Hohes Haus! Gerade zur Erörterung
über die Frage des neuen Schulgesetzes, der Schulreform, kommt
mir der Bericht über die Vorfälle zu, die sich Sonntag, den 25.
Juni, in Leitmeritz ereignet haben, (Výkøiky nìmeckých poslancù.)
Vorfälle, über die ich im Zusammenhang mit der Schuldebatte
doch sprechen muß. Wir müssen flammenden Protest einlegen gegen
das, was dort geschehen ist. Die Darstellung ist kurz gegeben.
Der deutsche Turnverein in Leitmeritz feierte Sonntag sein 60jähriges
Bestandfest, und zwar mit einem Platzkonzerte auf dem Markt und
einem Schauturnen auf der Schützeninsel. Schon vormittags, als
mit der Bahn auswärtige Turner und Turnerinnen eintrafen, kam
es zu kleinen Zusammenstößen, da sich einzelne Gruppen von Èechen
über die satzungsgemäßen schwarz-rot-goldenen Abzeichen aufregten
(Hluk. Výkøiky.) und das Ganze als eine Provokation bezeichneten.
In der Langengasse überfielen drei Èechen, unter ihnen der Rädelsführer,
der Staatsbahnschlosser Strasil, zwei Turner mit den Worten: "Das
sind die größten Hunde aller Hunde, wartet nur bis heute nachmittags!"
(Výkøiky posl. dr. Lodgmana.) Als sich der Festzug nachmittags
durch die Straßen zum Festplatze bewegte, sprang an der Kreuzung
Ohorn-Lippertgasse, gedeckt von fünf bis sechs Helden, ein Legionär
in Zivil mit einem Messer in der Hand gegen die im Zuge getragene
schwarz-rot-goldene Fahne, deren Verwendung von der politischen
Behörde ausdrücklich gestattet war und riß diese Fahne von der
Stange. Die Täter wurden von den Turnern und Zuschauern dingfest
gemacht. Dabei hat sich ein Èeche mit seinem eigenen Messer eine
Verletzung an der Stirn zugezogen. Einer der Fahnenjunker erhielt
einen Stich in den Unterarm. Die sofort durchgeführte Inhaftnahme
der Legionäre und Störenfriede hatte zur Folge, daß sich Èechen
in einer größeren Menge bei der städtischen Sicherheitswache ansammelten
und die Freilassung der Täter verlangten. Dies wurde auch tatsächlich
erzwungen. (Hört! Hört!) Sie liefen dann unter Drohungen
und Schmährufen durch die Straßen, u. zw. gegen Theresienstadt,
um von dort Hilfe zu holen. Der Zug war inzwischen auf dem Festplatz
auf der Schützeninsel angelangt. Das Schauturnen nahm daselbst
seinen ungestörten Fortgang. Gegen 4 Uhr nachmittags erschien
plötzlich ein starker Trupp von Soldaten, (Výkøiky posl. dr.
Lodgmana.) besetzte den Zugang zur Insel und hielt diesen
Zugang bis zum Einbruch der Dämmerung unter Absingung èechischer
Lieder und unter ständigen Drohrufen besetzt. Nur mit Mühe und
dank dem persönlichen Einschreiten des Bezirkshauptmanns Dr. Veltrubský
konnte ein Durchbruch dieser Leute nach der Schützeninsel verhindert
werden. Die Gendarmerie mußte durch Militärbereitschaft verstärkt
werden. Diese Gesellschaft erzwang sich auch vom Bezirkshauptmann
Veltrubský die Erlaubnis, die Schützeninsel nach verborgenen Fahnen
und Abzeichen zu durchsuchen. Als dann nach Beendigung der Vorführungen
die Festteilnehmer, darunter viele Frauen und Kinder, in Ruhe
über den oberen Ausgang der Insel in die Stadt zu gelangen versuchten
und sich der Ferdinandstraße näherten, stellten sich ihnen èechische
Soldaten entgegen und überschütteten diese wehrlosen Frauen und
Kinder (Výkøiky nìmeckých poslancù.) aus einem Gebüsch
heraus mit einem Steinhagel. (Výkøiky posl. inž. Junga.)
