Hohes Haus! Während der Verhandlung des Gesetzentwurfes über den Nachtragskredit für die Arbeitslosenunterstützung ist von mehreren Rednern darauf verwiesen worden, daß in der Frage der staatlichen Arbeitslosenunterstützung eine Reihe von Änderungen notwendig sind, da das bisher bestehende Gesetz eine solche Fülle von Mängeln aufweist, daß eine gründliche Umgestaltung des Gesetzes ein nicht zu bestreitendes Bedürfnis geworden ist! Es wurde uns bei der Verhandlung über die Nachtragskreditvorlage im sozialpolitischen Ausschuß auch zugesagt, daß das Arbeitslosenfürsorgegesetz Änderungen unterworfen werden wird.
Die Arbeitslosen haben darauf gerechnet, daß bei einer Reform des Arbeitslosenunterstützungs-Gesetzes alle Erfahrungen berücksichtigt werden, die man im Laufe der letzten Jahre gemacht hat. Leider sind wir ebenso enttäuscht worden, wie in vielen anderen Fragen. Das, was die Regierung uns jetzt an Verbesserungen an dem Gesetze über die Arbeitslosenfürsorge vorschlägt, befriedigt keineswegs; ist so wenig, daß wir aufs tiefste bedauern, daß sich die Regierung nicht zu weiteren Maßnahmen entschlossen hat. Vor allem wäre es notwendig gewesen, einmal im Gesetze klar auszusprechen, daß auf staatliche Unterstützung im Falle der Arbeitslosigkeit alle Anspruch haben, die vor ihrer Beschäftigungslosigkeit der Krankenversicherung unt erlagen. Die Vorlage der Regierung weicht einer solchen klaren Bestimmung aus. Sie läßt den alten Zustand bestehen, so daß wir auch in Hinkunft nach diesem neuen Gesetz Gruppen und Gebiete haben werden, die von der staatlichen Arbeitslosen-Fürsorge ausgeschlossen sind. Nun wissen wir zwar - es geht das aus dem Texte des Gesetzes hervor - daß das Ministerium für soziale Fürsorge eingreifen, und weitere Gruppen in den Kreis der zu Unterstützenden aufnehmen kann. Wir sind Gegner derartiger Ermächtigungen an ein Ministerium, sondern glauben vielmehr, daß im Gesetz ausdrücklich, und ohne daß darüber irgendwelche Zweifel bestehen könnten, als auf den Bezug der Arbeitslosenunterstützung berechtigt alle jene angeführt werden sollten, die wirklich arbeitslos sind. Das fehlt in der Vorlage.
Es ist allgemein bekannt, daß in der Handhabung des Gesetzes ebenfalls eine ganze Menge von Klagen immer und immer wieder vorgebracht werden. Die Entscheidungen über den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung lassen oft lange auf sich warten, die Einsprüche gegen Entscheidungen, die dem Gesetze widersprechen, bleiben oft völlig unbeachtet und wir halten es unbedingt für notwendig, daß zumindest über die Einsprüche, gegen Entscheidungen der Verwaltungsbehörden als entgültig entscheidend nicht nur wieder Verwaltungsbehörden zu urteilen haben sollen, sondern Berufungskommissionen, die aus den Beteiligten und aus Vertretern der Regierung zusammengesetzt sind. Wir haben bei unserem Gesetzesvorschlag, den wir schon vor vielen Wochen eingebracht haben, auf diesen überall vermerkten Übelstand aufmerksam gemacht und haben beantragt, daß in das Gesetz eine derartige Bestimmung aufgenommen werde. Warum wir das tun, ist bald gesagt. Die politischen Verwaltungsbehörden, denen die Handhabung des Gesetzes nun obliegt, halten sich in der Regel an die Weisungen, die aus dem Ministerium für soziale Fürsorge kommen, und aus diese Weisungen geht geradezu hervor, daß man an den höheren Stellen wünscht, es mögen die Ausgaben für die Arbeitslosenunterstützung tunlichst gedrosselt werden. Die politischen Verwaltungsbehörden nehmen das sehr ernst, schränken die Ausgaben ein, soviel sie nur können, suchen alle möglichen Argumente und Gründe, um Ansprüche von Arbeitslosen auf die Arbeitslosenunterstützung zurückzuweisen. Wenn wir uns entschließen wollten, hier im einzelnen aufzuzählen, was im Laufe von wenigen oft in einem Bezirk an unrechten Entscheidung vorkommt und wie immer gegen solche Entscheidungen vergeblich aufgetreten wurde, dann würden wir dazu bedeutend mehr Zeit brauchen, als uns Redezeit eingeräumt ist. Natürlich ist dieser bedauerliche Zustand nicht überall gleich. Es gibt Verwaltungsbehörden, die auf die wirkliche Notlage der Arbeitslosen Rücksicht nehmen, die das Gesetz so handhaben, wie es sich der Gesetzggeber dochgedacht hat, und es gibt andererseits wieder Verwaltungsbehörden, besonders in den Grenzgebieten (Posl. Merta: Das ist die Majorität!) ja, es ist die Mehrheit, die das Gesetz zu ungunsten der Arbeitslosen auslegt, so wie sich nach ihrer Meinung dazu eine Handhabe bietet. In vielen industriellen Gebieten ist die Sache so, daß man in jedem einzelnen Falle förmlich einen Kampf führen muß, damit dem Arbeitslosen von der politischen Verwaltungsbehörde die Arbeitslosenunterstützung zuerkannt werde.
