Pøíloha k tìsnopisecké zprávì
o 223. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 6. listopadu 1923 dopol.
1. Øeè posl. dr. Kafky (viz str. 160 tìsnopisecké zprávy):
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bisherigen Redner der deutschen Arbeitsgemeinschaft haben bereits die oppositionelle Stellungnahme zur Regierung und zu deren Außenpolitik, die ja nur ein Glied ist im ganzen System, das gegenwärtig herrscht, zum Ausdruck gebracht, und ich habe namens meiner Gruppe diesen Standpunkt nur zu bestätigen und zu bekräftigen. Im Übrigen erlaube ich mir zu einer Reihe von außenpolitischen Problemen meine Bemerkungen vorzubringen, wie sie der Auffassung der deutsch-demokratischen Freiheitspartei entsprechen.
Der Herr Minister des Äußern hat in einem Teil der oppositionellen Presse und auch hier von Seiten eines oder des anderen oppositionellen Redners das Zugeständnis erhalten, daß sein diesmaliges Exposé von einer besonderen Ausführlichkeit war und daß es auch an Konkretheit des Inhaltes die Vorläufer weit übertroffen hat. Ich will mich dieser Anerkennung gerne anschließen, möchte aber dazu einige Feststellungen machen, welche vielleicht als Einschränkungen zu wirken geeignet sind. Vor allem möchte ich darauf hinweisen, daß sich der Herr Außenminister durch die ganz besondere inhaltliche Dürftigkeit seiner früheren Exposés eine sehr gute Folie geschaffen hat für die Beurteilung des gegenwärtigen Exposés. Dann möchte ich denn doch darauf hinweisen, daß der Herr Minister des Äußern insofern in einer besonders günstigen Situation war unter den Außenministern sämtlicher europäischen Staaten, als es ihm vergönnt war, in den kritischen Tagen während dieses Sommers und im Herbste tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes ein Außenminister zu sein und nicht genötigt zu sein, vor seinem Parlamente jene Aufklärung zu geben, wie dies beispielsweise der englische Minister des Äußern, der französische Minister des Äußern und sogar Herr Mussolini zu tun genötigt war. (Souhlas na levici.) Und endlich muß ich an dritter Stelle feststellen, daß bei aller Anerkennung der Ausführlichkeit und des konkreten und klaren Inhaltes des Exposés in zahlreichen Teilen doch gerade dort in diesem Exposé die Unklarheit und das Verschweigen beginnt, wo es sich um entscheidende Angelegenheiten und Fragen handelt. Wenn ich hier dieses Exposé betrachte, so sehe ich die Notwendigkeit, es in einen gewissen Zusammenhang zu bringen mit den Kundgebungen, die der Herr Präsident dieses Staates im Inland und im Ausland in der letzten Zeit erlassen hat. Das formale Recht, diese Kundgebungen in unsere Debatte einzubeziehen, ist schon durch den § 66 der Verfassungsurkunde gegeben, da ja die Regierung die Verantwortung für alle jene Äußerungen des Präsidenten der Republik trägt, welche mit dem Präsidentenamt zusammenhängen. Ganz abgesehen davon aber hat der Herr Minister des Äußern selbst in Bezug auf das Verhältnis zu den Weststaaten ausdrücklich auf die Kundgebungen des Herrn Präsidenten verwiesen. Ich halte mich selbstverständlich an die politischen Äußerungen des Herrn Präsidenten. Seine mehr philosophischen Betrachtungen scheiden aus der Diskussion an dieser Stelle aus. Nur können sie denn doch wohl insofern auch politisch gewertet werden, als sie, wenn ich das so sagen darf, eine Art Interpretationsmaterial für die politischen Äußerungen darstellen. Es ist ganz klar, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß Menschen, besonders solche, welche nicht nur Personen sind, sondern auch Persönlichkeiten, den Wunsch haben, eine innere Harmonie herzustellen zwischen den verschiedenen Zweigen ihrer Lebens etätigung. Das ist auch beim Präsidenten dieser Republik