Pøedseda (zvoní): Upozoròuji pana posl. dr. Schollicha, že jsme ve školské debatì. (Hluèný odpor nìmeckých poslancù a rùzné nìmecké výkøiky.- Posl. inž. Kalina [tluèe pìstí na lavici]: Das ist ja unerhört! Kinderhat man blutig geschlagen! Soll man dazu schweigen? - Pøedseda zvoní.) Volám pana posl. inž. Kallinu k poøádku.
Posl. dr. Schollich (pokraèuje):
Es wurde festgestellt, daß Glasscherben, Flaschen und Bajonette
und Gewehrverschlüsse dabei verwendet wurden. Die Kinder, die
armen wehrlosen Kinder wurden . . . . . (Vøava nìmeckých poslancù.)
Moment, meine Herren, es kommt noch besser, ich bitte um einen
Augenblick Geduld. Diese Kinder wurden über das Eisengeländer
der Bahn geworfen und zurückgetrieben. (Výkøiky nìmeckých poslancù.)
Der Abzug der deutschen Kinder und Frauen wurde von einem
Trupp unserer Leute gedeckt, die dann vollständig wehrlos den
rohen und entmenschten Knüppelund Messerhelden ausgeliefert waren,
die nun eine regelrechte Menschenjagd nach den einzelnen Wehrlosen
einleiteten, sie niederschlugen, und wie festgestellt wurde, auch
ausraubten. (Vøava nìmeckých poslancù. - Posl. inž.
Kallina: Wie im Parlament!)
Pøedseda (zvoní):
Pana posl. inž. Kallinu volám po druhé k poøádku. (Výkøiky
posl. dr. Uhlíøe.)
Posl. dr. Schollich (pokraèuje): Man muß uns das Recht geben, über solche Vorfälle im Hause hier zu sprechen. Die Kinder wurden stundenweit gehetzt und trafen erst spät nachts in der Stadt ein. Die städtische Polizei und Gendarmerie griff erst später ein. Die Bereitschaft zog ohne einzuschreiten vorüber, der Stationskommandant GeneraIRada ließ um 3/4 7 Uhr abends Retraite blasen, d. h. er gab den Auftrag dazu. Diesem Auftrag wurde nicht nachgekommen. (Nìmecké výkøiky.)
Nur an einzelnen Stellen wurde
um 3/4 8 Uhr Retraite geblasen. Trotzdem kehrten die Soldaten
nicht in die Kaserne zurück. Sie leisteten dem Befehle keine Folge,
im Gegenteil, sie sagten dem Herrn General, er solle sie . . .
. . . Ausspruch aus Götz von Berlichingen! Und sie erklärten,
dem Herrn General noch 1.50 K auf ein Krügel Bier geben zu wollen,
er solle sie in Ruhe lassen. So schaut die Verwendung des Militärs
in Wahrheit aus. So hatte das Eingreifen des Generals Rada keinen
Erfolg, er konnte dem blindwütigen Treiben der Soldateska keinen
Einhalt tun, die überall von der Leitmeritzer Minderheit unter
Bezeichnung jener, welche besonders aufs Korn zu nehmen wären,
noch angeführt wurde. Auch wurden Drohungen ausgestoßen, daß noch
viel schlimmere Tage über Leitmeritz kommen werden. Bis zum heutigen
Tage, bis zur Stunde sind 70 Schwer- und Leichtverletzte gezählt
worden, darunter allein 40 Kinder. (Hört! Hört!) Verprügelt
wurde z. B. auch, und das ist bezeichnend, der Stadtarzt Doktor
Siegel, der den Verletzten die erste Hilfe leisten wollte. Anführer
waren der Bahnschlosser Dražil, der aus der Gemeinde ausgewiesene
Würstelhändler und Eckensteher Krejza, sowie der Schlosser Franìk,
der sich schon seinerzeit bei der Erstürmung des Leitmeritzer
Rathauses ausgezeichnet hatte und der bis heute noch nicht der
Bestrafung zugeführt worden ist. (Výkøiky.) Meine Damen
und Herren! Wir müssen flammenden Protest gegen diese Vorgänge
einlegen, die ganz unerhört sind. Es ist unerhört, daß das Militär,
das zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung berufen ist, das
eine Stütze des Staates sein soll, zu solchen Zwecken mißbraucht
und zur Ermordung gegen Deutsche verwendet wird.
