Pátek 30. listopadu 1923

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 236. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 30. listopadu 1923 dopol.

1. Øeè posl. Beutela (viz str. 1098 tìsnopisecké zprávy):

Meine Herren! Ich habe schon gelegentlich der Beratung des Staatsvoranschlages im Vorjahr von diesem Platze aus erwähnt, wie außerordentlich schwer es für uns deutsche Abgeordnete ist, uns in den für uns unverständlichen Drucken zurechtzufinden, um so mehr als der Voranschlag jedes Jahr nach einer anderen Methode veranlagt ist. Soweit wir aber in der Lage sind, uns durch Übersetzungen und aus Zeitungen Informationen zu verschaffen, sehen wir aus den Erklärungen des Finanzministers bezüglich der Vorlage des Finanzgesetzes, daß man bestrebt ist, mit den Staatsausgaben zu sparen. Daß dies, wenn dem so wäre, natürlich eine Entwicklungfolge unserer Währung und vor allen Dingen unserer Staatswirtschaft ist, hat er uns nicht gesagt, wird es uns auch wahrscheinlich nicht sagen. Dagegen hat auch dieses Jahr das Finanzgesetz die Signatur der Rechtsbeschneidung des Parlaments. Finanzministerium und Oberstes Kontrollamt sind berechtigt, jederzeit Ausgaben, die im Voranschlage nicht enthalten sind, aus den veranschlagten Summen anderer Titel zu decken, d. h., also man kann machen, was man will, ohne daß das Parlament in der Lage ist, daran etwas zu ändern. Auf diese Art kann man natürlich scheinbar leicht sparen. Es fragt sich nur, bei wem und wo diese Ersparnis platzgreift. Wenn man die Ziffern etwas näher besieht, findet man, daß überall nach unten hin gespart wird, bei den obersten Zentralstellen aber alles beim alten bleibt. Es würde zu weit führen, sich in dieser Beziehung über den Voranschlag auszulassen. Ich will mir nur erlauben, lediglich bezüglich des Kapitels "Soziale Fürsorge" folgendes vorzubringen:

Es ist das ein Kapitel, bei welchem die Ausgaben von 735 Milionen im Vorjahre auf 786 Milionen, also um 51 Milionen erhöht erscheinen. Man könnte aufgrund dieser Ziffern in den Glauben verfallen, daß nun in Bezug auf die soziale Fürsorge großzügig werde gearbeitet werden. Doch auch dieser Schein trügt. Man hat uns zwar einen Gesetzentwurf betreffs der Versicherung der Arbeitsnehmer für den Fall der Krankheit, Invalidität und des Alters vorgelegt und will damit scheinbar eine seit langem fällige Schuld an der Arbeiterklasse abtragen. Aber wenn wir uns das Werk näher besehen, müssen wir konstatieren, daß für den Fortschritt, den die Vorlage im Falle ihrer Annahme ja bedeuten würde, der Arbeiterschaft ganz ungeheuere Opfer zugemutet werden, ja daß diese dafür geradezu bestraft wird, indem man ihr einen förmlichen Verzicht auf das bis heute geltende Bestimmungsrecht der Versicherten auferlegt. Ausführlich kann jedoch davon hier bei dieser Gelegenheit noch nicht gesprochen werden, das wird Sache anderer Faktoren zu anderer Zeit sein. Aber schon heute muß vorausgeschickt werden, daß die Arbeiterschaft diese Art von demokratischem Fortschritt zu werten und sich seiner zu erwehren wissen wird. Im großen und ganzen sehen wir, daß die Mehrheitsparteien mitsamt dem famosen Versicherungsrat nicht nur ruhig zusehen, wie alle jahrzehntelang gewünschten, ja zum Teile schon verwirklichten Bestrebungen zur Zentralisierung des Versicherungswesens unter Zugrundelegung des bisher durchwegs bewährten Selbstverwaltungsrechtes der Versicherten gefährdet werden, sondern geradezu zur neuerlichen Zersplitterung der bestehenden