Sehr geehrte Anwesende! Kollege Bubník hat sich bereits generell mit dem vorliegenden Voranschlag beschäftigt, und zwar hat er kapitelweise und ziffernmäßig gesagt, was von diesen Ziffern überhaupt zu sagen ist. Wenn ich nun als zweiter Redner der kommunistischen Fraktion in der Generaldebatte das Wort ergreife, so geschieht es, um zusammenhängend unseren Standpunkt zu präzisieren, einmal den Parteien gegenüber, die für diesen Voranschlag stimmen müssen, andererseits aber auch den Oppositionsparteien gegenüber, denen gegenüber es ebenso notwendig geworden ist, eine klare Scheidelinie zwischen uns und ihnen zu ziehen. Ja, das letztere scheint mir noch wichtiger als das erstere zu sein. Wir können uns nicht mehr in dem Rahmen einer oppositionellen Stellung bewegen, die glaubt, durch Kritik, wenn auch durch schärfste und leidenschaftliche Kritik, irgendwie auf die Haushaltung dieses Staatsvoranschlages im Sinne der arbeitenden Menschenmehrheit dieses Staatsgebietes Einfluß zu gewinnen. Sie haben uns das unmöglich gemacht, Sie selbst, Sie von den Regierungsbänken haben das unmöglich gemacht, und auch Sie von der Opposition. Wir haben uns schon in den vorhergehenden Jahren in der Stellungnahme zu den Staatsvoranschlägen durch diesen Unglauben in diametralen Gegensatz zu den übrigen Oppositionsparteien gesetzt. Wir haben Ihnen offen ins Gesicht gesagt, die Gesamtopposition in diesem Hause, die bürgerliche und die sozialpatriotische, die sogenannten sozialistische, ohne Unterschied der Nationalität treibe ein falsches und bezahltes Spiel. (Posl. Wenzel: Was haben denn Sie getan? Sie sind ruhig da gesessen!) Waren Sie in der Budgetdebatte? Sie führen Scheingefechte auf, Sie stellen sich als Opposition schützend vor die Regierung und ermöglichen ihr durch diese Staffage die Abführung einer Budgétberatungskomödie, die die Regierung braucht, um den von Jahr zu Jahr fortschreitenden Prozeß der Desavouierung des Parlamentes und mit ihm der ganzen Einrichtung dieser bürgerlichen Demokratie aufzuhalten. Ich sage aufhalten, denn alle Beteiligten der heurigen Ausschußberatungen sind wieder um eine Erfahrung in dieser Richtung reicher geworden, und es mußte sich jeder im Verlaufe der Peinlichkeit des Komödienhaften, des Gespielten, des innerlich Unwahren sagen: Wahrlich, es muß der Tag kommen, wo die Massen draußen ebensowenig wie wir mehr an den Sinn dieser Komödie glauben, es muß der Tag kommen, wo es den hundertmal betrogenen Arbeitern endlich klar geworden sein muß: Nur die Esel gehen ein solches bürgerlichdemokratisches Parlamentstheater wählen, nur die Esel erhoffen noch irgend etwas von diesem Instrument der Gegner! Die übrigen denkenden Arbeiter werden die Konsequenz aus einer solchen Erkenntnis gezogen haben und werden, wenn sie schon wählen gehen, mit einem Hintergedanken den Wahlzettel abgeben, mit dem Hintergedanken der Beseitigung dieser Einrichtung von innen heraus, was auch jedenfalls ihr natürliches selbstgewolltes Schicksal sein wird und sein muß. Dieses Parlamentstheater wird nach einer gewissen Zahl von Aufführungen und Betrugskomödien, zu denen vornehmlich die Budgetberatungen und Debatten gehören, sich selbst ad absurdum geführt haben.