Pøedseda (zvoní):
Volám pana øeèníka
za tento výrok k poøádku. (Výkøik posl. dr. Lodgmana.)
Posl. dr. Schollich (pokraèuje):
Sie predigen hier von Völkerversöhnung und schieben uns die
Schuld zu, daß es zu die ser Völkerversöhnung bisher in diesem
Staate noch nicht gekommen ist. Auf die sem Wege, meine Herren,
werden Sie wahrscheinlich zu der notwendigen Ruhe und Ordnung
in diesem Staate überhaupt niemals kommen. Ich habe es das letztemal
anläßlich der Schuldebatte ausgesprochen. . . . . (Posl. inž.
Jung: Herr Kollege, wollen Sie die Ansicht der èechischen Sozialdemokraten
zu dem Falle hören? Wir sollen uns das bis zum Abend aufheben,
bis wir aus dem Wirtshaus gekommen sind.- Hluk.) Das ist bezeichnend
für den Geist, der hier herrscht. Ein derartig un erhörter Vorfall
sollte selbst in den Reihen der èechischen Sozialdemokraten lebhaften
Widerspruch auslösen, denn auch sie dürften es niemals zulassen,
daß das Militärrohe Gewalt anwendet. Denn das ist der Anfang vom
Ende, wie es das alte Rom gezeigt hat, wenn die blindwütende Soldateska
die Herrschaft im Staate antritt. Es ist bezeichnend, daß Sie
über derartig wichtige Beschwerden unsererseits mit einem Lächeln
und Achselzucken hinweg gehen. Anläßlich der Schuldebatte habe
ich erklärt: Wenn Sie die notwendige Ruhe und Ordnung nicht schaffen
werden, dann werden Sie unsere deutsche Bevöl kerung immer weiter
in den Widerstand hineintreiben und dann wird die Zeit kom men,
wo uns einmal die Geduld reißen und wir einmal zu Revolvern und
Dresch flegeln greifen werden, um die Minder heiten hinauszutreiben.
Man hat mir diesen Ausdruck von dieser Stelle seitens Ihrer Parteien
sehr übelgenommen, obwohl er an eine Reihe von Voraussetzungen
ge knüpft war. Und ich kann auch hier nur wieder wiederholen:
Treiben Sie unsere Geduld nicht bis zum Äußersten, sonst werden
Sie den Bürgerkrieg hervorrufen, den Bürgerkrieg, der auch diesem
Staate sein wohlverdientes Ende bereiten wird. (Potlesk na
levici.)
Pøedseda (zvoní):
Volám pana øeèníka
za tento výrok opìtnì k poøádku. (Trvalý hluk na levici. -
Posl. Knirsch: Warum wird er denn zur Ordnung gerufen? Rufen
Sie die Soldaten zur Ordnung!)