Es mag ja sein, daß in der Regierung vom Finanzminister immer darauf hingearbeitet wird, die Ausgaben für die staatliche Arbeitslosenfürsorge zu drosseln, sie möglichst herabzusetzen. Andererseits aber ist doch die Regierung mitschuldig daran, daß die Zahl der Arbeitslosen in den letzten Monaten ununterbrochen gestiegen ist. Und wenn sie die Ausgaben für die Arbeitslosenunterstützung verringern will, dann gibt es dazu eine Reihe von anderen Mitteln. Zunächst sorge man in entsprechender Weise für die produktive Arbeitslosenfürsorge, verwende die Mittel des Staates dazu, um Notstandsbauten auszuführen und nehme alle jene notwendigen Bauten und Arbeiten vor, die schon vor langer Zeit geplant gewesen sind. Aber auch da merken wir wieder, daß sehr ungleich vorgegangen wird, daß oft notwendige Notstandsbauten unterbleiben unter Berufung darauf, daß der Staat die Mittel dazu nicht bereitstellen könne.
Wenn wir großen Wert darauf legen, daß das Gesetz über die staatliche Arbeitslosenfürsorge endlich in entsprechender Weise ausgestaltet werde, so tun wir das aus dem Grunde und in der Überzeugung, daß wir noch recht lange mit dieser Art der Arbeitslosenunterstützung unser Auslangen werden finden müssen. Im Vorjahre stand einmal ein Antrag der deeutschen sozialdemokratischen Abgeordneten mit zur Verhandlung, der eine wesentliche Verbesserung des Gesetzes über die staatliche Arbeitslosenfürsorge beabsichtigt. Damals berief man sich darauf, daß ohnehin eine neue Art der statlichen Arbeitslosenunterstützung beschlossen worden sei, der staatliche Zuschuß zur gewerkschaftlichen Unterstützung nach dem Genter System. Ein zweiter Einwand, der damals gegen eine ausgiebige Reform des Arbeitslosenfürsorgegesetzes gemacht wurde, war der, daß die Arbeitslosiggkeit abnimmt, und in der Tat ist sie auch im vorigen Jahre von Monat zu Monat zurückgegangen und die Herren von den Mehrheitsparteien meinten und auch die Regierung war der Absicht, wir werden in der Èechoslovakei überhaupt bald aus einer nennenswerten Arbeitslosigkeit heraus sein, sodaß es nicht mehr notwendig sei, an dem alten Gesetz weitgehende Änderungen vorzunehmen. Es ist anders gekommen. Das Gesetz über den staatlichen Zuschuß zur gewerkschaftlichen Arbeitslosenunterstützung ist bis heute nicht in Wirksamkeit gesetzt, und glaubt wohl niemand, der ernstlich darüber nachdenkt, was für Verpflichtungen dieses Gesetz den Gewerkschaften auferlegt, daß es möglich ist, diese Art der Arbeitslosenfürsorge in der Èechoslovakei durchzuführen, daß wir in absehbarer Zeit dazu kommen könnten, daß das Gesetz in Wirksamkeit tritt. Wir deutschen Sozialdemokraten sind der Meinung, daß überhaupt eine ordentliche Arbeitslosenunterstützung aus staatlichen Mitteln nicht auf dem Wege des Genter Systems möglich ist, sondern nur auf der Grundlage der Zwangsversicherung. Wie man hört, soll heute auch ein Resolutionsantrag vorbereitet werden, durch den die Regierung ermächtigt wird, das Genter System in einigen Berufen durchzuführen. Man behauptet, es seien schon derartige Ansuchen gestellt worden. Wir können uns mit einem solchem Gedanken nicht befreunden. Wenn das Gesetz über den staatlichen Zuschuß zur gewerkschaftlichen Arbeitslosenunterstützung aufrecht erhalten wird, trotzdem starke Bedenken dagegen vorhanden sind, dann muß dieses Gesetz für alle gleichzeitig in Wirksamkeit gesetzt werden und man darf nicht einzelne Gruppen herausheben, weil es wahrscheindlich auf sehr lange Zeit hinaus bei diesen einzelnen Gruppen bleiben wurde. Wir wollen