Pátek 31. øíjna 1924

Niemand kann glauben, daß derselbe Mensch zu gleicher Zeit Friedensfreund und Gewaltpolitiker sein kann. Fürchtet Dr. Beneš nicht, daß ihm in Genf sehr ernste Zweifel an der Ehrlichkeit seiner dort vertre enen Grundzüge entgegentreten werden, wenn man sich darauf berufen kann, was er in seiner Heimat duldet und mitmacht? (Sehr gut!) Dr. Beneš hat sich ein internationales Renommee geschaffen, das ist nicht zu leugnen. Und es ist nicht so, daß Herr Dr. Beneš sein internationales Renommee vielleicht der internationalen Geltung seines Staates verdankt, sondern umgekehrt: Die Èechoslovakei profitiert von der internationalen Wertung, die ihr Außenminister genießt. Wenn also die Wertung des Herrn Außenministers zweifenhalft wird, gefährdet er nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern auchh die internationale Geltung der Èechoslovakei. Dr. Beneš möge sich nicht damit entschuldigen, daß nur die Außenpolitik sein Ressort ist oder daß er nicht den Einfluß hat, seine Überzeugung durchzusetzen; denn die erste Entschuldigung verbietet die wechselseitige Bedingtheit von Innen- und Außenpolitik und die zweite erledigt sich mit dem Hinweis darauf, daß ein überzeugungstreuer Minister ein Kabinett in dem Augenblicke verläßt, wo er dessen Politik nach seiner Überzeugung nicht mehr zu decken vormag.

Was ist also? Herr Dr. Beneš spricht die Sprache des Friedens. Aber wichtiger als die Sprache des Friedens sind die Gedanken des Friedens und wichtiger als die Gedanken des Friedeens sind die Taten des Friedens. (Souhlas na levici.) Solange wir diese Taten des Friedens nicht überall sehen, nach außen wie im Innern, können wir die Politik des Herrn Dr. Beneš und seinen Erklärungen nichts anderes entgegenbringen als jene scharfe Ablehnung, die wir der gesamten Politik dieser Regierung entgegenbringen, deren mitverantwortliches Glied Herr Dr. Beneš ist. (Souhlas a potlesk na levici.)

2. Øeè posl. dr. W. Feierfeila (viz str. 108 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Nach einer für demokratische Staatseinrichtungen sicher auffallend langen Zeit ist der Herr Außenminister wieder einmal in diesem Hause erschienen. Sein letztes Erscheinen - es sind seither auch schon Monate vergangen - vollzog sich in dem engen Kreis des Außenausschusses. Es ist damals zwar von uns der Antrag gestellt und von der Majorität des Ausschusses auch angenommen worden, daß der Herr Minister ersucht werde, das zu erwartende Exposé im Plenum des Hauses zu halten, damit Gelegenheit gegeben werde, eine Aussprache darüber abzuführen. Der Herr Minister ist auf diesen Beschluß des Außenausschusses nicht eingegangen. Jeder Minister hat selbstverständlich das Recht, dort zu sprechen, wo er es am besten findet, aber es ist doch auch wiederum für das parlamentarische Leben eines demokratischen Staates bezeichnend, daß ein solcher Beschluß eines Ausschusses unberücksichtigt bleibt und daß der Ausschuß außerdem nichts weiter getan hat, um seinnen Beschluß irgendwie zur Geltung zu bringen. Aber wie gesagt, die Sache ist Monate lang her. Wir haben also die Ehre, den Herrn Außenminister in unserer Mitte hier im Plenum des Hauses zu begrüßen.

