Pondìlí 18. prosince 1922

Unsere Opposition gegen die Vorlage ist grundsätzlicher Art; wir verwerfen sie aus nationalen und demokratischen Gründen, wir lehnen es ab, an einem Werke teilzunehmen, welches die Versklavung und die Verpachtung deutschen Staatsgebietes an die internationale Bankenwelt und die vor ihr stehenden Regierungen bedeutet; wir anerkennen die wirtschaftliche Solidarität der europäischen Völker, die sich durch die Verflechtung der Weltwi rtschaft ergibt und wir wären daher mit der gegenseitigen Hilfe dieser Völkern durchauseinverstanden, wenn sie sich in jenen Formen und unter jener Anerkennung der staatlichen und Volkshoheit abspielen würde, für die uns die Schweizerische Eidgenossenschaft bei der Beratung der Hilfe für Österreich ein leuchtendes Beispiel gegeben hat. Wir bringen diesen unseren Standpunkt in der von uns überreichten Entschliessung zum Ausdrucke und werden folgerichtig sowohl gegen die Genehmigung der Protokolle I und II, sowie gegen den Regierungsentwurf, betreffend die Bürgschaftsübernahme, stimmen, als auch das Protokoll III nicht zur Kenntnis nehmen. (Souhlas a potlesk na levici).

6. Øeè posl. Kreibicha (viz str. 1819 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Die Vorlage, mit der wir uns heute zu beschäftigen haben, segelt unter falscher Flagge. Sie bezweckt angeblich die Rettung Österreichs, die Sanierung der Finanzen der österreichischen Republik. Die Bevölkerung, und insbesondere die arbeitende Bevölkerung Österreichs kann gar manches Liedchen von solchen Sanierungs- und Rettungsversuchen singen. Österreich ist solange saniert und gerettet worden, bis es vor dem Zus ammenbruche stand. Nun fragen wir uns, um diese Sanierung und Rettung, die jetzt unternommen werden soll, entsprechend zu charakterisieren: Wieviel ist an Geld notwendig, um Österreich zu sanieren, um Österreich vor dem drohenden Zuusammenbruch zu retten? Auf Grund der Genfer Protokolle und der Vorlage, die uns hier vorliegt, sind es im ganzen 650 Millionen Goldkronen, die das österreichische Budget in Ordnung bringen sollen. Diese 650 Millionen Goldkronen sollen von den vier Garantiemächten, von England, Frankreich, Italien und der Èechoslovakei, garantiert werden, damit eine Anleihe in dieser Höhe aufgenommen werden kann. Da entsteht die Frage: Ist Österreich auf diese Hilfe überhaupt angewiesen, könnte Österreich, bzw. könnten die Kapitalisten in Österreich diese Summe nicht selbst aufbringen? Da berufe ich mich auf den Ausspruch eines österreichischen bürgerlichen Nationalökonomen, der auf diesem Gebiete einen Namen hat, auf Dr. Gustav Stolper, der im "Österreichischen Volkswirt" im Zusammenhange mit den Genfer Protokollen und mit der ganzen Sanierungsaktion über das Defizit des öster reichischen Staatshaushaltes schrieb: "Wir würden uns erbötig machen, in 10 Mi uten hu ndert Bürger dieses Staates namhaft zu machen, die allein jene Summmen aufbringen könnten, ohne sich am nächsten Tage in ihrer finanziellen Kraft wesentlich beschränkt zu fühlen." Einen ähnlichen Ausspruch hat Dr. Bauer auf dem Parteitag der österreichischen Sozialdemokratie getan, als er meinte, daß die ehn reichsten Familien in Österreich ganz gut die zur Sanierung Österreichs notwendige Summe aufbringen könnten. Es ist also eine verdammt verdächtige Hilfsbereitschaft der vier Garantiemä hte es Völkerbundes, daß sie einem Staate zur Hilfe eilen, der sich nach diesen Aussprüchen eigentlich ganz gut selbst helfen könnte.

