Pøíloha k tìsnopisecké zprávì
o 287. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve støedu dne 17. záøí 1924.
1. Øeè posl. Schälzkyho (viz str. 1520 tìsnopisecké zprávy):
Meine Damen und Herren! Die endgültige Beratung und Verabschiedung der Gesetzesvorlage, betreffend die Versicherung der Arbeitnehmer für den Fall der Krankheit, der Invalidität und des Alters soll eine der wichtigsten Forderung des arbeitenden Volkes der Erfüllung näher bringen. Seit Jahrzehnten wurde danach gerufen, daß die gegen Lohn arbeitenden Personen nicht allein im Falle der Krankheit, sondern auch bei vorzeitiger Arbeits- und Verdienstunfähigkeit, im Falle der Invalidität sowie auch bei Eintritt des Alters Erleichterung und Sicherung der wirtschaftlichen Existenz finden sollen. Im alten Österreich stand dieses Werk des sozialen Fortschrittes vor der Gesetzwerdung. In der Èechoslovakischen Republik haben alle Regierungen diese Forderung in ihr Programm aufgenommen und die Erfüllung für die nächste Zukunft in Aussicht gestellt. Bei den eigentümlichen Regierungsverhältnissen und den berüchtigten Methoden der eigentlichen gesetzgebenden Körperschaft in diesem Staate, der "Pìtka", hat die Gesetzvorlage eine interessante Geschichte hinter sich, die zur Charakterisierung des herrschenden Systems, der sozialen Kämpfe inmerhalb der Koalitionsparteien, und der ganz eigenartigen Auffassung des Parlamentarismus verdient, ausführlich geschrieben zu werden.
In ernsten und gründlichen Beratungen hat sich das Subkomité des sozialpolitischen Ausschusses ein halbes Jahr mit dieser Vorlage beschäftigt, wobei besonders die Opposition bemüht war, aus dieser Vorlage ein soziales Werk zu machen, das einigermaßen den berechtigten Forderungen der betreffenden Volkskreise entsprechen könnte. Schließlich entschied immer der Wille der "Pìtka", die die Leistungen der Versicherung auf ein Mindestmaß herabdrückte und allen Bestrebungen, die einigermaßen die Selbstverwaltung in den Versicherungsinstituten oder vielleicht gar die berechtigten Forderungen der nationalen Minderheiten sichern wollten, den leidenschaftlichsten Widerstand entgegensetzte. Die Vorlage hat uns in diesen Belangen große Enttäuschungen gebracht und wird weiten Kreisen, das sei hier festgestellt, besonders dem deutschen Volke, die Freude an diesem sozialen Werke vergällen.
Meine Partei tritt entschieden für die Ausgestaltung der Sozialversicherung ein. Wir verlangen die gesetzliche Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des arbeitenden Volkes im Falle der Arbeits- und Verdienstunfähigkeit, die notwendige wirtschaftliche Sicherstellung der Familie des Arbeiters, die ihren Ernährer verloren hat, eine großzügige Gesundheitspflege zur Erhaltung der Volkskraft. Dieses Verlangen stellen wir mit Rücksicht auf den Wert der Arbeit und die Würde des Arbeiters. Wir sehen in diesem Ausbau der Sozialversicherung ein unabweisbares soziales Bedürfnis und erheben diese Forderung im Namen der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Friedens. Die christlichsoziale Partei sieht in der Sozialversicherung eine ihrer programmatischen Hauptforderungen; sie hat auch im alten Österreich an den Verhandlungen über die Sozialversicherung hervorragenden Anteil genommen.
