Ètvrtek 22. listopadu 1923

Juliuskohle wurde um 1·64 verbilligt, der Staat bringt davon 1·24 Kronen auf, die Bergarbeiter 18 Heller und die Unternehmer 22 Heller pro Meterzentner. Wie steht es mit den nordwestböhmischen Durchschnittsmarken, Sekundomarken, die die größte Produktion haben? Der Staat trägt 1·24 Kronen, die Arbeiter 21 Heller und die Unternehmer 12 Heller pro Meterzentner zur Verbilligung bei. Wir sehen, daß die Wirkung auf den Konsum fast ganz ausgeblieben ist. Ich will damit nicht sagen, daß eine Verbilligung nicht durchgeführt wurde, aber sie ist so minimal, daß sie beim Konsumenten nicht in Erscheinung tritt, und nach wie vor bestehen alle anderen verteuernden Bestandteile im Kohlenpreis weiter. Der Meterzentner Kohle, der heute ab Schacht 7·94 Kronen kostet, der samt Steuern und anderen Zulagen 9·45 Kronen kostet, derselbe Meterzentner Kohle kostet in Prag noch immer auf Grund der durch das Ernährungsministerium im Einvernehmen mit dem Arbeitsministerium vorgenommenen Regelung der Zustreifungs- und Manipulationsspesen 22·90 Kronen bis ins Haus oder in den Keller. Davon beträgt die Fracht allein 6·82 Kronen.

Man hat versprochen, daß die Tarife verbilligt werden, man hat versprochen, daß die Verbilligung der Kohle eine allgemeine Verbilligungsaktion nach sich ziehen werde. Ich weiß nicht, wie oft während des Streikes das versprochen wurde, aber wie ja schon so oft, ist die Wirkung vollständig ausgeblieben. Die allgemeine Preisbewegung geht nach aufwärts. Wir haben seit August eine Erhöhung des Weizenpreises um 20%, eine Erhöhung des Roggenpreises um 23 %, die sich im Detailpreis bis heute noch nicht voll ausgewirkt hat, die aber in der nächsten Zeit zur Auswirkung kommen muß. Warum ist diese Steigerung eingetreten? Sie ist durch nichts begründet, denn die Ernte war mehr als mittelmäßig, besonders in Weizen und Roggen. Die Steigerung ist eingetreten und wurde hervorgerufen durch das Bewilligungsverfahren, das hier eingeführt ist. Und wenn Sie hundertmal behaupten und meinetwegen auch den Nachweis dafür erbringen können, daß Sie mit dem Bewilligungsverfahren bisher die Einfuhr nicht gedrosselt haben, schon der Umstand, daß das Bewilligungsverfahren existiert, wirkt preistreibend. Bei den anderen Artikeln werden wir das noch genau aufzeigen. Der Hinweis auf den Weltmarktpreis ist kein Argument, denn der Weltmarktpreis für Weizen beträgt am 9. November 156 Kronen und der amtlich notierte Weizenpreis an der Prager Börse 174 Kronen. Sie werden vielleicht sagen, wir produzieren teuerer als die Leute, die den Weltmarktpreis festsetzen. Das ist schon möglich, und Sie werden sich dabei vielleicht auf die hohen sozialen Lasten und die hohen Löhne der landwirtschaftlichen Arbeiter berufen. Aber auch dieses Argument ist nicht stichhältig. Bei uns braucht der landwirtschaftliche Arbeiter mindestens den Verdienst von 10 Tagen, um einen Meterzentner Weizen verdienen zu können. In Amerika, von wo die billigeren Preise kommen, verdient der landwirtschaftliche Arbeiter diesen Meterzentner Weizen in nicht ganz 2 Tagen. (Hört! Hört!) Dort dreimal so hohe Löhne, und trotzdem gibt es dort billigere Preise, als bei uns. Noch drastischer ist Folgendes: Sie sagen, Sie seien Anhänger des freien Handels, der freien Konkurrenz, der freien Preisbewegung, daß Angebot und Nachfragage über die Preise entscheiden, die freie Konkurrenz ihres Amtes walte, die allein vernünftig und gesund die Preise reguliert. Ja - das möchte ich nun besonders an die agrarische Seite richten, die so sehr für die Freiheit des Handels und die freie Konkurrenz eintritt - wenn das der Fall ist, dürfen Sie in Ihren Organisationen auch sonst nichts tun, um dem freien Spiel der Kräfte Einhalt zu tun. Damit steht aber eine Notiz im Organ der èechischen Agrarpartei, dem "Venkov", vom 17. August im Widerspruch. Was schreibt das Blatt? "Wir stehen heuer vor der Notwendigkeit, einen beträchtlichen Teil der Getreideernte an die Schweine zu verfüttern, um den schärferen Druck des Getreideangebotes zu brechen. Es muß daher der Frage einer besseren Wertausnützung des Getreides volle Aufmerksamkeit zugewendet und dafür gesorgt werden, daß die Frucht bis zum äußersten verwertet und ausgenützt wird." Das ist das Organ der Partei des Ministerpräsidenten, des Ministers für Landwirtschaft, des Ministers des Innern und des Ministers für nationale Verteidigung, also der Partei, die am meisten regiert in diesem Staate. Es steht vielleicht dieser Partei in diesem Zusammenhange gar nicht gut an, wenn sich ihr Organ fortgesetzt über die maßlose Begehrlichkeit und die unerhörte Frivolität der Bergarbeiter, denen der Kampf aufgezwungen wurde, beschwert, da sie doch selbst mit solchen Mitteln eine künstliche Steigerung der Preise zu forzieren und sie hinaufzutreiben beabsichtigt. Für uns ist das natürlich keine Überraschung, wir sind an diese Methoden gewöhnt. Es sind das dieselben Methoden, wenn auch in einer etwas veränderten Form, die schon von der alten agrarischen Partei Österreichs, der auch zum Teil die èechischen Agrarier, wenigstens wirtschaftlich, angeschlossen waren, immer praktiziert worden sind, die Politik des freien Spiels der Kräfte, der Preisbildung nach Angebot und Nachfrage. Und das wird bei keinem Kapitel so sichtbar, wie beim Fleisch, indem man künstlich hilft, das Angebot im Inland herabzusetzen und das Angebot aus dem Auslande durch Zölle, Einfuhrverbote oder das Bewilligungsverfahren und welche Methoden immer zu verhindern. (Posl. Hirsch: Was sagt der Ernährungsminister dazu?) Der Ernährungsminister hat ausführlich im Ernährungsausschuß darüber gesprochen, er wird noch weiter sprechen, es werden noch weitere Enqueten stattfinden, es werden statistische Daten und wieder neue statistische Daten erhoben werden. Ich glaube, der Herr Ernährungsminister ist ja ganz fleißig, aber gegenüber der agrarischen Partei nützt der Fleiß wenig, es fehlt hier das Beste.