Nun wollen wir zunächst untersuchen, wie diese Hilfe überhaupt aussieht. Die vier Garantiemächte geben Österreich keinen Heller, sie übernehmen bloß die Garantie für diese 650 Millionen Goldkronen, die in Form einer internationalen Anleihe aufgebracht werden sollen, die sich also Österreich auf dem internationalen Geldmarkt verschaffen soll. Diese Garantie findet aber ihre Deckung, wie vom Referenten ausdrücklich hervorgehoben wurde, in dem Ertrag der Zölle und des österreichischen Tabakmonopols, die jährlich 80 Millionen Goldkronen tragen sollen. Die Annuitäten der Gesamtanleihe erfordern 70 Millionen Goldkronen, d. h. also, daß die ganze Hilfe wohl fundiert, die Verzinsung und Amortisierung der Anleihe dem internationalen Finanzkapital ganz gut gesichert ist. Es handelt sich also um keinen Akt der Humanität, um keine Rettungsaktion, sondern um ein gutes Geschäft des internationalen Finanzkapitals auch vom rein finanzi ellen Standpunkt genommen. Dafür beko mmen aber diese vier Garantiemächte zurück, was sie Österreich geborgt haben; Frankreich bekommt 7 1/2 Millionen Franks, England bekommt 2 1/4 Millionen Pfund Sterling, Italien 70 Millionen Lire, die Èechoslovakei jene 419 Millionen èechischer Kronen, die sie Österreich vorgeschossen hat und die heute mehr wert sind, als damals als die Èechoslovakei Österreich diesen Vorschuß gab, so daß die Èechoslovakei bei dieser Gelegenheit ein gutes Geschäft macht. Wir sehen, daß diese Humanität, diese Rettungsaktion eigentlich nichts anderes ist, als ein Geschäft.

Aber nun kommt die Frage: Welche Verpflichtungen muß Österreich für diese Anleihe übernehmen, welche Verpflichtungen muß Österreich eingehen, damit es dieser Humanität teilhaftig werde? Im Protokoll II - ich will sie nur ganz kurz aufzählen - sind sie angeführt. Österreich verpflichtet sich, die Erträge der Anleihe nur unter Aufsicht des Generalkommissärs zu verwenden. Österreich nimmt also als Staat die Anleihe auf, verfügt aber nicht selbst über das Gold, das es aufgenommen hat und das es verzinsen und amortisieren muß. Wegen jedes Hellers, den es aus dieser Anleihe braucht, muß es vorher ein Gesuch an den Generalkommissär richten und sich erst dessen Bewilligung einholen, damit es diese paar Kronen aus der Anleihe verwenden darf. Wenn er geneigt ist, wird es ausgezahlt. Außerdem wird dem Kontrollkommissär sozusagen ein Aufsichtsrat aus den Vertretern der Garantiemächte zur Seite gestellt, und von der Erlaubnis dieser Kontrollkommission hängen folgende Dinge ab: Erstens die ganzen Anleihebedingungen, der Emissionskurs, der Zinsfuß, die Amortisationsbedingungen, die Bes timmung der Unkosten der Anleihe; das alles ist der Genehmigung der Kontrollkommission unterworfen. Zweitens darf Österreich keine andere nleihe ohne Zustimmung der Kontrollkommission aufnehmen. Die Bedingungen der Vorschüsse, die Österreich auf die Anleihe bekommt, setzt die Kontrollkommission fest. Jedwede Konversion der Anleihe, die vielleicht in späterer Zeit die Sache für Österreich günstiger gestalten könnte, unterliegt der Genehmigung der Kontrollkommission. Aber noch mehr. Österreich muß eine Konversion vornehmen, wenn die Kontrollkommission eine solche Konversion vorschreibt. Jede Änderung in den Sätzen jener Staatseinnahmen, welche die Anleihe sicherstellen, also vorläufig des Tabakmonopols und der Zölle, unterliegt der Genehmigung der Kontrollkommission, ebenso die Festsetzung der Preise der Produkte der Tabakregie und die Festsetzung der Zölle. Ferner unterliegt die Verpachtung oder Abtretung dieser Einnahmen ebenfalls der Bewilligung der Kontrollkommission. Schon diese Bedingungen zeigen uns, daß diese Anleihe, dieses Geschäft, das das internationale Finanzkapital abschließt, die vollständige Auslieferung der österreichischen Finanzhoheit an diese internationale Kontrollkommission und damit an das internationale Finanzkapital beinhaltet.