Selbstverständlich haben wir in keiner Weise erwartet, es würden die Ausführungen des Herrn Außenministers hier anders lauten, als wie sie uns aus der bekannten Aufmachung durch den großen und so überaus gut funktionierenden Propagandaaparat, den er für sich und seine Politik geschaffen hat, ohnehin bekannt sind. Wir gestehen gerne zu, daß dieser anscheinend die ganze Welt umfassende Apparat überaus gut fuktioniert. Ich sage: die Welt umfassend. Vor einigen Wochen ging ja durch die Zeitungen die Nachricht von Unstimmigkeiten zwischen Gliedern dieses Apparats bis aus Australien. Wir gestehen auch die ganz außerordentliche Geschäftigkeit des Herrn Außenministers zu, wir gestehen die Vielheit seiner Entwürfe zu, wir gestehen zu, daß er sich das Ansehen eines anscheinend unentbehrlichen Vermittlers bei den internationalen Zusammenkünften zu verschaffen gewußt hat. Sicher ist auch hervorzuheben, daß er anscheinend der einzige ruhende Punkt in der Flucht der Personen ist. Während z. B. die Vertreter aller Staaten, die seinerzeit bei den Friedensverhandlungen das Wort im Namen ihrer Staaten geführt haben, inzwischen von dem Umschwung der Stimmung in diesen Staaten einfach hinweggeblasen worden sind, ist der Herr Außenminister bei uns jetzt noch in derselben Autorität und in derselben Arbeitkraft tätig wie es damals war. Ja, viele scheinen der Meinung zu sein - und man kann da und dort die Ansicht hören - er sei für die èechoslovakische Außenpolitik unentbehrlich. Aber trotzdem müßen wir sagen: Wir als Deutsche können seiner Außenpolitik nur mit dem größten Mißtrauen entgegentreten. Ich möchte namentlich auf einen Umstand hinweisen. Es ist eine Tatsache, daß die Außenwelt, namentlich die offizielle Außenwelt, von geradezu erschrecklichen Irrtürmern uns gegenüber befangen ist. Wenn das der Fall ist, daß diese Information über uns derartig falsch ist, wenn es weiter der Fall ist, daß alle Versuche scheitern, das Ausland über unsere Verhältnisse objektiv zu informieren, wenn im Gegenteil das Ausland der Meinung ist, es wäre dieser Staat wirklich ein Staat der Gleichberechtigung für alle, ein Staat wahrer Demokratie (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval), dann ist das eben bewirkt durch die außerordentlich falschen Info rmationen, welche von diesem Apparat ausgehen, den der Herr Außenminister beseelt. Von diesem Standtpunkt aus müssen wir die ganze Außenpolitik des Herrn Ministers beurteilen und sagen: Je größer das Ansehen ist, das er sich zu verschaffen gewußt hat, um so verhängnisvoller für uns und für unsere Bestandrechte ist diese falsche Informierung, die von dem von ihm beseelten Apparat ausgeht. Ich möchte ein Wort zu den so oft gerühmten ganz außerordentlichen Erfolgen der èechoslovakischen Außenpolitik sagen u. zw. so wie es der unbeeinflußte Zuschauer eben vor sich hat. Da müssen wir sagen: Es ist schießlich im wesentlichen nicht lauter Erfolg. Im Gegenteil, es ist so, daß in den allerwesentlichsten Dingen ein voller Mißerfolg der èechoslovakischen Außenpolitik zu verzeichnen ist. Ich komme da zuerst auf die berühmte Nachkriegskonzeption der mitteleuropäischen Verhältnisse zu reden. Man muß es nicht erst beweisen, es ist durch tausende Zeitungsberichte, wenn man sie verfolgt hat, für jedermann klar: Diese Nachkriegskonzeption ging in der Richtung, wie sie von Frankreich und der èechischen Außenpolitik gewollt worden ist: Einen festen eisernen Ring um Deutschland zuwege zu bringen. Es sei gestattet anzuführen, wie wir als unbeeinflußte Zuschauer diese Sache uns vorstellen: Die französische Politik, ohne Unterschied, ob sie von Clemenceau, Poincaré oder Herriot geführt wird, geht von dem Grundsatz aus: Die Beschlüsse; wie sie zu St. Germain gefaßt worden sind, sind unantastbar. Aber in der Erkenntnis der inneren Unwahrheit dieser Beschlüsse und in der Erkenntnis, daß Frankreich allein nicht imstande ist, dauernd die Unwahrheit dieser Beschlüsse aufrecht zu erhalten, geht die Politik Frankreichs dahin, für diesen seinen Zweck Bundesgenossen zu erwerben. Da können wir die Beobachtung machen, daß seit dieser Zeit die verschiedenen Ministerien ihr Hauptbestreben darauf richteten, England für diese Zwecke zu gewinnen. Wenn die Kombination, in England den Bundesgenossen für diesen Zweck zu haben, gelungen wäre, wäre alles andere hinfällig. Denn durch diese Kombination wäre die sicherste Garantie für den französischen Grundsatz gegeben, schon wegen des moralischen Ansehens, das England genießt. Nun wissen wir aber auch, daß in England die Kreise immmmer weiter werden, die eine Revision der Friedensverträge fordern. Wir wissen außerdem, daß England nicht gesonnen ist, in den Konflikt, den etwa Frankreich mit Deutschland anfangen sollte, mitzutun und schon ganz und gar nicht, weil auch Amerika abseits steht.