Ich wollte von Fleisch sprechen. Wir haben seit Beginn dieses Jahres eine Erhöhung der Fleischpreise von 40 %, eine Preiserhöhung, die mit keiner anderen korrespondiert, die sich ganz abnormal entwickelt hat. Wenn wir die Einfuhrziffern untersuchen, finden wir sofort des Rätsels Lösung. Bekanntlich sind wir auf die Fleischeinfuhr angewiesen. Wie hat sie sich nun gestaltet? Im Jahre 1922 wurden im Monatsdurchschnitt 7475 Stück Zug- und Schlachtvieh und 21.000 Stück Schweine eingeführt. Jeden Monat! Im Monatsdurchschnitt des ersten Halbjahres 1923 wurden eingeführt 5214 Stück Zug- und Schlachtvieh und 14.000 Stück Schweine, daher monatlich um 2260 Stück Rindvieh und um 7000 Stück Schweine weniger. In dieser geringeren Einfuhr liegt der ausschließliche Anreiz und die Ursache der Erhöhung der Preise, wobei natürlich noch zu bemerken wäre, daß der Unterschied bei den Fleischpreisen zwischen Viehpreis, d. h. Lebendgewichtspreis, und Verkaufspreis ein übermäßiger, durch nichts begründeter ist. Auch auf diesem Kapitel hat die Staatsverwaltung, die sich sonst mit Versprechungen so sehr beeilt, fast vollständig versagt.

Die Wirkungen dieser Politik, dieser Steuerpolitik, unserer ganzen Wirtschaftspolitik überhaupt lassen natürlich nicht auf sich warten. Wir hatten im September eine Erhöhung des Index um 1·1 bis 1·3 %, je nachdem, wer den Index macht. Aber der Unterschied schwankt nur gering. Im Oktober haben wir eine Erhöhung des Index 1·2%. Das brauchte an und für sich nicht beängstigend zu sein. Aber wenn Sie berücksichtigen, daß diese steigende Tendenz unmittelbar nach der Ernte einsetzt, wo naturgemäß eine sinkende Tendenz wahrzunehmen sein müßte, so steht für die kommenden Monate nicht nur eine gleichmäßige, sondern mit höchster Wahrscheinlichkeit eine noch größere Preissteigerung bevor.