Aber damit ich nicht vielleicht des böswilligen Auslassens bezich tigt werde, darf ich nicht da rüber hinweggehen, daß eines der Protokolle auch die Ziffer I trägt. Dieses Protokoll I ist nur von einem Standpunkt aus interessant. Es ist eine Manifestation jener widerlichen Verlogenheit, die besonders seit dem Beginn des Weltkrieges in die internationale Politik hineingetragen worden ist und die alles übersteigt, was wir vor dem Weltkriege auf diesem Gebiete erlebt haben. Das begann, wie wir wissen, mit der Versicherung der Mittelmächte, der Krieg sei der Kampf gegen den Zarismus, für die Befreiung Rußlands, Polens u. s. w. und das begann mit der Versicherung der Westmächte im Jahre 1914, daß sie den Krieg gegen den Imperialismus und gegen den Militarismus, selbstverständlich gegen den preußischen und deutschen, führen. Die höchste Stufe erreichte diese Verlogenheit in den berühmten oder vielmehr berüchtigten vierzehn Punkten des Präsidenten Wilson. Und nach diesem Stil ist das Protokoll I angefertigt. Denn es heißt in der Einleitung, daß die Garantiemächte und der Völkerbund nur im Interesse Österreichs und im Interesse des allgemeinen Friedens handeln. Dann steht etwas von Respektierung der politischen Unabhängigkeit und politischen Souveränität Österreichs dort; auch können wir die Versicherung lesen, daß sich Österreich mit der Annahme der Genfer Protokolle und der ganzen Bedingungen durchaus nicht seiner Selbstständigkeit begibt, daß es seine Freiheit behalten soll und ähnliches.

Wir brauchen nur alle diese Bedingungen, die ich vorhin angeführt habe, zu lesen, und sie genügen, diese Verlogenheit auszudecken. Noch schlimmer sieht diese Verlogenheit aus, wenn wir das Protokoll III durchnehmen. Darnach wurde Österreich vorgeschrieben, daß es binnen einem Monat ein Reformprogramm auszuarbeiten habe, das eine Erhöhung der Einnahmen und Herabsetzung der Ausgaben des Staates herbeiführt. Dieses Programm hat die österreichische Regierung bereits aufgestellt und das Parlament hat es bereits genehmigt. Stellt sich aber dieses Programm in den Augen der Garantiemächte als ungenügend heraus, so muß Österreich nach Beratung mit dem Generalkommissär ein besseres Programm ausarbeiten, das heißt, daß die österreichische Gesetzgebung auf dem Gebiete des Budgets der Sanktion des Generalskommissärs unterliegt. An Stelle Franz Josefs, bezw. Karls ist Herr Zimmermann getreten, der die österreichischen Gesetze zu sanktionieren hat.

Dann wurde Österreich aufgetragen, ein Gesetz zu beschließen - und das ist der interessanteste Punkt, das Gesetz istauch bereits beschlossen -, das für die Dauer von zwei Jahre jedweder Regierung, welche am Ruder sein wird, die Vollmacht erteilt, innerhalb der Grenzen dieses Programmes alle Vorkehrungen zu treffen, die nach ihrer Ansicht nötig sein werden, damit zum Ablauf dieser Zeit die Herstellung des Gleichgewichtes im Budget gesichert sei, ohne daß die Regierung hiezu künftig einer neuerlichen parlamentarischen Genehmigung bedarf. Das heißt also: für zwei Jahre hat das österreichische Parlament in die ganze Finanzgesetzgebung, in den wichtigsten Teil der staatlichen Verwaltung, nichts dreinzureden. Zwei Jahre lang hat jed Regierung, die in Österreich ans Ruder kommt, freie Hand, ist losgelöst vom Parlament und kann auf diesem Gebiete machen, was sie will; das heißt das, was der Generalkommissär und die Kontrollkommission wollen. Zwei Jahre kann die Regierung in den wichtigsten Fragen, zum Beispiel in Fragen der Zollerhöhung, der Steuerhöhungen, der Gehaltsherabsetzungen u. s. w., ohne Befragen des Parlaments tun, was sie will. Das ist das, was man das Ende der Demokratie in Österreich nennen kann.