der Fall. Das war seinerzeit der Fall, wo er sein politisches Tun angepaßt hat an die ethischen Grundlagen seines Denkens, das ist heute der Fall, wo er seine philosophischen Anschauungen angleicht dem, was er als Richtlinien des politischen Tuns nunmehr akzeptiert hat. Es ist nichts neues für uns, wenn wir feststellen, daß der Präsident dieser Republik in manchen Punkten nummehr eine andere Anscha uung vertritt, als er sie früher vertreten hat, und wir gewinnen durch das Vergleichen seiner philosophischen mit seinen politischen Äußerungen nur eine Bekräftigung dessen, was wir schon wissen, und wir gewinnen eine größere Klarheit in dem Bilde seiner politischen Anschauungen. Gestatten Sie mir nunmehr, an der Hand der Äußerungen des Herrn Ministers des Äußern und im Zusammenhang der Kundgebungen des Herrn Präsidenten der Republik zu einzelnen Problemen der Außenpolitik meine unmaßgeblichen Bemerkungen vorzubringen, unmaßgeblich insoferne, als sie in keiner Weise dazu beitragen werden, die Außenpolitik dieses Staates in eine andere Linie zu bringen, als welche bisher eingehalten worden ist. Ich glaube berechtigt zu sein, das Exposé des Herrn Ministers des Äußern in zwei Teile zu teilen: In jenen Teil, wo die aktuellen Einzelprobleme der Außenpolitik behandelt werden und in jenen anderen Teil, wo die leitenden Gedanken der èechoslowakischen Außenpolitik berührt werden. Wenn ich zunächst zum ersten Teil einiges sage, so greife ich als das erste Einzelproblem das Problem des Verhältnisses zu Ungarn heraus. Wir hören, daß die Kleine Entente und in erster Linie natürlich die Èechoslovakische Repuklik bereit ist, gegenüber Ungarn eine Politik der Rekonstruktion und der Zusammenarbeit zu machen. Wir erfahren, daß die Èechoslovakei durch ihren offiziellen Vertreter der Ansicht ist, daß wir in Bezug auf Ungarn aufeinander angewiesen sind. Ich habe diesen Worten nichts anderes hinzuzufügen als meine vollste Zustimmung. Ich bedauere nur, daß diese Politik der Rekonstruktion und der Mitarbeit als eine neue Politik gegenüber Ungarn vom Herrn Außenminister selbst bezeichnet werden muß, denn das, was wir seit jeher gesagt haben, daß das Verhältnis zu Ungarn aus politischen und wirtschaftlichen Gründen korrigiert werden muß, daß - selbstverständlich unter einer Reihe von Voraussetzungen, die auch auf Seite Ungarns geschaffen werden müssen - eine Politik der Rekonstruktion und der Mitarbeit gemacht werden muß, weil wir auf Ungarn angewiesen sind, ebenso wie Ungarn auf uns, müßte keine neue Politik sein, sondern hätte eine Politik sein können, die vom ersten Tage dieser Republik hätte betrieben werde sollen, und zwar auf Grund der Einsicht in die realen Verhältnisse und nicht erst auf einen mehr oder minder sanften Druck der Kabinette von Paris und London. In diesem Zusammenhang mit Ungarn ist das Problem der Kleinen Entente aufzufassen. Bezüglich der Kleinen Entente hören wir vom Herrn Minister des Äußern, daß bei der Konferenz in Sinaia eine Festigung der Kleinen Entente stattgefunden hat und daß sich neue politische Probleme gezeigt haben und es wird ausdrücklich hiebei auf Rußland und den Balkan hingewiesen. Meine sehr verehrten - Damen und Herren! Daß die Kleine Entente eine gewisse Festigung nötig hat vom Standpunkt derjenigen, welche sie wünschen und welche sie gegründet haben, gebe ich ohne weiters zu. Das Verhältnis dieser drei Kleinen Ententestaaten war keineswegs ein besonders inniges. Aber es ist nicht das, was mich eigentlich in diesem Zusammenhang interessiert, sondern es ist etwas anderes, bezüglich dessen ich mir die Aufmerksamkeit des Herrn Ministers des Äußern für einige Sekunden erbitte. Der Herr Minister des Äußern hat wiederholt bei unseren Anfragen über