Wer alle fünf Voranschläge vergleicht und die Linie verfolgt, die die Regierung von einem Budget zum anderen gegangen ist, wer demgegenüber vergleicht, was die Oppositionsparteien gemeinsam jedes Jahr auszusetzen hatten, wer vergleicht, was insbesondere die sozialistischen Parteien von einem zum andern Voranschlag wünschten, und wer nun bei diesem Ver gleiche sieht, daß die Regierung jeweils bei Aufstellung der neuen Voranschläge die Wünsche, auch die rein formellster Art, nicht nur nicht erfüllte - ich erwähne nur die Frist für die Beratung des Budgets sondern den gerade entgegengesetzten Kurs einschlug, der muß, meine Herren, zu dem Mißtrauen gegenüber der gesamten Opposition kommen, der muß zum Mißtrauen und zum Unglauben an allem gelangen, was je in diesem Hause von Sozialismus geschwätzt wurde, was je hier von Sozialismus verkündet wurde. Ja, der muß wünschen, es wäre in dieser Halle nie ein Wort von Sozialismus gefallen; denn alles, was sich hier in Sozialismus tat, diente nur zur Mißkreditierung dieses Wortes, es diente nur dazu, um der armen, gequälten und betrogenen Masse, der nichts anderes mehr geblieben ist in einem elenden Leben als dieses Wort der Hoffnung, die sich an dieses Wort wie an einen Glauben klammert, diesen Glauben zu zerstören.
Ich will mich, soweit die wenigen Minuten erlauben, mit den kulturellen Perspektiven dieses Voranschlages beschäftigen. Das Kulturelle ist bekanntlich der Überbau des Materiellen. Es sind bereits die Ziffern genannt worden, die dem Voranschlag seine Richtung weisen. In jedem Voranschlag figurierte bisher offen die Post 54 oder 55 Millionen für den Kultus. Wieviel indirekt, also in diesem Voranschlag nicht ausgewiesen, durch die Länder noch hinzukommt, ist nicht bekannt. In jedem Voranschlag war eine andere Begründung hiefür zu lesen, u. zw. in der Art, daß man glauben sollte, es wären immer nur ganz außerordentliche Ausgaben, die im nächsten Voranschlag ganz gewiß nicht mehr anzutreffen sein würden. In jeder Budgetberatung hielten auch nicht bloß die Oppositionsparteien - ich unterstreiche es - sondern auch die Regierungsparteien Reden gegen diese Kultuspost, entrüstete Reden - Scheingefechte. Was ist der Erfolg? Daß die Summen der öffentlichen Gelder, die für die Volksverdummung ausgegeben werden, mit jedem Voranschlage größer werden. Jene schwarze Hand, die hinter den Kulissen der Budgetberatung ihr Unwesen treibt, die für die Propagandazwecke zur Umnachtung der Gehirne Millionen fordert, wird immer dreister. Und so haben wir auch in dieser letzten Budgetberatung erlebt, übrigens nebenbei den beschämendsten Beweis für die Autorität des Ausschusses und überhaupt seines Sinnes, daß nach den oppositionellsten Kundgebungen der meisten der Regierungsparteien gegen den Posten für den Kultus vom Referenten der Antrag auf Erhöhung des Kultusetats um 9 Millionen gestellt und dieser Antrag auch angenommen wurde. Also dagegen sprechen und dafür stimmen! Meine Herren, hier hört die Geschichte von der Politik auf und es beginnt nach meiner Meinung die Frage über die persönliche Aständigkeit der Volksvertreter, die so etwas imstande sind. Alles in allem, wir kriechen buchstäblich von Jahr zu Jahr, mit dem wir uns von dem Umsturz entfernen, immer mehr zu Kreuze. Wir tun wahrscheinlich Buße dafür, weil wir im ersten Jahr die Mariensäule gestürzt haben. Nein, im Ernst, meine Herren! Sie sehen, welchen Weg die Regierung geht: Auf den Knien zurück nach Rom! Ich sage, die Regierung, denn im Volke ist diese kulturelle Rückwärtsorientierung, wie sie durch diesen Voranschlag des fünften Jahres der befreiten Republik offen zugegeben wird, keineswegs begründet.