Posl. dr. Schollich (pokraèuje): Ich bitte Sie, Herr Kollege, regen Sie sich darüber nicht auf. (Výkøiky.) Indem ich hoffe, daß dieser letzte Appell unsererseits von Seiten der èechischen Parteien verstanden wer den wird, daß sie selbst Ordnung in ihrem Staate machen werden, daß sie die Schul digen zur Verantwortrtung ziehen. . . (Posl. Knirsch: Schöner Idealist!) Herr Kollege, ich für meine Person, habe diese Über zeugung nicht mehr. Es gibt aber in un serem de tschen Volke noch immer so viele Idealisten und Leichtgläubige, welche annehmen und glauben, daß wirklich in diesem Staate eine Stelle vorhanden ist, wo der Deutsche sein Recht bekommt. Ich gehöre nicht dazu, glauben Sie es mir. Ich wende mich nunmehr der Bespre chung des eigentlichen Themas, dem Schul gesetze zu. Zu den vielen Gesetzen, die bei dem großen Reinemachen hier in diesem Hause noch schnell unter Dach und Fach gebracht werden sollen, gehört auch das sogenannte kleine Schulgesetz, beziehungs weise, wie es richtiger heißt, das Gesetz betreffend die Abänderung und Ergänzung der Gesetze über die Volks- und Bürger schulen. Ich will nicht bestreiten, daß eine Erweiterung und Ergänzung der heutigen Schulgesetze notwendig war. Unser ganzes Schulwesen basiert noch heute auf dem Reichsvolksschulgesetz vom 14. Mai 1869. Es ist richtig, daß dieses Schulgesetzteil weise veraltet und verbesserungsbedürftig war, und man hätte erwarten müssen, daß die èechischen Parteien ein neues besseres, moderneres Gesetz an seine Stelle setzen werden, ein Gesetz, das einen Vergleich mit dem alten Reichsvolksschulgesetz aus halten würde, das ein Meisterwerk in seiner Art war. Die Èechen hätten sich wahrlich an diesem Gesetz ein Beispiel nehmen können. Aber dort im alten Öster reich hat man auch andere, bessere gesetz geberische Arbeit geleistet. Man hat sich jahrelang mit der Materie beschäftigt, man hat um jedes Wort gehandelt, hat überlegt, bevor man es niederschrieb. Bei uns geht das viel einfacher. Wenn die Verbesserungsbedürftigkeit eines Gesetzes erkannt wird - es dauert das oft wahrlich lange genug - wird ein Regierungsentwurf von einem Bürokraten, einem Beamten ausgearbeitet, und nunmehr beginnt an der Hand dieses Entwurfes der Kuhhandel der politischen Parteien, der "Pìtka"-Parteien. Jede Partei bemüht sich nun, etwas von ihrem Geiste in dieses Gesetz hineinzutragen und die Folge ist natürlich, daß nichts Gescheites herauskommen kann. Alle diese Gesetze stellen Kompromisse der Koalitionsparteien dar und sind infolgedessen wie alle Kompromisse eine Mißgeburt, die eigentlich gar nicht das Licht der Welt erblicken sollte. Und wenn einmal diese Fassung durch die "Pìtka" festgelegt ist, kann man auch mit sachlichen Anträgen nichts mehr ändern, dann gibt es keine Verbesserung mehr, das Gesetz wird hier im Hause im Eilzugstempo behandelt und durchgepeitscht.
Die Generaldebatte war im Kulturausschusse kaum fertig, so wurde dieses Gesetz auch zugleich durch die anderen Ausschüsse durchgejagt und gestern abends um 10 Uhr wurde uns die endgültige Fassung des Gesetzes im Hause vorgelegt. Das ist wahrlich keine wirkliche gesetzgeberische Arbeit. Ich würde mich an Stelle der èechischen Koalitionsparteien schämen, wenn ich die Verantwortung mit tragen sollte für derartige Gesetze. Damit begibt sich das Parlament des wichtigsten Rechtes, der gesetzgeberischen Arbeit, es macht dadurch den Bürokratismus zum unumschränkten Herrn. Aber ich glaube, es ist hier nachgerade Mode geworden, im letzten Augenblicke, wenn das Parlament auf Ferien gehen soll, die verschiedensten, unglaublichsten, schwersten Materien noch zu behandeln und in wenigen Stunden durchzupeitschen. Sie brauchen uns dabei eigentlich nicht und es wäre viel klüger und