Úterý 15. dubna 1924

Kollege Dr. Hnídek hatte es sehr leicht, als Abgeordneter und von dieser Stelle aus Mut zu bekunden: das Martyrium, das er sich hier für die Tribüne zurechtgelegt hat, ist billig wie Brombeeren. Ebenso wie um die Bestimmung, betreffend die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses, steht es auch um die vom Gesetze in Aussicht genommene Beseitigung der Schwurgerichte. Als praktischer Jurist habe ich mir im Laufe der Jahre ein klares Urteil über die Schwurgerichte zu bilden vermocht: für mich und für meine Partei, ich sage es ganz offen, haben die Schwurgerichte in den letzten Jahren den einstigen Nimbus in hohem Maße eingebüßt. Aber trotzdem sind wir immer jedem, der an die Schwurgerichte Hand anzulegen sich anschickte, in den Arm gefallen. Noch im Jahre 1921 schrieben die Herren in dem Motivenberichte zum Preßgesetzentwurf, der im Hause eingebracht wurde, daß die Preßfreiheit durch die Schwurgerichte besser verbürgt werde, da sich die Schwurgerichte besser dazu eignen zu entscheiden, ob es sich vielleicht um eine bloße Kritik der öffentlichen Organe des Staates handle, oder nicht. Heute geben die Herren die Schwurgerichte preis. Die Herren meinen, daß die Schwurgerichte besonders in Ehrenbeleidigungssachen vielfach versagt haben; doch vergebens sucht man nach einer klaren Beweisführung, nach Argumenten, die gerade für die Zeit vom Jahre 1921 bis zum heutigen Tage die Sinneswandlung der Herren zu rechtfertigen vermöchten. Die Gründe, von denen im Motivenbericht dieser Vorlage die Rede ist, im Motivenbericht von 1924, können Sie samt und sonders im Preßgesetzentwurf von 1902 nachlesen. Alles finden Sie darin: Das Wort von der Parteilichkeit der Geschworenen, das Wort vom Prozeßrisiko des Privatklägers, das Wort von der Umständlichkeit und Kostspieligkeit des Verfahrens. Neue Gründe aber haben Sie nicht vernommen. Im alten Österreich aber, das wahrlich nicht mit allzu viel demokratischem Öl gesalbt war, haben alle oberwähnten Gründe nicht hingereicht, um das Geschworenengericht zu Fall zu bringen. Und so konnte das alte zusammengebrochene Österreich dem èechischen Staat als eine der freiheitlichen Errungenschaften die schwurgerichtliche Judikatur mit in die Wiege legen. In der Èechoslovakischen Republik dagegen, die ein Ausbund von Demokratie zu sein vorgibt, beseitigt man kaltblütig die Schwurgerichte und untergräbt der Demokratie den Boden, in dem man ihr Fundament, die demokratische Rechtsprechung für politische Strafsachen, unterwühlt. Es ist wahr, meine Herren, daß die Wahrsprüche der Geschworenen nicht immer der Kritik Stand zu halten vermochten. (Posl. Hackenberg: Und die der Richter?)