So kam denn Frankreich, nachdem es sich überzeugt hatte, daß in dieser Hinsicht auch auf England kein Verlaß sei, zu einer anderen Bündnispolitik, und so kam, weil man eben andere Bundesgenossen suchen mußte, das Bündnis Frankreichs mit der Èechoslovakei zustande. Ganz abgesehen von dem ziemlich schwerfälligen Wortlaut, den dieser Bündnisvertrag Frankreichs mit der Èechoslovakei aufweist, muß hervorgehoben werden, daß der wahre Wert desselben darin gedacht war, daß dieser Vertrag noch auf weitere Kreise ausgedehnt werde, die diesen eisernen Ring um Deutschland bilden sollen. Ganz besonders ist groß aufgemacht worden, es wäre bereits Tatsache, daß die Kleine Entente samt und sonders in diesen Bündnisvertrag eintreten werde. Ich möchte in dieser Hinsicht an die Belgrader Konferenz im letzten Winter erinnern und auf die Art und Weise, wie die Regierungspresse diese eingeleitet hat. Ich muß aber auch wieder daran erinnern, wie der Ausgang dieser Konferenz war und wie die Regierungspresse mit ein paar Worten über den schließlichen Ausgang hinweggekommen ist, weil die èechoslovakische Politik nicht das erreicht hat, was sie der Welt bis dahin als fastsicher verkündet hatte, den Anschluß der beiden anderen Partner der Kleinen Entente an diese Bündnispolitik Diese Belgrader Konferenz hat den eisernen Ring, der um Deutschland nach der französisch-èechoslovakischen Außenpolitik geschaffen werden sollte, vollständig zerstört. Es ist von demselben wahrhaftig nichts übrig geblieben.

Noch ein anderer besonders großartiger "Erfolg" dieser èechoslovakischen Außenpolitik, wie er dem erscheint, der unbeeinflußt die Entwicklung der Dinge beobachtet. Es hat und gewinnt immer mehr den Anschein, als würde das ganze Gefüge der Kleinen Entente immer lockerer. Man darf sich schließlich nicht wundern, wenn das in Erscheinung tritt. Denn im Grunde genommen ist die Interessengemeinschaft der einzelnen Partner der Kleinen Entente doch eine zu geringe, um ein dauerndes inniges Verhältnis zu schaffen. Es ist doch sicher so, daß die Èechoslovakei wenig direkte Interessen auf dem Balkan hat, und es ist wiederum Tatsache, daß Rumänien und Jugoslavien nicht gerade wer weiß wie an Mitteleuropa direkt interessiert sind. Und dann kam noch dazu - und das wäre bei Besprechung der Belgrader Konferenz ganz besonders hervorzuheben gewesen - daß Jugoslavien und Italien sich ihren Besitzstand gegenseitig garantiert haben. Andererseits wieder haben die Èechoslovakei und Jugoslavien kein besonderes Interesse daran, Rumänien in Bezug auf Bessarabien irgendwie sicherzustellen. Darum sucht Rumänien immer mehr und mehr, Anschluß an Polen zu gewinnen. Was vielleicht diese drei Partner der Kleinen Entente zusammenhält, ist die gegenseitige Sicherung gegenüber Ungarn. Das ist aber schließlich nicht alle Welt. Man muß noch mehr bedenken. Es ist Ungarn gelungen, an Polen und Italien näher zu kommen, und durch diese Annäherung ist auch das bisherige gemeinsame Interesse aller drei Partner der Kleinen Entente geringer geworden. Das kommt auch immer bei den verschiedenen Zus mmenkünften der Vertreter der Kleinen Entente zum Ausdruck. Diese Zusammenkünfte zeichnen sich - da braucht man bloß die offiziellen Preßberichte zu lesen - durch eine außerordentliche Gegenstandslosigkeit aus. Es mag sein, daß die Kleine Entente vor drei oder 4 Jahren eine Berechtigung und, sagen wir, ihre Bedeutung hatte. Aber die Entwicklung mußte so gehen, daß die Kleine Entente ihre Bedeutung verlor. Die Sicherheit der einzelnen Staaten - da spreche ich, ich möchte fast sagen, eine Binsenwahrheit aus - liegt schließlich nicht in der Vertragspolitik und in der Vielheit der Bündnisse. Wir haben namentlich im Weltkriege die furchtbare Erfahrung gemacht, was Bündnisse in Stunden wirklicher Gefahr bedeuten können, daß sie eigentlich nichts sind. Die Sicherheit der Staaten liegt vielmehr darin, daß die Wohlfahrt der Staatsbürger begründet, daß Gerechtigkeit gegenüber allen Staatsbürgern angewendet wird, sie liegt im Wesen wahrer Demokratie. (Souhlas na levici.)