In der Generaldebatte im sozialpolitischen Ausschuß habe ich namens meiner Partei erklärt, daß wir an dieser Gesetzvorlage, obzwar sie in vielen Belangen verbesserungsbedürftig ist und unseren Forderungen nicht entspricht, doch ehrlich und eifrig mitarbeiten, Anträge zur Verbesserung stellen und Anträge von anderer Seite unterstützen wollen. Aber bei den offenkundigen Bestrebungen der Zentralisierung und Bürokratisierung, die bei den Verhandlungen im Unterausschuß so klar zutage traten, bei der zielbewußten Einschränkung jeder Selbstverwaltung, bei dem ängstlichen Streben, jedes Entgegenkommen in nationaler Beziehung, jede Rücksicht auf sprachliche Minderheiten zu vermeiden, müssen wir die traurige Befürchtung aussprechen, daß man auch diesem sozialen Werk, auf das man sicher bei der internationalen Sozialkonferenz in Prag in 14 Tagen mit stolzer Geste hinweisen und das man als Beweis des sozialen Fortschrittes in diesem Staate preisen wird, daß man dieses soziale Werk ebenfalls in den Dienst der Èechisierungsbestrebungen stellen wird. Es ist ein Widersinn, auf der einen Seite soziales Recht schaffen zu wollen und auf der anderen Seite nationales Recht zu verletzen. Daß bei diesem herrschenden System unsere Forderung, daß die Versicherung auf nationaler und autonomer Grundlage aufgebaut werde, kein Gehör findet, ist uns klar. Trotzdem aber müssen wir diese Kardinalforderung deutlich aussprechen und darum kämpfen. Bei der parlamentarischen Beratung der Gesetzesvorlage der Sozialversicherung der unselbständig Erwerbstätigen müssen wir auf unsere Forderung hinweisen, daß zugleich auch eine ähnliche Fürsorge für die selbständig Erwerbstätigen in Gewerbe, Handel und Landwirtschaft geschaffen werde. Wohl ist diese Forderung durch das Junktim im § 277 der Vorlage festgelegt, aber wir halten es bei dieser Gelegenheit für unsere Pflicht, an die Regierung die dringendste Aufforderung zu richten, alles zu veranlassen, damit auch diese Vorlage in kürzester Frist durchberaten werde und damit die Durchführung der ganzen Sozialversicherung ehebaldigst erfolge. Der Herr Minister für Soziale Fürsorge hat im Plenum des sozialpolitischen Ausschusses am 1. Juli die Erklärung abgegeben, daß die Vorarbeiten für die Selbständigenversicherung in dem beim Fürsorgeministerium errichteten Departement bereits soweit vorgeschritten sind, daß in dem Augenblicke, als diejenigen Männer, die bisher an der Unselbständigenversicherung gearbeitet haben, frei werden, es möglich sein wird, das Problem der Selbständigenversicherung zu lösen und an die Ausarbeitung des diesbezüglichen Gesetzantrages zu schreiten.
Daß den selbständig Erwerbenden in Gewerbe, Handel und Landwirtschaft dieselbe soziale Fürsorge zuteil werde, wie den unselbständig Erwerbstätigen, ist eine alte Forderung meiner Partei. Die wirtschaftlichen Verhältnisse bei den kleinen Leuten der selbständigen Berufe verlangen ebenso einen entsprechenden Schutz für den Fall der Arbeitsund Verdienstunfähigkeit; der Sudetendeutsche Bauerntag am 31. August 1924 in Zwittau hat ebenfalls in seiner Resolution verlangt, daß dieselbe soziale Fürsorge den selbständig Erwerbenden zuteil werden soll, wie den anderen Erwerbsgruppen. Wir vertreten hiebei die Ansicht, daß nur eine zwangsweise Versicherung einen wirksamen wirtschaftlichen Schutz bieten kann. Die vielfachen Wechselbeziehungen zwischen Selbständigen und Unselbständigen sprechen gleichfalls für die Zwangsversicherung. Daß eine freiwillige Versicherung in dieser Hinsicht versagen würde, beweisen die Erfahrungen, die man in anderen Ländern, besonders in Deutschland, mit der freiwilligen Versicherung der selbständig Erwerbenden gemacht hat. Wir verlangen aber, daß bei den Vorarbeiten den interessierten Kreisen, besonders den Verbänden dieser Berufsgruppen, Gelegenheit geboten wird, ihre Wünsche und Forderungen zur Geltung zu bringen, damit man sich auch über die finanzielle Belastung klar wird, die der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Rechnung tragen muß. Daß eine derartige soziale Fürsorge und wirtschaftliche Sicherstellung für die Zeit der Arbeits- und Verdienstunfähigkeit Opfer verlangt, ist selbstverständlich. Diese Opfer werden aber leichter gebracht werden, wenn die interessierten Kreise die Überzeugung haben, daß diese Aufwendungen ihnen selbst zugute kommen, daß diese Versicherung für sie eine soziale Notwendigkeit ist, und durch die eigene Mitwirkung der Versicherten die Gewähr einer sparsamen, zweckentsprechenden Verwaltung gegeben ist. Daher erheben wir auch hier die Forderung nach Aufbau auf autonomer und nationaler Grundlage und verlangen, daß diese Gesetzesvorlage nicht hinter Schloß und Riegel der "Pìtka"-männer ausgearbeitet wird, sondern in ehrlichem Zusammenwirken der Vertreter der einzelnen Berufsstände