Dann ist in diesem Protokoll III der bereits erwähnte Generalkommissär festgelegt, der künftige Herrscher über Österreich. Dieser Generalkommissär hat folgende Vollmachten: Seiner Erlaubnis bedarf die österreichische Regierung zur Behebung von Beträgen aus der Anleihe. Er kann in Interesse der Deckung der Annuitäten und Zinsen der Anleihe weitere Einnahmsquellen des österreichischen Staaates beschlagnahmen. Das heißt, er kann wenn das Zoll- und Tabakmonopol nicht genügt, irgendwelche andere Staatseinnahmen zur Deckung der Zinsen und Annuitäten der internationalen Anleihe beschlagnahmen. (Posl. Koutný: Tedy to bude exekutor!) Ein Exekutor, ganz richtig. Die Zustimmung zur Reduzierung der Einnahmen liegt ebenfalls in der Hand des Generalkommissärs, ohne ihihn darf die Regierung keine Reduzierung in diesen Einnahmen vornehmen. Die Regie ung darf auch keine Änderung der Tarife ohne Befragen des Generalkommissärs vornehmen. Der Generalkommissär verfügt allein und vollständig frei über alle Einnahmen aus diesen staatlichen Einkünften. Das heißt, diese Einnahmen - vorläufig nur das Tabakund Zollmonopol - werden zur Disposition des Generalkommissärs gestellt, der vollständig frei über sie verfügen kann. Der Generalkommissär kann eine Änderung aller Sätze verlangen - vorläufig nur beim Tabak- und Zollmonopol - das heißt, er kann die ganzen Staatseinnahmen, zum Beispiel die ganzen Zölle und das ganze Tabakmonopol, entweder in besondere Verwaltung geben oder verpachten. Er kann zum Beispiel die ganze Regie des österreichischen Staates einfach irgendeinem Kapitalisten oder einer Bank verschachern. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.)

Dazu kommt noch Folgendes: Österreich verliert das Recht, Papiergeld auszugeben oder Anleihen aufzunehmen, wie ich schon sagte, kurz und gut, es verliert vollständig das Recht, sich selbst Geld zu verschaffen außerhalb dessen, was der Generalkommissär oder die Kontrollkommission zur Verfügung stellt. Es wird eine Notenbank errichtet, die aber nach den Bestimmungen der Genfer Protokolle vom Staate vollständig unabhängig ist. Sabei sind in dieser Notenbank die gesamten Kassafunktionen des Staates, die Entgegennahme der Einnahmen, die Registrierung der Ausgaben, im Einvernehmen mit dem Generalkommissär konzentriert. Sie ist der Generalkassier des Staates, sie hat das ausschließliche Recht der Papiergeldemission und sie ist vom Staate vollständig unabhängig. Das heißt: Österreich als Staat verliert auf Grund der Genfer Protokolle vollständig seine Finanzhoheit und da diese natürlich die Grundlage der Existenz des Staaates und der Regierung ist, verliert damit Österreich seine sogenannte Souveränität vollständig. Das internationale Bankkapital wird zum Kurator, zum Befehlshaber Österreichs, das internationale Bankkapital steht vollständig über der österreichischen Regierung, ist Herr über Österreich. Österreich ist in den Protokollen dem Bankkapital vollständig ausgeliefert.

Außerdem ist im Protokoll III enthalten: "Soweit die Durchführung dieses Programms Änderungen in der Gesetzgebung notwendig macht, müssen diese Änderungen von Österreich durchgeführt werden." Das heißt, Österreich bekommt die Änderungen in seiner Gesetzgebung vom internationalen Kapital, beziehungsw eise von seinem Vollstrecker vorgeschrieben.

Dann ist da der famose Punkt 7, der natürlich eine wichtige Grundlage der Durchführung des ganzen Progr amms bildet. Er lautet: "Die österreichische Regierung trifft alle Vorkehrungen, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung notwendig sind." Das heißt, die österreichische Regierung hat sich verpflichtet, je en Widerstand der österreichischen Arbeiterschaft gegen diesen vollständigen Verkauf Österreichs an das Finanzkapital niederzuschlagen.

Ferner wurde Österreich vorgeschrieben, daß es sofort die Erhöhung der Eisenbahn-, Post- und Telegraphentarife, sowie aller Monopolartikel vorzunehmen hat, und daß die überflüssigen Staatsbetriebe sofort geschlossen werden müssen. Alles, was Sozialisierung bedeutet, wird durch diese Bestimmung des Protokolls, das der Sozialdemokrat Dr. Winter so leidenschaftlich vertreten hat, vernichtet. Das Eisenbahnpersonal, wie überhaupt das gesamte Beamtenpersonal, ist zu reduzieren. Die Ausgaben für das Beamtenpersonal sind um wenigstens ein Drittel herabzusetzen. Das sind die Verpflichtungen dieser Genfer Protokolle für Österreich.