Ich werde Ihnen das aus einem kurzen Gedankengang beweisen. Im Gegenteil, in der Mentalität der arbeitenden und denkenden Mehrheit dieses Volkes ist ein Umsturz der Weltanschauung vor sich gegangen, das kann kein Mensch leugnen. Verfolgen Sie die Ziffern der Kirchenaustritte! Sie finden große Industriezentren der Republik, wo die Konfessionslosen bereits 60% der Bevölkerung ausmachen. Wenn man dazu bedenkt, daß dies ein Prozeß ist, ein geistiger Prozeß, der erst im Auswirken begriffen ist, wenn man bedenkt, daß Hunderttausende bloß auf dem Papier der Kirche noch angehören und aus Trägheit oder Uninteressiertheit die Konsequenz ihrer geänderten Überzeugung noch nicht gezogen haben, so muß tatsächlich zugegeben werden, daß nicht nur die Massen des arbeitenden Volkes, sondern die weitesten Kreise des Kleinbürgertums die außen erlebte Katastrophe des Weltkrieges innerlich mit einem Sturze Gottes beantwortet haben. Im allgemeinen sind Gott und seine Moral in dem Verstand der ganzen gequälten Menscheit gestürzt worden, sind entlarvt worden als ein Gebilde der Pfaffen und ein Werkzeug der herrschenden Klassen, erfunden zu dem Zwecke, um die Knechte unter dem suggestiven Banne einer erfundenen Autorität zu erhalten, weil die eigene Autorität der Herrenklasse nicht mehr hält. Der Arbeiter hat hinter die schwarzen Vorhänge gesehen, mit denen der Staat und die herrschenden Klassen durch Kirche und Schule sein freies Denken, sein freies Erfassen und Begreifen dieses Lebens und seiner Niederträchtigkeiten verhängt haben, der Arbeiter hat in seinem Seelenleben dieVorhängen weggerissen, er hat schon die Konsequenz gezogen, er läßt sich durch Pfaffenwort und Gelehrtengeschwätz nichts mehr vormachen. Er will sich die Niederträchtigkeiten, die, wie ich schon sagte, ihm das Leben verstellen und die nichts anderes sind als die Niederträchtigkeiten der Herrenklassen, der bevorrechteten und besitzenden Klassen, also Ihre eigenen, selbst erklären und den Kampf mit Ihnen aufnehmen.
Meine Herren! Sie müssen zugeben, daß ein ungeheuerer Drang in den Massen einsetzt, ein Drang nach Licht und Aufklärung. Der gesunddenkende Kern der Masse, die, wie ich gesagt haben, Gott und den ganzen Plunder darum herum gestürzt hat, ringt jetzt krampfhaft unter den Trümmern der alten Denkweise. Sie will sich von dem alten Schutt befreien, sie sucht Hilfe, sie sucht eine neue, freiere Orientierung. Das ist der Sinn dessen, was in der Arbeiterseele vorgeht. Daß dieser Drang nicht ein Phantasiegebilde ist, daß er real existiert, sehen Sie an der Unzahl von neuen Bildungseinrichtungen, die der Arbeiter von den paar saueren Groschen, die er sich am Munde abspart, schafft. Fast in jeder kleinen Kolonie, wo Arbeiter wohnen, finden Sie dergleichen. Was ist der Proletkult, was sind die Arbeiterturnverbände, was bedeuten die Jugendgruppen, was bedeuten die Kindergruppen, der Freidenkerbund, der größtenteils von Arbeitern frequentiert wird, was bedeuten die Arbeiterschulen, die Vortragsabende? Alles zusammengenommen in seiner Idee nichts anderes, als das geistige Elementarereignis des Drängens nach Licht nach dem entsetzlichen Dunkel dieses Zusammenbruches der alten Kirchenund Kulturstätten, ein Drängen, das charakteristisch seinen Herd in den Arbeitermassen hat. Das muß doch jedem zu denken geben, wenn heute der arme Arbeiter und sein Weib nach der harten Arbeit des Tages, mit dem Kopf voller Sorgen abends müde und erschöpft noch stundenweit gehen zu einer Versammlung