheißen hat, daß Inserate von Èechen und Juden nicht aufgenommen werden. Darin hat nun der Justizminister durchaus nichts Aufreizendes gefunden, sondern er hat ganz richtig erklärt, daß es natürlich jeder Zeitung wie jedem Geschäftsunternehmen freistehen müsse, sich seinen Kundenkreis zu wählen. Bitte, hier liegt die Sache nicht um ein Härchen anders. Ich möchte auf diesen krassen Fall besonders aufmerksam machen. Nun eine Beschlagnahmeverfügung des Kreisgerichtes Brüx. Einem dagegen eingebrachten Protest entnehme ich folgendes: In der Nummer 23 vom 19. März laufenden Jahres der "Kaadner Zeitung" ist der Bericht über die Gedächtnisfeier für die sudetendeutschen Märzopfer in Berlin, der wörtlich aus der "Sudetendeutschen Tageszeitung" abgedruckt war, teilweise beschlagnahmt. Das Kreis- als Pressegericht in Brüx hat mit Erkenntnis vom 20. März laufenden Jahres diese Beschlagnahme bestätigt und das Erkenntnis, wie folgt, begründet: "In der oben näher bezeichneten Stelle wird öffentlich gegen die verfassungsmäßige Einheitlichkeit des Staats aufgewiegelt und zum Haß gegen einzelne Gruppen der Bevölkerung aufgereizt." Das ginge noch an, jetzt kommt aber die Stelle: "und die Täter wegen eines Verbrechens - gewaltsame Widersetzung gegen das Heerr - gefeiert." Also ich bitte. Wir erinnen uns der Vorgänge des 4. März 1919 ganz genau. Wenn hier nun behauptet wird, daß es sich damals um eine gewaltsame Widersetzung gegen das Heer gehandelt hat, so ist das eine ganz unerhört freche Lüge (Výkøiky na levici.), gegen die Stellung genommen werden muß. Dieses Kreisgericht in Brüx zeichnet sich überhaupt mit Beschlagnahmeverfügungen aus. Es ist das jenes berühmte Kreisgericht, das beispielsweise einen Teil unserer Parteigrundsätze beschlagnahmt hat. (Smích na levici.) Im Bereich des Kreisgerichtes Brüx dürfen wir keine staatspolitischen Anschauungen haben. Es wird wohl überhaupt einmal soweit kommen, daß der einzige von Gericht und Staatsanwalt gutgeheißene Grundsatz so lauten wird: "Tu Geld in Deinen Beutel." Was darüber ist, ist von Übel. Ich behalte mir vor, bei der nächsten Gelegenheit neuerlich einige Beispiele zu bringen, weil man nicht genug gegen diesen unerhörten Tiefstand der Rechtspflege Stellung nehmen kann. Die Beispiele, die ich heute brachte, zeigen schon deutlich, daß meine Behauptung, daß die Rechtspflege nachgerade zur Hure des politischen Systems wird, nicht unberechtigt ist, und wir werden aus diesen Gründen gegen die beiden Vorlagen stimmen. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. Böhra (viz str. 190 tìsnopisecké zprávy):


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