es nicht dem Ermessen des Ministeriums für soziale Fürsorge anheimstellen, einzelne Gruppen herauszugreifen und für sie das Genter System durchzuführen. Wenn das Gesetz nach Ansicht der Regierung gut ist und wenn nur auf diesem Wege die Frage der Arbeitslosenversicherung in der Èechoslovakei gelöst werden kann, dann soll dieses Gesetz für alle gleichmäßig zur Anwendung kommen. Aber wie gesagt, wir sind uns ohne Unterschied darüber klar, daß es noch lange nicht möglich sein wird, das Genter System einzuführen, weil das Gesetz für normale Verhältnisse geschaffen wurde, für wirtschaftliche Zustände, wie sie in der Vorkriegszeit waren. Wir sind noch weit entfernt davon, solche Zustände zu bekommen. Es hat allerdings im Budgetausschuß des Senates in Minister erklärt, wir seien am Ende der Krise.
Ein zweiter hat ausgeführt, daß die Krise im Abflauen ist, er will das aus der Tatsache entnehmen, daß die Zahl der Arbeitslosen in einem Monat um 4000 gesunken ist. Ein paar Tage später haben sich die Industriellen mit der Frage der Krise beschäftigt und ein anderer Volkswirtschaftlicher, Dr. Hodáè, der Sekretär des Unternehmerverbandes, der doch auch von den wirtschaftlichen Zuständen der Èechoslovakei einiges wissen muß, vielleicht soviel davon weiß als der Handelsminister und der Finanzminister Dr. Rašín, der erklärte dem entgegengesetzt: Wir nähern uns erst dem Höhepunkte der Krise, wir kommen erst noch dazu, die Krise in viel verschlimmertem Umfange ertragen zu müssen, und er sagte weiter in seiner Rede, daß noch recht trübe Zeiten für die Industrie kommen können. Wir sind also noch nicht auf dem Höhepunkt der Krise und Hodáè führte in seiner Rede Ziffern an, die beweisen, daß es durchaus nicht so ist, wie im Budgetausschuß des Senates erklärt wurde. Er hat z. B. darauf hingewiesen, daß in der Glasindustrie ein großer Prozentsatz der Betriebe vollständig darniederliegt; daß von 30.000 Arbeitern heute 20.000 arbeitslos sind. Er hat darauf hingewiesen, daß in der Porzellanindustrie 20 % der darin Beschäftigten überhaupt nicht arbeiten, daß 36% verkürzt arbeiten und es im ganzen nur 44% sind, die vollauf beschäftigt sind. Für die Textilindustrie liegen vollständige Ziffern nicht vor, aber gehen Sie nur einmal in die Industriegebiete im Warnsdorfer, Rumburger, Schluckenauer Bezirk, nach Graslitz, nach Ostböhmen oder Nordböhmen, da sehen Sie in den Industriedörfern zwar graße Fabriken, große Betriebe, aber die Schornsteine rauchen nicht, die Fabriken liegen still, sie sind seit Wochen abgesperrt, und Sie finden Zehntausende von Arbeitern, die froh sein müssen, 3 Tage oder 4 Tage in der Woche beschäftigt zu werden. Da von einem Abflauen der Krise zu reden, davon zu sprechen, daß wir nun keine Ursache mehr haben zu klagen, und im Zusammenhang mit diesen Zuständen uns damit kommen zu wollen, daß die Sorge für die Arbeitslosen durchaus nicht mehr eine so brennende Sache sei, das glaube ich, muß man mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Was die einzelnen Berufe unter der Arbeitslosigkeit zu leiden haben, welche ungeheuren Opfer jene aufbringen müssen, die noch arbeiten, das geht aus den Ziffern der Gewerkschaften über die Arbeitslosenunterstützung hervor. Ich habe nur eine hier zur Hand, die der Glasarbeiter, die am schwersten betroffen ist. Diese hat in den letzten 3 Monaten für die Arbeitslosenunterstützung ausgezahlt insgesamt 827.058 K. Gehen Sie einen Verband nach dem anderen durch, schauen Sie sich die Ziffern über die Arbeitslosenunterstützung