Sozialversicherungseinrichtungen beitragen. Alle Fachleute auf dem Gebiete der Sozialversicherung forderten bisher in der Organisation der sozialen Versicherung die Selbstverwaltung durch die Versicherten und erblicken darin die beste Gewähr für die gesunde Entwicklung der sozialen Fürsorge. Jeder Krankenkassentag schon im alten Oesterreich hat sich dafür ausgesprochen und sie hat sich bis heute gut bewährt. An all diesen Kassentagen haben auch die èechischen Kassenvertreter und vor allem die èechischen Sozialdemokraten teilgenommen und stets das Gleiche gefordert. Nun die Herrschaften Regierungsparteien geworden sind, hat es den Anschein, als ob mehr denn je den rückständigen Auffassungen von einzelnen Unternehmergruppen und bürokratischen Staatspolitikern Rechnung getragen werden sollte, und mehr als man es bei dem erwachten Selbstbewußtsein der Arbeiterklasse in heutiger Zeit für möglich gehalten hätte. Das gilt nicht nur von den deutschen Arbeitern, das wird Ihnen vielleicht auch von den wirklich klassenbewußten èechischen Arbeitern noch gesagt werden. Oder ist es etwas anderes, wenn man ruhig zusieht, wie durch Verwaltungsgerichtshofentscheidungen Gesetze in einer Art interpretiert werden, daß dadurch ganze Schichten der Arbeiterklasse, wie dies bei den Hausgehilfinnen der Fall ist, von der kaum erworbenen Wohltat der Krankenfürsorge wieder ausgeschaltet, neuerlich der alten vorsintflutlichen Gesindeordnung unterstellt und dadurch im Krankheitsfalle in den meisten Fällen dem nackten Elend überantwortet werden? Hier ist es Pflicht der Regierungsmehrheit einzugreifen, wenn sie es mit dem Wohle der Arbeiterklasse ehrlich meint, wie Sie alle immer vorgeben. Hier den Kopf in den Sand stecken, vielleicht aus dem Grunde, um das Prestige einer Entscheidungsstelle nicht zu verletzen, ist unangebracht. Warum bringt man nicht den Mut auf, hier durch eine Novelle gutzumachen, was durch den Verwaltungsgerichtshof schlecht gemacht wurde? Was durch Duldung von solchen, die Autorität des Gesetzes untergrabenden Zuständen namentlich den Krankenkassen und Aufsichtsbehörden für Unannehmlichkeiten, Streitereien und unnötige Schreibereien aufgehalst und den davon Betroffenen dabei für Opfer aufgebürdet werden, ist nicht zu schildern. Die Zustände, die durch solche Saumseligkeit geschaffen werden, fangen an, unhaltbar zu werden. Das Gleiche gilt von der Auslegung des letzten Absatzes des § 7 des Krankenversicherungsgesetzes, der lediglich die Beitragsbemessung betrifft, durch die bekannte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes. Wie durch diesen Erlaß vor allem die Versicherten und auch die Krankenkassen geschädigt wurden, wird noch bei anderer Gelegenheit erörtert werden. Es würde zuweit führen, das auszuführen. Wie die bestehende Sozialversicherung bewußt zersplittert und die Versicherten ständeweise ausgeschält werden, beweist die Erteilung des Privilegiums des Versicherungsrechtes fast über den ganzen Staat an die registrierte Hilfskasse der Privatbeamten und Angestellten in Prag. Hiedurch wurden Tausende Versicherte aus rein nationalen Gründen aus den zuständigen Bezirkskrankenkassen herausgerissen und unter dem Köder von diversen Begünstigungen, die man beim Zusammenwerfen aller besseren Risken kinderleicht gewähren kann, im wahrhaften Sinne des Wortes abgeschachtelt. In dieser Richtung sehen wir, daß mit dem Essen der Appetit kommt und tatsächlich erscheinen bereits Zeitungsnotizen, die ein Weitergehen nach dieser Richtung melden. So