das wahre Wesen der Kleinen Entente darauf hingewiesen, daß es sich um den gemeinsamen Schutz des Vertrages von Trianon handelt, und daß darüber hinaus Ziele der Kleinen Entente nicht gesteckt werden. Der Herr Minister des Äußern hat das wiederholt bekräftigt, und ich muß sagen, daß ich dem Herrn Minister des Äußern in dieser Hinsicht Glauben schenke. Denn gerade die Erfahrungen, die man in diesem Sommer mit der Stellungnahme der Èechoslovakei zu dem Konflikt zwischen Jugoslavien und Italien in der Fiumaner Frage gema cht hat, scheinen darauf zu deuten, daß tatsächlich bis zur Konferenz zu Sinaia die ungarische Gefahr das allein verbindende Moment der Kleinen Entente gewesen ist. Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nicht optimistisch sein, wie der Herr Minister des Äußern, dessen Beruf es ist, optimistisch zu sein, aber wir sehen ja immerhin vor uns und insbesondere sieht der Herr Minister vor sich eine Einschränkung, eine vollkommene Behebung der ungarischen Gefahr durch das rekonstruktive Zusammenarbeiten in Mitteleuropa. Wenn das der Fall ist, dann frage ich - Herr Dr. Kramáø wird mir diese Anlehnung verzeihen -: hat man die Absicht, die Kleine Entente als ein abgespieltes Luxusklavier im europäischen Salon stehen zu lassen oder hat man die Absicht, neue Saiten in diesen Flügel einzuziehen, damit er einmal auch ein anderes Stück spielen kann als das schon etwas abgedroschene Salonstück "Träumerei über die ungarische Gefahr" von Dr. Beneš. Und da haben wir allerdings ein großes Interesse daran zu erfahren und ich möchte den Herr Minister des Äußern bitten, mir darüber eine klare Antwort zu geben, ob andere Probleme als die Sicherung des Friedensvertrages von Trianon nunmehr den Gegenstand der gemeinsamen Arbeit der Kleinen Entente bilden sollen, welche Probleme es sind, ob in der russischen Frage und in der Frage der Balkanstaaten an ein gemeinsames Vorgehen gedacht ist und welche Ziele ein solches gemeinsames Vorgehen haben soll.
Der Herr Minister des Äußern hat von Polen gesprochen, er hat in dieser Hinsicht, was die Regelung des Verhältnisses zu Polen anlangt, einen außerordentlichen Optimismus entwickelt. Ich nehme ihm diesen Optimismus selbstverständlich in keiner Weise übel, denn ich muß sagen: Ein Minister des Äußern und jeder, der auf der Regierungsbank sitzt, braucht eine überreiche Dosis von Optimismus, wenn er einen Staat regieren will, wenn er einen jungen Staat regieren will, wenn er diesen Staat regieren will. Wir wollen es der Entwicklung der Zukunft überlassen, ob das freundschaftliche Verhältnis zu Polen tatsächlich so leicht wird hergestellt werden können, wie der Herr Minister des Äußern glaubt.
Was die Javorinafrage im besonderen anlangt, so finde ich allerdings eine kleine Unklarheit in den Ausführungen des Ministers des Äußern, wenn er sagt, daß die Javorinafrage durch die Entscheidung des Völkerbundes, welcher die Erledigung in gewisser Hinsicht auf den internationalen Schiedsgerichtshof abgelenkt hat, entpolitisiert ist und daß sich hiedurch eine definitive Regelung erwarten läßt. Ich glaube, hier ist denn doch eine kleine Unsicherheit. Soviel ich orientiert bin, ich weiß nicht, ob ich richtig informiert bin, ist die Überweisung der Entscheidung an den internationalen Schiedsgerichtshof nur in der Frage erfolgt, ob der seinerzeitige Beschluß der Botschafterkonferenz eine rechtliche und rechtskräftige Entscheidung geschaffen hat. Wenn also, was wir nicht hoffen wollen, der Schiedsgerichtshof zur Ansicht kommt, daß die Entscheidung der Botschafterkonferenz rechtlich noch keine entscheidende und rechskräftige war, dann, glaube ich, ist von einer Entpolitisierung und definitiven Regelung dieser Streitfrage keine Rede.