gescheiter, Sie würden mit dem alten Schwindel und dem Schlagworte von Demokratie und Parlament endlich einmal aufhören. Denn das ist wahrlich kein demokratisches Parlament, das ist nur eine Schaubude, berechnet vielleicht für die Laien. Niemals aber kann da ersprießliche Arbeit geleistet werden. Dann kommt es allerdings vor, wie unlängst beim Lehrerparitätsgesetze, daß Sie einige Monate später ein Gesetz von Grund auf wieder verbessern müssen. Am 16. Dezember 1921 hatten Sie der Lehrerschaft und den Beamten den Peitschenhieb versetzt und hatten bei Nacht und Nebel, damit ja nicht eine Überrumpelung eintreten kann, damit die Beamtenorganisationen nicht mobilisiert werden können, ein neues wichtiges Gehaltsgesetz beschlossen. Als Sie aber dann die Verzweiflung sahen, die dieses Gesetz auslöste, als Sie sahen, welch tiefer Haß sich in erster Linie gegen jene Parteien richtete, welche, bar jedes sozialen und menschlichen Empfindens, mit kaltem Herzen für dieses Schandgesetz gestimmt hatten, da vollzog sich auf einmal bei Ihnen eine Schwenkung, eine Änderung, und es ist possierlich zu beobachten, wie Parlamentarier, Politiker, Führer Ihres Volkes draußen den Lehrern erklärten, sie hätten keine Ahnung gehabt davon, was im Gesetze gestanden sei, sie wären nicht informiert, und dergleichen Ausreden mehr, wie sie benützt werden mußten. Es ist wohl ein trauriges Zeichen für einen Politiker, wenn er der Wählermasse gegenüber zugestehen muß, daß er keine Ahnung von einem Gesetze hatte, das hier beschlossen wurde. Dann müssen Sie natürlich Änderungen vornehmen. Das ist beim Lehrerparitätsgesetz teilweise erfolgt, und das gleiche Schauspiel haben wir schon bei vielen anderen Gesetzen erlebt. So wird hier in diesem Hause gesetzgeberische Arbeit geleistet. Es ist schade um jedes Wort der Kritik, weil bei den derzeitigen Machtverhältnissen es ausgeschlossen ist, eine Änderung des Systems herbeizuführen.
So ist auch dieses sogenannte kleine Schulgesetz eine vollständige Mißgeburt, ein Wechselbalg, oder sagen wir ein Bastard, oder wie schon immer die Ausdrücke dafür lauten mögen. Ich weiß nicht, wie dieses Produkt überhaupt zu dem Namen Schulgesetz gekommen ist. Wie irgendwelche Kreise Hoffnungen daran geknüpft haben und wie man erwarten konnte, daß damit eine neue Epoche auf dem Schulgebiete eingeleitet wird, kann ich mir nicht erklären. Man hätte erwarten sollen und müssen, daß gerade nach dem Kriege, in der Nachkriegs zeit bei den vielfachen Wirkungen, bei den Verirrungen, die der Krieg auf allen Ge bieten ausgelöst hat, hier nunmehr Mittel und Wege ersonnen werden und daß man darangehen werde, besonders das Schulwesen auszubauen und den neuen Verhältnissen anzupassen, um ein neues tüchtiges Geschlecht heranzuziehen. Die Verhält nisse sind ähnlich denen nach dem 30jährigen Kriege, jener Zeit, wo Komenius, der große Sohn des èechischen Volkes, dem auch wir Deutsche die Anerkennung nicht versagen, gesagt hat: "Wenn gegen die Verderbnis des Menschengeschlechtes Mittel angewendet werden sollen, so muß es vorzugsweise durch eine behutsame und vorsorgliche Jugenderziehung geschehen. Wenn die Jugend ohne die nötige Bildung aufwächst, dem Walde gleich, den niemand pflanzt, bewässert, beschneidet und gerade richtet, so beherrschen wilde, ungezähmte Sitten und Gewohnheiten die Welt, alle Städte und Flecken, alle Häuser, alle Menschen, denen Körper und Geist von lauter Verwirrung wimmeln. Wenn wir wohl ein gerichtete Staaten und Haushaltungen wünschen, so müssen wir vor allem die Schulen wohl einrichten und erblühen lassen, daß sie wahre und lebendige Werk stätten der Menschenbildung und Saat schulen der Staaten und Haushaltungen seien. So werden wir endlich unser Ziel erreichen, anders nimmermehr."