Das liegt auf der Hand, das ist die schwere Besorgnis und große Befürchtung, die die Arbeiterklasse in diesem Staate erfüllt. Auf der einen Seite der Abbau der Löhne, auf der anderen Seite die Steigerung der Preise. Die soziale Lage der Arbeiter wird natürlich dadurch ungemein betroffen, sie können nichts wahrnehmen, was als Besserung auf diesem Gebiete für die nächste Zeit zu deuten wäre. Zuerst hieß es, der Preisabbau, besonders der Abbau der Kohlenpreise würde eine bessere Beschäftigungsmöglichkeit bringen. Aber sieben Tage nach der Beendigung des Streiks haben uns die Herren Unternehmer in einem Rundartikel im "Prager Tagblatt" versichert, welche Einwirkungen die Kohlenpreise haben werden. Die Eisenindustriellen sind gekommen und haben gesagt, daß die Herabsetzung der Preise für Kohle nichts bedeute; sie hätten das schon längst nachgelassen. Die Textilfabrikanten haben erklärt, bei ihnen mache das so wenig aus, daß das gar nicht in Frage kommt. Die Zuckerindustriellen haben erklärt, das spiele keine Rolle, sie hätten das schon früher einkalkuliert. Die Maschinenindustriellen haben gesagt, es werde eine kleine Verbilligung eintreten, sie sei aber nicht der Rede wert. Die Ziegeleibesitzer, die ein nennenswerter Faktor beim Kohlenverbrauch sind, haben erklärt, sie können nichts billiger geben, weil die Voraussetzungen nicht gegeben sind. Dasselbe haben die Zementindustriellen erklärt. Übriggeblieben sind nach dieser wirtschaftlichen Notiz im "Prager Tagblatt" nur die Porzellanfabri kanten, die angeblich sehr viel nachlassen können. Das hat wohl nur die Ursache, daß in diesem Konventikel, in welchem dieser Artikel gebraucht wurde, zufällig kein Vertreter der Porzellanindustrie saß. Wir sehen also, daß die Wirkung der Herabsetzung des Kohlenpreises nach jeder Richtung hin vollständig ausgeblieben ist. Wir sehen, daß es ganz verfehlte Methoden waren, und daher müssen die wirtschaftlichen Auswirkungen des Streikes und aller ähnlicher Arbeiterkämpfe dieselben sein: Keine bessere Beschäftigungsmöglichkeit, kein Preisabbau.

Bessere Beschäftigungsmöglichkeit! Vorläufig wird in einigen Betrieben voll gearbeitet, weil 123.000 Waggons Vorräte aufzufüllen sind. Wir haben aber einzelne Reviere, wo jetzt schon Feierschichten sind, und im Jänner, bis die Vorräte gedeckt sein werden, werden wir wahrscheinlich überall Feierschichten haben. Mit der besseren Beschäftigungsmöglichkeit ist es also nichts.

Man hat uns versprochen, daß die Eisenbahntarife werden reguliert werden. Das ist auch ein sehr trauriges Kapitel unserer Volkswirtschaft. Im Voranschlag ist nicht zu bemerken, daß sich im nächsten Jahre etwas an der Finanzpolitik ändern soll, trotzdem unzähligemale nachgewiesen wurde, daß die èechoslovakische Eisenbahnverwaltung die teuerste der Welt ist, daß sie um 70 % teuerer ist als die italienische, zweimal so teuer wie die französische, dreimal so teuer wie die belgische; ich will von den Ländern mit schwächerer Valuta, die sich fortwährend in Bewegung befinden, gar nicht sprechen. Von den Ländern mit sogenannter konsolidierter Währung aber sind wir weit in der Nachhand. Das Finanzministerium hat versprochen, am 1. Jänner eine Tarifermäßigung auf den Bahnen durchzuführen.