Was wurde von diesen Verpflichtungen erfüllt? Die Annahme des Programmes durch die österreichische Gesetzgebung zeigt, daß die gegenwä ige Regierung Österreichs und die gegenwärtige Regierungsmehrheit willens sind, dieses Programm restlos durchzuführen. Es sollen mindestens 5 0.000 - man spricht auch von hunderttausend - Beamte entlassen werden. Damit soll die Arbeitslosigkeit, die in Österreich ohnedies im Steigen begriffen ist - eben weil es im Begriffe ist, saniert zu werden - offenbar eingedämmt werden. Es ist dasselbe, wie bei uns in der Èechoslovakei: Die nächste Folge des Rašínischen Sanierungsprogramms war das Steigen der Arbeitslosigkeit. Die Warenumsatzsteuer wurde auf 80 Millionen Goldkronen erhöht, die Zolleinnahmen von 40 auf 100 Millionen, und auch alle indirekten Steuern wurden erhöht. Die Verbrauchssteuern werden nachden Angaben eines Artikels un der "Zahranièní politika" von 1,600.000 auf 31,600.000 Goldkronen erhöht. Die Tabak- und Salzmonopoleinkünfte sollen von 49·4 auf 126·4 Millionen Goldkronen erhöht werden. Wir sehen: die Warenumsatzsteuer kolossal erhöht, die Zölle um mehr als das Doppelte, eine Erhöhung der Einkünfte aus dem Tabakund Salzmonopol, also alles Verbrauchsteuer, und daneben eine Erhöhung der direkten Steueren bloß um ganze 2·6 Millionen Goldkronen. Von der ganzen Reihe der Staatseinnahmen, die von 214 auf 473 Millionen Goldkronen steigen sollen, haben diese Erhöhung also zum weitaus größten Teil die breiten Massen der arbeitenden Bevölkerung zu tragen. Die Gesamterhöhung der Lasten, die die österreichische Bevölkerung zu tragen hat, vor allen die arbeitende Bevölkerung, beträgt nach österreichischer Währung 8 Billionen Kronen. Auf jeden Ar beiter entfallen durchschnittlich 2 Millionen österreichischer Kronen. Das waren zur Zeit der Beschlußfassung im österreichischen Parlament ungefähr acht Wochenlöhne jährlich. Was geht daraus hervor? Diese ganze Sanierung, die in diesen Protokollen enthalten ist, bedeutet ein ungeheueres Geschäft des internationalen Finanzkapitals, und zwar auf Kosten des österreichischen Proletariates, das acht Wochenlöhne jährlich dem internationalen Finanzkapital dafür zu opfern hat. Das ist die Vorlage, die zwei Sozialdemokraten hier so warm verteidigt haben.

Außerdem wird, und das ist auch interessant, in Punkt 7 des Protokolls III die österreichische Regierung zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung verpflichtet. Die Wehrmacht soll abgebaut werden. Warum? Weil man weiß, daß die Mitglieder der österreichischen Wehrmacht fast ausschließlich Arbeiter sind, die fast ausschließlich oder in der übergroßen Mehrheit den Sozialdemokraten und zum Teil auch der kommunistischen Partei angehören. Diese Wehrmacht, die man als nicht ganz verläßlich betrachtet zur Durchführung der Genfer Protokolle, soll abgebaut werden; dafür wurde aber die Vermehrung der Gendarmerie vorgeschlagen.

Die ganze Sanierung geht also auf Kosten der österreichischen Arbeiter. Der Reallohn des österreichischen Arbeiters beträgt heute ein Drittel des Reallohnes von 1914. Diese Arbeiter also, die auf ein Drittel des Vorkriegsexistenzminimums heruntergedrückt worden sind, sollen auf Grund der Genfer Protokolle, wie es sich die beiden Herren Sozialdemokraten in ihrer Rede wünschten, noch weiter durch diese Gesetzgebung heruntergedrückt werden. Schon jetzt sehen wir eine ungeheuere Arbeitslosigkeit in Österreich. Ganz Österreich wird unter die Diktatur nicht nur der eigenen, sondern der internationalen Bourgoisie, des internationalen Finanzkapitals gestellt. Es ist das ja die logische Entwi cklung, die wir überall sehen, und die überall zu demselben Ziele führt - beim österreichischen Proletariat zeigt sich das jetzt deutlich, das Proletariat in den annderen Staaten wird später daran kommen, das Deutschlands und auch das Proletariat der Èechoslovakei wird dem österreichischen auf diesem Wege folgen - entweder die Diktatur der Bourgoisie oder die Diktatur des Proletariates. Ist das Proletariat zu schwach und unentschlossen, seine Diktatur aufzurichten, so kommt die Diktatur der Bourgoisie. Das zeigt sich am Schicksal des österreichischen Proletariates in voller Deutlichkeit. Das Resultat der ganzen Genfer Protokolle, und dieser Sanierungsaktion, ist das Ende Österreichs als selbständiger Staat, die erwandlung Österreichs in eine Kolonie des internationalen Kapitalismus. Das, was Österreich zugemutet, was Österreich angetan wird, ist unerhört in der ganzen Geschichte des Kapitalismus, der wahrhaft reich ist an Unterdrückung, an Unterjochung fremder Staaten und fremder Völker. Ja, man geht sogar noch weit hinaus über das, was der internationale Kapitalismus der Türkei und China zugemutet hat. Österreich wird ganz und gar in die Hände der Entente überliefert. Es ist das Ende der Demokratie in Österreich.