Es sei mir noch gestattet, auf diesen Bündnisvertrag in einer anderen Hinsicht zurückzukommen. Sowohl die Garantie, die sich die Partner der Kleinen Entente gegeben haben, als auch der Vertrag der Èechoslovakei mit Frankreich und der Vertrag mit Italien setzen im ersten Hauptartikel fest, daß der Zweck dieser Bündnisse sei, die Rechtsordnung, wie sie durch die Friedensverträge, also ganz besonders durch die Friedensverträge von St. Germain und Versailles, geschaffen worden ist, aufrechtzuerhalten. Die Rechtsordnung! Wenn ich dieses Wort ausspreche, so muß es unter Anführungszeichen gedacht werden. Es sind also diese Verträge nichts anderes, als Versuche, den Helotismus der über das deutsche Volk durch den Friedensvertrag von St. Germain verhängt worden ist, dauernd zu machen. Es ist - das muß man nicht ausführen - die Tendenz der Außenpolitik, ganz bestimmt direkt gegen die 3 1/2 Millionen Deutschen in der Èechoslovakischen Republik gerichtet. Es muß bei einer solchen Politik, welche der Tat nach dem deutschen Volk ganz feindlich ist, sich eine Kluft zwischen diesen 3 1/2 Millionen und der Außenpolitik dieses Staates auftun. Es ist etwas Selbstverständliches, aber das nur so nebenbei. Die Hauptsache ist aber die - wenn wir uns die Entwicklung der Weltlage unbeeinflußt vorstellen - daß diese Entwicklung schließlich nicht dahin geht, die Bestimmungen der Friedensverträge von St. Germain zu stabilisieren und die Verknechtung des deutschen Volkes dauernd zu machen, wie dazu dort der Grund gelegt ist, sondern daß die Entwicklung dahin geht, eine Revision dieser Friedensverträge einzuleiten. Wir wissen, dieser Friedensvertrag ist gegründet auf der entsetzlichen Unwahrheit von der Kriegsschuld des deutschen Volkes. Nun wissen wir auch Gott sei Dank, daß in dieser Hinsicht die Wahrheit langsam durchbricht, daß bei allen Völkern, auch bei den Franzosen, die Kreise anwachsen, die an die deutsche Kriegsschuld nicht mehr glauben. Ich möchte in dieser Hinsicht nur hinweisen auf ein Werk des Sekretärs der Liga für Menschenrechte, des Gründers, der Liga zur Erforschung der Kriegsschuld in Frankreich. Und dieser Mann schreibt mutig: "Das Märchen von der Kriegsschuld Deutschlands entstand durch gefälschte diplomatische Akten, es ist entstanden durch eine gedungene Presse, es ist entstanden durch eine offiziell bestellte Geschichtsschreibung." Und er führt weiter aus: "Der Handlanger des Weltkrieges ist Poincaré gewesen". Und weiters führt er wörtlich an und beweist es: "Die Diskussion über die Kriegsschuld ist in der Welt eröffnet. Und wo man sich, sei es in England oder Frankreich oder sei es in Amerika, mit der Frage befaßt hat, da ist die Wahrheit unter einem Berge von Verleumdungen hervorgekommen, unter denen man sie wollte begraben haben. Das war das Märchen von der deutschen Kriegsschuld. Durch Lügen - so heißt es dort - sind die Völker im Jahre 1914 in den Krieg gehetzt worden und einzig und allein die Aufdeckung der Wahrheit über die Kriegsschuld wird die Völker wieder versöhnen". Das ist nur ein Beispiel, jedenfalls eines der markantesten. Mehr muß ich nicht über diesen Punkt anführen.