an. Alle Gewerkschaften müssen Hunderttausende opfern, verbluten sich an der Arbeitslosigkeit und sind so mitgeschädigt und in Mitleidenschaft gezogen von den falschen Wegen, die in der Wirtschaftspolitik in der Èechoslovakei gegangen werden. Noch eine Tatsache beweist uns, wie es mit der Krise in der Èechoslovakei ausschaut. Es ist heute keine Überraschung mehr und jeder, der an den Gr enzstationen verkehrt, weiß, daß Tag für Tag Hunderte und Hunderte die Èechoslovakische Republik verlassen und anderwärts Arbeit suchen. Die Zahl der Auswanderer ist im letzten Jahr gestiegen. Im Jänner dieses Jahres sind 1943 Personen ausgewandert, im Feber 1852, im März, wo die Krise schon stärker einsetzte, ist die Zahl auf 2585 gestiegen. Auf 100.000 Einwohner fallen also schon in den ersten 3 Monaten 16 Auswanderer. (Posl. Pohl Dabei dürfen nicht alle auswandern, die das wollen!) Sie machen den Arbeitern, die anderwärts einen Arbeitsplatz haben, das Auswandern schwer, verweigern aus den nichtigsten Gründen die Pässe und hindern sie aus dem Zustand der Not und des Elends zu flüchten, man zwingn sie, in diesem Lande zu verbleiben, trotzdem sie anderwärts Arbeit haben. Wir glauben, daß es von den Koalitionsparteien ein Verkennen der Wirklichkeit ist, wenn Sie meinen, daß der Staat auf dem Ge iete der Arbeitslosenfürsorge alles getan hat, was er zu tun verpflichtet ist, und Sie irren sich, wenn Sie glauben, die Arbeitslosen mit einigen bloßen Redensarten darüber, daß wi uns im Abflauen der Krise befinden, befriedigen zu können. Es ist kein Wunder, daß die Erregung in zahlreichen Gebieten steigt und man kann es niemandem verargen, wenn er sich, durch die Krise vonder Arbeit ferngehalten, auf anderem Wege seinen Broterwerb sucht. Aber es ist der Staat, es ist die staatliche Verwaltung, es ist die Politik der Mehrheitsparteien, die jene Menschen auf die Wege drängt, auf denen wir sie nicht sehen wollen. Sie sind mitverantwortlich dafür.
Nur noch ein Wort über die Zahl der Arbeitslosen. Im Vorjahre hat man uns von Monat zu Monat versichert, daß die Zahl der Arbeitslosen zurückgeht. Man hat dies solange getan, bis es einfach unmöglich war, die Wahrheit zu verschleiern. Heuer muß man zugeben, daß die Arbeitslosigkeit von Monat zu Monat steigt und es ist nicht wahr, meine sehr verehrten Herren, wenn man behauptet, daß in den Ziffern, die über den Umfang der Arbeitslosigkeit genannt werden, die gesamte Arbeitslosigkeit enthalten wäre. Sie ist weit größer, als es in den Ziffern zum Ausdruck kommt. Vom Sekretär der èechoslovakischen Industriellen wird die Zahl der Arbeitslosen mit 233.394 am 1. Oktober angegeben. Am 1. November 1922 ist die Zahl der Arbeitslosen auf 266.964 gestiegen. Das bedeutet eine Steigerung von 34.617. Wir hatten kürzlich im Klub der deutschen Sozialdemokraten eine Beratung und da machte uns der Minister für soziale Fürsorge die Mitteilung, daß in der Èechoslovakei an 200.000 Personen vollständig arbeitslos seien, und es an 300.000 Menschen gebe, die nur zeitweilig Arbeit haben. Schon die Ziffern, die der Industriellenverband herausgibt, gehen weit über jene hinaus, die uns der Minister für soziale Fürsorge genannt hat. Wir können jedoch annehmen, daß selbst diese Ziffern noch nicht das ganze Arbeitslosenelend umfassen, daß sie weit höher sind. In der Zählung der teilweise Arbeitslosen besteht eine derartige Ungenauigkeit, eine derartige Unvollständigkeit, daß wir eine bestimmte Zahl gar nicht zu nennen vermögen, sie ist jedenfalls bedeutend höher als 300.000.