Dieses Wort des Komenius gilt auch für die heutige Zeit. Auch heute sind die Schulen richtige Prägestätten des Volksgeistes und sie werden es auch in Zukunft bleiben, und es ist nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß das Schulwesen eines Staa tes, eines Volkes zugleich der beste Ausdruck seiner Kultur ist und daß man die Kulturstufe einer Nation nach ihrem Schulwesen beurteilen kann. Ein Volk, das sein Schulwesen vernachlässigt, seine Kulturstätten nicht ausbaut, begibt sich des Rechtes, eine Kulturnation genannt zu werden.
So haben wir sehen müssen, daß gleich nach dem Umsturze alle Staaten daran gegangen sind, ein modernes Schulwesen zu schaffen. Man hat sich von den alten Methoden abgewendet, die schließlich und endlich darin bestanden, daß man den Kindern eine gewisse Summe von Kenntnissen vermittelte. Man ist zur Einsicht gekommen, daß es in der heutigen modernen Zeit gilt, die Menschen zur Selbständigkeit zu erziehen, neue Methoden anzuwenden, mit einem Wort, daß die höchste Aufgabe die Erziehung zur sittlichen Persönlichkeit sein muß und daß diese durch das ganze Schulleben zu pflegen ist.
Das arme Deutschösterreich ist auf diesem Gebiete vorbildlich vorgegangen. Es hat ganz neue Bahnen eingeschlagen, die Arbeitsschule in der Bevölkerung verankert, die Arbeitsschule, die wirtschaftlich wertvolle Arbeitsleistungen aufweisen soll und die mit dem praktischen wirtschaftlichen sozialen Leben auf das innigste verknüpft ist; die Arbeitsschule, die eine Bildungsstätte sein soll, in der die Jugend vorgebildet werden soll für den ganzen wirtschaftlichen und sozialen Kampf, hineingestellt werden soll in die wirtschaftskulturelle Arbeitsgemeinschaft.
Das englische Parlament hat das gleiche schon während des Krieges getan und die Pläne des Mr. Fisher angenommen, der im Laufe der letzten Kriegsjahre seine Educationsbill einreichte und damit die allgemeine Begeisterung aller wahrhaften englischen Patrioten auslöste. Denn damit wurde das Bildungswesen Englands auf eine vollständig neue Stufe gestellt. Mit der Einreichung dieser Bill war wirklich ein vollständig neuer Abschnitt der Geschichte Englands eingeleitet. Die allgemeine Schulpflicht wurde bis zum 18. Lebensjahre hinaus erweitert, die Mittelschulen wurden den Befähigten eröffnet und es wurde für alle, die die Befähigung haben, die Aussicht auf Universitätsbildung geschaffen. Die Kosten für dieses Erziehungswesen werden von den Gemeinden ruhig beigestellt und bewilligt.
Die Schweiz hatte ein mustergiltiges Schulwesen und hat es in der neueren Zeit noch weiter ausgestaltet, ganz erfüllt vom Geiste eines Pestalozzi. Die Schülerzahl wurde verringert, damit eine individuelle Beschäftigung mit den Schülern möglich sei. Die Schüler werden zur Selbständigkeit, zum praktischen Leben erzogen. Für die geistig Zurückgebliebenen wurden Hilfsklassen eingerichtet, eigene Kurse für Schüler mit körperlichen Gebrechen errichtet, der Schulunterricht vollständig unentgeltlich gemacht, die Lehrmittel, Unterrichtsgegenstände für den Zeichenund Schreibunterricht wurden vollständig kostenlos beigestellt.
Mustergültig sind die Einrichtungen der Schweiz auf dem Gebiete der Schulküchen, der Schulbäder, ja sogar Zahnkliniken wurden vom Staatswesen eingerichtet. Die allgemeinen Gesundheitsverhältnisse werden dort durch die Schulärzte überwacht.
Das Deutsche Reich hat nach dem Kriege diesbezüglich Mustergültiges geleistet und ich würde den Herren von den èechischen Parteien oder von der Kulturpìtka nur empfehlen, sich mit dem Buche: "Die Reichsschulkonferenz in ihren Ergebnissen" eingehend zu beschäftigen, vor allem mit der "Deutschen Schulreform", die diesem Buche im Erscheinen vorangegangen ist. Sie würden außerordentlich viel finden, was wir für unsere Verhältnisse gleich mitbenützen könnten.