Meine Damen und Herren! Wenn aber einmal das Märchen von der Kriegsschuld zusammenfällt, dann müssen, moralisch wenigstens, auch die sogenannten Friedensverträge zusammenfallen, weil sie auf dem Märchen von der Kriegsschuld aufgebaut sind. Dann muß sich aber das Verlangen nach Revision dieser Friedensverträge mit Gewalt durchsetzen, und dann kann es passieren, daß diese Verträge und Verträglein, welche die Èechoslovakei zur Aufrechterhaltung dieser sogenannten Rechtsordnung geschlossen hat, einfach hinweggefegt werden. Meine Herren! Ich sage damit nichts besonderes, Sie wissen das alle viel besser als ich. Wie der Kreis derer immer weiter wird, welche das Märchen von der deutschen Kriegsschuld nicht mehr glauben, so wird auch der Kreis jener immer weiter, welche die Revision dieser Friedensverträge fordern. Und es sind unter ihnen Männer von europäischer Geltung, die führenden Zeitungen Englands und Amerikas. Ich möchte auch da wiederum nur einen der markantesten Namen anführen, ich möchte Sie an jene Rede erinnern, die der englische Innenminister Henderson in den wintermonaten irgendwo in England gehalten hat. Sie wissen ja, diese Rede ist Verhandlungsgegenstand des englischen Parlaments gewesen. Sie war das erste Beispiel, daß ein Minister aus dem Kreise der ehemaligen Feinde diese Revision gefordert hat. Die Grundsätze, auf denen er seine Rede aufbaute, - das ist interessant zu verfolgen, - waren die folgenden: 1. Die Friedensverträge sind wirtschaftlich unlogisch, weil dem deutschen Volke etwas auferlegt wird, was es nicht leisten kann. 2. In territorialer Hinsicht verletzt dieser Friedensvertrag uralte Tra ditionen und ein uraltes nationales Empfinden. 3. Die Folgerung: darum widersprechen diese Friedensverträge jener Abmachung, welche Deutschland auf Grund der Wilsonschen Punkte beim dem Waffenstillstand eingegangen ist, widersprechen auch all den Versprechungen, welche die Politiker der Entente vom Jahre 1915 bis 1918 ihren Völkern gemacht haben. Meine Herren, ich weiß sehr wohl, daß Henderson dann zum Rückzug blasen mußte, aber das ändert an der Entwicklung der Sache nichts, das beweist höchstens, daß er als Minister noch etwas zu früh geredet hat. Die Entwicklung aber wird in diesem Sinn vor sich gehen, - oder es müßte alles täuschen.

Der Herr Außenminister sprach in seinem Exposé auch davon, daß die Beziehungen der Èechoslovakei zu Deutschland innig seien, mehr als normal und daß sie daran seien, sich zur vollen Freundschaft auszuwachsen. Ich weiß, daß der Herr Außenminister auch als besonderer Freund Österreichs gilt, daß er geradezu als einer der Retter Österreichs bezeichnet wird. Aber, da muß ich wohl sagen, daß die Bündnispolitik, die er betreibt, und die begründet ist auf der Antirevision dieser Verträge und in unbedingter Konsequenz dessen auf der dauernden Niederhaltung des deutschen Volkes, daß diese Politik es bewirkt, daß wir den Worten über die Freundschaft gegenüber dem deutschen Volk keinen besonderen Glauben beimessen können.