Angesicht einer solchen Fülle von Elend, angesicht eines solchen Umfanges von Beschäftigungslosigkeit empfehlen sich unserer Meinung nach Anträge und Vorschläge auf Verbesserung des Gesetzes über die Arbeitslosenunterstützung von selbst. Wir haben uns im sozialpolitischen Ausschuß bemüht, diese unsere Anträge, die Ihnen auch heute zur Entscheidung vorliegen, zur Annahme zu bringen. Aber Sie wissen ja, daß selbst in den wichtigsten sozialpolitischen Fragen genau so wie in anderen Fragen die "Pìtka" entscheidet und das, was man auch immer an Gründen für die Anträge auf sozialpolitischem Gebiete anführen mag, vollständig verhallt. Es ist, als ob man Erbsen an die Wand werfen würde. Ein Ergebnis haben die Versuche, Verbesserungen an einem Gesetze durchzubringen, nicht. Wir deutschen Sozialdemokraten halten uns bei Vertretung der Anträge, die wir eingebracht haben, an die Beschlüsse aller drei Gewerkschaftsrichtungen in der Èechoslovakei, die sich mit der Arbeitslosenfürsorge beschäftigten. Wir haben voriges Jahr in einer gemeinsamen Kundgebung dargetan, daß endlich alle Arbeitslosen in die staatliche Fürsorge einbezogen werden sollen. Wir haben dies heuer in zwei Kundgebungen wiederholt. Wir bleiben auf der Linie, die wir bisher eingehalten haben, weil wir der Meinung sind, daß die Staatsverwaltung die Verpflichtung hat, dafür zu sorgen, daß die Opfer der rise nicht zugrunde gehen, daß die Arbeitslosen vom Staate das zum Leben Notwendigste erhalten. Und wenn der Staat meint daß die Ausgabe für die Arbeitslosenfürsorge eine Belastung für den Staat sei, die abgebaut werden müsse, dann soll er den vielen Vorschlägen und Anregungen endlich entsprechen, die in der Frage der Wirtschaftspolitik von der Opposition bereits gemacht worden sind, dann soll er an anderen Ausgaben abbauen und die Mittel dazu verwendenn. Notstandsbauten auszuführen und Arbeit zu schaffen. Die Arbeiter stehen icht darum, die paar Heller Unterstützung zu bekommen, die oft sehr mühselig erkämpft und erlaufen werden müssen. Es ist ihnen lieber, wenn sie Arbeit haben. Wenn der Staat aber keine Arbeit schaffen kann und wenn seine Politik dazu beiträgt, die Krise zu vergrößern, dann muß er durch Mittel in Form von Unterstützungen das Elend der Arbeitslosen mildern. (Souhlas a potlesk na levici.)
8. Øeè posl. Böhra (viz str. 1844 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Wir stehen in der Woche vor Weihnachten. Aber aus gar vielen, vielen Fenstern blickt uns in sozialer Hinsicht nicht freudenvolle Weihnachtsstimmung entgegen. Die anhaltende Industriekrise und ihre Ursachen haben sich noch nicht gemindert, also haben auch die Hilfsmaßnahmen anzudauern. Nun aber hat das bisher bestandene Gesetz über die Arbeitslosenunterstützung in der Praxis sehr viele Mängel recht fühlbar erkennen lassen. Daher hätte sich eigentlich eine gründliche Verbesserung oder Umarbeitung dieses ganzen leider so zeitnotwendigen Gesetzes empfohlen. Eine Reihe von Änderungen er weist sich als geradezu unerläßlich.