Einen großen Raum sowohl in unseren Betrachtungen der außenpolitischen Situation als auch in den Ausführungen des Herrn Ministers des Äußern hat die Reise des Herrn Präsidenten der Republik nach den Weststaaten, nach Paris, nach Brüssel und nach London eingenommen. Sehr verehrte Damen und Herren, das ist auch für uns das wichtigste Ereignis der èechischen Außenpolitik Wenn ich den Eindruck eines unbefangenen und uninformierten Beurteilers wiedergeben soll, den diese Reise gemacht hat, dann muß ich wohl sagen, daß wir kleine Divergenzen beobachtet haben in dem Empfange und in der Quittierung des Empfanges in den einzelnen Hauptstädten von Westeuropa. Wir haben eine begeisterte Intimität in Paris gesehen, wir haben eine etwas sordiniertere Herzlichkeit in Brüssel bemerkt, wo vermutlich doch das Gespenst des nichtabgeschlossenen Handelsvertrages... (Ministr dr. Beneš: Tomu není tak!) Ich habe ausdrücklich gesagt, daß ich nur vom Standpunkt eines unbefangenen und uninformierten Beurteilers spreche, (Posl. dr. Kramáø: Das zweite ist richtig, das erste ist anders!)... daß schließlich und endlich in England eine gewisse noch kühlere Beurteilung zu bemerken war. (Ministr dr. Beneš: To také docela není tak!) Ich bitte den Herrn Minister des Äußern sich nicht dadurch in seiner eigenen Auffassung bestimmen zu lassen, daß der Person des Herrn Präsidenten der Republik und seiner Person außerordentlich warme Komplimente gemacht worden sind, über deren Berechtigung ich nicht ein Wort verlieren will. Aber vielleicht war gerade die Herausarbeitung dieser persönlichen Komplimente der Vorhang, hinter dem sich eine gewisse Reserviertheit bezüglich der politischen Anschauungen verdeckt hat. Wenn das anders ist, ich würde es auch nicht ganz verstehen. Wir wollen aber nicht von unserem Eindruck aus ehen, sondern von dem, was die offizielle Presse und was die offiziellen Äußerungen selbst sagen.
Derr Herr Präsident hat gesagt, daß diese Reise im Dienste des Friedensge ankens unternommen wurde, und es fällt mir nicht ein, die Glaubwürdigkeit der Worte es Herrn Präsidenten zu bezweifeln. Uns aber müssen Sie, meine Damen und Herren, gestatten, Zweifel zu hegen, ob gerade in diesem Momente eine Reise zur Stärkung des Friedensgedankens möglich und notwendig war, nach Paris, nach dem Sitze jener Regierung, die wir als den Hauptruhestörer in Europa betrachten müssen. (Souhlas na levici.) Wir haben aus dem Munde des Herrn Präsidenten der Republik das Wort vernommen, daß er mit Herrn Millerand vollkommen übereinstimmt. Ich hoffe, daß dieses Wort nicht so ohne Einschränkungen gemeint war, wie es in den Zeitungen veröffentlicht wurde. Denn ich kann mir in Kenntnis der Persönlichkeit des Herrn Präsidenten nicht vorstellen, daß er tatsächlich mit jener Politik der Brut lität übereinstimmt, die Frankreich in den letzten Monaten und Wochen getrieben hat. (Sehr richtig!) Gehen wir aber von diesen etwas allgemeineren Fassungen über zu dem, was der Herr Präsident der Republik und der Herr Minister des Äußern im Einzelnen gesagt haben. Gestatten Sie mir kurz zu zitieren.