Ich glaube, nach den Erfahrungen, die wir mit den Versprechungen von dieser Seite gemacht haben, daß es ohne einen ernsthaften Rippenstoß absolut nicht zum Abbau der Tarife kommen wird. Sie rechnen zu lange, die Herren im Eisenbahnministerium, fünf Vierteljahre mußten sie rechnen, um die Durchrechnung der Tarife der Aussig-Teplitzer Eisenbahn durchzuführen und jetzt müssen sie schon wieder ein Jahr an der Durchrechnung der Tarife der Buschtìhrader Eisenbahn rechnen, obzwar uns Beamte des Eisenbahnministeriums, die diese Abteilung führen, erklärt haben, daß solche Berechnungen in ganz kurzer Zeit möglich sind. Aber man verzichtet nicht auf die Mehreinnahmen, läßt weiter die Industrie und die gesamte Volkswirtschaft mit diesen unnatürlichen Tarifen belastet, führt die Reformen nicht durch und so besteht die Gefahr, daß der Abbau der Tarife überhaupt sehr verspätet durchgeführt wird. Das Eisenbahnministerium, das seit dem 10. Oktober die billige Kohle kauft und mindestens jährlich 170 Millionen Kronen an Kohlen allein erspart, muß diese 170 Millionen augenblicklich zur Verbilligung der Tarife verwenden. Die bestehenden Tarife haben keine Berechtigungim Rahmen eines Deflationsbudgets, im Rahmen eines Budgets, dem die Devise vorangetragen wird: "Sparen und abbauen!" Das Kapitel der Eisenbahnen bleibt unberührt davon. Hier müssen die schwersten Bedenken geäußert, die öffentliche Kritik muß hier zum treibenden Motiv werden, nicht nur dafür, daß die Tarife herabgesetzt werden, sondern dafür, daß in der ganzen Geschäftsführung ein kaufmännischer Geist die fiskatlischen und bürokratischen Methoden verdränge, damit die Tarife angeglichen werden dem allgemeinen Wertniveau, damit man sie in Einklang bringe mit den unseren Exportbedürfnissen, damit man aber auch die Tariffrage nicht darnach regele, ob es sich um eine Industrie handelt, die zum èechischen Bankenkonzern gehört oder nicht. So wird es z. B. kein Mensch verstehen, warum der Ostrauer Kohle bisher eine zehnprozentige Frachtrefaktie für die Ausfuhr nach Österreich eingeräumt wird, während man für die Braunkohle diese Refaktie nicht durchsetzen konnte. Und wie dieses Beispiel, gibt es viele andere. Die Tarife müssen herabgesetzt, dem Werte des Tarifgu tes angepaßt, sie müssen den Exportbedingungen angepaßt werden. Wir erwarten, daß mit 1. Jänner die Tarife ganz wesentlich herabgesetzt werden. Die hohen Tarife hindern die ganze Volkswirtschaft, hemmen die Industrie und sind ein außerordentlicher Faktor für die Teuerung selbst.

Ich kann dieses Budget, vom Standpunkt seiner volkswirtschaftlichen Auswirkungen betrachtet, natürlich nur ungünstig beurteilen. Die Auswirkungen der Deflationspolitik, die noch nicht beendet sind, haben sich für den Arbeiterstand als verhängnisvoll erwiesen: vermehrte Not, vermehrte Arbeitslosigkeit, vermehrte und verschärfte Wirtschaftskrise, das ist ihr sichtbarer Ausdruck, ohne daß auf der anderen Seite die angebliche, von Ihnen behauptete Gesundung oder Konsolidierung auch nur in den Staatsfinanzen faktisch eingetreten wäre.

Ich komme nun zu einem anderen Kapitel, das ist die Unaufrichtigkeit des Budgets. In dem Budget erscheinen die Ersparnisse mit 3·8 Milliarden angegeben. Diese Ziffer bedarf vielleicht einiger Abzüge. So sind beim Investitionsprogramm 800 Millionen weniger eingestellt, die gar keine Ersparnis beinhalten, weil Sie nicht sagen, was Sie von der Investitionsanleihe im Vorjahre praktisch verwendet haben. Sie haben 750 Millionen für Teuerungsaushilfen und Notaushilfen eingestellt gegen 1500 Millionen im Vorjahre; dies sind Ersparnisse aus dem Vorjahre, und sie heuer einstellen heißt, in der Praxis die Ausgaben künstlich herabzusetzen. Um eine weitere Post wird diese Ersparnis herabgesetzt durch die Streichung an den Staatsschulden in der Höhe von 800 Millionen, die sonst schon ausgewiesen wurden. Daß dies nicht unsere Auffassung allein ist, bewies auch Professor Engliš (Výkøik: Finanzminister!) Er war es einmal, will es vielleicht wieder werden, ich weiß es augenblicklich nicht. Professor Engliš kam in einem Artikel in der "Prager Presse" zu demselben Ergebnis und sagt dort ausdrücklich, daß der geänderten Umstellung einzelner Budgetposten, der Konstruktionsänderung des Budgets die Ersparnis zu verdanken sei, in Wirklichkeit sei die Ersparnis bedeutend geringer. Diese Verschleierung und Unaufrichtigkeit hängt natürlich zusammen mit dem eingangs meiner Rede angeführten Zustand, daß die Vorlage des Budgets verspätet erfolgt, daß die Vorlage der Rechnungsabschlüsse nicht erfolge.

