Die Regierung muß sich bewußt
sein, was die Vermehrung des Wohnungselendes bedeutet. Sie bedeutet
das Herabsinken der Kultur. Die Wohnungsverhältnisse sind für
die Sittlichkeit des Volkes von ausschlaggebender Bedeutung, denn
von ihrer Lösung hängt der sittliche, soziale und kulturelle Bestand
des Staates ab. Im Interesse der Bauförderung wollen wir heute,
trotzdem dieses Gesetz gar so viele Mängel aufweisst, für dasselbe
stimmen, in der Hoffnung, daß dieses Gesetz nicht nur am Papier
bleibt, sondern das wir in Kürze hören und sehen, daß für die
Wohnungsuchenden Wohnungen geschafft werden. (Souhlas na levici.)
Hohes Haus! Montage scheinen für Haussitzungen etwas angebläut zu sein. Das zeigen die Lücken der Bänke auch der Fünfergruppe. Bei dem grünen Holze der Ministerbank ist es nicht besser: 17 Plätze und beinahe 17 Lücken, obschon es sich um ein Gesetz handelt, das drei wichtige Ausschüsse zu passieren hatte. Leider geschieht dies aber, wie schon anderseits erwähnt, im Galopp. 64 Paragraphen wurden in zwei Ausschüssen in einer Stunde erledigt, am Samstag bekanntlich im sozialpolitischen Ausschuß. Es scheint da sogenannte Fabriksarbeit vorzuliegen, wo 13 auf ein Dutzend zu gehen pflegen. Und doch betrifft dieses Gesetz wichtige Interessen der Gesamtheit, den Baugrundbesitzer und den Nichtbesitzer, weiter jenen Teil der Bevölkerung, den man Hausherr heißt, und den anderen Teil, der aus Mietern besteht. Das Gesetz will die Baubewegung fördern, den stavební ruch. Aber die genannte Vorlage scheint sie nicht in den besten Geruch zu bringen. Im vorhinein ist allerdings jeder Versuch zu begrüßen, die schlafende oder gehemmte oder in manchen Belangen bisher geradezu verunmöglichste Baulust zu fördern. Aber dazu sind allerdings paragraphenreiche Gesetze wohl weniger geeignet als einfache kurze, doch inhaltvolle Bestimmungen. Das Gesetz ist mir daher zu bürokratisch erschienen. Vorerstmöchte ich mir nur die Bemerkung erlauben, daß doch der Kern aller Bauförderung und die Lösung der Frage sein muß, wie denn der Anreiz zur Baulust durch eine halbwegs gesicherte Verzinsung des Anlagewertes geweckt werden könnte. Denn jenes großes soziale Empfinden, auch ohne Aussicht auf Nutzen, wohl aber mit der gewissen Befürchtung einer Einbuße, müßte zu allererst der Staat für seine ihm nächst stehenden Bürger, nämlich für die Staatsbeamten, die Staatsangestellten bekunden, dann erst die Gemeinden, gemeinnützigen Bauvereine und Industrieunternehmungen. Vorläufig aber hat der Staat wohl Wohnungen anderer Bürger beschlagnahmt, nicht aber, oder höchstens nur selten, Wohnungen selbst geschaffen, somit die Wohnungsnot zumindest verschärft statt verringert. Auf die im V. Hauptstück des Gesetzentwurfes eingesetztenl50 Millionen für den Bau von Häusern wird die Baukommission kaum große Hoffnungen setzen, denn diese Summe soll aus der Baulosanleihe sich ergeben, für die aber trotz ihrer schon lange währenden Ausschreibung wenig gezeichnet wurde. Denn auch für diese sonst ganz rationell erscheinende Anleihe zeigt sich keine Begeisterung, offenbar aus dem Grunde, weil alles finanzielle Zutrauen zu dem Staate solange erschüttert und unzulänglich erscheint, als nicht die auf pupillarsicheren Staatsschuldverschreibungen begründete Kriegsanleihe voll und ganz anerkannt und eingelöst wird. Derzeit hat der staatliche Wohnungsbau an Stelle der abschreckenden staatlichen Beschlagnahme noch so wenig eingesetzt, daß vielmehr in Hausbesitzerkreisen die Klage laut wird, es dehne sich die weitere Beschlagnahme nicht nur für Schulen aus, sondern auch zur Beschaffung von Beamten- und Offizierswohnungen. In Trautenau z. B. handelte es sich auch um die Beschaffung einer Amtswohnung, selbstverständlich für den èechischen Schullehrer. Hier drängt sich überhaupt der Gedanke auf, daß zu den Hauptgründen der Bauunlust auch die Unsicherheit für die Besitzenden, die Unsicherheit für Investitionen und Meliorationen zählt. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Tomášek.)