berichtet der "Teplitz-Schönauer Anzeiger" vom 28. November 1923 unter dem Titel "Deutsche Reichskrankenkassen für Privatangestellte": Das Fürsorgeministerium hat soeben einer unter èechisch-sozialdemokratischer Leitung stehenden Privatangestellten-Krankenkasse in Prag die Genehmigung erteilt, ihren räumlichen Wirkungskreis über das ganze Staatsgebiet zu erstrecken. Damit gibt es nunmehr zwei Privatangestelltenkassen in Prag, die als Reichskrankenkassen wirken können. Auch die deutschen Privatbeamten und Angestellten verlangen seit Jahren, daß ihnen die Errichtung einer ähnlichen Kasse bewilligt werde. Im besonderen fordern die in der Reichsvereinigung der deutschen Gewerkschaften in Prag zusammengeschlossenen Angestelltenverbände das Recht auf die Umwandlung der Privatebeamten-Krankenkasse "Einigkeit" in Teplitz zu einer Reichskasse. Diese Forderung wurde am 24. ds. M. von einer aus den Vertretern der letztgenannten Kasse, des Deutschen Handels- und Industrieangestelltenverbandes Aussig, des Verbandes deutscher weiblicher Angesteten, Aussig, des Zentralverbandes der deutschen Güterbeamten und Angestellten, Teplitz, und des Verbandes deutscher konditionierender Pharmazeuten, Reichenberg bestehenden Abordnung dem Fürsorgeminister Habrman neuerdings unterbreitet. Die von den Abgeordneten Patzel und Kafka sowie den Senatoren Mayr-Harting und Fahrner geführte Abordnung nahm hiebei Anlaß, dem Fürsorgeminister nochmals das dringende Verlangen der deutschen Privatangestellten nach Errichtung einiger berufständischer Krankenkassen eingehend darzulegen. Eine sofortige positive Erledigung der vorgebrachten Wünsche durch den Fürsorgeminister erfolgte nicht. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)

Also vorläufig hat man den Deutschen noch nicht einmal das zugesagt, was man zwei èechischen Privatbeamtenorganisationen zugesprochen hat. Aber es ist zweifellos, wenn sich Abgeordnete von der Qualifikation eines Dr. Kafka finden, die die Zersplitterung des Krankenversicherungswesens mitbetreiben, daß man nicht ruhen wird, den Deutschbürgerlichen auch in dieser Beziehung ahrscheinlich eine Abschlagszahlung zu leisten.

Ob durch solche Zersplitterung des Versicherungswesens der Entwicklung des sozialen Fürsorgegedankens im allgemeinen gedient wird, ist sehr zu bezweifeln. Im egenteil, Beamte und Arbeiter werden einander wieder mehr entfremdet und den Profit davon hat das Unternehmertum. Ein Teil der èechischen Machthaber von heute cheint vergessen zu haben, wie sie seinerzeit im Verein mit den deutschen Arbeitern, gemeinsam mit uns, um die Rechte der primitivsten Krankenund Unfallversicherung gekämpft haben, wobei erwähnt werden muß, daß bis heute die land- und forstwirtschaftlichen Arbeitet nicht inbegriffen sind. Bei diesem Kampfe wurde so mancher auch Ihrer Nation im alten Österreich für diese Forderungen als "Revolutionär" behandelt und sein Wirken nicht nur mit Polizeisäbeln und Baj onetten niedergehalten, sondern auch mit Kerker geahndet. An der heutigen Krankengesetzgebung hängen Blut- und Freiheitsopfer nicht nur der deutschen, sondern auch der èechischen Arbeiter, und es ist sehr bedauerlich, diese Gesetze nach ihrem Ausbau heute wieder so behandelt zu sehen. Auf diese Weise werden die Errungenschaften auf dem Gebiete der Krankenversicherung wieder zunichte gemacht. Auflösung von Kassenvorständen, Einsetzung von Verwaltungskommissionen, Verhinderung von Neuwahlen beschleunigen den Zustand der Zersetzung. Sie wirken unheilvoll.