oder in eine Arbeiterschule, um irgend etwas von der neuen Bildung zu hören, während die Bourgeoisie die Abende und Nächte verschlemmt. Das ist doch einmal ein Beweis - und so liegen schon die Dinge - wo die Hoffnung auf eine neue Kultur zu suchen ist, wo, in welchem Lager, in dem der Bourgeoisie oder in dem des Proletariates, die kulturellen Aufgaben der Zukunft zu suchen sind. Es ist ein Beweis, und wären die Regierenden dieses Staates nicht borniert, wären sie nicht jämmerliche Spießer von geistig recht mittelmäßigem Format, die nicht in diese Zeit hereingehören, so müßten sie in diesem geistigen Drängen und Gären in der Masse des Proletariates etwas anderes sehen, als sie eben heute sehen. Es ist eben mit dem Prozeß der massenhaften Kirchenaustritte, mit dem gleichzeitigen Einsetzen neuer Bildungseinrichtungen, mit den Verfallserscheinungen der alten Eheform, mit den Verfallserscheinungen anderer moralischer Institutionen und Vorurteile im großen ganzen nichts anderes als das grandiose geschichtliche Schauspiel der Umorientierung der Massenpsyche aus der letzten Umklammerung des geistigen Mittelalters heraus in den neuen Raum der neuen Zeit gegeben. Die Kirchen sind zu enge geworden, das spürt jeder, sie haben nicht mehr den Menschen mit dem Weltkriegsleid im Herzen und der Weltkriegserfahrung im Sinne erfassen und beheimaten können, die Kirchen sind der Masse zu niedrig geworden, sie hat sie gesprengt und steht nun noch nicht auf freiem Feld, sondern sie ringt erst mit den alten Trümmern. Das ist das geistige Bild unserer Zeit. Die neuen Tore müssen mit Gewalt und unsäglicher Mühe aufgestoßen werden, die vordersten und verläßlichsten Bataillone dieses Drängens sind die Arbeiter mit ihren Bildungseinrichtungen, mit ihrem Streben nach Aufklärung. Das muß heute jeder halbwegs objektive Intellekt anerkennen.
Nun wäre es doc selbstverständlich für eine Regierung, die dieser Zeit und dem Willen der Masse entspräche, daß sie, nachdem sie vier Jahre immer unter anderen Ausreden untätig, unentschlossen, ja feindlich diesem Schauspiele der geistigen Umorientierung zusah, wenigstens im fünften Jahre mit einem Voranschlage käme, der kulturell dieser elementarsten Veränderung, die gerade im èechischen Volk recht charakteristisch wirkt, entspräche. Ich sage, gerade im èechischen Volke. Denn das èechische Volk ist im Keime seines Wesens für die freie Erfassung des Lebens angelegt. Das èechische Volk ist als Teil der slavischen Völker, nur eine physiologische Feststellung ist dies, ein physiologisch junges Volk, also von vornherein um ein beträchtliches Stück vorne in die Zukunft gestellt. Zudem hat kein Volk von Rom so stark gelitten, wie das èechische. In keinem Volk ist der Boden so vorbereitet für die Befreiung des Gedankens wie im èechischen Volke, in dem ein Hus nicht nur geboren wurde, sondern auch gelebt hat. Und dieses Volk läßt sich im fünften Jahre seiner Befreiung einen Voranschlag bieten, der dem Kultus Millionen von Geldern zuweist. Dieses Volk, das zum größten Teil aus Arbeitern besteht, läßt sich die Linie seiner kulturellen Zukunftsentwicklung von einem Šrámek diktieren! Dieses bis ins Mark Rom feindliche Volk läßt sich um seine freiheitliche Mission von einem Römling betrügen, dieses Volk, das, wie ich Ihnen gezeigt habe und wie Sie, die Sie aus den Arbeitermassen kommen, bestätigen müssen, wie kein anderes Volk sich geistig an der Wende einer neuen Zeit fühlt, läßt sich von einem Monsignore seinen Weg zeigen!