Nun möchte ich ganz kurz einige
Ergänzungen zu einschlägigen wirtschaftlichen Fragen vorbringen,
wie sie teils schon von Vorrednern erörtert wurden, teils aus
dem Komplex der Baufragen sich ergeben. Es ist jetzt draußen in
vielen Versammlungen der Hausbesitzer und Mieterschutzvereine
die Rede von Änderungen des Mietergesetzes. Vorhin wurde eben
beschlossen, die Umziehordnung von Gemeinde zu Gemeinde in der
bisherigen Form auf ein weiteres Jahr zu verlängern. Was dagegen
den allgemeinen Mieterschutz und die Mietzinsbestimmungen anlangt,
so liegt diese wichtige Angelegenheit noch etwas im Ungewissen.
Erst vor wenigen Minuten, bevor ich hier an das Rednerpult gerufen
wurde, wurde hier eine Vorlage ausgeteilt, ein Regierungsantrag,
ein Gesetz über den Mieterschutz. Es ist nicht möglich, in den
ganz wenigen Minuten, die zur Verfügung standen, die 25 Paragraphe,
die mir nur im èechischen Text vorliegenden Gesetzesvorlage auch
nur zu überfliegen. Ich habe nur, glaube ich, gesehen und gehört,
daß es sich in einem Paragraphen um eine 120 %ige Mietzinserhöhung
handle. Ich kann das vorläufig nicht genau behaupten. Diese Vorlage
hängt aber mit dem in Rede stehenden Baugesetz und dem Bauwesen
überhaupt eng zusammen. Es liegt klar auf der Hand, daß die Mietzinse
des Jahres 1913 der heutigen Zeit nicht entsprechen, weil der
Kaufwert unseres Geldes um ein Vielfaches gesunken, die Erfordernisse
aber auch des Vermieters oder Bauherrn und die Instandhaltungskosten
in einem ebensolchen oder noch viel höherem Grade gestiegen sind.
Darüber sind beide Interessentengruppen einig. Was sie jedoch
scheidet, das ist manchenorts die Annahme über die Möglichkeit
oder Unmöglichkeit, diese Differenz ausfüllen zu können, die Vorschläge
aus den Reihen der Regierungsparteien wie auch der Hausherrn und
Mieter gingen in letzter Zeit vorläufig noch weit auseinander.
Wie weit außerhalb der Regierung die Vorlage, die ich eben erwähnte,
in diesem Belange in Betracht kommt, kann ich eben, weil mir die
Zeit zum Durchstudieren fehlte, hier nicht angeben. Ein Vorschlag
ging bekanntlich dahin, den Hauszins so zu gestalten, daß er einer
4 %igen Verzinsung des jetzigen Hauswertes entspräche. Dagegen
erhebt sich einerseits die Einwendung, daß auch vor dem Kriege
die Häuserverzinsung in der Regel nur 2 % betrug, andererseits
daß ihren etwa erhöhten Einnahmen solche Steueranwüchse und Unkosten
gegenüberstehen, daß diese Erhöhung als ein sehr fragwürdiger
Zufluß erscheint. Man muß zu dem, sagt man, die Hausbesitzer in
solche scheiden, die schuldenfrei sind und in solche, die eigentlich
nur als Hausverwalter, nur als Zinsaufbringer für die Hypothekargläubiger
anzusehen sind. Auch das hat seine Begründung. In den fachlichen
Diskussionen neigt man der nnahme zu, daß eine 200 %ige Erhöhung
der Mietzinse, die doch vielen Mietern unerträglich wäre, bei
weiten keine vierprozentige Hauswertverzinsung mit sich brächte.
Das Gleiche würde bei der Beziehung von Neubauten gelten. Man
braucht sich nur die Baurechnungen für Ein- oder Zweifamilienhäuser
oder Miethäuser mit noch mehr Wohnungen zu besehen. Für die Zinsleistungsfähigkeit
der Mieter kommt auch der ernstliche Umstand in Betracht, daß
ihr seit dem Jahre 1914 ja gewiß auch erhöhtes Einkommen bisher
auch nur knapp ein Auskommen bedeutet, oft sogar noch sehr unzulänglich
ist, die entsprechenden Hauszinserhöhungen aber in die Haushaltung
nicht einkalkuliert sind. Freilich wird da entgegengehalten, daß
sich ja die gesamte Bevölkerung auch mit den rapiden Steigerungen
der manigfachsten Gebrauchs- und Verbrauchsartikel abfinden mußte.