und Nationen zustande komme. Ich möchte betonen, daß ich dabei die erste, von Fachmännern ausgearbeitete, Vorlage meine. Was die vielerörterte Frage der finanziellen Belastung betrifft, ist es selbstverständlich, daß durch die Versicherung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht unterbunden werden darf; aber eben so selbstv erständlich ist, daß für dieses Werk des sozialen Fortchrittes Opfer gebracht werden müssen. Diese sozialen Aufwendungen müssen eben in Zukunft einen besonderen Teil der Produktionskosten bilden. Wenn uns die Fachleute bei den Verhandlungen immer wieder vor Augen geführt haben, daß durch die Sozialversicherung die Produktionskosten um 0.45 % erhöht werden, kann doch nicht von einer unerträglichen Belastung oder gar von einem Zusammenbruch der Volkswirtschaft infolge der Sozialversicherung gesprochen werden. Die große Belastung der Volkswirtschaft in diesem Staate liegt ganz wo anders. Sie liegt in der ganzen Finanzwirtschaft des Staates, in der Wirtschaftspolitik, die von allen Seiten schärfste Kritik gefunden hat. Sie liegt in dem unerträglichen Steuerdruck, der besonders durch den Militarismus und die unproduktiven Staatsausgaben verursacht wird. Der Staat muß vor allem eine vernünftige Wirtschaftspolitik betreiben, um unserer Volkswirtschaft die Lasten erträglicher zu machen, er muß durch eine ehrliche Friedenspolitik sich von dem Bleigewicht des Militarismus freimachen. Eine ernstlich in Angriff genommene, zielbewußte Herabsetzung der Steuerlasten muß der Volkswirtschaft diese neuen Opfer ermöglichen. Manchen Bedenken gegenüber kann auf das Beispiel anderer Staaten, die in der Sozialversicherung bereits weiter sind, hingewiesen werden, besonders auf Deutschland, wo durch Einführung der Invaliditätsversicherung eine Periode wirtschaftlichen Aufschwungs einsetzte und die deutsche Arbeiterschaft, aber auch die deutsche Volkswirtschaft auf eine viel beneidete Höhe gebracht wurde. Bei den Verhandlungen im Unterausschuß nahm die Frage der Vereinheitlichung der Sozialversicherung, die Einbeziehung der Unfalls-, Pensionsversicherung und der Bruderladen einen breiten Raum ein. Die Bruderladen bestanden auf Beibehaltung ihrer Versicherung. Die Einbeziehung der Unfallversicherung, die auch vom Berichterstatter im Budgetausschuß nach den Verhandlungen im sozialpolitischen Ausschuß verlangt wurde, wurde vom Berichterstatter Dr. Winter schon bei den ersten Verhandlungen abgelehnt, weil die körperlichen und geistigen Gebrechen, die Gegenstand der Unfallsversicherung sind, an sich ganz an derer Natur seien, als die Gebrechen, mit denen sich die Kranken- und Invalidenversicherung befaßt. In jedem Fall lassen sich für die Einbeziehung der Unfallversicherung viele Gründe ins Treffen führen. Wir haben besonders auf die Einbeziehung der Arbeitslosen in den Rahmen der Sozialversicherung ein besonderes Gewicht gelegt. Leider wurde diesem Verlangen nicht entsprochen. Der Ansicht des Herrn Berichterstatters, daß das Genter System für unsere Verhältnisse das einzig mögliche ist, können wir nicht zustimmen. Unsere Stellungnahme zum Genter System haben wir wiederholt kundgegeben und festgestellt, daß sich dasselbe nur für normale wirtschaftliche Zeiten eigne, während wir unter den Nachwirkungen des Krieges noch lange mit wirtschaftlichen Krisen werden zu rechnen haben. Wenn es demnächst zur Einführung des Genter Systems kommen soll, müssen wir wiederum die Forderung nach Novellierung des bereits vorliegenden Gesetzes erheben.
Nach der Erklärung des Berichterstatters wurde die Vereinheitlichung der Versicherung hauptsächlich aus dem Grunde fallen gelassen, um eine Verzögerung der Vorlage hintanzuhalten. Dieser Frage würde bei der Novellierung der Unfalls- und Pensionsversicherung näher getreten werden. Was den Kreis der Versicherten anlangt, der alle umfaßt, die in der Èechoslovakischen Republik Arbeiten oder Dienste auf Grund eines vereinbarten Arbeits-, Dienst- oder Lehrvertrages leisten, begrüßen wir es, daß es schon im Subkomitee gelungen ist, auch jene wirtschaftlich schwachen Schichten der Bedienerinnen, Hausnäherinnen, Hauslehrer und jener Personen, die abwechselnd bei verschiedenen Dienstgebern Dienste leisten, in die Pflichtversicherung einzubeziehen. Die Privatbeamten verlangen in ihrer Mehrheit, daß sie aus der Arbeiterkrankenversicherung ausgeschieden werden. Im Subkomité wurde die Forderung, die Krankenversicherung der Privatbeamten durch ein besonderes Gesetz zu regeln, abgelehnt. Es wurde in Aussicht gestellt, daß man sich nach Fertigstellung der Sozialversicherungsvorlage mit der Organisation der Privatbeamtenversicherung befassen wird, um die Pensions- und Krankenversicherung der Privatbeamten in eine ähnliche organische Verbindung zu bringen, wie bei der Unselbständigen-Versicherung.