Am 16. Oktober sagte der Präs dent der Republik zum Präsidenten von Frankreich: "Sie können im Guten und Bösen auf uns rechnen." Am 28. Oktober sagte der Herr Präsident der Republik in seiner Botschaft: "Wir wollen darangehen, die Folgen dess Weltkrieges zu beseitigen, damit wir unseren Freunden in Gutem und Bösem nützliche Verbündete sind." Und der Herr Minister des Äußern sagte am 30. Oktober in einer authentischen Interpretation der Pariser Worte des Herrn Präsidenten: "Diese Worte heißen, daß wenn wir Freunde sind, wir treue Freunde sind und es bleiben." Dr. Beneš hat weiter gesagt, es wurde über eine intimere und systematischere Form dieser Zusammenarbeit mit Frankreich disputiert. In nächster Zeit werde es vielleicht möglich sein, ihr festere Formen zu geben als bisher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fangen wir mit dem Trinkspruch an. Wir sind aus der Vorkriegszeit nicht gerade dazu erzogen, Trinkspruchtreue zu überschätzen. Wir wissen auch ganz gut, daß der genius loci - wer immer in Paris war und die Franzosen kennt, weiß es - leicht dazu verleitet, sehr schöne Worte zu sagen. Wir wollen auch die Möglichkeit nicht ausschließen, daß hinter diesen großen Worten nicht ebenso große Verpflichtungen stehen. Wir wollen feststellen, daß, wenn ich mir diese Liste der Äußerungen überblicke, eine gewisse abgleitende Skala zu bemerken ist, je näher man zur Heimat und zum Parlamente kommt und daß vielleicht auf diesem Wege von Paris nach Prag mancher Tropfen Wasser in den gewiß sehr edlen Bordeaux geträufelt worden ist, den man im Elyseé zu trinken bekommen hat. (Veselost na levici.) Wir wollen ber nicht verschweigen, welchen tiefen Eindruck diese Worte: "Frankreich kann in Gutem und Bösem auf uns rechnen," in unseren Reihen hervorgerufen haben.
Sie haben das Echo dieser Worte in den Reden der deutschen Abgeordneten gehört, denen ich mich anschließe. Sie haben gesehen, daß vielleicht niemals noch so wie in diesen Tagen in uns das Gefühl der unverbrüchlichen Schicksalsgemeinschaft des sudetendeutschen Volkes mit dem großen deutschen Volke lebendig geworden ist, wo immer es ist und in welchem Staate immer es siedelt. (Souhlas na levici.) Wenn andere davon gesprochen haben, daß einmal auch für das deutsche Volk in der Welt gute und bessere Tage kommen werden, so bekennen auch wir uns zu dieser Überzeugung. Nur glauben wir nicht, daß es hinreichend ist, an diese guten und besseren Tage zu glauben und von ihnen zu reden. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß es notwendig ist, für diese guten und besseren Tage mühsam zu arbeiten. (Souhlas na levici.) Es gibt viele Wege und Arten dieser Arbeit. Und wir sind nicht anmaßend genug, einen dieser Wege als falsch oder verächtlich darzustellen. (Bravo! Bravo!) Wir bekennen uns zum Weg der mühevollen ernsten Arbeit, die es als Aufgabe betrachtet, die Zunkunft eines Volkes dadurch zu sichern, daß man seine Gegenwart rettet. (Souhlas a potlesk na levici.) In diesem Sinne wollen wir unbekümmert um alle Vorfürfe arbeiten. Diese Arbeit verlangt ein rastloses Mühen. Sie verlangt Opfer. Sie entbehrt des Schmuckes schöner Worte und ist vielleicht mitunter unpopulär und undankbar. Sie kann mitunter vielleicht unsere Schultern beugen durch die unerträgliche Last, die sie uns aufhalst, aber wir werden sie leisten, erhobenen Hauptes, in der Überzeugung von der ewigen Wahrheit eines Gedankens, den ich mit einer kleinen Variierung eines deutschen Dichterwortes ausdrücken möchte: Daß wer das Beste hat getan für seine Zeit, der hat gewirkt für alle Zeit. (Souhlas a potlesk na levici.) Das über das Echo, das die Worte des Herrn Präsidenten in unseren Reihen hervorgerufen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen aber schließlich und endlich uns doch dessen bewußt sein, daß auch die Worte des Herrn Ministers des Äußern, die schon etwas konkreter geklungen haben, daß diese Worte von Bündnis, Intimität und Freundschaft denn doch einen etwas zu vagen Charakter besitzen. Vielleicht sind sie einigen von uns etwas zu vage, - ich denke hier an den äußersten rechten Flügel der èechischen Koalition - weil der Kautschuk nicht genug ausgedehnt werden könnte. Für uns sind sie gefährlich deshalb, weil wir