Besser aber als die Verschleierung des Budgets konstatiert man den Geist des Budgets. Im Zeichen der Abbaues und der zweckmäßigen Sparsamkeit, hat der Finanzminister gesagt, ist das Budget aufgestellt worden. Wenn wir aber einige Posten gegenüberstellen, kommen wir zu den merkwürdigsten Vergleichen. Z. B.: die Ausgaben des Gesundheitsministeriums überhaupt betragen 146·8 Millionen, die Ausgaben für Munition im Ministerium für nationale Verteidigung betragen 153 Millionen. Die ganze Volksgesundheit einschließlich des staatlichen Aufwandes für die Heilanstalten kostet also den Staat 146 Millionen, die Munition 153 Millionen. Für die Arbeitslosen gibt der Staat 70 Millionen aus, d. h. er präliminiert 70 Millionen - ausgegeben hat er im Laufe des vergangenen Jahres 400 Millionen - für Reiseund Frachtspesen im Ministerium für nationale Verteidigung sind 73 Millionen eingesetzt, für die Jugendfürsorge beträgt der Etat 14·6 Millionen, für Kupfer für das Ministerium für nationale Verteidigung 16 Millionen. Wir sehen überhaupt einen Abbau der sozialen Einrichtungen und der sanitären Einrichtungen, worüber wir uns ganz besonders beklagen. Als drastisches Beispiel hiefür kann nur angeführt werden, daß das Kapitel "Jugendfürsorge" im Ministerium für soziale Fürsorge von 23 auf 14·5 Millionen herabgesetzt wurde, das Kapitel "Arbeitsvermittlung" von 3·7 auf 2·2 Millionen, der Aufwand für die Bekämpfung der Epidemien von 5·1 auf 2·5 Millionen, also um mehr als die Hälfte, für die Bekämpfung der Volksseuchen von 14 auf 10 Millionen, die Post "Leibesübungen" von 6 auf 3· 8 Millionen, die Fortbildungskurse von 0·9 auf 0·3 Millionen, die Wohnungsfürsorge von 9·1 auf 7·2 Millionen. Ich glaube, daß jede Kritik die Wirkung der Gegenüberstellung dieser Tatsachen nur abschwächen könnte. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.)

Das ist der Geist dieses Budgets und wenn sie diesen noch besser vergleichen wollen, so ist dies vielleicht möglich an einer Gegenüberstellung mit dem, was der Staat in einem anderen Ministerium auswirft. Vom Jahre 1919 bis 1924 - diese Voranschläge liegen uns vor - haben sich die Ausgaben des Landwirtschaftsministeriums, des Ministeriums für soziale Fürsorge und des Gesundheitsministeriums entwickelt: Im Jahre 1920 124 Millionen für Landwirtschaft, 978·87 für soziale Fürsoge und 43 Millionen für das Gesundheitswesen; in dem jetzt vorliegenden Voranschlag: für Landwirtschaft 566 Millionen, 702 für soziale Fürsorge und 146 für Gesundheitswesen. Da bedarf es aber noch einer Ergänzung. Der Aufwand für das Ministerium für soziale Fürsorge ist besonders deshalb so gestiegen, weil sich die Ausgaben für die Invalidenfürsorge mit über 500 Millionen Kronen befinden, die erst im Jahre 1920 dem Ministerium für soziale Fürsorge angegliedert wurde; im Kapitel Gesundheitsministerium wiederum wurden die Ausgaben für Heilanstalten erst in den Jahren 1922 und 1923 in bedeutenderem Umfange eingestellt, so daß, wenn diese Ausgaben nicht gemacht worden wären, für die soziale Fürsorge und für das Gesundheitswesen ungefähr ein Viertel dessen ausgegeben würde, was zur Unterstützung und Sanierung der Landwirtschaft vom Landwirtschaftsministerium im Abbaubudget verlangt wird. Wir sind nicht dagegen, daß der Staat auch die Landwirtschaft fördert, wir sind gewiß dafür, daß der Staat mit allen Mitteln dazu beitrage, den Ertrag der Landwirtschaft zu bessern, weil es zur volkswirtschaftlichen Gesundung wichtig ist, daß der Ertrag der Landwirtschaft gesteigert werde. Aber verzeihen Sie, meine Herren, wenn die wichtigsten, primitivsten sozialen Fürsorgeposten, die für Menschen bestimmt sind, zurückgestellt werden hinter Munition, hinter den Reisespesen des Ministeriums, hinter Kupfer, Viehzucht, Meliorationen und Entwässerung, so ist das ein Budget, das unsozial bis zur letzten Konsequenz genannt werden muß.