Ich komme darauf noch zu sprechen. Es ist richtig, daß manche Wahrsprüche, besonders in politischen Prozessen, lebhaften Widerspruch und Kopfschütteln der juristischen Welt und der ganzen Öffentlichkeit hervorgerufen haben, aber ich frage: Stand es vielfach um die Entscheidungen der Berufsrichter anders? Es mag ja sein, daß es Kreise gegeben hat, die vielfach berechtigt den Geschwornengerichten einfach im weitesten Bogen ausgewichen sind; aber ich frage: War dasselbe nicht auch vielfach den Berufsrichtern gegenüber geschehen, besonders dort, wo nationale und soziale, besonders Klassengegensätze sehr stark ausgeprägt waren? Über so manches Verdikt haben auch wir den Kopf geschüttelt. Ich frage aber, ob nicht auch so manches berufsrichterliche Urteil das Entsetzen der gerecht fühlenden Menschen hervorrief? Man denke beispielsweise an den Fall des Dr. Deutsch in Österreich, man denke an den Fall Dr. Zeigner in Deutschland, man denke an die vielen strafrichterlichen Urteile in unserem Lande. Es ist wahr, daß die Geschworenen politischen Einflüssen und Einflüsterungen unterliegen; aber ich frage: Stehen die Berufsrichter außerhalb des Weltgetriebes und bleiben sie von ihm unberührt? Es ist wahr, daß die Geschworenen mit allen Vorurteilen der Nation, der Klasse, des Standes und der Religion behaftet sind. Aber finden wir nicht die gleiche Erscheinung zeitweilig auch bei den Richtern, bei dem im politischen Getriebe stehenden Richter der Großstadt oder bei dem ländlichen Richter mit all seinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verknüpfungen und Verflechtungen mit jener Schichte, über die er Recht zu sprechen hat? Womit ich aber absolut nicht generalisieren oder über den Richterstand den Stab brechen will. Es ist wahr, daß die Geschworenengerichte niemandem verantwortlich sind, ganz nach freiem Entscheiden zu judizieren haben daß sie von dem Buchstaben des Gesetzes, von dem Geist und von den Intentionen des Gesetzgebers unabhängig sind. Aber ich frage: Ist es nicht andererseits geradezu verhängnisvoll, wenn die Justiz ganz starr auf den Buchstaben des Gesetzes, auf die Schablone, auf den Formalismus gestellt ist, wenn sie bürokratisiert ist und für die soziale Wertung des Einzelfalles nicht das geringste Verständnis hat? Karl Marx sagte einmal ein wunderbares Wort: "Welch törichte und welch unpraktische Illusion ist ein parteiloser Richter, wenn der Gesetzgeber parteiisch ist! Was ist ein uneigennütziges Urteil, wenn das Gesetz eigennützig ist! Der Richter kann den Eigennutz des Gesetzes nur puritanisch formulieren, nur rücksichtslos anwenden, die Parteilosigkeit ist dann nur die Form, sie ist nicht Inhalt des Urteiles. Den Inhalt hat das Gesetz nur antizipiert". Aber auch davon abgesehen, hat die Politik die Gemüter aller Menschen - und die Richter sind Menschen - derart erfaßt, derart ergriffen, daß das Wort von der Unparteilichkeit des Gerichtes nur auf dem Papiere steht, und da der Richter überdies noch Beamter ist, wollen wir für unseren Teil von der Unterstellung der politischen Prozesse und vor allem der Preßprozesse unter seinen Spruch nichts wissen. Darum sind für uns die Schwurgerichte, so lange sie durch nichts Besseres ersetzt sind, trotz aller Mängel, die ihnen anhaften, heute immer noch eine bessere Bürgschaft für die Demokratie als die gelehrten Gerichte und als die sogenanten gemischten Gerichte mit berufsrichterlicher Mehrheit, wie dies bei den im neuen Gesetz vorgesehenen Schöffengerichten der Fall ist. Übrigens hat die Regierung noch bei Beratung der Verfassungsurkunde - im Motivenbericht der letzten Novelle beruft man sich darauf - Ehrenbeleidigungen gelehrten Richtern zuweisen wollen; in der Preßgesetznovelle vom Jahre 1921 hat sie diesen Standpunkt aber verlassen und alle Vergehen der Ehrenbeleidigung den Schwurgerichten zugewiesen, wenn diese Beleidigungen sich gegen gesetzgebende Körperschaften, gegen Polizei und Gendarmerie, gegen öffentliche Ämter und Korporationen, gegen die Mitglieder dieser Ämter und Körperschaften, gegen alle Beamten und Direktoren der zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen, kurz gegen alle im öffentlichen Leben stehenden Menschen richten.

Der heutige plötzliche neuerliche Umfall der Regierung ist durch nichts zu rechtfertigen, am wenigsten aber durch das Verhalten der Presse in den letzten Affairen, die den Ausgangspunkt der Ausnahmsgesetzgebung gebildet haben. Die Regierung vertritt im Motivenbericht - und mit ihr die ganze Koalitionspresse - die Auffassung, daß der Bestand der demokratischen Einrichtungen des Staates in Frage gestellt sei, wenn dem Staat das von der Regierung vorgesehene ausnahmsgesetzliche Inventar nicht an die Hand gegeben wird. Man verweist zur großen Überraschung auf die Unreife und auf die Unberechenbarkeit der Bevölkerung dieses Staates und stellt der èechoslovakischen Bevölkerung die englische Bevölkerung gegenüber, wie dies übrigens heute auch Kollege Hnídek in seinen kurz vorher gehaltenen Darlegungen getan hat. Vor Tische las man’s anders. Noch im Motivenbericht zu dem im Jahre 1921 unterbreiteten Preßgesetzentwurf wird gerade mit dem Hinweis auf die geistige Reife der Bevölkerung die Reform des Preßgesetzes und die Schaffung der vollen Preßfreiheit verlangt. Nun aber wird die Reife plötzlich geleugnet und, wie dies beispielweise Senator Klofáè in einer Artikelserie auseinandergesetzt hat, von dem Vorhandensein der Reife der Bevölkerung die Erteilung der vollen bürgerlichen Freiheit abhängig gemacht. Eine ganz merkwürdige Auffassung, ein ganz merkwürdiger Grundsatz! Ingwer zitiert in einem ganz ähnlichen Zusammenhang die Worte Macaulays: "Dieser Grundsatz ist der Grundsatz des Toren, der beschlossen hat, nicht eher ins Wasser zu gehen, bis er schwimmen gelernt hat. Wenn die Menschen auf die Freiheit warten sollen, bis sie in der Sklaverei weise und gut geworden sind, müßten sie in der Tat ewig warten."Man verweist uns gegenüber England auf den niederen Ton unserer Presse, auf das niedere Niveau unseres politischen Lebens, auf die Häufung von Ehrenbeleidigungen gerade in der letzten Zeit. Aber man vergißt ganz, daß auch die Verhältnisse bei uns ganz andere sind als in England und daß man, wenn man in diesem Lande zu leben und zu kämpfen bemüssigt ist, um so viel eher in die Lage kommt, Ehrenbeleidigungen zu begehen und mit dem Gesetze in Konflikt zu kommen als in einem anderen Lande.