Wir sehen in diesen Protokollen eine ungeheuere Verschärfung des Friedensvertrages von St. Cermain. Aber interessant ist dabei Folgendes: Gegenüber Ungarn, diesem Ungarn, in dem der weiße Terror wütet, das sich in der Hand der Monarchisten befin det und in der Hand der ärgsten Reaktionäre, gegenüber diesem Ungarn, das heute die größte Gefahr ist für die Demokratie von Mitteleuropa, das heute die Konzentration aller monarchistischen Gefahr darstellt, gegenüber diesem Ungarn wurde der Friedensvertrag von Trianon von Seiten der demokratischen Mächte Frankreich, England usw. gemildert. Ich verweise nur auf die Frage Westungarns, des Burgenlandes. Gegenüber dem demokratischen Österreich wird der Friede von St. Germain noch verschärft. Wir haben es mit nichts anderem zu tun als mit einem unblutigen stillen Krieg, den die Entente gegen Österreich führt. Dieser stille Krieg zum Zwecke der Kolonisierung Österreichs ist die Vorbereitung der vollständigen Aufteilung Österreichs unter die Mächte. Dagegen müssen wir in schärfster Weise Protest erheben, nicht wegen des Staates Österreich, auch nicht als Anwälte der Demokratie. Es ist selbstverständliche Pflicht aller Arbeiter, die Errungens chaften der Demokratie gegen jede Reaktion zu verteidigen. Aber was wichtiger ist, ist die Versklavung des österreichischen Proletariats. Das ist die internationale politische Bedeutung, die diese Politik gegenüber Österreich hat.