Wir haben daher seitens des Klubs der deutschen christlich-sozialen Volkspartei unter dem Namen der Abgeordneten Schälzky und Bobek mehrere dringlich nötige Abänderungs- und Ergänzungsanträge dem Hause vorgelegt, um deren Annahme wir ersuchen. Die Arbeitslosenfürsorge muß ausgebaut werden. In vielen Fällen dauert ja die Industriekrise und die Stillegung einer ganzen Reihe von Betrieben schon mehr als 6 Monate an. Nun war im alten Gesetz die verhängnisvolle Bestimmung von der bedenklich kurzen Frist von 6 Monaten enthalten. Wir haben eine Reihe von Fabriken, die seit Anfang des Jahres 1922 stillstehen. Eine Reihe von Betrieben lag sogar schon vor dem ersten Jänner 1922 still. Da hat es nun jedoch mit einer wahrlich unumgänglich nötigen Auszahlung der Unterstützungen seine Hemmungen und Schwierigkeiten; mitunter tritt völliges Unterbleiben ein und doch wird niemand sagen können, daß hier nicht das allerdringendste Erfordernis vorliege. Darum verlangen wir, daß die Dauer der Arbeitslosenunterstützung für alle Arbeitswilligen, solange keine Arbeitsgelegenheit erhältlich ist, unbeschränkt sei, wenigstens für die Zeit, wo so allgemein diese tatsächlich abnormalen und trostlosen Zustände fortbestehen.
Ein weiterer Übelstand betrifft die Höhe der Arbeitslosenunterstützung. Daß mit 10 Kronen, besonders wo bei schon herangewachsenen und auch beschäftigungslos gewordenen Familienmitgliedern diese nicht einmal in die Unterstützung einbezogen werden, kein Auslangen gefunden werden kann, darüber brauche ich erst kein Rechenexempel aufzustellen. Das fühlt jeder ganz instinktiv und es ist darum das Verlangen ganz gerechtfertigt, daß für die Krankenversicherungspflichtigen doch wohl die Höhe des Krankengeldes keinerlei Übertreibung in der Höhe des Arbeitslosenunterstützungsbeitrages bedeuten würde, und für jene, die nicht in die Krankenversicherung fallen, aber ebenfalls arbeitslos sind, hätte eine zeitgemäße Erhöhung des Beitrages einzutreten. Dies umsomehr, als der Hinweis auf die inländische Kaufkraft der Krone nicht besonders zieht, zumal heute wiederum die Züricher Berichte ein Sinken der Krone auf etwas über 15 meldeten.
Die Arbeitslosigkeit zieht aber außer den Arbeitern im engeren Sinne auch viele andere Kreise in Mitleidenschaft, so insbesondere die Gewerbetreibenden verschiedener Belange, Handwerker, Kleinwirte und Häusler solcher Branchen, die zu gewissen Jahreszeiten z. B. im Winter notwendigerweise auf Lohnarbeit angewiesen sind. (Posl. dr. W. Feierfeil: Die Erzgebirgsarbeiter!) Jawohl, man muß auch die besondere Notstandskrise in manchen Gebieten, wo im Erzgebirge, an das mich gerade ein Zwischenruf erinnert, hervorheben, wo heuer der Schnee die ganze Ernte zugedeckt hat, die Korn-, Kartoffel- und Futterernte. Das wenig, was man bei der nassen Witterung des heurigen sonnenarmen Sommers eingeerntet hat, ist meist verdorben und verfault in den Räumlichkeiten, wo man die Futtermittel etc. halb trocken untergebracht hat. Dort muß ebenfalls eine Abhilfe geschaffen werden. Leider wurde im Ausschuß die Aushilfe für die arbeitslosen sogenannten Saisonarbeiter, Häusler, Kleinwirte u. s. w. abgelehnt. Ich meine aber, daß auch ein sichtsvolle Sozialpolitiker aus den Reihen der Majoritätsparteien die dringliche Notwendigkeit dieser Aushilfen durchaus nicht zu verkennen vermögen.