Einige Sätze seien mir noch gestattet zur Londoner Konferenz und zu den Völkerbundverhandlungen in Genf. Aus der Londoner Konferenz möchte ich nur hervorheben, was uns als Aktivum erscheint, vor allem also den Umstand, daß Deutschland das erstema als gleichberechtigter Faktor an einer internationalen Konferenz teilnahm, nicht mehr ein Diktat entgegennehmen mußte, sondern seine Rechte, wie jeder andere Staat, vertreten konnte. Das ist immerhin eine bedeutende Sache. Als zweites Aktivum möchte ich die Grundsätze des Dawesabkommens bezeichnen; ich weiß sehr wohl, daß damit dem deutschen Volke Leistungen aufgeladen werden, die kaum vorstellbar sind, aber doch ist in diesem Gutachten der Grundsatz ausgesprochen, daß Deutschland nicht zu Reparationsleistungen verpflichtet werden kann, die über seine Kräfte hinausgehen. Und als Folge dieser beiden eben angeführten Umstände ist noch anzuführen, daß eine gest igerte wirtschaftliche Tätigkeit Deutschlands ermöglicht wird, wenn einmal das Ruhrgebiet vollständig geräumt ist und daß die Wege für einen freieren Handel geebnet sind, wenn auch Frankreich das Mögliche dazu tut, das einzubeschränken. Meine Herren, in diesen Sätzen und Tatsachen, so sehr sie auch von gewissen Parteien in Deutschland - begreiflicherweise - kritisiert werden, muß doch nach Übereinstimmung vieler der erste Schritt zur Konsolidierung der Verhältnisse, zur Aufrichtung erträglicher Verhältnisse und schließlich auch der erste Schritt zum Aufstieg für Deutschland erblickt werden. In diesem Sinne führe ich sie auch an. Man wird vielleicht in diesem Gedanken etwas bestärkt, wenn man gleichzeitig auf die Äußerungen der Presse in Frankreich, in England und auch in der Èechoslovakei achtet, die gar bittere Besorgnisse darüber aussprechen, was für Verhältnisse eintreten werden, wenn Deutschland wieder aufsteigt. Seit der Londoner Konferenz ist die Frage des Eintrittes Deutschlands in den Völkerbund aktuell geworden. Wir kennen die Einladung, die Mac Donald an Deutschland ergehen ließ, dem Völkerbund beizutreten, eindringlichere Worte könnten wohl kaum gesprochen werden. Wir werden es natürlich Deutschland überlassen, wenn es den Zeitpunkt für gekommen erachtet, dieser Einladung wirklich Folge zu leisten. Aber, ad vocem Völkerbund, ganz bestimmt würde der Völkerbund mit der Idee, den Krieg soweit es menschenmöglich ist, zu verhüten und eine wirkliche Abrüstung herbeizuführen, eine Erlösung der Menschheit bedeuten. Man darf es uns aber nicht verargen, wenn wir bis auf die Genfer Konferenz - und die Genfer Konferenz hat das sicher nicht vollständig behoben - wenigstens der Meinung sein müssen, der Völkerbund wäre bisher nichts anderes gewesen, als eine Versicherungsgesellschaft der sogenannten Sieger (Souhlas na levici.) Wir werden sehen, wie sich die Sache weiter auswachsen wird, ob die vielen salbungsvollen Reden, die gehalten worden sind, wirklich einen Inhalt haben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch hervorheben, daß uns der Völkerbund bis jetzt, auch ohne Rücksicht darauf, daß Deutschland demselben nicht zugezogen wurde oder nicht beigetreten ist, überhaupt als Torso erscheint. Der Gedanke des Völkerbundes ist in Amerika in Verbindung mit dem Namen Wilson entstanden und wir wissen, daß Amerika verärgert dem Völkerbund bisher ferngeblieben ist.

Jemand hat von der Sphinx Rußland gesprochen. Wir wissen auch, daß Rußland dem Völkerbund gegenüber eine besondere Stellung einnimmt. Ich möchte bei dieser Gelegenheit eines mitunterstreichen, daß wir als christliche Partei ganz besonders die Mitgliedschaft des Papstes, der in seiner Person, in seinem Amte an sich, eine Art Völkerbund repräsentiert, vermissen.