Und hier kommen wir zum Kernpunkt der Frage. Österreich stand, wie jeder kapitalistische Staat, nach dem Weltkrieg vor der Notwendigkeit der Sanierung, vor der Notwendigkeit, die Krise unbedingt zu überwinden. Wie überall, so hat auch die österreichische Bourgeoisie sich entschlossen, diese Überwindung der Krise auf Kosten des Proletariats zu vollziehen, ganz genau so, wie bei uns in der Èechoslovakei die Kosten der Sanierung des Staates und der Volkswirtschaft, wie sie vom Kapitalismus geplant ist, vom Proletariat getragen werden. Sie soll vollzogen werden auf Grund der Herabsetzung der Löhne, der Herabsetzung des Lebensniveaus der breiten Massen und auf Grund der Steigerung der Ausbeutung durch den Kapitalismus. Die österreichische Bourgeoisie war aber zu schwach gegenüber dem Proletariat Österreichs, selbst diese Sanierung durchzusetzen, und darum brauchte sie die Hilfe des Ententekapitals. Die österreichische Bourgeoisie hat, wie wir aus den Verhandlungen im österreichischen Parlament wissen, restlos diesem Sanierungsprogramm zugestimmt, nicht etwa wie jemand, der unter dem Druck der Erpressung, der furchtbaren Notwendigkeit einem ihm aufgetragenen Befehl nachkommt, sondern begeistert habendie Christlichsozialen und Großdeutschen im österreichischen Parlament das von derr Entente vorgeschriebene Sanierung programm angenommen. Warum? Weil sie vor der Notwendigkeit standen: en weder wird die Sanierung auf Kosten der Bourg oisie vol ogen - das ware jener Weg, der in den Äußerungen Stolpers und Doktor Bauers gelegen ist, daß 100 der reichsten Leute Österreichs ganz gut die entsprechenden Mittel dazu hergeben könnten - oder Österreich wird auf Kosten des Proletariats saniert. Um ihr Vermögenn zu retten, har die österreichische Bourgeoisie die Selbständigkeit, die Demokratie Österreichs an das internationale Finanzkapital versch achert. Das ist die Politik der österrescheschen Bourgeoisie, daas Opferist das österreichische Proletariat. Schon aus Solidarität mit dem österreichischen Proletariat müssen wir gegen diese Art der Sanierung Österreichs, gegen diese Versklavung des österreichischen Proletariats auf das energischeste protestieren. Und wir begreifen es nicht, wie es eine Arbeiterpartei geben kann, die nicht nur dieser Politik, diesem Plan zustimmt, sondern die noch dazu diesen unerhörten Plan des Finanzkapitals, dieses gewaltige Geschäft, das das Finanzkapital auf Kosten der österreichischen Arbeiterhier macht, diesen unerhörten Raubzug des Ententefinanzkapitals gegen die österreichische Arbeiterschaft, hier von dieser Stelle aus noch verteidigen kann. In einem Artikel, im Berliner "Vorwärts", wendet sich einer der Führer der österreichischen Sozialdemokratie, Dr. Austterlitz, an die Bruderparteien und schildert darin die unerhörten Zumutungen, die die Genfer Protokolle an Österreich stellen. Er schreibt: "Deshalb wir des in den Staaten, die diese Garantie zu erteilen haben, die Aufgabe der Sozialdemo raten sein, gegen die ebenso schnöde wie vernunftlose Vergewaltigung, die an dem armen und wehrlosen Österreich verübt wird, mit Nachdruck und Leidenschaft zu protestieren. Natürlich nicht der Garantie, wohl aber der inamen Ausnützung der Garantie durch die garantierenden Mächte ist der stärkste Einspruch der Sozialdemokraten entgegenzusetzen. Die internationale Arbeiterschaft kann viel tun, daß Österreich die Garantie geboten wird, diese so gestaltete, nichtswürdige und erniedrigende Kontrolle aber, die vor allem das Proletariat in Österreich trifft, erspart wird." Diesem leidenschaftlich beredten Appell des Führers der österreichischen Sozialdemokratie an die anderen sozialistischen Parteien, ist die èechische Sozialdemokratie nachgekommen, indem sie hieher zwei ihrer Vertreter entsendete, um diesen infamen Streich gegen das österreichische Proletariat zu verteidigen. Es ist interessant, daß gerade außer dem Berichterstatter des Budgetausschusses Herrn Špaèek sich keiner von den bürgerlichen èechischen Parteien gefunden hat, der diese Genfer Protokolle hier verteidigt hätte, nein, Redner der Partei mußten sich finden, die nach Austerlitz die Pflicht hätten, diesen infamen Angriff gegen das österreichische Proletariat abzuwehren, um diesen Pakt, diese Versklavung des österreichischen Proletariats, noch zu verteidigen. Und unter diesen beiden befindet sich der Herr Dr. Winter, der, wenn ich nicht irre, frisch vom Haag zurückgekommen ist, wo er auf einem internationalen Sozialistenkongreß für den Weltfrieden, für die internationale Solidarität und andwre schöne Sachen demonstrierte; kaum hat er die Reden gehört, die dort gehalten wurden, kaum ist er vom Haag weg, ist seine erste Tat in der Heimat die Unterstützung und die Verteidigung eines der infamsten Anschläge, die Verteidigung des Planes des internationalen Finanzkapitals gegen das österreichische Proletariat. Es handelt sich hier nicht um die Frage irgend einer gefühlsmäßigen romantischen Solidarität für das österreichische Proletariat, aus der heraus jede Arbeiterpartei diese Genfer Protokolle ablehnen müßte, es handelt sich um das eigene Interesse des Proletariats eines jeden Landes. Die Niederwerfung des österreichischen Proletariats bedeutet eine Schwächung des Proletariats in ganz Europa, vor allem in ganz Mitteleuropa. Man muß sich fragen: "Warum hat denn die Entente, warum hat das internationale Finanzkapital bereitwillig dem Ruf der österreichischen Bourgeoisie um Rettung zugestimmt, warum war die Entente so hilfsbereit? Vielleicht aus uneigennütziger Solidarität für die österreichische Bourgeoisie? Nein, aus einem ganz anderen Grunde. Österreich ist ein sehr kleiner Staat. Aber so unbedeutend er ist, das Territorium, auf dem er sich befindet, ist durch seine geographische Lage strategisch von der äußersten Wichtigkeit. Österreich und besonders Wien ist einer der wichtigsten strategischen Punkte in Mitteleuropa, sowohl im Falle eines Krieges, wie auch im Falle revolutionärer Erhebungen, und diesen Punkt fest in die Hand zu bekommen, das ist das Ziel des Ententeimperialismus. Dort seine Macht aufzurichten, dort im Falle revolutinärer Erhebungen dieselben sofort niederzuschlagen, dort ein Aufmarschgebiet für den Fall des Krieges unund für den Fall einer Revolution zu sichern, das ist das Ziel, das der Ententeimperialismus mit diesem ganzen Plan, mit den Genfer Protokollen, mit der Gesetzgebung verfolgt, die Österreich aufgrund der Genfer Protokolle aufgezwungen wurde. Österreich in ein Aufmarschgebiet der Gegenrevolutionen zu verwandeln, in ein Aufmarschgebiet des Entente imperiali smus, das ist der Zweck der ganzen Genfer Protokolle und alles dessen, was drum und dran hängt. Die Rettung und Sanierung Österreichs, die Demokratie usw., wovon hier in der Begründung gefaselt wird, ist alles nur leeres Gerede, alles nur jene widerliche Heuchelei, die seit dem Weltkrieg in der internationalen Politik ihre Orgien feiert. Als Werkzeug für diesen Plan hat sich der famose Völkerbund hergegeben, der bei dieser Gelegenheit wiederum gezeigt hat, daß er nichts anderes ist, als das bloße Werkzeug in der Hand des Ententekapitalismus. Der Völkerbund hat sich auch in diesem Punkt wiederum gezeigt als der Handlanger der Entente.