Das hat nun viel für sich. Wenn aber Einkommen und Ausgaben sich
schon jetzt mit Not das Gleichgewicht halten, so wird jede neue
Ausgabenpost Preisteigerungen des gewerblichen Mieters und Lohn-
oder Gehaltsforderungen der auf die jetzigen festen Bezüge angewiesenen
Inwohner nach sich ziehen. In Sachsen wies man den staatlichen
Angestellten gleich eine bedeutende Erhöhung der Quartiergeldzulagen
zu. Hier aber erlebten wir es in den ersten Morgenstunden des
verflossenen Samstag, daß gegen die Stimmen der deutschen Parteien
von den Regierungsparteien eine bedenkliche Kürzung der Einkünfte
der Staatsangestellten und der Lehrerschaft als das Gegenteil
einer angenehmen Weihnachts- und Neujahrsüberraschung beschlossen
wurde. Wir sehen somit, daß einerseits die jetzigen Mietzinse
einhellig als unzureichend und als Hemmnis der Baulust erklärt
werden, andererseits aber ein jäher, gänzlicher Abbau und die
völlige Auflösung des Mieterschutzes, sowohl was das Wohnungsrecht,
wie auch die Hauszinsgebundenheit anlangt, sozial unmöglich ist,
ein allmählicher Abbau aber erstrebenswert ist. Den Wohnungswucher
kann man schließlich doch nur durch Wohnungsanbot, also durch
Schaffung von Neubauten und den Anreiz zu diesen Bauten wirksam
bekämpfen. In einer fachlichen Beratung wurde übrigens mit Recht
darauf hingewiesen, daß bei einer etwaigen Änderung der Wohnungsgesetze
auch noch die Schutzbestimmungen einer kaiserlichen Verordnung
von Jahre 1918 bestehen, wornach zwei Wohnungen nicht zusam mengezogen
und Wohnräume nicht in Geschäftsräume umgewandelt werden ürfen.
Wie schon bemerkt, scheint mir das vor liegende Baugesetz zu paragraphenreich
zu sein, wenn ihm auch verschiedene Vorzüge eignen. Ein solcher
ist zum Beispiel auch die Annahme des gemeinen Wertes der zu enteignenden
Baugründe, was sich wohl tätig von den etwas oder sehr räuberischen
bodenamtlichen Enteignungen unterschei det. Aber warum gleich
30 % für Zwecke der Vermögensabgabe einstellen? Wozu im §§ 12
und 14 neue Schiedsgerichte, im dritten Hauptstück Preisgerichte
anrufen? Genügt die Ausgestaltung der Gewerbe ordnung und der
Wuchergerichte nicht? Und wenn alle Vierteljahre Materialpreis
und Lohnfragen usw. zu überprüfen sind, so wird die Geschichte
eines Baues wirk lich eine lange Geschichte, wie wir es beim Baue
hier neben den Rudolfinum sehen, und lockt wohl kaum einen Bauunter
nehmer zu raschem Zugreifen an. Auf die einzelnen §§ noch weiter
ein zugehen, ist mir der Redezeit wegen ver sagt, auch möchte
ich Wiederholungen dessen meiden, was schon von Vorrednern wiederholt
gesagt wurde. Jedenfalls ist es aber überflüssig, im sechsten
Hauptstück noch von der finanziellen Förderung von i. J. 1921
erbauten Häusern heute, am 19. Dezember 1921, zu reden. Für die
Abstimmung kommen jedenfalls die Gesichtspunkte in Betracht, daß
sich annembare und abzulehnende Paragraphe in dieser Vorlage finden.
Weiter kommt in Betracht, daß mit diesem Gesetz, wie schon erwähnt
wurde, der Regierungsentwurf ganz gewaltig zusammenhängt, dessen
Inhalt wir, weil er eben erst verteilt wurde, noch nicht genau
kennen. Das Bauwesen, die Anfachung der Baulust bilden ein Ganzes
im Verein mit dem Mieterschutzgesetz, mit den Wohnungsbestimmungen,
mit der Bauordnung, mit der Handelskrise, mit der Kriegsanleihefrage,
und so, meine verehrten Herren, sollte auch ein Baugesetz, das
dieser Frage Rechnung trägt, zur Vorlage kommen und nicht Stückwerk
- eine Vorlage und wieder eine Vorlage und immer nur ein Teil
dieses großen wichtigen Ganzen - uns vorgelegt werden! (Souhlas
a potlesk na levici.)