Wie durch Förderung, ja förmliche Züchtung solcher Zustände jegliches Gefühl, man muß sagen jegliche Moral, in Unternehmerkreisen Arbeitern gegenüber geradezu systematisch ausgerottet und brutale Willkür und Beuteherrschaft begünstigt wird, beweist ein Vorkommnis in Aussig so recht drastisch. Beim "Verein für chemische und mmetallurgische Produktion", der über 2000 Arbeiter beschäftigt, besteht seit mehr als 40 Jahren eine Pensions- und Invalidenkasse, in welche die Arbeiter laut Statut 2% vom Lohne ein zuzahlen verpflichtet wurden. Ab 1. Jänner 1 910 wurde diese Einrichtung dahin abgeändert, daß nur noch die alten Arbeiter Mitglieder blieben, während Neuaufnahmen von dieser Zeit ab nicht mehr erfolgten. Es kommen an 9 00 bis 1000 Menschen in Betracht, von denen eine ziemliche Anzahl bis 40 Jahre Dienstzeit haben. Was diese Menschen bei lebensgefährlicher Arbeit dem Unternehmen im Frieden und namentlich im Kriege, wo sie unter dem Kriegsdienstleistungsgesetz standen, an Gewinn erarbeitet haben, geht in die Millionen. Da kam die Krise, mit ihr der unvermeidliche Lohnabbau, zu dem auch die armen Leute ihre Zustimmmung erteilten. 30 % vom Lohne wurden von den Arbeitern freiwillig preisgegeben, nur um nutzlose Kämpfe zu vermeiden. Doch das genügte den reichen Aktionären des Unternehmens noch immer nicht. Es wurde anfangs April 1923 ein neuerlicher Lohnabbau diktiert, so ähnlich wie den Bergarbeitern, den die armen Menschen nicht ohne Widerstand zur Kenntnis nehmen kon ten. Es kam nach einer Urabstimmung unter der Arbeiterschaft durch Mehrheitsbeschluß zum Abwehrstreik, welcher vom 11. April bis 3. Mai währte. An all dem ist nichts Besonderes, solche Vorgänge ist man heutzutage bereits gewöhnt. Aber da kommt nun das Unerhörte. Am 5. Mai 1923 wurde anläßlich des Streikabbruches bei der politischen Bezirksverwaltung in Aussig eine Verhandlungsschrift niedergelegt, die so recht das beweist, was ich bereits anführte. Es sollte den Arbeitern die Macht der Unternehmer gezeigt werden, denn es hieß in dieser Verhandlungsschrift, daß die Firmen "Aussiger Verein für chemische und metallurgische Produktion" und "Solvey-Werke" in Nestomitz derzeit ninicht in der Lage seien, den Arbeitern bei Wiedereintritt in die Arbeit die alten Rechte wieder zuzusprechen. Sie stellten es jedoch den wiederaufgenommenen Arbeitern frei, um die Wiederverleihung der alten Rechte beim Verwaltungsrate anzusuchen. Dies geschah seitens der Arbeiter nun denn auch im guten Glauben, daß der Aufschub wegen der Zuerkennung der alten Rechte lediglich eine Art Genugtuung für den Arbeitgeber, aber keinesfalls eine Rache für den Streik bedeuten solle, was auch bei den Verhandlungen betont und lediglich als eine Formalität hingestellt wurde. Doch es kam anders. Als das Ansuchen der Arbeiter schriftlich an den Verwaltungsrat überreicht, also der Forderung, um sein gutes Recht zu betteln, durch die Arbeiter auch noch entsprochen wurde, erwarteten diese eine ihnen entsprechende Erledigung. Aber es wurde ihnen eine Antwort nicht zuteil. Erst in der Verwaltungsratsitzung am 4. Oktober l. J. wurde über Urgenz des Vorsitzenden des Betriebsausschusses, welcher vorschriftsmäßig an der Sitzung teilnahm, ohne daß der Gegenstand auf der Tagesordnung stand, durch den Vertreter der Živnostenská banka Herrn Dr. Preiss den Arbeitern die Antwort zuteil, daß sich das die Herren mit Rücksicht auf die kommende Sozialversicherung, für die sich ja auch die Arbeiter einsetzen, noch überlegen, das heißt, daß dem Ansuchen um Widerverleihung der alten Rechte an die Arbeiter nict entsprochen werde. Es ist ganz einfach nicht zu sagen, was es bedeutet, wenn man jemandem seine seit 40 Jahren vereinbahrten Rechte zu rauben bestrebt ist. (Výkøiky posl. Pohla.) Also weg mit aller Sentimentalität, auch wenn es um Jahrzehnte alte Rechte von Arbeitern