Aus allen diesen Gründen stimmen wir gegen beide Vorlagen, gegen die Genehmigung der Protokolle I und II. gegen die Kenntnisnahme des Protokolles III. Aus diesen Gründen lehnen wir auch den Entwurf in Bezug auf die Garantie für die internationale Anleihe ab. Und aus allen diesen Gründen werden wir auch für die Resolution stimmen, die von Seiten der deutschen Sozialdemokraten und von Herrn Dr. Kafka von deutschdemokratischer Seite hier vorgelegt wurde. Nicht, weil wir sie vielleicht prinzipiell billigen, denn sie enthält die Hilfe des internationalen Kapitals, aber wir erblicken in dieser Resolution eine Möglichkeit, die èechische sozialdemokratische Partei zu zwingen, Farbe zu bekennen, ob sie wenigstens theoretisch für eine Möglichkeit ist, diese internationale Hilfe zu gewähren, aber dabei den schändlichen Anschlag gegen die Selbständigkeit, gegen die Demokratie des österreichischen Proletariats abzuwehren. Wir werden aber nicht stimmen für die zweite, von Herrn Dr. Lodgman vorgetragene Resolution bezüglich der Schweiz, weil wir diese Resolution nicht ernst zu nehmen in der Lage sind. Wir stimmen gegen die beiden Vorlagen, die in den Genfer Protokollen ihre Ursachen haben, auch deshalb, weil gerade die Èechoslovakei hier mit hineingezogen werden soll in diesen internationalen Bund des Finanzkapitals, weil diese Beteiligung an den Anleihen und Garantien, an den Genfer Protokollen und an dem Kontrollausschuß nichts anderes beinhaltet, als daß die Èechoslovakei in alle Kämpfe, in alle kriegerischen Gefahren, die aus dieser Niederwerfung Österreichs, aus dieser Umwandlung Österreichs in eine Kolonie erfließen können, mit hineingezogen werden wird, weil mit diesen Protokollen die Èechoslovakei und das in der Uniform steckende èechoslovakische Proletariat die Verpflichtung mit übernimmt, die Durchführung der Genfer Protokolle gegen das österreichische Proletariat, auf dessen Kosten die Genfer Protokolle erfüllt werden sollten, eventuell auch mit Waffengewalt durchzusetzen. Das ist die Konsequenz der Genfer Protokolle und auch aus diesem Grunde müssen wir diese beiden Vorlagen in energischer Weise ablehnen. (Souhlas a potlesk komunistických poslancù.)

7. Øeè posl. Schäfera (viz str. 1840 tìsnopisecké zprávy):


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