Wie in diesem Lande, war es auch in den übrigen und man hätte erwarten dürfen und müssen, daß auch unser Staat sich seiner kulturellen Aufgaben bewußt werde. Bei uns ist bisher auf dem Gebiete der Schulreform gar nichts geschehen. Es fehlt der große Zug von Seite des Ministeriums, das ja auch keine Zeit hat, sich mit solchen Materien zu beschäftigen, weil es vollauf mit den deutschen Schulsperrungen und Schuldrosselungen beschäftigt ist, (Souhlas na levici.) und keine Zeit findet für wirklich aufbauende Arbeit. Wir haben von einer Schulreform zwar hie und da gehört, schüchterne Versuche wurden unternommen, hie und da eine Enquete abgehalten, auch von einer Mittelschulreform hörten wir schon längst, es geht aber gar nicht vorwärts. Wir hören von einer Reform der Lehrerbildung, die doch eigentlich einer vernünftigen Schulreform vorausgehen müßte, da diese von ihr abhängt. Aber in Wirklichkeit ist auch diesbezüglich nichts geschehen, bis zum heutigen Tage.
Dieses Wort des Dichters paßt auf die Tätigkeit des Unterrichtsministeriums. Und wenn ich mich nun diesem Wechselbalg, der den Namen "kleines Schulgesetz" führt, etwas zuwende, wenn ich mich auf die Besprechung der einzelnen Paragraphen einlassen soll, dann müßte ich eigentlich von vorn bis rückwärts jede einzelne Bestimmung zergliedern und die vollständige Unsinnigkeit, die hier festgelegt ist, darlegen. Das ganze Gesetz ist eigentlich schon durch den Umstand charakterisiert, daß die Schulkinderzahl von 80 auf nur 60 herabgesetzt werden soll, und das nicht gleich, sondern erst innerhalb 10 Jahren, eine Reform, die eigentlich sofort durchgeführt werden müßte und die noch viel weiter gehen müßte, als hier im Gesetze vorgesehen ist. Ich glaube, schon diese Bestimmung allein spricht Bände. Im § 1 wird vor allem der Unterricht in der èechoslovakischen Sprache als wünschenswert angesehen, aber es wird nicht mit jener Deutlichkeit darin ausgesprochen, wie der Unterricht vor sich gehen soll, wie wir das von deutscher Seite wünschen würden. Wir wünschen den Einfluß der Länder vollständig ausgeschaltet, weil wir wissen, daß die Länder, wie sich jetzt in Mähren zeigt, wo ein diesbez. Erlaß auf demWege ist nicht die notwendigen Geldmittel für die Erteilung des èechischen Unterrichtes an deutschen Schulen beistellen, daß sie keine offene freigebige Hand haben. Wir hätten gewünscht, daß dort der èechische Unterricht eingeführt werde, wo es der Ortsschulrat selbst verlangt und daß der Einfluß des Landes vollständig ausgeschaltet wird. Sie verlangen auf der einen Seite die Kenntnis der èechischen Sprache, geben aber auf der anderen Seite nicht die Mittel zur Erlernung dieser Sprache. Ich will auch nicht den Unsinn charakterisieren, an dem hier wieder festgehalten wurde, wenn man von der èechoslovakischen Sprache spricht. Ich glaube, darauf haben die Slovaken selbst die Antwort gegeben. Man sollte diese Ausdrucksweise ersetzen durch "èechische oder slovakische Sprache", weil es eine gemeinsame Sprache nicht gibt. Wir verlangen weiter, daß auch an einklassigen Schulen Gelegenheit zur Erlernung dieser Sprache gegeben und daß auch für die Bürgerschulen dies verpflichtend gemacht wird. Es geht nicht an, hier einfach zu sagen, daß an den Bürger schulen Gelegenheit zur Erlernung der Sprache zu geben ist.