Wie reagiert die Regierung auf die elementaren Äußerungen der Bevölkerung nach einer neugerichteten kulturellen Linie, überhaupt auf die Äußerungen, die sich insbesondere unter der Arbeiterschaft zeigen, die für ihre saueren Notkreuzer in dieser Zeit der Not manigfache Bildungsmittel schafft? Wie reagiert die Regierung insbesondere auf den Bildungshunger der Arbeiterjugend? Wie beantwortet sie dieses qualvolle Suchen und Tappen des Proletariats nach einer anderen Kultur?
Die Regierung gibt schon Antwort darauf: sie schickt Gendarmen in die Jugendorganisationen und treibt sie auseinander, sie stiehlt ihnen das Geld und die Bücher. Das ist nicht nur in der Karlsbader kommunistischen Jugendorganisation geschehen, so ist man in hunderten Fällen vorgegangen. Ich nagle vom kulturellen Standpunkt das Unerhörte, das Gemeine und das Unzivilisierte dieser Maßnahmen fest. Eine Regierung eines modern sein wollenden Staates stiehlt armen Arbeiterburschen Bücher, Bücher, die sie sich von saueren Arbeitsgroschen kaufen, um die geistige Not und den Betrug, der ihnen durch die offiziellen Schulen wurde, selbst wettzumachen. Die Regierung verhaftet jugendliche Menschen, die sich in idealistischem Drange zusammentun, zu keinem anderen Zwecke, als um sich zu bilden, sie beschlagnahmt Zeitschriften und Bücher aus keinem anderen Grunde als dem, weil deren Inhalt aus der fürchterlichen Enge bürgerlich-nationalistischer, bürgerlichklerikaler und bürgerlich-staatlicher Fesseln und Kerker in reinere, lichtvollere, menschlich weitere Gesellschaftsformen weist. Darum werden Bücher beschlagnahmt, darum bestiehlt die Regierung die Mittel der Arbeiter. Ja noch mehr, meine Herren, die Regierung treibt Kindergruppen, die eine unschuldige Feier begehen, durch Gendarmen auseinander und maßregelt jene wenigen Lehrer, die an den Fingern einer Hand zu zählen sind, die sie in ideellem Zusammenhange mit diesen Kindergruppen weiß.
Warum bilden sich denn Kindergruppen,
Jugendorganisationen und Arbeiterbildungsstätten? Weil die offizielle
Schule, die der Staat bietet, eine Bildung vermittelt, die, qualitativ
betrachtet, keine Bildung zu nennen ist. Elende, nationalistisch
verhetzte, klerikal verseuchte Lernstuben sind unsere Schulen,
die Schulen dieser Republik, qualitativ unter dem Niveau der monarchistischen
Schulen Österreichs. Fast möchte ich es eine Kulturtat nennen,
diese Schulen insgesamt zu sperren. Und wenn der Voranschlag von
etwa 900 Millionen spricht, die er für das Schulwesen ausgibt,
welcher Schulmann läßt sich dadurch blenden oder täuschen? Wer
die Schule kennt, weiß, daß drei Viertel dieses Geldes nicht für
Bildung, gerichtet im Sinne menschlicher Befreiung, ausgegeben
werden, sondern für Verhetzung, entweder im nationalen oder im
bürgerlich-klassenhaften Sinne. Gehen Sie mit diesen Schulen!
Die Arbeiter wissen und fühlen es, warum sie sich - so mühsam
und ärmlich das auch sein mag - ihre Kindergruppen und Proletkulte
schaffen! Um sich und ihre Kinder aus diesem offiziellen Bildungssumpfe
der öffentlichen Schulen zu befreien. Die Auflösung der Jugendorganisationen
hat der neue Ministerpräsident natürlich mit der üblichen Begründung
der antistaatlichen Propaganda begründet. Ein Mitglied der Koalitionsparteien,
natürlich ein Sozialist, hat bei der Budgetdebatte noch ein Übriges
getan und die Auflösung der kommunistischen Jugendorganisationen
im Sinne der Regierung noch weiter begründet. Was die antistaatliche
Propaganda betrifft, so frage ich: Muß diese antistaatliche Propaganda
nicht die selbstverständliche Folge der Tätigkeit einer Jugend
sein, gegen die die Regierung antigesellschaftlich vorgeht? Die
Jugend hat ein Recht auf die Zukunftskultur, und zwar umso mehr
und intensiver, je mehr sich die gegenwärtige Regierung an der
Schaffung der Zukunftskultur versündigt. Wir leben inmitten einer
Burgeoisie-Staatlichkeit, deren ohnehin räumliche Enge eine Regierung
noch durch klassenhafte, durch nationale und kulturelle Maßnahmen
direkt unterträglich macht. Es ist darum für jeden Menschen und
insbesondere für die Jugend diese Antistaatlichkeit in Gesinnung
und Tat die erste kulturelle Pflicht im Sinne einer weiteren und
höheren Gesellschaftsordnung.