Doch warum müssen wir auf englische Verhältnisse zurückgreifen? Nehmen wir doch die näherliegenden Verhältnisse des benachbarten Deutschösterreichs, welches sich aus denselben verfassungsmäßigen Unterlagen heraus seinen Staat neu aufgebaut hat, wie wir. Erinnern Sie sich: Anläßlich der Verhandlung des Schutzgesetzes hat man uns immer wieder auf Deutschland und Österreich verwiesen, hat man immer und immer wieder den reichsdeutschen und österreichischen Spiegel vorgehalten. Warum auch diesmal nicht wieder? In Österreich hat man gerade vor zwei Jahren ein neues Preßgesetz geschaffen, an dem sich die Èechoslovakei ein Vorbild nehmen könnte. Es wurde dort nicht nur mit allen altösterreichischen reaktionären preßgesetzlichen Bestimmungen, mit dem ganzen preßgesetzlichen Unrat aufgeräumt, sondern zugleich das ganze Pressewesen modernisiert, allen modernen Anforderungen des politischen Lebens wurde Rechnung getragen, das Preßgesetz den politischen Lebensnotwendigkeiten des Volkes angepaßt und hiebei auch des Kampfes gegen die Pressekorruption nicht vergessen. Nehmen Sie das österreichische Preßgesetz zur Hand! Das objektive Verfahren ist nur auf einige wenige Fälle beschränkt: Nichtersichtlichmachung des Druckers, Beeinflussung der Rechtsprechung, Vergehen gegen die öffentliche Sittlichkeit, dringliche Gefahr der Verübung eines Verbrechens. Auch in diesen Fällen wurde bei Konfiskationen die subjektive Verfolgung zur Bedingung gemacht, widrigen, falls die Beschlagnahme erlischt. Das Berichtigungswesen wurde neu geregelt, die Freiheit der Verbreitung der Presse wurde durch Aufhebung des Kolportageparagraphen und Beseitigung des Konzessionszwanges gesichert und vor allem das Redaktionsgeheimnis durch Befreiung des Redakteurs von der Zeugnispflicht ausdrücklich gewährleistet. Schließlich wurde auch durch Aufnahme einiger Bestimmungen dem Umsichgreifen der Pressekorruption ein Riegel vorgeschoben. So hat man in Österreich die letzten Reste der alten Schranken der Meinungsfreiheit niedergerissen. So hat man in diesem kleinen Lande der freien Entwicklung der Presse freie Bahn gelassen. Und alles das geschah just in einem Zeitpunkte, in dem der damalige österreichische Finanzminister den Vorwurf über sich ergehen lassen mußte, daß die Banken das Gesetz über die Valutaanmeldungspflicht und über die Kontrolle des Devisenhandels zu früh erfahren haben, weil ein Börsenblatt alles vorzeitig mitgeteilt hatte. Das österreichische Parlament reagierte auf diese Anklage nicht etwa mit der Niederknutung der Presse, nicht etwa mit Ausnahmsgesetzen, mit undemokratischen Maßnahmen, sondern mit der Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission und führte die Pressereform, dieses Werk unseres Freundes Austerlitz, der Referent im Verfassungsausschuß gewesen ist, mit eiserner Konsequenz durch.