geht, das ist die Moral jenes Bankkapitales, in dessen Händen sich zum großen Teile derlei Unternehmungen befinden, wie es der "Verein für chemische- und metallurgische Produktion in Aussig" ist. Die Živnostenská banka, vertreten durch ihren Generalbevollmächtigten, den allgewaltigen Herrn Dr. Preiss, und der ganze Verwaltungsrat hat keine moralischen Anwandlungen alten ehrlichen Arbeitern gegenüber, die sich Jahrzehntelang von ihren Hungerlöhnen Pensionsfondsbeiträge abziehen lassen mussten, wenn man, durch Formalitäten gedeckt, ein, wenn auch unsauberes, aber scheinbar rechtliches und einwandfreiers Geschäft machen kann, für den Fall, daß die Arbeiter laut § 3 der Statuten nicht innerhalb eines Jahres ihr Geld zurückverlangen. Daß viele dieser armen Menschen es sich nicht trauen, um nicht vielleicht in der gegenwärtigen Krise auch noch um Arbeit und Brot zu kommen, ist auch ein Argument, mit dem gerechnet werden muß. Denn die Ausbeuter, die ihr gegebenes Wort so halten, wie dies hier geschieht, sind auch zu allem anderen fähig. Dem Ministerium für soziale Fürsorge ist die Sache wohl bekannt. Die Arbeiter hofften auf ein Eingreifen durch dasselbe, was auch versprochen wurde. Aber es geschieht nichts; die Zeit vergeht und wenn die Jahresfrist abläuft, sind die Arbeiter rechtlos, ja noch mehr, jeder einzelne von ihnen läuft Gefahr, Tausende eingezahlter Kronen zu verlieren. Man muß nur bedenken, daß diese Leute seit 40 Jahren einzahlen. Man fängt an zu befürchten, daß der Direktor Preiss von der Živnostenská banka stärker ist als der Minister für soziale Fürsorge, da man auf diesbezügliche Interventionen keine Antwort erhält. Niemand weiß, was geschieht, mit Ausnahme jener, die im Verwaltungsrat sitzen und glauben, durch solche Manipulationen ihre Tantiemen erhöhen zu dürfen und sich der früher mit den Arbeitern eingegangenen Verpflichtungen in der Weise zu entledigen, daß man diese alten armen ausgebeuteten Menschen auf die zweifelhafte Sozialversicherung vertröstet, abgesehen davon, daß die meisten von ihnen wegen ihres Alters derselben nicht mehr teilhaftig werden dürften. Für den Fall, daß diese Sozialversicherung zustande kommt, soll dann warscheinlich die ganze Sache dem Staate, resp. der neuzuschaffenden Versicherungsinstitution unter irgendeinem als Wohltätigkeitsakt erscheinenden Vorwande überantwortet werden. Das ist die Spekulation dieser Herren. Wennn ihnen das glückt, sind sie einer finanziellen Verpflichtung für die Zukunft entledigt, und gegen die noch verpflichteten Pensionisten tritt eine Entlastung dadurch ein, daß Tausende Kronen durch die Arbeiter gedeckt würden. Daß diese auf solche Art entrechtet werden und natürlich scheinbar selbst Schuld daran sind, wenn sie sich durch den Streik in eine solche Rechtslage versetzt haben und so ihre eingezahlten Beiträge, wenn sie sie nicht in offener Frist reklamieren, einbüssen, ist Bankkapitalistenmoral. Reklamieren die Arbeiter, so fliegen sie vielleicht aufs Pflaster; tun sie es nicht, so kommen sie um ihr Geld, und wissen erst recht nicht, welchem Schicksal sie verfallen. Kommt man zur Regierung mit derartigen Dingen, schweigt man sich aus, und wenn man doch etwas sagen muß, verspricht man, die Rechtslage zu sondieren. Man untersucht, es kommt aber dabei nichts heraus. Das ist das Facit ehrlich arbeitender Menschen, wenn sie mit Elementen von der Art der Živnostenská banka und ihrer Verwaltungsräte oder mit Gesellschaften, wie es der "Verein für chemische und metallurgische Produktion in Aussig" ist, einen Pakt schließen. Die Arbeiter können ganz ruhig zugrunde gehen, wenn nur das Bankkapital auf seine Rechnung kommt. So sieht sich der Arbeiter betrogen, wenn er sich einer solchen sozialen Fürsorge anvertraut hat, wie es z. B. die "Pensionsund Invalidenkassa des chemisches Vereines" in Aussig ist.

