Ètvrtek 26. dubna 1923
Pøíloha k tìsnopisecké zprávì
o 204. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 26. dubna 1923.
Øeè posl. Hillebranda (viz str. 253 tìsnopisecké zprávy):
Meine Damen und Herren! Als ein grauenvoller Rest mittelalterlicher Unkultur, als eine Barbarei, die das vorgesteckte Ziel nicht erreicht, als ein Hohn auf die Menschlichkeit ragt die Todesstrafe noch in unsere Tage hinein und unser Staat gehört zu jenen, die bisher die Entschlußkraft nicht besaßen, mit dieser Schmach zu brechen. Wir deutschen Sozialdemokraten empfinden es als ein Gebot der Selbstachtung, was in unseren Kräftenn steht, beizutragen, um die Schande auszulöschen, daß man unseren Staat, in dem wir leben, zuzählen darf jenen rückständigen modernen Auffassungen hohnsprechenden Staatsgebilden, die sich zur Beseitigung dieser Strafart bisher nicht entschließen konnten. Weil dem so ist, weil wir die Todesstrafe als ein Ding betrachten, von dem wir uns losreißen müssen, unverzüglich und ohne jedes Zögern, und weil das die gemeinsame Auffassung der Sozialisten aller Länder ist, hat der internationale Kongreß von Kopenhagen im Jahre 1910 für alle sozialistischen Parteien verpflichtend beschlossen, den Kampf gegen die Todesstrafe aufzunehmen; in Durchführung dieses Beschlusses haben wir bereits im Wiener Reichsrat im Jahre 1911 und im Jahre 1918 nochmals den Antrag auf Beseitigung der Todesstrafe eingebracht; und in konsequenter Fortführung dieses Kampfes haben wir hier in diesem Hause bereits zum drittenmale den gleichen oder doch ähnlichen Antrag eingebracht. Und nun sind in jüngster Zeit zwei Ereignisse eingetreten, die wie ein warnendes Signal auf uns gewirkt haben! In der ersten Jännerhälfte dieses Jahres vollzog sich in Tabor die Hinrichtung des Raubmörders Novák und kurze Zeit darauf, im selben Monat noch, wurde im Prager Strafgerichtsgebäude die Hinrichtung des Raubmörders Josef Kolinský vollzogen. Sieht man von den Jahren des Weltkrieges ab, so ist festzustellen, daß innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte nicht eine einzige Hinrichtung in Prag vollzogen wurde, während jetzt in der kurzen Zeitspanne von zwei Wochen dicht hintereinander Hinrichtungen sich wiederholten. Dazu kommt der weitere Umstand, daß der Oberste Gerichtshof in einer ganzen Reihe von Fällen Todesurteile bestätigt hat, so daß die dringende Gefahr besteht, daß es zu einer Wiederholung dieser menschenschänderischen Hinrichtungen kommen könnte. Das allein begründet die eminente Drininglichkeit des Antrages, den wir Ihnen vorgelegt haben. Unsere èechischen Genossen haben nach einer Mitteilung ihres Zentralorgans unseren Antrag als eine Demonstration gegen den Präsidenten Masaryk aufzufassen versucht. Ich muß gestehen, ich stehe einer solc en Auffassung völlig verständnislos gegenüber: Ja, begreifen unsere èechischen Genossen nicht, daß man für etwas, was man als kulturelle Pflicht erkannt hat, wirklich mit sachlichem Ernst und ehrlichem Wollen streitet? Sind Sie unfähig zu glauben, daß sittlicher Ernst uns zur Einbringung solcher Anträge treibt? Weil Sie vom Präsidenten Masaryk sprechen, erinnern wir daran, wie gelegentlich der Hinrichtung Kolinskýs nachträglich in èechischen Blättern eine Notiz die Runde machte, in der gesagt wurde, welch schwere, erschütternde Gewissenskonflikte Präsident Masaryk gelegentlich der Unterzeichnung der Todesurteile hätte überwinden müssen - gewiß, wir verstehen das: Während der Kaiser von Österreich in den letzten Jahrzehnten es sich abgewöhnt hatte, die Todesurteile zu bestätigen, muß es für den Humanisten und Philosophen, für den großen Streiter für Menschenrechte Masaryk wahrhaftig nicht leicht gewesen sein, sich zur Unterfertigung von Todesurteilen zu entschließen. Gewiß, und wenn es geschehen konnte, so sagt uns das, daß mächtige politische Einflüsse geltend gewesen sein müssen, die auf den Präsidenten Masaryk einzuwirken imstande waren.