Wie ganz anders das èechoslowakische Parlament! Hier werden führenden Politikern, öffentlichen Funktionären eine ganze Reihe schwerster Korruptionsfälle nachgewiesen. Die Erörterung in der Presse zeigt, daß kein Gebiet des öffentlichen Wirtschaftslebens vom Korruptionsmorast verschont geblieben ist. Wir erleben eine Häufung von Anklagen, wie sie in der Geschichte noch nicht dagewesen ist, alles rief plötzlich nach der Reinigung der Atmosphäre, nach der Beseitigung der Schädlinge, nach der Sicherung der Reinheit des politischen Lebens. Und was machen die Machthaber dieses Staates? Wohl verkünden sie mit Emphase, daß sie Ordnung schaffen wollen, sie verlangen nach konkretem Anklagematerial und tun so, als würden sie vor Begierde brennen, der beleidigten Moral volle Genugtuung zu geben und den Augiasstall gründlich zu reinigen. Doch diese Pose hält nur eine Stunde an, ebensolange wie die Rede des Herrn Ministerpräsidenten gedauert hat. Dann verwandeln sich die Angeklagten in Ankläger und Rächer. Dann wird flugs der Spieß umgedreht und eine Kanonade von Abwehrmaßnahmen losgelassen, nicht etwa gegen die Korruptionisten, sondern gegen die Ankläger und gegen die Presse. Und als im Parlament die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangt wurde, antwortete man in der Koalition, daß ein solcher Ausschuß schon bestehe und daher ein neuer überflüssig sei. Als wir nun die Einberufung dieses Ausschusses verlangten, antwortete man, daß kein Material vorliege. Als wir ein solches Material beibrachten und in einem Initiativantrag die Unterlagen für die Arbeiten des Untersuch ungsausschusses lieferten, wurde der Antrag im Initiativausschuß erwürgt und die Möglichkeit einer Untersuchung damit zu Falle gebracht. Wahrlich, besser konnten sich die Herren nicht selbst entlarven, als es in der gestrigen Sitzung des Initiativausschusses geschehen ist. Denn dadurch werden auch den Blindesten in der Bevölkerung die Augen geöffnet.

Das Betrübendste und Empörendste an allem ist aber, daß man sich dabei auch noch, wie dies gestern durch den Herrn Referenten Dr. Medvecký geschehen ist, eine Moralpauke gefallen lassen muß, daß die Bevölkerung sich Sätze bieten lassen muß, wie etwa: "Die Presse sollte nicht bloß gegen die Willkür der Staatsgewalt Freiheit genießen, sondern auch gegen die unberechenbaren Stimmungen der Bevölkerung, soweit sie sich noch in der Nachkriegspsychose befindet."

Die Bevölkerung wird einfach für verrückt erklärt, damit ein Machtsyndikat, das den Staat für immerwährende Zeiten in Pacht genommen zu haben glaubt, ruhig und ungeschmälert sein Handwerk fortsetzen kann. Übrigens, das Wort von den unberechenbaren Stimmungen, von der Nachkriegspsychose der Bevölkerung wird man sich merken müssen. Es ist ein treffliches Motto für das neue Gesetz, welches sich auch in ein "Gesetz zum Schutze gegen die Bevölkerung" umtaufen ließe.

Nun lassen Sie mich zum Schlusse kommen. Es ist richtig, daß wir wegen des Gesetzes erregt sind, aber nur diejenigen werden unsere Erregung begreifen, die ebenso wie wir von der Erkentnis der Bedeutung der Presse für den politischen Kampf überhaupt, vor allem aber für den Kampf der arbeitenden Menschen durchdrungen sind. Von Marx rührt das Wort her: "Goethe sagte einmal, daß dem Maler nur solche weibliche Schönheiten glücken, deren Typus er wenigstens in einem lebendigen Individuum geliebt hat. Auch die Pressefreiheit", meint Marx, "ist eine Schönheit, wenn auch keine weibliche, die man geliebt haben muß, um sie verteidigen zu können." Für uns Sozialdemokraten war bisher immer die Presse die wichtigste Waffe in unserem jahrzehntelangen Kampfe gegen die Unfreiheit, ob in diesem Staate oder im alten Österreich, in unserem Streite für die Demokratie, in unserer Werbearbeit für den Sozialismus. In den Juniusbriefen heißt es: "Nehmt mir alle Freiheiten, aber gebt mir die Preßfreiheit und ich will auch alle anderen Freiheiten erobern." Und an einer anderen Stelle heißt es - das sage ich denen, die England zitiert haben: "Laßt in eure Seelen eingeprägt sein, laßt es euren Kindern einflößen, daß die Freiheit der Presse das Palladium aller bürgerlichen, politischen und religiösen Freiheiten eines Engländers ist und daß das Recht der Geschworenen, in Fällen jeder Art den Wahrspruch abzugeben, ein wesentlicher Bestandteil unserer Verfassung ist, die von den Richtern weder kontrolliert, noch beschränkt werden kann und von der Gesetzgebung nicht in Frage gestellt werden darf."