Bei dieser Gelegenheit muß ich wiederum auf die Forderung der Privatbeamten hinweisen. Ich muß auch dem einmütigen Verlangen der Staatsangestellten Ausdruck geben, die aus verschiedenen Gründen eine selbständige Krankenversicherung, die besondere Heilpflege bietet, verlangen. Ich habe mir erlaubt, einen Resolutionsantrag zu stellen: "Die Regierung wird aufgefordert, zu veranlassen, daß die Gesetzesvorlage über die Krankenversicherung der öffentlichen Angestellten ehestens in Verhandlung gezogen werde."
Bei dieser Gelegenheit müssen wir wiederum die Forderung erheben, daß ehetunlichst auch für jene Personen vorgesorgt werde, die infolge ihres Alters in den Rahmen der eigentlichen Sozialversicherung nicht aufgenommen werden konnten und für welche durch ein Gesetz ein besonderer Staatsbeitrag aus Staatsmitteln gesichert wurde. Wir verlangen, daß diese Gesetzesvorlage ehebaldigst der parlamentarischen Behandlung unterzogen werde.
Mit besonderer Schärfe wenden wir uns gegen die Einschränkung der Selbstverwaltung in diesem Gesetzentwurf, die in ihren praktischen Auswirkungen weitesten Kreisen die Freude an der Sozialversicherung trüben wird. Gerade in der Selbstverwaltung sehen wir die Grundlage einer gedeihlichen Entwicklung der Versicherung. Einer der Mitarbeiter der Vorlage Dr. Gallas hat in einem Vortrag gesagt, die Versicherung müsse den Schichten, für die sie bestimmt ist, ans Herz gewachsen sein. Das kann sie aber nur dann, wenn sie den Wünschen und Forderungen der Versicherten einigermaßen entspricht. Er hat in diesem Vortrag im Sozialen Institut im Mai erklärt, die Kommission habe sich für die Autonomie entschieden. Die Sozialversicherung schließe den Charakter bürokratischer Verwaltung aus. Die Person des Versicherten müsse in verstärktem Maße bei den Aufgaben herangezogen werden, die seine Versicherung mit sich bringt. Schärferer Kontrast läßt sich wohl nicht malen, als diese schönen Worte dem tatsächlichen Gesetzestext gegenüberzustellen. Ich brauche da nur auf die viel erörterten §§ 65 und 66 der alten Vorlage hinzuweisen, nach der Direktor, Kassier und Hauptbuchhalter von der Zentralv ersicherungsanstalt ernannt werden. Diese ursprüngliche Bestimmung wurde durch Änderung der Organisationsform der Krankenkassen dahin abgeändert, daß bei den Krankenversicherungsanstalten, welche höchstens 2000 Mitglieder haben, der Direktor, der zugleich Kassen- und Buchhaltungsdienst zu versehen hat, bei Krankenversicherungsanstalten, welche mehr als 2000 bis höchstens 5000 Mitglieder haben, außerdem ein weiterer Beamter zum Kassen- oder Buchhaltungsdienst und bei Krankenversicherungsanstalten von mehr als 5000 Mitgliedern die drei höchsten Beamten von der Zentralsozialversicherungsanstalt ernannt werden. Ich brauche da nur auf die Bestimmungen des § 69 hinzuweisen, nach denen der Direktor das Recht und die Pflicht hat, Beschlüsse der Generalversammlung oder des Vorstandes, wenn er vermeint, daß diese mit den geltenden Vorschriften in Widerspruch stehen, der Zentralsozialversicherungsanstalt vorzulegen und die Ausführung dieser Beschlüsse bis zur Entscheidung zurückzuhalten. Dasselbe Recht hat der Vorsitzende der Zentralsozialversicherungsanstalt: Beschlüsse des Vorstandes und des Ausschusses der Zentralsozialversicherungsanstalt zu sistieren bis zur Entscheidung des Ministeriums für Soziale Fürsorge, ferner, daß die Direktion über Anträge für den Vorstand und den Ausschuß zu entscheiden hat, daß die Generalversammlung nur über Anträge des Vorstandes bezüglich Erwerbung, Veräußerung und Belastung der Liegenschaften verhandeln darf. Wie da noch der Herr Berichterstatter sagen kann, der Entwurf lasse die Autonomie aufrecht, ist uns unverständlich. Ich darf da wohl wiederum auf das scharfe Urteil des sozial-demokratischen Gesinnungsgenossen, des Herrn Berichterstatters, Dr. Verkauf in Wien, hinweisen, der dazu erklärte: "Wenn das nicht eine vollständige Ausschaltung der Selbstverwaltung und eine vollkommene Bürokratisierung bedeutet, dann weiß ich nicht, was Bürokratisierung überhaupt ist". Gegen diese Beschränkung der Autonomie haben wir uns schon bei der Generaldebatte im sozialpolitischen Ausschuß sowie auch bei Beratung im Unterausschuß entschieden gewendet und entsprechende Abänderungsanträge gestellt.