Wir wissen, welche Rolle die èechoslovakische Außenpolitik oder der Herr Außenminister in Genf bei der letzten Tagung gespielt hat, daß er dort in der vordersten Reihe stand. Ich muß aber doch auch wieder sagen, daß da eine ganz zufallende Inkongruenz zwischen Wort und Tat besteht. Ich kann mir nicht helfen, ich muß an den Umstand erinnern, wie der Herr Außenminister die Außenpolitik hier so geführt hat, daß dieser Staat, weil sich in Ungarn Entwicklungen gezeigt haben, die dem Herren Außenminister nicht gefallen haben, an den Rand des Krieges geführt worden ist, ja daß der Herr Außenminister bereit gewesen wäre, seine Politik durch einen neuen Krieg zu besiegeln und zu bestätigen. Wer nun wenigstens teilweise ein Friedensfreund ist, der muß nach Tunlichkeit den Gedanken an den Krieg ausschalten, denn wir sind der Mei nung, daß er aus den Geschehnissen des Weltkrieges gelernt haben sollte. Ich muß sagen, daß es eine unwiderlegliche Tatsache ist, die wir hier angeführt haben. Ich hebe gar nicht einmal hervor, daß die innere Entwicklung Ungarns der Anlaß zu diesem Verhalten war; die Èechoslovakei hatte gar keine Ursache, in die inneren Verhältnisse Ungarns hineinzureden. Aber ich muß hervorheben, daß uns diese vielen Worte der èechoslovakischen Außenpolitik über den Völkerbund mit Rücksicht auf diese angeführte Tatsache wenig glaubwürdig erscheinen.

Und nun noch ein Zweites, meine Herren, das ist französisch und èechoslovakisch. Vor einigen Tagen und es ist kein Anlaß, das etwa irgendwie anzuzweifeln, alle Zeitungen haben es berichtet - hat Herriot an der Sorbonne gesprochen und hat gesagt - es wurde buchstäblich so berichtet - der Krieg war der letzte Krieg und Frankreich tut einen heiligen Eid, daß es dies halten wird. Er fügt dann freilich hinzu, Frankreich habe das Protokoll von Genf zuerst unterschrieben, aber auf nichts in seiner Macht verzichtet. Dieses letzte Wort läßt natürlich wieder alle Türen offen. Aber das tritt noch zurück hinter der Tatsache, daß gleichzeitig, während der französische Regierungschef so spricht, der französische Kriegsminister nach Zeitungsmeldungen vorhat, eine Instruktion an die ganze Nation zu richten, "damit alle lebendigen Kräfte der Nation für den Fall der Verteidigung eingestellt werden."

Wir wissen, was das bedeutet: "Verteidigung". Die Jugend soll in diesem Sinne erzogen werden, es sollen die wissenschaftlichen Forschungen nutzbar gemacht werden, die Industrie und das Bankwesen sollen für den Fall der Verteidigung eingestellt werden und die Kolonien in dieser Hinsicht tunlichst ausgenützt werden. (Výkøiky na levici.)

Meine Hochverehrten! Wenn man in Genf vom Weltfrieden überfließt und hinausruft, daß es keinen Krieg mehr geben soll und gleichzeitig derartiges einleitet, so ist das, gelinde gesagt, eine ungeheure Inkongruenz, und wir wissen, was wir von diesen französischen Genfer Worten zu halten haben. Damit das Bild vollständig sei, bringe ich vor, was unsere Zeitungen in letzter Zeit berichtet haben, wie auch von èechoslovakischer Militärstelle der Vorschlag ausgegangen ist, die verbündeten Mächte möchten sich für den Fall eines Krieges auf ein gemeins ames Oberkommando einigen; das wäre unbedingt notwendig, das hätte der Weltkrieg gezeigt, und es wäre ein èechischer Rat der Verteidigung zu bilden, Industrie und Bankwesen wären für den Fall eines Krieges einzustellen. Wenn das der Fall ist, wie soll man dann Friedensworte, die in Genf von Seite der èechoslovakischen Vertreter gefallen sind, glaubhaft finden? Ganz abgesehen von jenen Witzeleien und Spötteleien, welche in den Blättern, welche einzelnen Ministerien nahestehen, von diesem Pazifismus von Genf zu lesen waren.

Ich will nur sagen, daß dieser "Anfang der neuen Epoche in der Geschichte der Menschheit" von eigentümlichen Begleiterscheinungen umgeben ist. Ich möchte annehmen, daß der Wert der Worte von Genf sich beweise durch das, was kommen soll, namentlich durch die kommende Abrüstungskonferenz. Dort werden diese Verhandlungen, die in Genf wochenlang geführt worden sind, die Prüfung auf ihren Ernst zu bestehen haben. Ich fürchte nur: diese Abrüstungskonferenz wird etwa einen Verlauf nehmen, wie die bekannte Flottenkonferenz von Washington.