Das Wort dieses Engländers sollten sich die Machthaber dieses Staates vor Augen halten, da sie sich auf die englischen Sitten und die englischen Verhältnisse berufen. Sie sollten sich, wenn von der Presse die Rede ist, daß Wort Masaryks vor Augen halten, daß Demokratie Diskussion ist und nicht Maulkorb, und sie sollten sich vor allem - ich zitierte wieder eine Stelle aus dem politischen Programm Havlíèeks - das Wort einprägen: "Eine Regierung, die die Presse verfolgt, äußert dadurch unkonstitutionelle, selbstgefällige Gelüste und zeigt damit auf, daß sie nicht öffentlich beurteilt werden will, daß sie also irgend einen Grund hat, irgend etwas vor der Nation zu vertuschen. Mit guten Sachen braucht niemand hinter dem Berge zu halten." Und dann sagt er weiter: "Eine richtige konstitutionelle Preßfreiheit muß aber so beschaffen sein, daß die Regierung keine Macht hat, irgend jemandem die Äußerung seiner Gedanken durch den Druck auf irgend eine Art zu verwehren oder sich an irgend jemandem dafür zu rächen, daß er ihr Mängel vorwirft. Aus diesem Grunde darf auch in einem konstitutionellen Lande niemand wegen eines Deliktes durch Beamte der Regierung, sondern ausschließlich von seinen Mitbürgern, durch Geschworene gerichtet werden, denn ansonsten würde alles als Vergehen angesehen werden, was der Regierung unangenehm ist, auch wenn es für die Nation und für das Volk nützlich ist."

Gestatten Sie mir zum Schluß auch noch einen Franzosen zu zitieren, den General Thiers, der einmal in einer ähnlichen Situation den Machthabern zurief: "Man muß in dem Lande alles sagen können. Die Lüge ist niemals zu fürchten. Welche Öffentlichkeit sie auch erwerben möge, sie stumpft sich durch ihre Häufigkeit ab und eine Regierung fällt nur durch die Wahrheit und vor allem durch die unterdrückte Wahrheit."

Das wird auch das Schicksal dieser Regierung sein in ihrem verzweifelten Kampfe gegen das sich aufbäumende Recht. (Potlesk na levici.)

4. Øeè posl. Kostky (viz str. 542 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Nach den grundsätzlich ausgezeichneten Ausführungen meines Herrn Vorredners von der Opposition würde es sich eigentlich erübrigen, daß man sich in diesem Hause bei der allgemeinen Interesselosigkeit des längeren über einen Gegenstand ergeht, der nach Ihrer Meinung nicht zu ändern ist, eine Reform des Preßgesetzes in pejus, zum Schlechteren, bezüglich der strafrechtlichen Bestimmungen. Aber, ich glaube, wenn wir, die Debatten, wie sie hier um den Palmsonntag in einem von der Nichtarbeit ermüdeten Hause geführt werden, richtig würdigen wollen, so müssen wir doch wohl etwas auf das Historische zurückgreifen. Warum wird denn die Osterzeit hier dazu mißbraucht, um eine Fülle wirklich recht bedenklicher Gesetze erstens einmal schlecht vorzubereiten, dann schlecht auszuarbeiten, dann schlecht zu beraten und endlich, das werden Sie wohl alle zugeben, schlecht zu beschließen? Denn eine solche Beratung eines Preßgesetzes ist eine Komödie, aber wohl keine ernste Beratung zu nennen.

Es ist ja ganz erklärlich, daß jeder neue Organismus am Anfang Kinderkrankheiten durchmacht, und ich meine auch, daß schließlich auch ein Staatsorganismus, wenn er seinen Bestand festigen will, Kinderkrankheiten mitmachen muß; zu den gefährlichsten derselben gehören diejenigen, welche einerseits durch Überernährung und anderseits durch falsche Ernährung herbeigeführt werden. Es scheint mir wohl, daß wir da beim Kern der ganzen Frage, nämlich der Frage, warum wir hier zu derartig schlechten Gesetzen kommen, angelangt sind. Ich will nicht darauf zurückgreifen, daß vielleicht das Bestreben nach Überernährung schon vor der Entstehung des Staates, bei Einzelnen, welche sich später als Machthaber fühlten, eingesetzt hat. Zweifellos ist aber, daß das nationalchauvinistische Begünstigungssystem, das diesem Staate schon von der Geburt als tägliche Diät verschrieben wurde, der Hauptgrund der heutigen Gesetzgebung ist. Es ist als Grundsatz aufgestellt worden, daß man eine Nationalisierung des Bodens durchführen müsse, man hat als Grundsatz aufgestellt, daß wir uns hier in einem Nationalstaat befinden, man ist daran gegangen, eine Nationalisierung der Industrie herbeizuführen; Einzelheiten brauche ich ja da nicht näher anzuführen, Sie finden sie in jedem "Kompaß", in jedem Adreßbuch, wenn Sie sich die Namen der Verwaltungsrate in den verschiedenen Industrien, in den Versicherungsgesellschaften u. s. w. anschauen. Man ist weiter dazugekommen, die Beamtenschaft zu nationalisieren, also auch wieder unter das Begünstigungssystem einzubeziehen, und man ist endlich auch dazu gekommen - auch das ist ja an der Tagesordnung und es lassen sich hiefür nicht Hunderte, sondern Tausende von Beispielen anführen - die Nationalisierung des Arbeitsplatzes, also auch Begünstigung im Sinne der Machthaber dieses Staates, durchzuführen. Darüber schwebte beherrschend die Koalition der Machtparteien, und man hat sehr häufig, wenn man diese Vorgänge beobachtet, das Empfinden und gewinnt den Eindruck, daß dieses ungefähr beherrscht werden von den Empfindungen des Lindwurmes in dem Nibelungenliede: "Laß mich schlafen und verdauen!" Zumindest bei den Beratungen über so wichtige Dinge scheinen ja die Herren am Verdauen mehr Interesse zu haben als an der Novellierung Ihres Preßgesetzes.