Wenn wir bei den Verhandlungen gesehen haben, wie allen nationalen Forderungen, z. B. dem Verlangen auf Errichtung national getrennter Versicherungsanstalten, dem Verlangen, auf den nationalen Minderheiten eine Vertretung in der Direktion zu sichern, dem Antrag auf Sicherung eines Vizepräsidenten in der Zentralsozialversicherungsanstalt, wenn allen diesen Verlangen von Seiten der Mehrheitsparteien entgegengetreten wurde, wurden wir in der Annahme bestärkt, daß hinter diesen Beschränkungen der Selbstverwaltung nationale Gründe stehen, die auch bei dieser Gesetzesvorlage eine große Rolle spielen, um die Stellung der Staatsnation zu stärken. Der Herr Berichterstatter hat zu dem Antrag auf Sicherung einer Vizepräsidentenstelle zugestanden, daß ein dritter Vizepräsident aus der Reihe der Fachleute genommen werde und daß man bei der Ernennung auf die Deutschen Rücksicht nehmen würde. Aber gesetzlichen Anspruch zu geben hat man sich krampfhaft geweigert. Wir können uns daher vorstellen, wie wenig Deutsche in der Zentralsozialversicherungsanstalt sein werden.
Der Zahl, der kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung des deutschen Volkes wird man nicht gerecht werden, solange die heutigen politischen Verhältnisse bestehen. Der Begründung der Einschränkung der Autonomie, daß nämlich eine Kontrolle der Zentrale da sein müsse wegen der Gelder, die durch Bezirksstellen fließen oder, wie von einer Seite immer wieder betont wird, wegen des Staatszuschusses, können wir nicht zustimmen. In Deutschland hat man die Kontrolle der Versicherungsämter und der Oberversicherungsämter und ist damit zufrieden.
Es wurde in der Debatte auf die Haltung der Vertreter des èechischen Volkes bei Behandlung der Pensionsversicherung im alten Österreich hingewiesen, wo damals national getrennte Landesstellen verlangt und durchgesetzt wurden. Bei diesem Gesetz kommt eine ganz andere Zahl von Versicherten in Betracht. Bei dreieinhalb Millionen Deutschen kann man vielleicht mit 600-800.000 deutschen Versicherten rechnen, und jetzt will man von einer nationalen Scheidung nichts wissen. Wenn wir bei der hiesigen nationalen Praxis erwägen, daß die Bestimmungen des Sprachengesetzes auch auf die Versicherungsanstalt und auf die Zentrale ausgedehnt werden, obwohl es sich hier nicht um staatliche Ämter handelt, sondern um autonome Institute, wenn wir erwägen, daß dann auch der Verkehr mit den einzelnen Versicherten in der Staatssprache, im besten Falle doppelsprachig, erfolgt, kann man sich vorstellen, wie dies den Geschäftsgang erschweren, verlangsamen und verteuern wird. Im Unterausschuß wurde bereits von dem Vertreter der Regierung erklärt, daß die Anwendung des Sprachengesetzes auf die Sozialversicherung keinen Bedenken unterliegen könne, wobei er sich auf die Bestimmungen der Verfassung und des Sprachengesetzes berief.