Pøedseda (zvoní):
Volám pana poslance
za tento výrok k poøádku.
Posl. Warmbrunn (pokraèuje): Übrigens bedeutet diese Auflösung der kommunistischen Jugendorganisationen durch die politischen Landesverwaltungen auch eine gesetzliche Inkonsequenz nach den staatlichen Gesetzen selbst. Die kommunistischen Jugendorganisationen sind ideell keine selbständigen Organisationen. Sie sind sozusagen ideell Glieder der kommunistischen Partei. Sie müssten, wollten Sie konsequent vorgehen, zunächst die Partei außerhalb des Gesetzes gestellt haben. Warum lösen Sie die Partei nicht auf? Aus Feigheit! Warum werfen Sie sich auf die Jugendorganisationen? Wir alle stehen hinter diesen aufgelösten Jugendorganisationen und Kindergruppen.
Diese neue Regierung scheint also noch offener als alle vorhergehenden sich als Ziel, ja als Programm offene kulturelle Reaktion gesetzt zu haben. Sie will ihre außenpolitische Mission darin finden, daß sie in der reaktionären Flut, die politisch und kulturell von dem französischen Westen des Kont tionären Osten heranrollt, die Rolle eines Stützpunktes der Konterrevolution in diesem allgemein reaktionären Sturm gegen die Bastionen der Revolution spielen will. Längst bekannte Tatsache ist, daß Prag der Sammelpunkt kontrarevolutionären Gesindels jeder Art geworden ist, das offiziell direkt die Gastfreundschaft und die Unterstützung der Regierung genießt. Tatsache ist ferner, daß unter diesem eindeutigen Kurs der Regierung die Reaktion Morgenluft wittert und ihre Arbeit versucht. Ja, wir stehen heute soweit, daß die èechischnationale Regierung - ich sage die èechischnationale Regierung - mit verschränkten Armen und in wohlwollender Duldung vor den reaktionären Exzessen der hakenkreuzlerischen deutschen Akademiker steht. Die deutschen und èechischen Arbeiter haben unlängst im Falle Kratzau es erlebt, wie die èechische Regierung vor dem deutschnationalen Ausbeuter und Scharfmacher Klinger kapitulierte, ja wie sie ihm bereitwilligst Gendarmerieschutz gewährt hat, nur weil es sich um die Niederknüppelung und Mürbemachung der Arbeiter handelte.