Der Präsident des Staates hat vor drei Tagen die Worte gesprochen: "Der Völkerbund ist Tatsache." Ja, im guten Sinn des Wortes wollen wir es, denn es kann nichts edleres geben, als die Menschheit für immer von der Furie des Krieges zu befreien. Aber wir müssen auch wieder bervorheben, daß, wenn dieser Völkerbund Tatsache werden soll, er wesentlich umgestaltet werden muß; er darf dann nicht mehr eine Versicherung der Sieger sein, es darf in ihm keine Zweideutigkeit herrschen.

Meine hochverehrten Anwesenden! Es ist so selten Gelegenheit, über einzelne konkrete Dinge, welche mit dem Außenamt des Staates zusammenhängen, zu reden. Ich möchte also bei diesem Anlaß noch drei Punkte hervorheben. Sie hängen mit den großen Weltfragen gar nicht zusammen, sind mit Bezug auf dieselben etwas klein, aber für die Personen, die davon betroffen werden, sind sie sicher und wahrhaftig nicht klein und der große Einfluß, den sich der Herr Minister verschafft hat, würde vielleicht ausreichen und namentlich die Rücksicht auf die wahre Demokratie, daß diesen 3 Sachen in befriedigender Weise entsprochen werden könnte. Das eine, was ich da anführen möchte, wären die Auslandsreisen der Pensionisten. Es sind ja meistens Reisen der Pensionisten und Staatsbeamten in die Nachfolgestaaten. Die Bestimmungen, die bisher darüber gelten - ich will sie nicht anführen - sind, wenn sie nicht so beschämend wären, möchte ich sagen, direkt lächerlich. Wir wissen, wie diese Bewilligungen erteilt werden. Erledigungen von Ansuchen um die Bewilligung, in einen der Nachfolgestaaten zu reisen, treffen erst Monate nach der Zeit ein, für die man um die Bewilligung angesucht hatte. Ich will das Beschämende gar nicht einmal hervorheben, daß mit diesen Auslandsreisen Verkürzungen der Bezüge der Pensionisten und Staatsbeamten verbunden sind. Mit der Aufrichtung der politischen Grenzen sind doch nicht auch die Familienbande, wie sie zur Zeit der alten Monarchie bestanden haben, vernichtet worden! Es ist einfach eine Forderung der Humanität, ganz abgesehen von der wahren Demokratie, daß in dieser Hinsicht Wandel geschaffen werde. Einen Umstand möchte ich ganz besonders hervorheben. Es kommt mir auch so kleinlich vor, daß es Pensionisten unmöglich gemacht werden soll, in einem der Nachfolgestaaten die letzten Jahre des Lebens zuzubringen. Das ist so kleinlich und für das, was den Staat wirklich an materiellen Werten dadurch entginge, würde sich dann, wenn diese Aufenthalte gestattet wären, doch auch ein Ausgleich finden, weil ganz bestimmt aus der gleichen Ursache viele Pensionisten aus den Nachfolgestaaten auch in der Èechoslovakei ihre Pensionsjahre verbringen würden. Ich möchte den Herrn Minister des Äußern bitten, in dieser Hinsicht Schritte zu unternehmen, damit diese Sache in wirklich demokratischer Weise, in einer Weise, die der Humanität entspricht, gelöst werde.

Das zweite, was ich hervorheben möchte, ist das, was Kollege Dr. Holitscher imm Außenausschuß, als dieser das letztemal tagte, angeschnitten hat. Wir wissen, was für Belästigungen mit dem Paß- und Visumwesen verbunden sind. Wir möchten in Bezug auf die Auslandsreisen endlich wiederum den Zustand der Vorkriegszeit erreichen. Und das dritte, was ich unterstreichen möchte, ist das, wofür Abg. Dr. Medinger in Wort und Schrift eingetreten ist. Die meisten von uns haben solche Fälle laufen, vielleicht schon seit Jahren, wo es nicht erreicht werden kann, eine Entscheidung über die Staatsbürgerschaft irgendjemandes zu erhalten. Ich möchte, daß der Herr Außenminister auch da Schritte unternehme, wo sie notwendig sind, damit diese Fragen endlich gelöst werden. Es ist ja direkt beschämend, wenn es zufufällig der Fall ist und es ist der Fall, daß Ärzten, die vor dem Umsturz an der Wiener Universität graduiert worden sind, unmöglich gemacht wird, in der Èechoslovakei, wobei sie hier wohnen müssen, ihre Praxis auszuüben.


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