Für uns Deutsche erregt die nationale Seite der Vorlage die ärgsten Besorgnisse. Die Ernennung èechischer Beamter bei den Bezirksversicherungsanstalten, die vollständige Beherrschung der Zentralanstalten, die Verwaltung und die Anlage des freien Vermögens, wird die Handhabe bieten, dieses Gesetz gegen uns Deutsche anzuwenden. Man hat zwar auf die von deutscher Seite geäußerten Bedenken schon im Unterausschuß erklärt, daß dem nicht so sein werde. Wenn der Herr, der diese Versicherung gegeben hat, die Durchführung in der Hand hätte, würde ich es glauben, aber gesetzlich wurde zum Schutze der deutschen Belange und zur Sicherung der nationalen Rechte der Minderheiten nichts festgelegt; und weil es da vor allem auf den Geist ankommt, wie man ein Gesetz durchführt und auf die Personen, die es durchführen, ist ersichtlich, daß wir mit unseren Befürchtungen leider nur zu recht haben. Die Zentralanstalt ist nach den Bestimmungen im § 72 verpflichtet, Rücksicht zu nehmen und darauf zu achten, daß unter den Beamten das Verhältnis der nationalen Minderheiten und der Nationalitäten annähernd dem Verhältnisse der nationalen Zugehörigkeit der Versicherten entspricht. Schon im Subkomitee wurde auf die Dehnbarkeit des Begriffes "annähernd" hingewiesen. Bei den deutschen Kassen werden èechische Beamte ohne weiteres angestellt werden, während bei den èechischen Kassen das Wörtchen "annähernd" für die Deutschen keinen Vorteil bieten wird. Im Unterausschuß habe ich auf die Schwierigkeiten der Rentenbemessung hingewiesen, wenn nicht auf Leistungen der Invaliden- und Altersversicherung eigene Rentenkommissionen zur Entscheidung der Ansprüche in Aussicht genommen würden. Schon der österreichische Entwurf von 1904 hatte ähnliche Rentenkommissionen vorgesehen, die seitens der Kritik damals überall eine gute Aufnahme fand. Wie wird es möglich sein, daß die Riesenanstalt in Prag 60.000 bis 80.000 Rentenansprüche erledigt, welch’ungeheurer Riesenapparat von Beamten wird da erforderlich sein? Das muß eine vollständige Bürokratisierung der Verwaltung mit sich bringen. Gegen die Rentenkommission hat man eingewendet, daß sie die finanziellen Interessen der Versicherten gefährdet und daß die gewünschte Einheitlichkeit der Entscheidungen nicht geboten wäre. Diese Befürchtungen lassen sich wohl zerstreuen. Die Autonomie verlangt, daß zur Entscheidung auch die Vertrauensmänner herangezogen werden und daher verlangen wir möglichste Dezentralisierung.
Die Frage der Organisation war ein Streitpunkt von allem Anfang an. Gegen die von sozialistischer Seite so eindringlich geforderte Einheitskasse wendeten sich die nichtsozialistischen Parteien. Aus diesem Kampfe, der eine Umarbeitung der ersten Vorlage, welche die Einheitskasse in Aussicht nahm, mit sich brachte und die Entscheidung über diese Frage auf einen späteren Zeitpunkt verschob, wurde fast ein Kampf um die Sozialversicherung. Im letzten Augenblick, als die Verhandlungen über die Gesetzesvorlage im Unterausschusse vor dem Abschluß standen, in der letzten Sitzung, legte die Regierung die ergänzenden Gesetze über die Organisation der Krankenversicherung vor, welche die Durchführung der Krankenversicherung den im § 24 genannten Krankenversicherungsanstalten übertrug. Ich habe im Unterausschuß gegen die Benachteiligung der genossenschaftlichen Krankenkassen, für die ein Mitgliederstand von 4000 Mitgliedern mit dem 1. Jänner 1924 als Stichtag verlangt wurde, gewendet, wodurch eigentlich die genossenschaftlichen Krankenkassen unmöglich gemacht werden. Die Genossenschaften und Handelsgremien verlangen, daß die Kassen auch weiterhin erhalten bleiben und ihnen die Möglichkeit einer weiteren Entwicklung und Entfaltung gesichert werde. In dem Memorandum, das diese Kassen den Parlamentariern in letzter Zeit übermittelt haben, wird diese Forderung ausführlich begründet, und auch gestern hat einer der Herren Vorredner sich des längeren mit dieser Forderung beschäftigt. Ein besonderes Unrecht erblickt man in der Festsetzung des Stichtages vom 1. Jänner 1924, weil zu diesem Zeitpunkt besonders gegen Ende des Jahres viele dieser Kassen kaum ein Viertel der durchschnittlichen Mitgliederzahl haben, besonders in Badeorten und bei solchen Kassen, die viele Saisonarbeiter haben. Es wird daher verlangt, daß von diesem Stichtag abgesehen und vielleicht ein Durchschnitt