Nun ist allerdings das beste Mittel zur Beseitigung der Krise und zur Beseitigung der bloßen Aushilfen durch Arbeitslos enunterstützung die Wiederbelebung der Produktion, die Förd erung des Absatzes, die Schaffung von lohnenden Arbeitsgelegenheiten. Auf dieses Gebiet näher einzugehen, will ich mir versagen, weil ja in den letzten sechs Wochen von zahlreichen Rednern meiner Partei und anderen Parteien über die Ursachen der Arbeitslosigkeit und über die Vorschläge zur Abhilfe sehr ausführlich gesprochen wurde. Über die allzu künstlichen Mittel der Steigerung der Prager Krone, die dann das Ausland für unsere Inlandsproduktion kauffähig machte, wurde ebenfalls gesprochen und über die Schwierigkeiten und die unsozialen Einrichtungen verschiedener Handelsverträge geklagt, namentlich über den Mangel an Rechtsverträgen für unsere Exportindustrie, über die hohen Bahntarife, Posttarife und über die geradezu von keinem Ausland übertroffene Höhe unserer Steuern, ferner über die Erschwernisse im gesamten Handelsverkehr, in den Ein- und Ausfuhrbewilligungen. Die Produktionsförderung bedarf zum Beispiel ganz bestimmt gewisser technisch vervollkommneter Arbeitsmaschinen, die zum Teil im Inlande nicht zu haben sind, die aber wegen der ungeheuren Einfuhrerschwernisse und der exorbitant hohen Zollsätze bei uns von manchen Gewerbetreibenden und Industriellen nicht beschafft werden können, so daß unter solchen Umständen der Bezieher lieber verzichten muß, auf diese Art die Arbeitsgelegenheiten zu vermehren, und durch billigere Steigerung der Produktion für den Export konkurrenztüchtig zu werden.
Ich komme noch auf einige Umstände ganz kurz zurück, die ebenfalls mit beitragen könnten, die Arbeitslosenunterstützung für viele besser zu gestalten oder sie unnötig zu machen. Eines zum Beispiel werden die Behörden in Ausübung ihrer Pflicht dem Ministerium gewiß schon mitgeteilt haben, daß es nämlich in einer ganzen Reihe von Orten, wo die Industriekrise eingetreten ist, notwendig sein wird, Meldestellen für die Arbeitslosenauszahlung einzurichten. Es gibt in manchen Bezirken mehrere größere Städte, wo oft die Zahl der Arbeitslosen viel größer ist als in der Bezirksstadt selbst, in welcher die Bezirksverwaltung ihren Sitz hat. Und dennoch müssen alle Arbeiter immer und immer wieder zur Anmeldung und Kontrolle in die über eine oder mehrere Stunden ferne Bezirksstadt gehen; was das für Zeitversäumnisse und Erschwernisse bedeutet, liegt auf der Hand. Und es sagt auch die betreffende Bezirksbehörde, daß sie in finanzieller Hinsicht billiger herauskommen würde, wenn solche Meldestellen errichtet würden. Aber von Prag aus wird die Erlaubnis nicht erteilt.
Weiters ist darauf hinzuweisen, daß die so oft versprochenen Aushilfs-Arbeitsgelegenheiten denn doch beschleunigt werden sollten. Zum Beispiel was Nordwestböhmen anlangt, die Erzgebirgsbahn von Obergeorgenthal über Brandau nach Olbernhau oder in Nordböhmen die Bahn von Schluckenau über Kaiserswalde nach Soland hinaus, Anschlußbahnen, die wirklich Handel und Wandel wieder fördern würden, die der dortigen Industrie und dem dortigen Erzbergbau auf Nickelerze etc. Befruchtung brächten, die die Erfordernisse wirklich verzinsen würden, ferner Straßenbauten in verschiedenen Bezirken, sonstige Notstandsbauten, Wohnungsbauten, Unterstützung der Wohnungsgenossenschaften, Erbauung von Beamtenwohnhäusern, nachdem doch die Wohnungsnot wahrlich noch himmelschreiend ist, wie denn überhaupt die beste Fürsorge zur Abstellung der Arbeitslosenunterstützung produktive Arbeit wäre.