Ein außerordentlich interessanter Paragraph ist der § 3, der von der Religion handelt. Man hat lange um diesen Paragraphen gestritten, ob Religions- oder Moralunterricht verpflichtend eingeführt werden soll, d. h. ich nenne den neuen Gegenstand Moralunterricht, doch steht der Name noch lange nicht fest. In der ursprünglichen Vorlage hieß es "obèanská mravouka", dann hat man sich geeinigt und hat in das Gesetz "obèanská nauka a výchova" gesetzt, Bürgerkunde und Erziehung, oder wie von deutscher Seite vor geschlagen wurde, Sitten- und Morallehre.
Wir haben also für den neuen Gegenstand
noch nicht einmal den Namen, geschweige denn, daß wir wissen,
was sich darunter verbirgt und wie der Unterricht in diesem Gegenstand
aussehen wird. Jeder denkt sich vorläufig darunter etwas anderes.
Die Stellung der Religion war außerordentlich bestritten, ob die
Kinder durch die Religionsgemeinschaft gezwungen werden können,
den Religionsunterricht zu besuchen oder ob den Eltern das Recht
der Entscheidung zustehen soll. Die Lösung wäre nach Auffassung
meines Klubs leicht und einfach gewesen. Leicht und einfach, wenn
man sich auf den Standpunkt wahrer Demokratie gestellt, wenn man
das Elternrecht als das oberste und wichtigste auch in dieser
Frage anerkannt hätte. Wenn Sie von diesem Gesichtspunkt, vom
Gesichtspunkt der Demokratie an diese Frage herantreten, dann
müssen Sie klar und deutlich aussprechen, daß der Unterricht in
der Religion sich nach der Konfessionszugehörigkeit des betreffenden
Kindes zu richten hat. Es kann niemand dazu gezwungen werden,
Religionsübungen mitzumachen, wenn es ihm nicht paßt, dann muß
er aber auch die Konsequenz daraus ziehen, er muß aus seiner Religionsgemein
schaft austreten. Dem wird in der heuti gen Zeit kein Hindernis
entgegengesetzt, es sind keine Schwierigkeiten damit ver bunden
und jeder kann seiner wahren Überzeugung auch in diesem Punkte
voll und ganz Ausdruck verleihen. Die Reli gionsgemeinschaften
halten auch nieman den zurück. Aber den Mut zu dieser Tat muß
man aufbringen. Demokratie darf nicht gleichbedeutend sein mit
Unauf richtigkeit und Feigheit. Was ich als richtig erkannt habe,
muß ich bis zur letzten Konsequenz auch durchführen. Ich darf
mich nicht von einem Bequemlich keitsstandpunkt leiten lassen
und es kann auch nicht die Aufgabe des Gesetzgebers sein, eine
solche Bequemlichkeit der Bevölkerung auch noch zu decken und
ihr Vorschub zu leisten. Der Einzelne darf vor dem letzten Schritt
nicht zurückschrecken, wenn er ihn aber nicht vollzieht, wenn
er Angehöriger der Religionsgemeinschaft bleibt, dann ist sein
Kind auch ver pflichtet an den Übungen der Religion teilzunehmen.
Das ist demokratisch, voll ständig logisch und konsequent gedacht
und in erster Linie auch moralisch. Die Kinder, welche keiner
vom Staate aner kannten Konfession angehören, für die kann und
soll der Moralunterricht ver pflichtend sein. Den übrigen Kindern
ist es vollständig freigestellt. Die Regierung, die Koalitionsparteien,
haben sich hier um diese klare Formulierung herumgedrückt und
nach schwerem Kompromiß ist die heutige Fassung zustande gekommen,
und zwar deshalb, weil die einzelnen Parteien sich nicht
kompromittieren wollten, weil sie nicht den Mut aufgebracht haben
hiezu. Es wäre richtig und konsequent gewesen, unseren Grundsatz
anzunehmen, wobei ich nochmals betonen muß, daß kein Mensch vorläufig
weiß, wie diese Sittenlehre oder dieser Moralunterricht aussehen
soll, und daß es ein Gebot der Notwendigkeit und Richtigkeit wäre,
daß man erst einmal Klarheit über den Begriff schafft und diesbezüglich
Lehrbücher vorlegt.