bei herabgeminderter Mitgliederzahl verlangt wird. Wir sind für ein Eigenleben der einzelnen Stände. Die Versicherung soll die berufsständige Eigenart ihrer Mitglieder berücksichtigen. Daher unsere Forderung nach Erhaltung und Ausbau der berufsständigen Krankenkassen. Die Versicherten dieser Berufe werden selbst darüber zu urteilen haben, ob ihre Krankenkassen ihren Wünschen und Forderungen entsprechen, ob sie ihnen die erwarteten Vorteile bringen. Ein gesunder Konkurrenzkampf mit den anderen Kassen wird dazu führen, daß in den einzelnen Kassen möglichst billig verwaltet, daß möglichst viel den Mitgliedern geboten und der Forderung nach freier Ärztewahl möglichst entsprochen werde. Bei einem solchen Gesetzwerk kann man über den Willen der interessierten Kreise nicht hinweggehen. Die Landwirtschaft, die Gewerbegenossenschaften und die Handelsgremien haben klar und deutlich wiederholt erklärt - seitdem die Frage der Krankenversicherung durch die Sozialversicherung wieder zum Gegenstand der öffentlichen Diskussion gemacht wurde - daß sie auf eigenen berufsständischen Krankenkassen bestehen. Die Versicherungsanstalten sind öffentlich-rechtliche Institute. Wenn diese zur Domäne einer bestimmten Partei werden, wenn eine Partei ihnen ihren Charakter aufdrücken und bei jeder Gelegenheit ihren Parteieinfluß ausnützen will, so ist es ganz selbstverständlich, wenn Unzufriedenheit, Erbitterung und Mißtrauen auf der anderen Seite diesen Instituten gegenüber entsteht. Daß das Verfahren ihrer Entpolitisierung berechtigt ist, werden auch die Herren von der sozialdemokratischen Seite nicht bestreiten können. Zu diesen Versicherungsinstituten müssen alle Versicherten das vollste Vertrauen, sie müssen die Gewißheit voller Gleichberechtigung haben; nur dann werden verständnisvoll sowohl die Arbeitgeber, wie auch die Versicherten, als auch alle beteiligten Kreise, die Ärzte u. s. w., an der gedeihlichen Entwicklung dieser Krankenkassen mitarbeiten.
Es ist begreiflich, daß im Unterausschuß die Verhandlungen über das Deckungsverfahren und die finanzielle Belastung eine besonders lange Zeit in Anspruch nahmen. Die von der Vorlage gewählte Form der Anwartschaftsdeckung mit Durchschnittsprämien wird vom Professor Dr. Schönbaum als die beste und sicherste bezeichnet, die außerdem die Erfahrungen der Privatversicherung in den anderen Staaten seit 150 Jahren berücksichtigt. Hinsichtlich des versicherungsmathematischen Teiles sind wir selbstredend auf die Fachleute angewiesen. Um in dieser Hinsicht möglichst sicher zu gehen, habe ich in der Generaldebatte des sozialpolitischen Ausschusses den Wunsch ausgesprochen, daß die versicherungsmathematischen Grundlagen auch von ausländischen Fachleuten überprüft werden. Dies ist über Veranlassung von anderer Seite auch geschehen. Auf dieses Gutachten ausländischer Fachleute kann Herr Professor Dr. Schönbaum mit Befriedigung hinweisen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)
Besonders wichtig ist die Frage der Anlage des freien Vermögens. Im Laufe der Jahre wird die Sozialversicherung ein Riesenvermögen ansammeln. Nach 20 Jahren werden es mehr als 12 Milliarden, nach 30 Jahren fast 20 Milliarden Kronen sein. Im Beharrungszustand wäre mit einem Zinsenertrag von 1·4 Milliarden zu rechnen, was bei 4%iger Verzinsung einem Kapital von 35 Milliarden entspricht. Dazu kommt noch das Kapital der Pensionsversicherung und der Selbständigenversicherung. Es entsteht die Frage, ob die Ansammlung so großer Kapitalien nicht bedenklich ist und wie diese Kapitalien der Volkswirtschaft wieder zugeführt werden. Daran hat die Volkswirtschaft ein hervorragendes Interesse. Von den Fachleuten wurde der Grundsatz ausgesprochen, daß diese Vermögen vor unsicheren Zufällen gesichert und daß die Anlage der Vermögen den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen sei. Deshalb hat sich Professor Dr. Schönbaum dagegen gewendet, daß bestimmte Quoten festgesetzt werden und daß das Gesetz die Anlage genau bestimmt. Wir haben uns dagegen gewendet, daß wenigstens 20 % des freien Vermögens in èechoslovakischen Staatspapieren und 10% in anderen Papieren festgelegt werden. Wir finden es bedenklich, daß eine Obergrenze für diese Anlage nicht gezogen ist. Beim gesicherten Einfluß des Finanzministers, dessen Zustimmung auch zu anderen Punkten noch bei den Beratungen im