befürchten, daß der Kautschuk zu sehr ausgedehnt werden könnte. Daher frage ich den Herrn Minister des Äußern und erwarte von ihm klipp und klar Antwort: Wie verhält es sich mit den Gerüchten über die Militärkonvention mit Frankreich? Wie verhält es sich mit einem Bündnis mit Frankreich? Ein Bündnis, das ohne weiters bereits angekündigt ist und in festere Formen gegossen werden soll. Ist dieses Bündnis so gedacht, wie wir leider nach den Worten des Präsidenten eine Zeit lang annehmen mußten, daß es ein Bündnis auf Gedeih und Verderb ist, daß es ein Blankowechsel ist, welcher der französischen Politik ausgestellt worden ist, oder ist es anders? Bleibt der Herr Minister des Äußern noch bei seiner Auffassung, daß wir nicht französische und englische Politik zu treiben haben, sondern èechoslovakische? Ist der Herr Minister des Äußern der Ansicht, daß wir uns vor den französischen Karren nicht zu spannen haben, zu dem Zwecke, um die Reparationsfrage im französischen Sinne zu lösen, um die alte Rheinpolitik Frankreichs mitzumachen, um die Russenpolitik Frankreichs mitzumachen, um die Polenpolitik Frankreichs mitzumachen und endlich um die Hegemoniepolitik Frankreichs über den europäischen Kontinent zu unterstützen? Ist sich der Minister des Äußern bewußt, daß Bündnisse, welche in irgend einer Weise eine Verpflichtung zu einer Kriegserklärung in sich schließen, der Genehmigung des Parlamentes bedürfen, das allein berechtigt ist, über Krieg und Frieden zu entscheiden? Und darf ich endlich den Herrn Minister des Äußern als besonderen Fachmann für Regionalverträge fragen, ob auch ein eventuelles Bündnis mit Frankreich noch unter den Gesichtspunkt des Regionalvertrages fällt?
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu dem Problem, von dem Herr Dr. Beneš selbst gesagt hat, daß es das dominierende Problem der Weltpolitik ist, zum Problem Deutschland. Der Herr Minister des Äußern hat aus dem Problem Deutschland zwei Teile vollkommen richtig herausgehoben. Der eine Teil ist das Problem der inneren Gestaltung Deutschlands, der zweite Teil ist das Problem Deutschland insoferne, als es sich um die Lösung der Reparationsfrage handelt; gewiß besteht ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Problemen, aber trotzdem ist ihre Trennung möglich und notwendig. Ein drittes Problem Deutschlands aber hat der Herr Minister des Äußern zu erwähnen vergessen und es scheint mir das wichtigste Problem Deutschlands zu sein. Das ist das Problem der Stellungnahme der französischen Politik zu Deutschland, das ist die Frage, ob und inwieweit die europäische Politik kompromittiert werden, geschädigt werden soll durch die Neuaufnahme der alten traditionellen Rheinlandoffensive Frankreichs gegen Deutschland. In den nächsten Wochen oder Monaten wird das Werk eines sehr hervorragenden deutschen Gelehrten erscheinen, der an der Hand bisher unveröffentlichter archivarischer Dokumente nachweisen wird, wie die alte traditionelle Rheinlandpolitik Frankreichs niemals geruht hat, selbst zu Zeiten nicht, welche als ein Zustand verhältnismäßiger Latenz bezeichnet werden konnten. Selbst in den Zeiten, die den Jahren 1870/71 vorangingen, war für die französische Politik Napoleons III. beherrschend der Gedanke der Gewinnung des Rheinlandes, zunächstin einer verschleierten Form, und als man mit der verschleierten Form nicht mehr vor den Kabinetten Europas standhalten konnte, wurde die letzte Maske abgeworfen und offen die Annexion des Rheinlandes verlangt. Diese rote Linie der französischen Politik ist auch heute nicht ausgelöscht und wir vermissen in den Ausführungen des Herrn Ministers des Äußern den geringsten Hinweis auf dieses Lebensproblem Deutschlands und des Kontinents. Der Herr Minister des Äußern hat erklärt, daß er gegenüber den innerpolitischen Verhältnissen und allfälligen Umwälzungen in Deutschland sich vollkommen neutral verhalten werde. Wir billigen diese Neutralität vollkommen und wir möchten nur wünschen, daß diese Neutralität sich überhaupt gegen Deutschland betätige und nicht nur in Bezug auf die Frage einer eventuellen inneren Umwälzung. Wir möchten wünschen, daß die Bedingtheiten, unter denen diese Neutralitätserklärung abgegeben wurde, ehrlich gemeinte Bedingtheiten sind.