Das alles ist aber nur möglich, weil die Regierung tatenlos zusieht und nicht den Mut hat, den die Statuten und ihre Abmachungen mit den Arbeitern verletzenden Bankkapitalisten Einhalt zu gebieten. Man komme nicht und sage, daß man nichts davon wisse. Wir haben dem Ministerium für soziale Fürsorge diese Zustände rechtzeitig genug bekanntgegeben und um Eingreifen ersucht. Pflicht desselben ist es nun, hier Remedur zu schaffen. Nachdem aber bisher nichts geschehen ist, ist auch nicht mehr viel zu erhoffen, und die Arbeiter werden wieder auf die Selbsthilfe angewiesen sein. Solche Dinge sind nur unter einer Regierung, wie wir sie haben, möglich. Ihr Verhalten ist nicht geeignet, unser Vertrauen zu erwecken. Aus all den angeführten Gründen, zu denen noch viele aufzuzählen wären, lehnen wir den Voranschlag ab. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. Häuslera (viz str. 1106 tìsnopisecké zprávy):

Werte Damen und Herren! Unter der Gruppe, die jetzt in Beratung steht, befindet sich auch das Kapitel "Soziale Fürsorge". Durch Errichtung des Ministeriums erwarteten Arbeiter und Angestellte, daß endlich auch ihnen das Mindestrecht auf sozialpolitischem Gebiet gegeben wird. An Versprechungen hat es nicht gefehlt, leider fehlen die Taten. In den wenigen Minuten, die mir als Redezeit zur Verfügung stehen, kann ich mich nur oberflächlich mit einigen Titeln dieses Kapitals beschäftigen.

Die Wohnungsfürsorge: Wohl wurden bisher insgesamt 3 1/2 Milliarden für Bauten aufgewendet, aber was bisher geleistet wurde, entsprach nicht einmal den laufenden Anforderungen. Der Wohnungsmangel, der sich durch das Brachliegen der Bautätigkeit während des Krieges und in der Nachkriegszeit ergab, besteht heute noch unverändert weiter. Tausende Arbeiterfamilien, besonders in den deutschen Gebieten, leben heute noch in Aftermiete, ihnen ist es unmöglich, eine Wohnung zu finden. In Wohnungen mit 1 bis 2 Zimmern wohnen mehrere Familien, was in sanitärer Hinsicht eine ungeheuere Gefahr in sich birgt. Dazu kommen noch die Gefahren, die sich aus dem Wohnungselend besonders für Kinder in sanitärer und sittlicher Hinsicht ergeben. Trotzdem dies alles dem Ministerium für soziale Fürsorge bekannt sein muß, ist das Bestreben, einen Abbau vorzunehmen. Wir verwahren uns dagegen, wir verlangen vielmehr, daß die Regierung selbst vorsorgt, selbst Arbeiterwohnungen baut, selbst das Risiko übernimmt, um billige Arbeiterwohnungen zu schaffen. Die Arbeiter können nach dem übermäßigen Lohnabbau nicht Mietzinse von 120 bis 200 Kè monatlich und mehr bezahlen. Ein Abbau der Bautätigkeit würde neuerliche Steigerungen der Mietzinse beinhalten, neuerliche Erhöhungen der Mietzinse, die die arbeitende Bevölkerung nicht ertragen kann.

Sehr rückständig ist die Gewerbeinspektion. Das ganze Gebiet der Èechoslovakei soll insgesamt (einschließlich der Assistentinnen) von 101 Gewerbeinspektoren bearbeitet werden. Wir hatten im Jahre 1922 72.661 unfallversicherungspflichtige Betriebe, von denen 23.524, also kaum ein Drittel inspiziert worden sind. Selbst bei schablone nmäßiger Arbeit, wenn täglich 3 Betriebe von einem Inspektor aufgesucht werden, ist es nur möglich, einen und denselben Betrieb alle drei Jahre einmal aufzusuchen. Schon daraus ergibt sich die vollständige Unzulänglichkeit der Gewerbeinspektoren und es ist ersichtlich, daß die Unternehmer Anordnungen, die die Gewerbeinspektoren treffen, überhaupt nicht berücksichtigen, man darf sich nicht wundern, weil ja die Unternehmer wissen, daß in drei Jahren, wenn wieder einmal eine Inspektion vorgenommen wird, längst alle Anordnungen vergessen sind. Dazu kommt noch, daß die Gewerbeinspektoren in hunderten Fällen zu Lohn- und Ausgleichsverhandlungen beigezogen werden; durch diesen Zeitverlust sinken dann die Inspektionen noch weiter. Die Kosten dieser mangelhaften Inspektion bezahlen die Arbeiter oft mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit. Wir verlangen, daß auch hier endlich einmal Abhilfe geschaffen wird. Besonders verlangen wir die Heranbildung von Inspektorinnen, welche bei der zunehmenden Frauenarbeit wohl am besten beurteilen können, welche Maßnahmen zum Schutze der Arbeiterinnen notwendig sind.