Allerdings hatte man in der Folge dieser Ereignisse eines übersehen: Es merkte endlich auch eine oder die andere unter den machthabenden Parteien, daß vielleicht die Gaben Gottes, wie sie hier in diesem Staate so reichlich zu finden sind, nicht so ganz gleic hmäßig unter die Machthaber verteilt wurden. Da zeigte sich nun, daß eine notwendige Konkurrenz auch zwischen Èechen und Èechen, sowie zwischen Èechen und Slovaken eingetreten ist, und es fanden sich endlich sehr viele, welche sagten: Wir sind eigentlich um die Früchte der Revolution gebracht, das heißt, wir sind bis zu diesen Früchten der Revolution noch nicht gelangt, der Futterplatz ist uns noch nicht zugänglich gemacht. Und wütende Angriffe auf diejenigen waren die Folge, welche, schon begünstigt vielleicht durch die soziale Stellung, vielleicht durch die Ereignisse, an Macht noch stärker als die anderen, näher diesen Plätzen waren. Es ist also ganz erklärlich, daß man hier jetzt krampfhaft überall das heraussuchte und mit wütenden Angriffen verfolgte, was man als Protektion, Korruption oder wie schön immer bezeichnen könnte. Worauf ist das alles aber eigentlich zuguterletzt zurückzuführen? Sie können uns, meine Herren von der Majorität, gerne glauben, daß wir diese Ereignisse durchaus nicht mit Vergnügen betrachten. Denn es leidet schließlich und endlich das ganze Leben des Staates darunter. Ich will nicht sagen, daß, wenn eine Korruptionssache festgestellt ist, wenn Millionen bei der Produktion eines Artikels zugeschlagen werden, um dann unberechtigterweise - ich habe keine näheren Informationen, ich suche sie auch derzeit nicht - vielleicht einzelnen politischen Organisationen zugeführt zu werden, dies das ganze wirtschaftliche Leben belastet. Gewiß. Es ist auch ganz klar, daß das Ansehen des Staates leidet, wenn fortgesetzt und überall, ob nachgewiesen oder nicht nachgewiesen, - ein Großteil der Ereignisse, welche anläßlich der Korruptionsaffären in der letzten Zeit genannt werden, ist nachgewiesen und wird gerichtlich verfolgt - daß sich im Auslande eine merkwürdige Stimmung verbreitet und man möglicherweise bei Kreditbeschaffungen u. dgl. größere Schwierigkeiten hat. Das betrifft das gesamte politische wirtschaftliche und soziale Leben des Staates und kann keinem eine Freude machen und muß deshalb von allen Seiten bekämpft werden. Ich sage aber nur: Vergessen Sie bei der Bekämpfung nicht, daß es sich hier um ein tieferliegendes Übel handelt, eigentlich um dieses Begünstigungs- und Protektionssystem - denn die Korruption ist sehr nahe der Protektion und sehr damit verwandt, sie ist ein Konkurrenzmittel mehr, um sich heraufzuarbeiten - vergessen Sie nicht, daß der tiefe Grund in diesem Begünstigungssystem liegt und daß Sie hier vielleicht auch selbst etwas umlernen müßen, um das eigentliche Übel an der Wurzel treffen zu können. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. inž. Botto.)