Meine Damen und Herren! Auch über das Problem Deutschland hat nicht nur der Herr Minister des Äußeren gesprochen, sondern auch der Herr Präsident der Republik. Nun gestatten Sie mir, meine Damen und He rren, festzustellen, daß auf unserer Seite in der letzten Zeit viele herbe und harte Worte über Deutschland gehört worden sind, aber vielleicht hat keines dieser Worte ein so bitteres Gefühl in uns ausgelöst, als jene Worte, die der Herr Präsident anläßlich seiner sonst so warmen Botschaft für das Deutsche Reich gefunden hat.
Meine Damen und Herren, ich will diese Worte des Herrn Präsidenten nicht politisch beurteilen; denn politisch betrachtet, stellen sie vielleicht unter den gegenwärtigen Umständen und nach der uns bekannten Einstellung der èechoslovakischen Außenpolitik jene Linie dar, welche in ihrem Resultat jene ist, die tatsächlich beobachtet werden muß. Aber menschlich gesprochen, meine Damen und Herren, das Schicksal des deutschen Volkes als das Objekt eines nüchternen Rechenexempels zu betrachten, einfach zu sagen: Ein erstarkendes Deutschland ist für uns ein Konkurrent und gefährlich, ein chaotisches Deutschland ist für uns gleichfalls gefährlich, kein anderes Wort zu haben für dieses Deutschland, das erstarken könnte oder chaotisch werden könnte, als daß ich sage: "Ich wähle unter zwei Übeln das kleinere und ich entscheide mich dafür, daß Chaos zu vermeiden", meine Damen und Herren, in dieser Botschaft kein Wort über das entsetzliche, morali sche und materielle Elend Deutschlands, kein Wort über das Recht der Millionen Deutschen, wenigstens in den zugestutzten Gebieten ihres Staates frei leben und frei sich entwickeln zu können - wir verstehen diese Stellungnahme nicht, wir verstehen sie nicht in dem Munde eines Humanitätsphilo sophen, wir verstehen sie nicht in dem Munde des Oberhaupts eines Staates, der Millionen deutscher Einwohner zählt, die mit den leidenden Deutschen des Reiches in innigster Gemeinschaft verbunden sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was das Reparationsproblem anlangt, hat Herr Dr. Beneš eine Reihe von Thesen aufgestellt, über deren sachlichen Wert ich mich an dieser Stelle nich äußeren möchte. Der Herr Minister des Äußeren hat niemals - das will ich offen zugeben und anerkennen - die französische Reparationspolitik offen gebilligt, aber er ist ebensoweit davon entfernt, diese Reparationspolitik offen zu mißbilligen. Zum ersten Mal finde ich in den Thesen des Herrn Ministers des Äußeren - vermutlich ungewollt - die schärfste Verurteilung der französischen Außenpolitik. (Hört! Hört!) Der Herr Minister des Äußeren sagt in Bezug auf das Reparationsproblem: Man muß Deutschland vorerst ein solches finanzielles und wirtschaftliches Leben ermöglichen, daß es zahlen kann. Ich glaube, daß der Herr Minister des Äußeren nicht der Ansicht ist, daß die Ermöglichung der Zahlungsfähigkeit eines Landes darin besteht, daß man seine materiell wertvollsten Teile unter eine fremde Oberhoheit stellt und es ihm unmöglich macht, zu einem gedeihlichen, das ganze souveräne Gebiet umfassenden wirtschaftlichen Leben und einer solchen Wirtschaftsordnung zu kommen. Ich habe zur Verurteilung er französischen Besetzungspolitik nichts anderes zu sagen als das, was der Herr Minister des Äußeren gesagt hat: "Man muß Deutschland vorerst ein solches wirtschaftliches und finanzielles Leben ermöglichen, daß es zahlen kann." An einer zweiten Stelle sagt aber der Herr Minister des Äußeren: "Ohne Mitwirkung Amerikas wird es kaum möglich sein, etwas derartiges zu erzielen." Meine Damen und Herren, wer verhindert die Mitwirkung