Pøedseda (zvoní): Žádám p. øeèníka aby ustal ve své øeèi.
Pan posl. Hillebrand dotkl se zpùsobem nešetrným a netaktním osoby pana presidenta republiky. Nemíním pana poslance omezovati v právu kritiky èinnosti pánì presidentovy, upozoròuji jej však, že president republiky podle ústavní listiny není odpovìden za výkony svého úøadu, že za jeho projevy odpovídá vláda, za èiny pak vždy ten èlen vlády, který pøíslušný akt kontrasignoval. Ten má též možnost, pøípadnì povinnost, odpovìdìti na výtky pronesené. Jinak jest tomu u hlavy státu, jejíž možnost obrany je jak ústavnì, tak politicky znaènì omezena. Z toho dùvodu mám za velmi nevkusné a netaktní, je-li v parlamentní rozpravì napadána pøímo osoba pánì presidentova.
Odmítám tyto výroky p. øeèníka a volám jej za nì k poøádku. (Výbornì! Potlesk.)
Posl. Hillebrand (pokraèuje): Ich verstehe leider den Herrn Präsidenten des Hauses nicht, glaube aber entnehmen zu können, daß eine Kritik, die ich an dem Präsidenten geübt hätte, den Gegenstand der Ermahnung bildet. Meine Zuhörer wissen, daß ich versucht habe, den Präsidenten in Schutz zu nehmen, daß ich erklärt habe, politische Einflüsse müßten maßgebend gewesen sein, dieses Ergebnis zu erzielen.
Pøedseda (zvoní): Žádám pana øeèníka, aby nepolemisoval s pøedsedou.
Posl. Hillebrand (pokraèuje): Ich wollte dies anführen, um dem Hause klarzumachen, daß diese politischen Einflüsse die dringliche Behandlung des von uns eingebrachten Antrages erforderlich machten. Der Herr Präsident dürfe diesen Schritt - das ist meine uffassung nur dankbar empfinden. Es kann sich die Abgeordnetenkammer zur dringlichen Behandlung um so früher entschließen, weil auch die höchste Justizbehörde des Reiches, das Justizministerium, den Widersinn dieser Strafart erkannt und offen zugegeben hat. In dem Entwurfe zum Strafgesetzbuch, der im Mai 1921 zur Ve öffentlichung gelangte, heißt es im Motivenbericht ausdrücklich: "Was die Todesstrafe betrifft, so steht der Entwurf grundsätzlich auf einem ablehnenden Standpunkt; denn abgesehen von anderen oft wiederholten Gründen hält er dafür, daß eine zweckentsprechend durchgeführte langfristige Freiheitsstrafe die gleichen Ziele erreicht, ohne daß sie mit Gefühlsmomenten verbunden ist, welche die Todesstrafe stets zu einer unerwünschten Maßnahme machen." Was heißt das? Daß das Justizministerium und die hinzugezogenen Fachleute sich einig in der Erkenntnis waren, daß die Todesstrafe unsinnig, daß sie zweckwidrig, daß sie unerwünscht ist. Trotz dieser Verkündigung, trotz dieser Erkenntnis, wendet man sie aber immer noch an, eine Versündigung am besseren Wissen, eine Versündigung an der klareren, besseren Erkenntnis. Es ist ein Spiel mit Menschenleben, wenn man erkennt: die Todesstrafe erfüllt ihren Zweck nicht, sie ist unerwünscht, und wenn man sie trotzdem noch weiter vollzieht, ein Zustand, der auf jeden Menschen mit einem normalen Rechtsbewußtsein als geradezu unerträglich, als im höchsten Maße qualvoll wirken muß. Darum verlangen wir die dringliche Behandlung dieses unseres Antrages, damit diese Schmach, dieser unnatürliche und unerträgliche Zustand so rasch als möglich ausgelöscht wird. Es ist unmöglich, mit dieser Sache zu warten, bis die allgemeine Reform unseres Strafrechtes eintritt. Denn die Todesstrafe ist nicht vergleichbar mit irgend einer anderen Strafe. Sie ist nicht eigentlich Strafe im wirklichen Sinne des Wortes. Denn das wäre sie nur dann, wenn sie den eigentlichen Strafzweck, bessernd auf den Gestraften zu wirken, erfüllen könnte. Schneide ich aber jemandem das Leben ab, so schließe ich natürlich ganz von selbst die Möglichkeit jeder Besserung aus. Die Strafe hört dadurch auf, wirkliche Strafe zu sein, sie wird zur blutigen, kaltgeübten Rache.