Das Kapitel "Ministerium für nationale Verteidigung" verdient überhaupt einige Worte. Unser Spezialreferent - ich will ihm nicht vorgreifen - wird sicher bei diesem Kapitel noch viel zu sagen haben. Wir haben - so hörten wir im Budgetausschuß - 22.000 Offiziere und Rottmeister und 127.000 Mannschaften, also auf 6 Mann einen Gagisten. Abbau: Abgebaut wurden die Mannschaftsgebühren und abgerundet nach oben wurden die Bezüge der höheren Herren, der Generäle. Im Zeitpunkte des Abbaues und zweckmäßiger Sparsamkeit sind die Ausgaben für Polizei von 272 auf 289 Millionen gestiegen, die für die Gendarmerie von 225 auf 235 Millionen. In dem Zeitpunkte, wo man die Ausgaben für Bedürfnisse und soziale Einrichtungen breiter Volksschichten herabsetzt. Das alles zusammen trägt en Stempel des kapitalistischen Staates, der nicht Rücksicht nimmt auf die Ärmsten seiner Bewohner. Das Budget ist aus Rücksichten für die herrschenden und kapitalistischen Klassen dieses Staates zusammengesetzt. Würden wir erst die Rechnungsabschlüsse kennen, würde sich das Bild - davon bin ich überzeugt - nach dieser Richtung hin noch mehr verschieben. Der Rechenschaftsbericht, den wir aus dem Jahr 1919 haben, gibt uns einen kleinen Fingerzeig, wie sich die Dinge entwickeln. Im Jahre 1919 waren im Budget für das Ministerium für soziale Fürsorge 54 Millionen vorgesehen, verbraucht wurden laut Rechnungsabschluß 28 Millionen, für die Landwirtschaft waren präliminiert 60 Millionen, verbraucht wurden 78. Wo es sich um soziale Fürsorge handelt, haben wir einen Minderverbrauch von 28 Millionen, in der Landwirtschaft hingegen haben wir gegenüber dem Voranschlag einen Mehrverbrauch von 18 Millionen.

Ein weiteres Kapitel, mit dem wir sehr unzufrieden sein müssen, betrifft die "Staatliche Wohnungsfürsorge". Sie haben dafür mehr als 3 1/2 Milliarden ausgegeben. Wenn wir untersuchen, wohin die Gelder gekommen sind, müssen wir feststellen, daß in die deutschen Gebiete äußerst wenig gekommen ist. Wir haben keine genaue Übersicht, sondern bloß einen Teilbericht, der aber bezeichnend ist. Das Ministerium für öffentliche Arbeiten veröffentlichte vor wenigen Tagen eine Aufstellung, aus der hervorgeht, daß vom 1. Juni 1921 bis 1. Oktober 1923 Staatskredite im Betrage von 1791 Millionen Kronen für öffentliche Wohnungsbauten bewilligt wurden. Von diesen 1791 Millionen entfallen auf Prag allein 510 Millionen Kronen, also mehr als ein Viertel des Gesamtbetrages.