Und, meine Herren, etwtwas au den verschiedenen Grenzgegenden möchte ich hier noch erwähnen; wenn ein Vertreter des Finanzministerium hier ist, möchte ich ihn bitten, darauf hinzuwirken, daß einer schon schriftlich an das Finanzministerium erfolgten Eingabe womöglich Rechnung getragen werde und zwar für folgenden Belang: Es betrifft jene inländische Arbeiter, die nicht der Arbeitslosenunterstützung anheimfallen, die aber in den Grenzgebieten genötigt sind, im Ausland zu arbeiten, im gegenwärtig valutaschwachen Ausland, sei es in Sach sen oder Bayern, in Ober- oder Niederösterreich oder in sonstigen Nachbargebieten. Da besteht nämlich die Bestimmung, und die hat das hiesige Finanzministerium genehmigt, daß diese Arbeiter sich Nahrungsmittel für sich oder ihre Familienangehörigen auf Grund eines amtlich immer und immer wieder die Notierungen aufweisenden Verpflegsbuches mit hereinbringen dürfen. Was sie sich aber jetzt noch nicht hereinbringen dürfen, sind Bekleidungsartikel und andere notwendige Bedarfsgegenstände. Nehmen Sie an, diese Leute verdienen in 8 bis 14 Tagen 3000, 6000, 10.000, 12.000 oder 20.000 Mark; ja, dividieren Sie das jetzt durch 200, wie können denn diese Leute, die dem Inland nicht zur Last fallen, die fleißig sind, den vollen Arbeitstag ausnützen, wie können sich die die allernotwendigsten Gegenstände hier bescl affen, wenn sie diese nicht zollfrei über die Grenze briingen dürfen? Und dabei beträgt der Zoll mehr als der ganze Monatsverdienst, den sie drüben haben, und der Effekt, was ist er? Sie können mnit der ausländischen Valuta hier doch nichts kaufen. Die einheimischen Gewerbetreibenden erden also nicht geschädigt, aber die Not in den Familien geht ins Große, ins Arge. Drüben im Ausland ist man geneigt, diesen Einkauf zu gestatten. Und damit gar kein Unfug, gar keine Benachteiligung des inländischen steuerzahlenden Gewerbes entstehe, könnten alle diese gekauften Sachen in das Verpflegsbuch vorgemerkt werden. Was aber geschieht? Die ausländischen Zollbeamten lassen den Betreffenden durch, der inländische läßt ihn aber nicht durch, auch wenn es im Verpflegsbuch notiert ist. Und welch geradezu exorbitante Strafen so einem Ärmsten unter den Armen drohen, wenn er die Zollbehörde umgehen möchte! Sie wissen wie hart und streng jetzt an der Grenze vorgegangen wird. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Tomášek.)
Das sind Dinge, die ich hier besprochen habe, welche namentlich jetzt in der Weihnachtszeit denn doch jedes menschlich fühlende Gemüt, jedes Herz bewegen sollen, Abhilfe zu schaffen. Meine Herren, viel ist gut zu machen. Im Vorjahr und auch heuer in der Vorwoche wurde eine große Reihe treuer, fleißig schaffender Staatsbürger gerade um Weihnachten entrechtet, gerade um Weihnachten arg bedroht, in dem Einkommen gekürzt. Meine sehr geehrten Herren! Wenn es schon nötig gewesen sein sollte, was ich bestreite, hätte man wenigstens die Anmut, die Schicklichkeit, den Feinsinn bekunden sollen, es doch nicht unmittelbar vor Weihnachten so einzurichten; es wirkt doppelt roh, doppelt des Feingefühls entbehrend, wenn man gerade um diese Tage unsoziale einschneidende Maßnahmen vornimmt. Die jetzigen Maßnahmen wären dagegen eine Art Weihnachtsgeschenk, aber dann nicht kleinlich sein, dann diesen wirklich keine finanziellen Anforderungen an den Staat stellenden, ihm nicht etwa bedenklich nahetretenden Forderungen nicht aus dem Wege gehen, sondern hier wirklich Weihnachtsstimmung walten lassen und namentlich solchen nur auf dem Verwaltungsgebiet liegenden einfachen Maßnahmen, wie ich sie vorhin andeutete, die Verwirklichung nicht versagen! Da soll einmal der gute Wille obsiegen, der gute Wille zu Weihnachten bekundet werden! Darum empfehle ich diese Vorschläge an die Finanzverwaltung und empfehle Ihnen, die von mir erwähnten und jetzt nur kurz gestreiften und begründeten Anträge in Sachen der Arbeitslosenunterstüt ng anzunehmen. (Souhlas a potlesk na levici.)