Dazu kommt ja noch, daß es keine Abstufung je nach dem Grade der Schuld gibt, eine Voraussetzung, die jeder Strafe eignen müßte. Und bedenken Sie den ungeheueren, gar nicht abzumessenden Unterschied zwischen der höchsten und schwersten Kerkerstrafe und der Todesstrafe. Es fehlt jeder Übergang, der hier verbinden würde. Man sagt: seit Jahrtausenden ist die Todesstrafe vollzogen worden und bei den verschiedensten Völkern. Soll das Ihre Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit begründen? Man könnte daraus mit gleichem Rechte dann auch die Rechtfertigung für die Handhabung der Folter ableiten, die Jahrhunderte hindurch gehandhabt wurde. Man könnte daraus ableiten, daß die Hexenprozesse gerechtfertigt gewesen wären, weil sie durch Jahrhunderte bei den verschiedensten Völkern geübt wurden. Später hat man diese Strafmethode in der Strafrechtspflege als barbarisch, unmenschlich, unsinnig, töricht, teuflisch empfunden. Und seien Sie dessen versichert, es kommt die Zeit, wo die Menschheit verständnislos der Tatsache gegenüber stehen wird, daß man in unserem Zeitalter noch ein so barbarisches mittelalterliches Strafmittel anzuwenden fähig war.
Darum hinweg mit der Todesstrafe, so rasch wie möglich, darum die Ausmerzung dieser unnatürlichen Institution aus unserer Strafrechtspflege, darum die dringliche Behandlung unseres Antrages!
Man sagt, man müsse die Gesellschaft vor dem Verbrecher schützen. Jawohl, das kann geschehen und soll geschehen in Gefängnissen, und für erblich Belastete, für Alkoholiker, für die Opfer unserer sozialen Ordnung in Krankenh äusern, in Trinkerasylen, in Armenhäusern, in Stätten, wo sie von der übrigen Menschheit ferngehalten und außerstande gesetzt werden, Schaden zu stiften. Man sagt, die Beseitigung der Todesstrafe würde zur Nachahmung des bösen Beispieles anregen, würde sozusagen vergiftend, ansteckend wirken. Haben Sie je gehört, daß ein Arzt das Recht besäße, im Interesse der Mitmenschen den Pestkranken, den Cholerakranken, den Ruhrkranken zu töten, damit der andere nicht in Gefahr kommt, angesteckt, zu werden und Schaden zu leiden? Man sagt, man handle aus Notwehr. Was ist Notwehr? Wenn einer von einem oder vielen Übermächtigen angegriffen wird und sich zur Wehre setzt. Hier ist es aber anders. Der ganze ungeheuere Apparat der Staatsgewalt wendet sich gegen einen, der ihr und ihren Funktionären wehrlos und hilflos wie ein Kind gegenübersteht. Wenn die Gefangenen im Kriege, weil sie wehrlos sind, getötet werden, empfindet es jeder Mensch und jeder Staat als Barbarei. Und hier soll es sittliche Pflicht sein, obwohl der Gefangene ganz ebenso wehrlos der Gesellschaft gegenübersteht? Es kann nicht sittliche Pflicht sein, zu töten, und es erregt nicht weniger Schauder und nicht weniger Abscheu, wenn diese Tötung aufgrund gesetzlicher. Bestimmungen geübt wird.