Nun einiges zur Arbeitslosenunterstützung. Ausführlich wird darüber noch bei der Beratung über die Verlängerung des Arbeitslosenunterstützungsgesetzes gesprochen werden. Wir haben gegenwärtig noch gegen 300.000 Arbeitslose, die statistischen Ziffern, welche vom Ministerium über den Stand der Arbeitslosigkeit herausgegeben werden, entsprechen ja nicht den Tatsachen. Ein großer Teil der Arbeitslosen ist bereits ausgesteuert und all diese werden nicht mehr in dem Verzeichnisse geführt. Jene, denen nun eine Verlängerung über ein halbes Jahr gewährt wurde, wurde zugleich auch die ohnehin karge Unterstützung um ein Viertel oder um die Hälfte herabgesetzt. Verlängerungen wurden nur über wiederholte Ansuchen und Interventionen und ausnahmsweise für Textilarbeiter bis zu einem Jahre bewilligt und da wiede rum nur für Haushaltungsvorstände, für Familienversorger in der Höhe der halben Unterstützung. Obwohl laut Gesetz die Unterstützung bis zu 1 1/2 Jahren gewährt werden kann, blieb diese Bestimmung nur auf dem Papier. In keinem Falle wurde eine Bewilligung über ein Jahr erteilt. Als Grund dieser Einschränkung werden Geldmangel und Ersparungsmaßnahmen angegeben. Wir müssen die schwersten Vorwürfe gegen die Regierung erheben, daß sie keine entsprechende Maßnahmen für die ungeheueren Opfer der Wirtschaftskrise getroffen hat, obwohl von uns aus bereits bei der vorjährigen Budgetberatung entsprechende Anträge zur Vorsorge gestellt worden sind. Wir wünschen, daß gespart wird, aber dort, wo es etwas zu sparen gibt, nicht bei den Arbeitslosen.

Im vorliegenden Budget sind für das Jahr 1924 70 Millionen für Arbeitslosenunterstützung präliminiert. Gestatten Sie mir eine kleine Gegenüberstellung. 70 Millionen für die Arbeitslosen, dagegen 73 Millionen für Reise und Fracht beim Kapitel Nationale Verteidigung, 68 Millionen für Feldübungen, 135 Millionen für Munition usw. Schon daraus ist zu ersehen, wo gespart werden kann und bei der wiederholten Versicherung der Friedensliebe der Èechoslovakischen Republik auch gespart werden müßte. Aber ich bin überzeugt, daß auch das Ministerium für soziale Fürsorge weiß, daß die Krise noch lange nicht überwunden ist, ebenso weiß dieses Ministerium, daß mit den 70 Millionen kein Auskommen zu finden ist. Wenn trotzdem ein derartig geringer Betrag veranschlagt ist, so ist darin enthalten, daß neuerliche Kürzungen und Drosselungen der Unterstützungen geplant sind, neue Drosselungen vorgenommen werden sollen. Dagegen müssen wir uns auf das entschiedenste verwahren. Wenn das Ministerium bei der zunehmenden Preissteigerung noch die geringen Unterstützungssätze drosseln will, dann verdient es nicht mehr den Titel: soziale Fürsorge. Das unsagbare Elend und die Not der Arbeitslosen ist den Herren im Ministerium zumindest durch die Ansuchen und die wiederholten hunderte Interventionen bekannt. Durch derartige Sparmaßnahmen an unrichtiger Stelle wird nur Volksvermögen vergeudet. Im laufenden Jahr wurden für Arbeitslosenunterstützung 420 Millionen gebraucht, trotzdem tausenden von Arbeitslosen widerrechtlich keine Unterstützung zuerkannt wurde. Und noch wird ein Nachtrag für das laufende Jahr notwendig sein. Die 70 Millionen, die präliminiert sind, werden kaum für drei Monate reichen. Was dann? Die Herren denken wahrscheinlich: Die Arbeitslosen sollen betteln gehen, wenn sie hungrig sind. Aber da ist ihnen nicht geholfen, weil diejenigen, die die Mittel hätten, nichts geben, und diejenigen, die gerne geben wollen, nichts haben. Und jene, die wirklich betteln, werden obendrein noch eingesperrt, das ist die Versorgung. Lassen Sie mich kurz eine Schilderung des Leidensweges dieser Ärmsten geben. Wenn jemand aus der Arbeit entlassen wird, muß er unter anderem eine Bestätigung des Unternehmens über den Grund der