Sie suchen nun durch Gesetze der Moral wieder auf die Beine zu helfen. Nun gut; gewiß geht das auch durch ein Strafgesetz. Man kann gewiß auch, wenn es sich zeigt, daß in einem Gebiete des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenlebens der Menschen sich schwere Schäden erweisen, mit Strafgesetzen moralisch, zuguterletzt zumindest abschreckend wirken. Aber ich bin der Meinung, daß Sie jetzt den schlechtesten Zeitpunkt für die Einbringung des Gesetzes ausgesucht haben. Warum müssen wir denn um Gotteswillen noch vor Ostern fertig werden? Ja, soll denn noch vor Ostern irgendwer eingesperrt werden? Sagen Sie uns das doch und machen wir dazu ein ganz besonderes Gesetz, und der Mann wird getroffen werden. Aber warum diese Überstürzung? Ich war in Vertretung meines Kollegen Prof. Dr. Kafka im Verfassungsausschuß. Ich muß sagen, es ist dort gearbeitet worden, als handelte es sich um die ärgste Postarbeit, aber nicht darum, an eine so wichtige Frage wie die Neuregelung eines Preßdeliktes heranzugehen. In diesem Augenblicke handelte es sich zumindest um richtige Informationen. Nun, ich muß leider konstatieren, daß uns im Ausschusse - wir sind nicht alle so erfahren, daß wir sofort das englische, französische und deutsche Gesetz beherrschen, welch letzteres auch gerade in der letzten Zeit, im Jänner 1924, Reformen über die Geschworenengerichte einführte - vom Herren Referenten unrichtige Antworten gegeben worden sind, als wir Fragen stellten. Zum Beispiel ist meine Behauptung im Ausschusse, daß durch die Vorlage eine Verschärfung der Strafen der Preßdelikte wegen Vernachlässigung der pflichtgemäßen Obsorge erfolgt, als nicht richtig bezeichnet worden. Ich stelle nur hier fest, daß in diesem Gesetze tatsächlich eine Verschärfung dieser Strafen vorliegt. Mit solchen Informationen kann zuguterletzt kein Gesetz gemacht werden. Schließlich muß ich das Gesetz selbst studieren, muß aber hiezu Zeit haben. Wenn ich die Vorlage bekomme - unï sie hat komplizierte Bestimmungen - und soll nach drei Stunden mit der ganzen Materie vertraut sein und bereits auch die Anträge ausgearbeitet haben, die ich vorlegen will, so ist das für mich als ernst arbeitenden Menschen eine Unmöglichkeit. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß unsere Informationen im Ausschusse leider in einer anderen Beziehung auch lückenhaft waren. Es ist gewiß sehr notwendig, das Gesetz, wie es in Frankreich besteht, zu kennen, und gerade die Abschrift, die wir von den französichen Bestimmungen erhalten haben, enthält die Paragraphen 32 und 33 aus dem französischen Gesetz, die die wichtigsten für die Preßdelikte sind, nicht; die Information ist also auch nach dieser Richtung hin unzulänglich gewesen. Unzulänglich war weiter auch das Vorgehen, als man im Ausschusse einfach darüber zur Tagesordung übergegangen ist, daß man die Körperschaft des Standes, der ja hier am meisten betroffen wird, das ist der Journalistenstand - und der bedeutet etwas im öffentlichen Leben - nicht einmal zumindest durch eine Abordnung im Ausschuß über diese Frage gehört hat. Eine Abhörung über diese Fragen draußen ist gar nicht möglich, denn es kann sich doch, wenn das Gesetz innerhalb 24 Stunden oder innerhalb zweimal 24 Stunden beschlossen wird, eine Standesorganisation nicht einmal vertraut machen mit seinem Inhalt, viel weniger noch mir ihre Wünsche zu eigen machen. Nun gut, trotz alle dem; Sie wollen einen anderen Weg hier beschreiten, Sie wollen die Moral durch Gesetze heben, und haben deshalb zwei Vorschläge eingebracht, einerseits das Gesetz über die Unvereinbarkeit, über die Inkompatibilität, und zweitens mit dem Preßgesetz neue Formulierungen für Preßdelikte geschaffen. Bei der Debatte über das erstere Gesetz wird es sich vielleicht ergeben, daß auch da eine unvorsichtige Beratung stattgefunden hat. Auch für das Preßgesetz ist es schließlich eine große Gefahr, daß ein Gesetz dem Ideal auch dann entsprechen soll, wenn sich die Verhältnisse in irgend einem Staatsorganismus geändert haben. Stellen Sie sich nun aber einmal den Fall vor, daß in Zukunft ein Teil von jenen, welche heute die Majorität bilden, in ein anderes Verhältnis zum Staat kommt. Dann kann es sehr leicht möglich sein, daß sowohl das Unvereinbarkeitsgesetz, das Inkompatibilitätsgesetz, als auch das Preßgesetz in einer ganz anderen Weise gegen die betreffenden Klassen, Parteien, Schichten u. s. w. ausgenützt wird. Es ist hier eine gewisse Macht gegeben und Sie vertrauen auf diese Macht. Gewiß, ich habe auch gesagt, ich würde meine Ehre vollständig vielen in die Hand legen, die heute an der Macht sind, aber ich weiß nicht, ob ich es tun will jenen, die vielleicht in Zukunft einmal die Macht in die Hand bekommen. Ich weiß nicht, welchen Erwartungen und Gedanken man sich hingibt, aber schon zum ersten Gesetz, das später zur Debatte kommen wird, zum Inkompatibilitätsgesetz, möchte ich sagen, daß es sehr leicht vorkommen kann, daß die wichtigsten Personen, die vielleicht auch für das ganze Staatswesen sehr wichtige Mitarbeit bei der Gesetzgebung leisten könnten, einfach ausgeschaltet werden.