Denken Sie sich einmal in die Sache hinein: Da ist der vielleicht erblich Belastete, als ein Opfer der gesellschaftlichen Zustände zum Verbrechen getriebene Mensch, der vielleicht im Affekt wildester Leidenschaft handelt und im Augenblick der Tat kaum weiß, was er begeht. Er wird vor den Richter gezerrt und kalt und kühl erwägend, seine größere Verstandesbildung und seinen Intellekt benützend, schlachtet der Richter nun sein Opfer ab, eine scheußliche Entartung der Rechtssprechung, die in jedem Menschen alles bessere Empfinden aufwühlen muß. Der Gemordete war ahnungslos und hoffte bis zum letzten Atemzug, daß der Retter noch kommen werde. Der Mörder aber, der Verbrecher, weiß seit Monaten, daß sein Leben zu Ende geht. Er kann die Stunden zählen und auf dem Wege zum Galgen mag er wohl die Minuten zählen und abschätzen; er weiß: unwiderruflich wird mein Leben zermalmt, es gibt kein Entrinnen, keine Hilfe, keine Rettung. Das ist kein sittliches Handeln, das ist kalt genossene abstoßende Rache! Wie entsetzlich und gräßlich das auch auf einfache Naturen wirkt, zeigen die Tatsachen, die gelegentlich der Hinrichtung Kolínskýs bekannt geworden sind, daß selbst der Henker eine tiefe Erschütterung nicht verbergen konnte und ein Polizeimann in Ohnmacht fiel. Befreien Sie uns von der Vergewaltigung des sittlichen Empfindens, die die Todesstrafe darstellt, sorgen Sie für dringliche Behandlung unseres Antrages! Man sagt, man müsse die Rasse verbessern - darum Austilgung der Verbrecher. Sie werden sich aber nie entschließen und sind darum inkonsequent, auch die Kinder solcher Verbrecher, die erblich belastet sind, zu töten. Wir wissen, daß Menschen, die nach heutigen Begriffen todeswürdige Verbrechen begehen, noch keineswegs immer die schlechtesten Menschen sind, daß sie sehr oft zarter und guter Regungen fähig sind, und wissen vor allem, daß zu lebenslänglichem Kerker verurteilte und begnadigte Verbrecher, wenn sie wieder die Freiheit erlangen, in den allerseltensten Fällen rückfällig geworden sind, ein Beweis, daß die Todesstrafe überflüßig ist. Und gerade die, die die Gefährlichsten für die Gesellschaft sind, die krankhaft vertierten Verbrecher, erreicht ja der Galgen in den meisten Fällen nicht, denn sie wandern entweder in die Gefängnisse oder, sie kommen ins Irrenhaus oder ins Krankenhaus. Und schließlich und endlich sind nicht auch diese Verbrecher in den weitaus meisten Fällen Opfer der sozialen Zustände, sind nicht im alten Österreich von allen abgestraften Schwerverbrechern 89 % völlig Arme gewesen? Ich frage, wer hätte den Mut zu sagen, der Besitzende besäße das Recht, den armen Teufel abzuurteilen, der Besitzende, der niemals in die Lage kam, zu stehlen, der nie in Versuchung geriet zu rauben, der von allen solchen Versuchungen sein Leben lang verschont blieb! Wissen wir nicht, daß jede Wirtschaftskrise, jede Zeit der Teuerung die Zahl der Verbrechen ungeheuer steigert, daß der Kapitalismus Not und Elend hervorruft, daß er die Unbildung im Volk erhält, daß er den Alkoholismus großzüchtet, daß er sich stützt auf die Unfreiheit der Massen?
Diese kapitalistische Wirtschaftsordnung ist der Nährboden, aus dem diese Verbrechen sprießen, und will man deshalb gegen sie ankämpfen, so muß man sich egen den Kapitalismus wenden. Kampf gegen die Ursachen der Verbrechen - da wäre etwas zu vollbringen! Aber das Zahlen hoher Löhne, die Erbauung von Schulen, sorgfältige Armenpflege, der Bau von Krankenhäusern und Trinkerasylen, das erfordert Geld, und wahrhaftig, da ist der Strick, den man zum Henken braucht, doch noch um vieles billiger! Dazu entschließt man sich ganz leicht. Die besitzende Klasse hat kein Recht, Urteile zu sprechen über den, der allen Verhängnissen und allen Versuchungen eines Lebens der Bitterkeit, der Not und Entbehrung ausgesetzt ist. Darum ist jede derartige Urteilsfällung, die dem Menschen das Leben abspricht, der Gipfel der Klassenjustiz.