Zu dieser feinen Harmonie zwischen der èechischen Regierung und den deutschnationalen Ausbeutern auf wirtschaftlichen Gebiete bietet nun der Fall des deutscharischen Streikes an der Prager deutschen Universität, der heute noch nicht beendet ist, sozusagen ein symptomatisches Gegenstück auf kulturellem Gebiet. Der Fall ist einfach: Der deutschnationale Teil der Prager deutschen Studentenschaft besetzt das Gebäude der Universität, weil der ordnungsgemäß zum Rektor der Universität gewählte Professor Dr. Steinherz ein Jude ist. Die deutschnationalen Studenten, hinter denen sämtliche christlichen Korporationen und Verbindungen, ferner die organisierte "Finkenschaft" und der "Bund der Freischaren" stehen, verhindert durch diese Besetzung den Betrieb des Unterrichtes. Was tun nun zunächst die akademischen Behörden zu dieser unerhörten Verletzung der akademischen Lehr- und Lernfreiheit? Sie tun nicht nur nichts gegen diese anonymen deutscharischen Studentengruppen, sondern sie billigen ihr Vorgehen noch dadurch, daß sie die Streikenden zu Verhandlungen einladen, was also die ideelle Anerkennung ihres deutscharischen Grundsatzes bedeutet. Nun, was sagt das Schulministerium und die Regierung zu dem Fall? Geht sie gegen die akademischen Behörden, die ihre. Pflicht nicht kennen wollen, oder geht sie gegen die deutscharischen akademischen Hakenkreuzler selbst vor? (Posl. Kreibich: Wie gegen streikende Arbeiter!) Zwingt sie etwa die anonymen Gruppen zur Legitimierung, sorgt sie für den Schutz der Universität? Was tut die Regierung, wenn Arbeiter, aus Lebensnot gezwungen, gegen die Ausbeutergier ihrer Unternehmer protestieren und etwa wagen, das Unternehmen zu besetzen? Da ist die Regierung . . . . . (Výkøiky posl. Kreibicha a Knirsche.) Ja wenn es sich um Arbeiter handelt, ist die Regierung sofort mit Gendarmerie und Militär zum Schutze der heiligen Ordnung bereit. Dieselbe Regierung ist in diesem Falle auf einmal unendlich langmütig und geduldig. Das Schulministerium läßt zwar einen Erlaß heruntergehen, in dem der Senat ersucht wird, ich bitte ersucht wird, dahin zu wirken, daß der Unterricht ehestens aufgenommen werde. Es mutet einen wie ein schlechter Witz an, von dem Sinne eines solchen Ersuchens an denjenigen zu sprechen, der eben wegen Pflichtverletzung zu bestrafen wäre. Meine Herren! Hier handelt es sich um die offenkundige Reaktion, in deren Unterstützung die Regierung keinerlei nationale Vorurteile mehr hat.
Was diesen Vorfall an der Prager deutschen Universität an sich betrifft, so bedeutet er für unseren Standpunkt keine Überraschung. Wir wissen, daß die Hochschulen der bürgerlichen Staaten gleich wie ihre übrigen Schuleinrichtungen nichs anderes sind als die kulturellen Mittel zur Aufrechterhaltung der bürgerlichen Klassenherrschaft. Wir wissen, daß insbesondere die Hochschulen in der gegenwärtigen Zeit in Konsequenz des Verfalles der bürgerlichen Kultur überhaupt die Hochburgen der Reaktion geworden sind, voran die deutschen Hochschulen, so leid mir dies tut, dies als Deutscher, der ich bleibe, zu konstatieren. Jenaer Studenten waren es, die Arbeiter, welche eine Maifeier begingen, mit einem Schilde "Wir fordern Freibier und einen Kaiser!" verhöhnten. Es ist Ihnen vielleicht bekannt, daß z. B. an der Freiburger Universität Aufforderungen zur Ermordung demokratischer Professoren zu lesen waren, die auf direktem Wege lückenlos zu jenen wirklich vollbrachten Mordtaten führen, die mit dem Begriff "Deutscher Student" für ewige Zeiten verbunden sind. Man versteht, daß ein Wilhelm Foerster seine Professur mit der Erklärung niederlegte, der Geisteszustand der deutschen Universitäten sei heute nicht der Boden, auf dem ein neues Deutschland erwachsen könne. Das ist der Ausspruch Foersters! Man versteht, daß Einstein auch heute noch in Berlin gewissermaßen unter dem Ausschluß der Öffentlichkeit liest, damit er von deutschvölkischen Buben nicht gestört werde. Es ist demnach nur selbstverständlich, daß Prag, wo das deutsche Burschenschaftertum seine besondere Blüte erlebte, in den allgemeinen Verfallserscheinungen der bürgerlichen Hochschulkultur seine besondere Rolle spielen muß. Für die Arbeiter beider Nationen bedeutet demnach dieser Vorstoß hakenkreuzlerischer Frechheit die eindringliche Lehre, daß von diesen Brutstätten der Reaktion keine Erneuerung des Geistes von innen heraus, etwa durch eine Reform zu erlangen ist, sondern daß sie eben als Herde der bürgerlichen Kultur mit dieser und diese mit der bürgerlichen Wirtschaft verschwinden müssen.