Ich möchte gegenüber einer Bemerkung des Herrn Generalberichterstatters ein Wort hinzufügen. Er hat uns ein Bild unseres Außenhandels gegeben, der einiger Einschränkungen und Ergänzungen bedarf. Der Herr Generalberichterstatter nennt unsere Handelsbilanz aktiv, was sie auch zweifellos ist. Er versuchte den Beweis zu führen, daß sie aktiv ist, weil wir Fertigprodukte in viel größerem Maße ausführen als wir Rohstoffe einführen, und er gab sich diesbezüglich optimistischen Hoffnungen hin. Ich glaube, daß dieser Optimismus des Herrn Generalberichterstatters nicht berechtigt ist, wenn man die tatsächlichen Verhältnisse in Europa in Betracht zieht. Deutschland, das an unseren Handelsbilanz bisher in der Ausfuhr mit mehr als ein Viertel, in der Einfuhr mit einem Drittel teilnahm, ist wirtschaftlich zusammengebrochen. Dieser volkswirtschaftliche Niedergang Deutschlands, sein Ausscheiden aus dem internationalen Waren- und Handelsverkehr für die nächste Zeit muß naturgemäß seine Rückwirkungen auch auf unsere Handelsbilanz haben. Und wenn der Herr Generalberichterstatter unsere Handelsbilanz sorgs am verfolgt hätte, hätte er schon den Weg gesehen, den unsere Außenhandelsbilanz mit Deutschland geht. Die Ausfuhr nach Deutsc land ist beispielsweise vom Monate Juli mit 284 Millionen im Oktober auf 161 Millionen herabgesunken und sie wird im November und Dezember noch weiter herabsinken. Ich stelle nun die Frage: wo ist das Aktivum herzustellen, wenn diese große Aktivpost im nächsten Kapitel der Handelpolitik fehlen wird? Und es wäre die Frage aufzuwerfen vom wirtschaftlichen Standpunkt - vom politischen Standpunkt ist unlängst bei der Debatte über die auswärtige Politik ausführlich darüber auch von unserem Klub gesprochen worden wie sich die Republik zu dem wirtschaftlichen Zusammenbruch Deutschlands stellt. Nicht Mitleid allein, sondern die Auswirkung der praktischen Möglichkeit für unsere Handelspolitik - ein Drittel unserer Einfuhr und ein Viertel unserer Ausfuhr wird in der nächsten Zeit wahrscheinlich nicht mehr existieren - sollten hiebei maß ebend sein. Der Zusammenbruch Deutschlands trifft uns schwerer, als der Zusammenbruch irgend eines anderen Landes. Herr Dr. Kramáø, der Vertreter der nationaldemokratischen Partei, hat bei der auswärtigen Debatte hier erklärt: "Ja, wie soll denn die Arbeitslosigkeit in Europa verschwinden, wenn durch den Bolsche vismus 120 Millionen Menschen aus der europäischen Wirtschaft ausgeschaltet sind! " Es hat ihm das leid getan, sicher, aber ich frage: Wie soll sich das Problem der Beschäftigungsmö lichkeit gestalten, muß sich die Arbeitslosigkeit in ganz Europa und zunächst auch bei uns nicht steigern, wenn 60 Millionen Menschen vor unseren Augen aus der Wirtschaft ausgeschaltet werden? Diesbezüglich gibt es wohl keine Rückwirkungen auf unsere wirtschaftlichen Verhältnisse? Und wenn der Herr Minister des Äußern die Neutralität der Èechoslovakei gegenüber den Verhältnissen in Deutschland erklärt hat - ich will darüber kein Urteil abgeben - so ist vom volkswirtschaftlichen Standpunkt Neutralität zu wenig gegenüber dem wirtschaftlichen Zusammenbruch in Deutschland. Es muß die Frage aufgeworfen werden, ob die Republik kein anderes Mittel hat, als neutral zu sein, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch eines ganzes Volkes - und zunächst geht es uns um den wirtschaftlichen Zusammenbruch der ganzen Arbeiterklasse zu dämmen, zu hindern. Insoweit muß die auswärtige Politik Rücksicht auf die Inlandspolitik, auf die volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten nehmen. Man sollte meinen, so wie wir es wissen, daß auch Sie es wissen.

Allein die Wirklichkeit ist anders, und soviel man auch von der Selbständigkeit dieses Staates spricht, die letzten Erwägungen in diesem Staate richten sich nicht nach den Bedürfnissen der eigenen Bürger und Bewohner, sondern nach dem Willen der fremden imperialistischen Macht, die denn Niederbruch Deutschlands verursacht und herbeigeführt hat. Wir sehen den Zusammenbruch und möchten dabei die Frage aufwerfen, ob es nicht Pflicht des Staates wäre, angesichts dieses Zusammenbruchs und der entsetzlichen Not eine andere Stellung zu Deutschland einnehmen, als es bisher geschehen ist. Unser Klub wird es an Anregungen in dieser Beziehung nicht fehlen lassen und wir hoffen, daß der Staat praktische Maßnahmen treffen wird. Er würde sich und seiner ganzen Wirtschaft in ungeheuerem Maße nützen, wenn es ihm gelänge, das Chaos zu beseitigen und endlich normale Zustände herbeizuführen, weniger im Interesse der Deutschen, sondern im Interesse der eigenen Wirtschaft.