Entlassung beibringen. Oft kostete es erst einen Kampf, bevor der Unternehmer dieser gesetzlichen Verpflichtung nachkommt. Dann stellt es sich heraus, daß die Bestätigung, formal schlecht ausgefüllt ist, was allein zur Abweisung genügt. Ist dann die Richtigstellung durchgeführt, pflegt die Gendarmerie Erhebungen, nicht immer gewissenhaft. Nun vergehen oft Wochen, bevor die erste Unterstützung zur Auszahlung gelangt. Jenen, denen endlich die Unterstützung zugesprochen wurde, müssen dann oft ohne Rücksicht auf Gesundheitszustand oder Leistungsfähigkeit öffentliche Arbeiten leisten. Für die Unterstützung müssen sie zwei Tage in der Woche arbeiten, ohne daß ihnen der Zuschlag per 1 Kè pro Stunde, wie es das Gesetz vorschreibt, gewährt wird. Eine Berufung auf diese gesetzliche Bestimmung wird als Arbeitsverweigerung ausgelegt und zieht den Verlust der Unterstützung nach sich. Dabei werden diese Leute weder gegen Krankheit noch gegen Unfall versichert. Mit dem Gesetze vom 12. August 1921 sollte halbwegs Ordnung geschaffen werden, heute sind bereits wieder soviel Weisungen und Verordnungen hinausgegangen, daß sich niemand auskennt. Teilweise wurden Bestimmungen des zitierten Gesetzes aufgehoben oder abgeändert, ohne Einvernahme der Organisationen, ein vollständig ungesetzlicher Vorgang, der zum Nachteile der Arbeitslosen wirkt. Wenn nun die Unterstützung abgelaufen ist, kann besonders in den deutschen Gebieten, welche 2/3 Gebirge und 1/3 Landwirtschaft umfassen, dabei eine hochentwickelte Industrie besitzen, keine Arbeitsmöglichkeit gefunden werden. Die Bautätigkeit in den deutschen Gebieten wird von Seite des Staates zu wenig unterstützt, bei Vergebung staatlicher Lieferungen wird in erster Reihe èechische Industrie berücksichtigt. Aus all diesen und anderen Gründen ergibt sich die besonders große Arbeitslosigkeit in den deutschen Gebieten. Wohl haben einzelne Gemeinden Notstandsarbeiten, vor allem Straßenbauten aufgenommen. Der Staat zahlt in diesen Fällen 9 Kè täglich Zuschuß an sogenannter produktiver Arbeitslosenunterstützung. Zu diesen Arbeiten sollen nach einer Weisung des Ministeriums für soziale Fürsorge in erster Reihe Unterstützte verwendet werden, so baut man die Arbeitslosigkeit ab, was mit jenen geschehen soll, die keine Unterstützung mehr erhalten, darum kümmert sich weder die Regierung noch eine Behörde. Es kommt vor, daß diese Arbeiten in Akkord gegeben werden, wie es in dem Bezirke Sternberg der Fall war. Dabei hat man die Not- und Zwangslage der Arbeiter ausgenützt, die Arbeiter haben täglich nur 5 Kè verdienen können; diese Gelegenheit benützen wieder die Privatunternehmer zur Lohndrückerei. Da der Staat 9 Kè täglich Zuschuß bezahlt, wissen wir nicht, wer den Betrag der Differenz eingesteckt hat, oder wie er verrechnet wurde Wenn Regenwetter war, mußten Familienväter, die 3 bis 4 minderjährige Kinder zu erhalten haben, mit 30 bis 40 K Lohn pro Woche nach Hause gehen, man hat ihnen das Verlangen, wenigstens einen Teil der Zeit einzuarbeiten, einfach abgelehnt. Wie sollen diese Menschen leben? Können sie unter solchen Umständen bei körperlich schwerer Arbeit arbeitsfähig bleiben? Bei der Zuerkennung der Unterstützung wird rigoros vorgegangen, Ledige, alleinstehende Personen, dann alle, welche nicht Familienversorger sind, aus Handel und Gewerbe, weiters alle Taglöhner, landund forstwirtschaftlichen Arbeiter und Bauhilfsarbeiter erhalten überhaupt keine Unterstützung. Dazu kommen jene, bei denen die Unterstützung abgelaufen ist, das ergibt Zehntausende armer, braver, arbeitswilliger Menschen, die hungernd und frierend umherirren, nicht wissend, wie sie ihr elendes Dasein weiterfristen sollen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. inž. Botto.)


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