Amerikas? Verhindert sie Deutschland? Lesen Sie die Nachrichten, die seit langem zu uns gekommen sind, seit dem Jänner 1923, wo die Gefahr des Zustandekommens einer Sachverständigungskonferenz eigentlich zur französischen Ruhrbesetzung geführt hat, lesen Sie die halbamtlichen Nachrichten, die heute aus Washington zu uns kommen und Sie werden feststellen, daß gerade die französische Politik es ist, welche die Mitwirkung Amerikas, die der Herr Minister des Äußeren für notwendig erachtet, unmöglich macht. Ich will mich weiter mit diesem Einzelproblem nicht beschäftigen, sondern mich nunmehr an die leitenden Grundgedanken der èechoslovakischen Außenpolitik halten und möchte zunächst von dem offiziellen Schema sprechen, das der Herr Minister des Äußeren anführt, indem er sagt: "Wir haben eine Politik des Friedens und der Rekonstruktion, der Demokratie und der Sicherung der Existenz des Staates gemacht, wir wollen sie auch weitermachen." Meine Damen und Herren, es gibt wenige, die nicht eine Politik des Friedens, der Rekonstruktion und der Demokratie für richtig halten würden. Ich glaube aber, meine Damen und Herren, daß die Politik des Friedens und der Demokratie und der Rekonstruktion, soweit die èechoslovakische Republik in der Lage ist, in dieser Hinsicht einen Einfluß auszuüben, am besten dadurch gemacht werden könnte, daß dieser Staat, der ja damit auch seine Existenz garantieren würde, sich vertragsmäßig neutralisieren ließe und dadurch allen jenen Schwierigkeiten und Konflikten aus dem Wege ginge, welche die Entwicklung der außenpolitischen Lage bieten könnte; wenn er sich neutralisiert hat, kann er auch das Problem der Miliz ein wenig anders beurteilen, als dies bisher der Herr Minister für nationale Verteidigung getan hat, der uns in einem Staate, wo ein Gesetz in seinem Präambulum sich direkt bereits für das Milizsystem ausspricht, gesagt hat, es müssen noch Generationen vergehen, Generationen, meine verehrten Damen und Herren, ehe das Milizsystem bei uns wirksam werden könnte.
In Ausführung der Politik der Demokratie, der Rekonstruktion, des Friedens und der Sicherung der Existenz des Staates hat sich nun der Herr Minister des Äußern, wenn ich einzelne Gesichtspunkte herausarbeiten darf, beiläufig auf folgende Punkte für die Vergangenheit und für die Zukunft festgelegt. Zunächst einmal - und auch das leuchtet aus den Worten hervor, die der Herr Präsident der Republik in Paris gesprochen hat - auf eine Verteidigung der Friedensverträge. Der Präsident der Republik meinte, die Friedensverträge sind gerecht, der Minister des Äußern meinte, die Friedensverträge sind nicht vollkommen, aber sie sind jedenfalls besser als der Vorkriegszustand, sie müßten daher verteidigt werden. Wir finden also wiederum, meine sehr verehrten Herren, eine neue Auflage der alten Formel vom mechanischen Festhalten an den Friedensverträgen. Darüber, ob die Friedensverträge gerecht sind oder nicht, werden wir uns wohl kaum einigen können. Es ist überflüssig, darüber ein Wort zu sagen, wir wollen uns auch nicht auf internationale Autoritäten berufen, die allmählich schon ziemlich zahlreich geworden sind, nicht berufen auf das, was Keynes gesagt hat, nicht auf das, was Lansing und Baker sagten, und was Baldwin und der Ministerpräsident der südafrikanischen Dominions gesagt hat, am allerwenigsten will ich Herren Lloyd George zitieren, jenen Lloyd George, den ein gerüttelt Teil der Schuld trifft, daß dieser Friedensvertrag zustande gekommen ist und der es nun bequem hat, als beschäftigungsloser Staatsmann zu sagen, daß das, war er selbst getan hat, nicht so glänzend ist.