Kein Wort ist im Rahmen des Budgets von der längst versprochenen Steuerreform gesprochen worden; die Steuern sind ganz ungerecht und veraltet. Kein Wort ferner von der längst notwendigen Verwaltungsreform! Wir sollen Gauverfassungen bekommen, kein Mensch weiß, wie sie aussehen. Nach allem, was man von der Demokratie dieses Staates kennt und bisher erfahren hat, dürften die Gauverfassungen auch kein Instrument der Demokratie, sondern nur ein Instrument des zentralistischen und bürokratischen Herrschaftssystems werden. Wir brauchen eine Verwaltung, die billiger, einfacher arbeitet und dazu da ist, dem Menschen zu nützen, der Wirtschaft zu nützen, und die nicht der nationalistischen Propaganda dient.

Es ist notwendig, über das Finanzgesetz einige Feststellungen zu machen. Es ist bezeichnend, daß im Artikel VII des Finanzgesetzes der Finanzminister, bzw. die Regierung sich zweimal die Ermächtigung für Kreditoperationen geben lassen. Einmal die Ermächtigung zu Kreditoperationen zur Dekkung des Defizits von 602 Millionen Kronen und das zweitemal die Ermächtigung zu solchen Kreditoperationen zur Prolongierung, Konversion und Bezahlung der Staatsschuld. Verzeihen Sie, was heißt, denn das? Kostet denn die Prolongierung der Staatsschuld Geld, kostet die Konvertierung Geld, daß Kreditoperationen notwendig sein sollten? Die Bezahlung der Staatsschuld ist im Budget enthalten und im Defizit von 602 Millionen Kronen gedeckt. Also wird für eine und dieselbe Post eigentlich die Ermächtigung zu Kreditoperationen zweimal eingeholt. (Posl. Hackenberg: Damit das Parlament ausgeschaltet wird!) Möglich! Wer weiß, was sich dahinter verbirgt und verschleiert! Das ist aber eine budgetäre Unmöglichkeit; trotzdem die Mitglieder unseres Klubs im Budgetausschuß darauf aufmerksam machten und wahrscheinlich die Majorität es selbst eingesehen hat, wird nichts daran geändert werden.

Eine besondere Frage ist der Art. IX des Finanzgesetzes, der ganz neu ist, daß man nämlich ins Budget zur Übernahme der Kaschau-Oderberger Bahn oder anderer Bahnen die Ermächtigung zu einem Kredit von 270 Millionen Kronen einstellt, trotzdem das im normalen Budget enthalten sein sollte, trotzdem dazu nach der Gesetzgebung ein eigenes Gesetz erforderlich ist. Das geschieht zu dem Zwecke, damit das Eisenbahnministerium unkontrolliert von der Nationalversammlung über diesen Betrag verfügen kann.

Einige Worte noch zum Devisenhandel des Bankamtes. Es sind wiederholt schon Beschwerden laut geworden, daß das Bankamt mit Devisen Handel treibt und einen unerlaubten, übermäßigen Gewinn aus diesem Handel zieht. Der Gewinn, den das Bankamt einheimst, beträgt bei Dollars über 1 Krone, beim englischen Pfund 4 bis 5 Kronen. Dieser übermäßige Gewinn bei Devisenzwang ist eine arge Belastung, und ich möchte sagen, eine Ungehörigkeit. Weder der Generalberichterstatter zum Budget, noch der Finanzminister haben sich darüber geäußert.

Es war auch bisher der Bericht über den Abschluß der Staatsgetreidegesellschaft nicht zu erreichen; wir hören nichts von der Spirituszentrale; wir hören wohl von einem Skandal nach dem anderen, wir lesen, daß versucht wird, alle auftauchenden Skandale zu unterdrücken, wahrscheinlich in dem Maße, als einzelne Parteien, die auf die Führung des Staates besonderen Einfluß haben, daran interessiert sind oder nicht.

Wir haben, und das ist mit Bedauern festzustellen, im Rahmen dieses Budgets nichts gehört, und es erfüllt das unsere Wähler mit banger Sorge, was mit dem großen Werk geschehen soll, auf das Tausende und Abertausende von Menschen sehnsüchtig warten: mit der Verwirklichung der Sozialversicherung. Vor Jahr und Tag hat man sie uns versprochen, von Monat zu Monat, und im heurigen Frühjahr ist uns versprochen worden, daß sie schon in diesem Jahr erledigt werden soll; noch vor Wochen hieß es, daß sie im Laufe dieses Jahres erledigt werden soll. Dann hat man uns wieder gesagt, daß nä ste Woche der Motivenbericht erscheinen und daß man zur Beratung des Gesetzes schreiten werde. Und schon wieder sind 4 Wochen vergangen und noch immer liegt der Motivenbericht nicht vor, so daß das Gesetz auch jetzt nicht erledigt werden kann.


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