Der Abgeordnete Patzel hat von hier aus diese hakenkreuzlerischen Orgien an der Universität als einen ernsten Geisteskampf hingestellt. Jawohl, aber der Geisteskampf des Mittelalters. Die Prager akademischen Hakenkreuzler sowie der Herr Patzel können versichert sein, daß wie, schon Kollege Kreibich gesagt hat, die Arbeiter in diesen Geisteskampf eingreifen werden, sie werden eingreifen, aber anders, als es sich die großdeutsche Orgeschreaktion, und mag sie sich auch zeitweise mit der èechischen verbinden, mögen sie gemeinsam marschieren, wünschen wag. Die Arbeiter ohne Unterschied der Nation werden schon die nötige geschichtliche Korrektur dieses sogenannten Geisteskampfes vornehmen.
Es wurde bereits von uns ausgesagt,
daß wir gegen diesen Voranschlag stimmen werden. Wir werden uns
aber mit dem Dagegenstimmen nicht begnügen. Wir werden hinausgehen
und den Massen diesen Voranschlag zeigen und erklären. Wir werden
ihnen die materielle wirtschafttung dieses Voranschlages erklären.
Wir werden ihnen sagen, daß im fünften Jahre der befreiten Republik
ein Rašín den wirtschaftlich-finanziellen Kurs bestimmt
und ein Šrámek die Patronanz über die kulturelle Entwicklung
nimmt. Die Arbeitermassen, seien Sie versichert, der gesunde Instinkt
der arbeitenden Massen, welche Sprache sie immer sprechen mögen,
sie werden an diesen zwei Schutzpatronen schon verstehen, wohin
die Fahrt geht. Sie werden verstehen und begreifen, was das denn
eigentlich für eine Befreiung, vor fünf Jahren war! (Souhlas
a potlesk komunistických poslancù.)
Hohes Haus! Bevor ich in die Sache selbst eingehe, gestatten Sie mir einen kurzen Rückblick auf unsere politischen, nationalen und wirtschaftlichen Verhältnisse, denn nur in der vorurteilslosen Auffassung der geschichtlichen Ereignisse können wir einen ungetrübten Einblick in die Gegenwart erlangen und für die Zukunft vorsorgen.
S chon der Aufbau dieses Staates ist von Grund auf verfehlt. Ein neuzeitlicher Staat - und dies kann nur ein Freistaat sein - läßt sich nicht bilden oder wenigstens nicht auf die Dauer erhalten, wenn das natürliche Selbstbestimmungsrecht von Völkern dabei mit Füßen getreten wird. Was nicht zusammengehört, wird und muß zerfallen. Ohne Befragen der Deutschen, die Verhandlungen mit den Deutschen brüsk ablehnend und sie als Rebellen bezeichnend, haben die revolutionären Machthaber, welche aus dem Umsturz heraus diesen Staat gründen zu müssen glaubten, einen Nationalstaat haben wollen, in Wirklichkeit aber einen Nationalitätenstaat erhalten. Die von den Gründern des Staates diesem Staat gegebene Verfassung kam, sowie die Staatsbildung selbst, ohne Befragung der Nationalitäten zustande; die Verfassung wurde ihnen aufgezwungen. Die Übelstände, welche sich daraus ergeben, zeigen sich erst jetzt recht klar in unserem ganzen parlamentarischen und öffentlichen Leben.
Von dem Hirngespinst einer Staatssprache ausgehend, die in Wirklichkeit nicht bestehen kann, weil der Staat kein einheitlicher Nationalstaat ist, hat sich der Sprachenstreit entwickeln müssen, der den Bestand dieses Staates schwer gefährdet. Wir müssen selbstverständlich auf dem von unserem Volk vertretenen Standpunkt stehen, daß weder die Verfassung dieses Staates, noch die sogenannte Staatssprache den wirklichen Bedürfnissen dieses Staates entsprechen und einer Änderung bedürfen.