Budgetausschuß festgesetzt wurde, ist zu erwarten, daß man recht ausgiebig zu dem bequemen Mittel der Inanspruchnahme der Versicherungsgelder durch die staatliche Finanzverwaltung greifen wird. Daher beantragen wir, daß höchstens 15 % des freien Vermögens in èechoslovakischen Staatspapieren angelegt werden. Bei dieser Gelegenheit wurde schon auf die Erfahrungen der Pensionsversicherung mit der Kriegsanleihe hingewiesen, deren Schicksal dieses Parlament vorige Woche in so trauriger Weise besiegelt hat. Die Verwaltung des Versicherungsvermögens ist eine autonome Angelegenheit der Versicherung. Daher haben wir uns gegen den von Prof. Dr. Rauchberg vorgeschlagenen Finanzausschuß gewendet, weil dieses Vermögen nicht vom Standpunkt des Bankkapitals anzulegen ist, sondern der Volkswirtschaft zuzuführen und besonders in sozialem Geist zu verwalten ist. Außerdem handelt es sich hier um nationale Interessen. Sehr große Summen werden durch die Versicherung dem deutschen Volke entzogen, und wir können schon heute sagen, daß wir eine entsprechende Berücksichtigung des deutschen Volkes bei der Anlage dieses Vermögens nicht erwarten. Wegen der eminenten Bedeutung der Wohnnugsfürsorge für die Volksgesundheit und weil wir in der heutigen Wohnungsnot ein Hauptübel erblicken, wollen wir, daß ein entsprechender Teil des freien Vermögens der Sozialversicherungsanstalten zur Wohnungsfürsorge verwendet wird. Ich brauche wohl nicht hinzuweisen, wie besonders die Volksseuche der Tuberkulose in den ungesunden Wohnungen einen fruchtbaren Nährboden findet und daß daher die Kapitalien, die zur Behebung der Wohnungsnot aufgewendet werden und den Wohnungsfürsorgebestrebungen zur Verfügung gestellt werden, im besonderen Interesse der Versicherung selbst liegen. Je mehr die Volksgesundheit sich hebt und die Volkskraft gestärkt wird, desto besser für die Versicherung. Wir haben daher schon im Unterausschuß diesbezügliche Anträge gestellt. Das Zugeständnis im § 183 namentlich zur Wohnungsfürsorge ist uns unzureichend. Solange begründete Ansuchen der gemeinnützigen Baugenossenschaften vorliegen, sollte ein bestimmter Teil des freien Vermögens - wir nehmen ein Drittel als unterste Grenze an - als Hypothekarkredit der gemeinnützigen Bautätigkeit zur Verfügung gestellt werden. Auf diesen Punkt will ich nochmals ganz besonders hinweisen. Eine Hauptschwierigkeit in den Bestrebungen, die Wohnungsnot zu beseitigen, ist der Kreditmangel, und daher wäre es eine soziale Tat, wenn so große flüssige Gelder der Sozialversicherung der Wohnungsfürsorge zur Verfügung gestellt würden. Im Unterausschuß wurde auch, angeblich um die Sozialversicherung populärer zu machen, eine Änderung des Zinsfußes durchgeführt, indem für die ersten 5 Jahre 5 Prozent und für die weiteren 5 Jahre ein Zinsfuß von 4 1/2 Prozent festgesetzt wurde. Damit wurde auch das Zugeständnis hinsichtlich der Wartezeit erkauft. Das finanzielle Erträgnis für die Sozialversicherung mit dieser Zinsfußerhöhung wurde mit 13 Millionen berechnet, die aber nicht zur Verbesserung der Leistungen, sondern zur Herabsetzung der Wochenprämien um 10 Heller - diesen großen Betrag! - verwendet wurde. Früher wurde bei den Verhandlungen immer gesagt, daß ein billigerer Zinsfuß angestrebt werden solle, um einen Druck auf den Bankzinsfuß auszuüben; dann aber hat man sich für die Erhöhung des Zinsfußes ausgesprochen, um damit dem Streben der Banken nach längerer Aufrechthaltung eines höheren Zinsfußes entgegen zu kommen. Nach § 159 wird die Höhe des Versicherungsbeitrages für die Krankenversicherung mit regelmäßig 5 % des durchschnittlichen täglichen Arbeitsverdienstes festgesetzt. Der Fachmann Herr Prof. Dr. Schönbaum hat bei den Verhandlungen darauf hingewiesen, daß man nur bei normalen wirtschaftlichen Verhältnissen, bei Einschränkung der Leistungen der Krankenversicherung das Auslangen finden könne. Der Fachmännerentwurf hatte 6 % vorgesehen. Durch diese Herabminderung der Leistung wird in den beteiligten Kreisem große Enttäuschung hervorgerufen werden. Ich weise nur auf die Festsetzung der absoluten Karenz in der Krankenversicherung hin. Wir wollen daher hoffen, daß mit diesen Leistungen nur der Anfang gemacht wurde und daß es bei Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse gelingen muß, die Sozialversicherung in ihren Leistungen zeitentsprechend auszubauen.