Wir erlangen un fordern von Ihnen, daß Sie uns diese Schande auslöschen helf en, daß Sie unseren Antrag dringlich behandeln. Man beruft sich auf die Vermehrung der Zahl der Verbrechen in den letzten Jahren. Das könnte anders sein. Sind nicht die Menschen, die zu Verbrechern werden, heute nahezu ausnahmslos Opfer der Kriegsseuche, der moralischen Verwüstung, die der Krieg angerichtet hat? Die eigentlichen Schuldigen sind nicht die Verbrecher, sondern diejenigen, die den Krieg angezettelt und fortgeführt haben, die für den Militarismus schwärmen und dafür sorgen, daß dieses Instrument der Verrohung nie schwindet. Wollte man aber alle diese Erwägungen in den Hintergrund stellen und nur auf eine sich stützen, sie genügt ganz allein, um die Unaufschiebbarkeit der von uns gewünschten Reform mit einem Schlage darzutun: ich meine die Möglichkeit, daß ein Todesurteil auf Grund irrtümlicher Voraussetzungen gefällt wird, daß ein Mensch zum Galgen muß, dessen Schuld in Wahrheit nicht bewiesen ist. Schon die Tatsache, daß es bei allen Gerichtsinstanzen ein Rekursrecht gibt, die Tatsache, daß unendlich viel Gerichtsurteile sich als Fehlurteile erweisen, beweist, wie unzulänglich die Urteilskraft des Richters sein kann. Irrtum ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn es um Tod und Leben geht. Die verhängte Todesstrafe aber, wenn sie erst vollzogen ist, ist unreparabel und stellt es sich noch so sonnenklar heraus, daß ein Justizmord vorliegt, niemand gibt dem Getöteten das Leben zurück. Die Kriminalgeschichte kennt eine ganze Reihe von solchen Fällen der Verurteilung eines Unschuldigen zum Tode. Erinnern Sie sich, um nur ein Beispiel herauszugreifen, an die Verurteilung eines sogenannten Hochverräters in Spalato in Dalmatien. Der Mann lag bereits in der Erde und nachher stellte sich heraus, daß die Hinrichtung auf Grund falscher Voraussetzungen vollzogen worden war. Zur Sühne hat man dann auf seinem Grabe das Kaiserlied, die Volkshymne, gespielt! Denken Sie daran, wie insbesondere während des Krieges durch Massenhinrichtungen ebenso viele Fehlurteile vollzogen worden sind. Es war eine Menschenschlächterei im Großen, die Groll, Haß und Empörung gegen die ganze Gesellschaft bei jedem rechtlich fühlenden und nicht völlig abgestumpften Menschen hervorrufen mußte. Das sind Dinge, die nach Beseitigung des jetzigen Zustandes schreien. Die Aussagen von Zeugen - ich kann darüber leider nicht ausführlicher sprechen - selbst die Geständnisse von Angeklagten, Indizienbeweise, Urteile der Sachverständigen, all das zusammen schließt einen Irrtum nicht aus, schützt nicht vor der Möglichkeit, daß Justizmorde begangen werden können, und doch geht es um die Entscheidung über Leben und Tod: Ein entsetzlicher Gedanke, daß es immer noch möglich ist, daß Menschen hingerichtet werden können, deren Unschuld sich nachher erweist! Darum verträgt die Sache keinen Aufschub. Befreien Sie uns von der grauenvollen Möglichkeit, daß solches geschehen kann und sorgen Sie für die dringliche Behandlung unseres Antrages! Die Verteidiger der Todesstrafe stützen sich immer darauf, daß sie abschreckend wirken soll. Wäre das wahr, dann müßte die Strafe um so wirksamer sein, um so mehr Verbrechen verhindern, je grausamer sie wäre. Ist das so? Die ganze Geschichte lehrt uns das Gegenteil. Je grausamer die Körperstrafen waren, um so häufiger, vielfältiger die Verbrechen. Sind Sie von der abschreckenden Wirkung überzeugt, dann zögern Sie nicht, kehren sie zurück zur hochnotpeinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. mit ihren körperlichen Verstümmlungen, kehren Sie zurück zu den öffentlichen Hinrichtungen der Menschen. Wenn Sie glauben, daß diese abschreckende Wirkung besteht, dann müssen Sie konsequent bleiben und wirklich den Schrecken über die ganze Umgebung verbreiten. Wir wissen, daß, als der Diebstahl noch mit der Todesstrafe bedroht war, viel mehr gestohlen wurde als nach der Beseitigung dieser Bestimmung. Das Tabakrauchen war in vielen Ländern mit dem Tode bedroht und doch hat es sich die ganze Welt trotz der Todesstrafe erobert. Es ist doch auch so, daß derjenige, der eine Tat begeht, damit rechnet, daß er nicht erwischt werden wird, er rechnet damit, daß, wenn er gefangen werden würde, die Justizverwaltung nicht die Möglichkeit haben wird, ihm die Tat zu beweisen, und er hofft letzten Endes auf die Begnadigung. Wie soll die Strafe unter solchen Umständen abschreckend wirken? Wie wenig das zutrifft, dafür haben wir in Prag ein klassisches Beispiel erlebt. Am Tage vor der Hinrichtung Josef Kolínskýs ist in Smichow ein neuer Raubmordversuch gemacht worden. Treten Sie auf, kommen Sie und sagen Sie uns ins Gesicht, daß Sie noch glauben, daß die Todesstrafe wirklich Verbrechen verhindert, daß sie abschrekkend wirkt! Das Gegenteil ist wahr. Die Verrohung des Menschen, die Förderung des Hanges zur Grausamkeit ist die wahre Wirkung der Todesstrafe. Die Erfahrung, die in den verschiedensten Staaten gemacht worden ist, bestätigt das. In einer großen Reihe von Staaten besteht die Todesstrafe längst nicht mehr, so in Rumänien, in St. Marino, in Portugal, Holland, in 15 Kantonen der Schweiz, in Italien, in Norwegen, in einer Reihe amerikanischer Staaten, in Österreich seit dem Jahre 1919 und doch ist dort, wo die Todesstrafe beseitigt wurde, keine Steigerung der Verbrechen und dort, wo sie wieder eingeführt wurde, keine Minderung der Zahl derselben eingetreten.
Es ist so, daß auf die Häufigkeit der Verbrechensbegehung die Todesstrafe in Wahrheit keinen Einfluß übt, und darum ist sie überflüssig, darum ist sie sinnlos, darum ist es ein Gebot der Menschlichkeit und der klaren Vernunft, sie auszutilgen, sie zu beseitigen. Es ist mir die Möglichkeit nicht gegeben, speziell noch über das Kapitel der Anwendung der Todesstrafe Soldaten gegenüber einige Worte zu sagen. Es gilt hier im wesentlichen dasselbe, was schon ausgesprochen worden ist. Die Zeit ist mir allzuknapp bemessen, um auch nur halbsweg das Thema zu behandeln. Ich wünschte, daß ich die Zeit und die Möglichkeit besäße und daß mir die Kraft der Rede gegeben wäre, Sie zu überzeugen von der Abscheulichkeit der Institution der Todesstrafe. Die gesetzliche Tötung des Menschen ist keine Strafe, denn sie schließt die Besserung des Menschen aus. Sie ist, wie ich schon sagte, blutige Vergeltung, staatlich sanktionierte Blutrache. Sie schaltet den Irrtum in der Rechtspflege nicht aus, sie führt in manchen Fällen zum Justizmord, sie tötet den Glauben an Recht und Menschlichkeit, sie schreckt nicht ab, sie wirkt auf die Menschen ausschließlich und allein verrohend. Sie schützt die Gesellschaft nicht und darum ist sie überflüssig, darum ist sie blutige Barbarei und Schändung unserer Kultur. Zeigen Sie, meine Damen und Herren, daß wir nicht vergeblich appellieren an Ihr modernes Denken und an Ihre klug erwägende und abschätzende Vernunft, an das Gefühl Ihrer Menschlichkeit und stimmen Sie der Dringlichkeit unseres Antrages zu. (Souhlas a potlesk na levici.)