Es ist in der Öffentlichkeit vielleicht noch nicht genügend bekannt, daß dieses Preßgesetz, welches jetzt zur Verbesserung der Moral geschaffen wird, aus drei Entwürfen hervorgegangen ist. Ich glaube kaum, daß einer der Herren, die das Gesetz heute oder morgen beschließen werden, hier als Proredner behaupten können, daß der erste Entwurf frei war von Polizeigeist. Im ersten Entwurf, wie er hier von der Regierung vorgelegt wurde wer übrigens der Verfasser ist, weiß ich nicht, ich glaube es lehnt sowohl das Justizministerium wie das Ministerium des Innern die Autorschaft des ersten Entwurfes ab, die Väter werden sich nicht mehr finden lassen in diesem ersten Entwurf findet man Rückschritt über Rückschritt, vormärzlichen Polizeigeist auf Schritt und Tritt. Es stehen darin Bestimmungen, durch die der Redakteur des Blattttes schlechter gestellt wird als ein Schwerverbrecher. Ich werde auch darauf noch zurückkommen. Es ist ja ganz merkwürdig, daß sich auch im Ausschuß juristisch sehr wertvolle Mitberater von der Ausschußberatung anfänglich ferngehalten haben und daß nur ein Vertreter eine Prorede gehalten hat, der meinte, daß auch in diesem ersten Entwurf unbedingt die Freiheit - die er meint - wiederzufinden ist. Ich will weder den Herrn nennen, noch die Freiheit kennzeichnen, die er gemeint hat. Ich lehne diese Freiheit ab, denn er teilt die Presse ein in eine kommunistische und eine kapitalistische Presse, und mitten drin steht die Presse, die er allein vertritt und die angeblich den freiheitlichen Standpunkt allein vertritt. Ich habe bereits die formelle Behandlung dieses Gesetzes besprochen und habe getadelt, daß so wichtige Gesetze in dieser Form beschlossen werden. Es scheint mir fast, als ob hier im Hintergrund - und Zeitungsnachrichten haben in letzter Zeit diese Tatsache bestätigt - nur wenige Diktatoren stünden, welche ein großes Interesse haben, daß dieses Gesetz noch in der Osterzeit oder doch so rasch als möglich beschlossen werden muß. Natürlich folgten alle mit wenigen Ausnahmen wie die Zappelmänner und sagten ja und Amen dazu. Die Beratung war geradezu charakkteristisch. Beinahe nur von der deutschen Opposition wurde die Debatte im Ausschuß bestritten, und es ist sehr bezeichnend, daß gerade durch die Generaldebatte, die dort über das Preßgesetz geführt wurde, erst der Anstoß gegeben wurde, die erste Vorlage verschwinden zu lassen und einen zweiten Entwurf herbeizuschaffen. Es wurde hier bereits betont, daß durch diesen zweiten Entwurf dem ersten einige Giftzähne ausgezogen wurden. Der zweite Entwurf ist vielleicht nicht mehr in dem Allerstrengsten Sinn reaktionär wie der erste. Ich will mich aber keinesfalls in irgend einer Richtung auc nur mit einem Teil dieses zweiten Entwurfes identifizieren, denn er trägt noch an allen seinen Teilen alle Schlacken, die auch der erste Entwurf hatte, und hat die Hauptmängel unberührt stehen assen. Dieser Hauptmanel besteht darin, daß man die Denunziation als Lockmittel in das Gesetz aufgenommen hat, daß man zu brutalen Bestrafungen übergehen will bei Dingen, die von einem Vergehen und Verbrechen ungeheuer weit entfernt sind, insbesondere vom Vergehen. Früher wurden ja Ehrenbeleidigungen in ganz milder Weise bestraft, wie das alte Preßgesetz sagt, mit 20 bis 200 Gulden. Und heute will man auch für die Vernachlässigung der pflichtgemäßen Obsorge die Strafe ungeheuer, ja geradezu brutal erhöhen, immer aber mit der Klausel: "Du bekommst eine leichtere Strafe, wenn du als Denunziant auftrittst und wenn du auch den Urheber nennst". Das Lockmittel der Denunziation bleibt bestehen.


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