Pátek 16. prosince 1921

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 110. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek a v sobotu dne 16. a 17. prosince 1921.

1. Øeè posl. dr. Medingera (viz str. 1579 protokolu):

Hohes Haus! Der Herr Ministerpräsident hat am 10. November gemeint, das Bodenreformgesetz sei ein inneres Gesetz, in das keine auswärtige Regierung einzugreifen das Recht habe, sofern die betreffenden auswärtigen Staatsbürger auf ihren hiesigen Besitztümern nicht schlechter behandelt würden, als die èechoslovakischen Staatsbürger. Er irrt damit. Es widerspricht dem Völkerrechte, einem Ausländer sein rechtmäßiges Eigentum oh ne entsprechende Entschädigung zu nehmen. Die Pflicht des Staates zum Schutze des Eigentums der Ausländer wird dadurch verletzt. Ich verweise auf die diesbezüglichen Gutachten von 10 Völkerrechtslehrern, die von Clunet 1911 herausgegeben wurden. Ich verweise auf die Note Lord Derbys, die gegenüber der Regierung von Peru erklärte, die peruanischen Gesetze seien kein genügender Entschuldigungsgrund für Kränkungen dort begüterter Engländer an ihrem Besitze.

Aber selbst wenn sich die auswärtigen Regierungen zu keinem energischen Schritte zum Schutze ihrer Staatsangehörigen entschlössen: Der èechoslovakische Staat ist finanziell und wirtschaftlich von anderen Staaten abhängig. Kann ihm daher das Urteil des Auslandes wirklich gleichgültig sein? Dieses Urteil sprach unlängst ein sehr bekannter Engländer aus, nachdem er die Agrarreform Rumäniens und Jugoslaviens an Ort und Stelle studiert hatte. Er sagte: Enteignung zu Vorkriegspreisen mit Nachkriegsgelde ist seitens des Einzelnen Raub, seitens des Staates Bolschewismus zu nennen. Haben Sie den Mut, dennoch daran festzuhalten? Seit das Entschädigungsgesetz erlassen wurde, hat die Krone ihren halben Kaufwert eingebüßt, also sind allein dadurch schon alle Bewertungen falsch geworden. Gegenüber der Vorkriegszeit ist die Krone, an neutraler Valuta gemessen, auf 1/13 bis 1/18 gesunken und die Preissteigerung der meisten Dinge verlief dem vollkommen entsprechend. Warum soll sie gerade für den Grundbesitz nicht gelten?

Grotesk ist, daß man sich nicht einmal noch mit dem Hinunterdrücken des Bodenwertes auf den Vorkriegswert begnügte, sondern von ihm bei größeren Gütern noch progressive Abstriche von 5 bis 40% machen und den Entgelt nicht in bar, sondern in 3%igen unveräußerlichen Guthaben begleichen will. Diese geringe Verzinsung drückt den Wert weiter auf die Hälfte herab. Zieht man dann von den Entschädigungssummen noch die Sicherstellungen ab, die die Beamten mit Recht fordern, so wird die Konfiskation eine völlige. Die Güterbeamten haben anfangs die Tragweite der Bodengesetze für sich nicht recht erfaßt. Heute erkennen sie, daß sie von ihr noch mehr bedroht sind als die Besitzer. Wenn z. B., wie es heißt, der Schwarzenberg'sche Besitz Krumau enteignet wird, so wäre es gewiß schmerzlich für den Besitzer, einen vielhundertjährigen, geliebten Besitz seiner Familie zu verlieren, aber die Enteignung würde ihm die Mittel zur Bezahlung der Vermögensabgabe liefern. Was geschieht aber mit den Beamten (insgesamt 1195 Personen). Diese haben mich gebeten, ihre Lage hier zu schildern. Obwohl bereits 12.000 ha von Krumau zur sogenannten Bodenreform hingegeben wurden, wurde noch kein Beamter entlassen, sondern sie kamen auf dem Schwarzenberg'schen Besitze trotz der Verkleinerung durch die Munifizenz des Besitzers, deren Voraussetzung freilich sein Vermögen ist, unter.

Wird der Bodenbesitz und die Finanzkraft des Besitzers nun allzu jäh weiter verringert, so kann für die Beamten in dieser Weise nichts mehr geschehen. Siedelt man wirklich, wie es beabsichtigt ist, Emigranten aus Österreich dort an, so bleibt für die Beamten kein Wirkungskreis mehr. Die Arbeitsgelegenheit für höher gebildete Landwirte, deren wir im Vergleich zu Skandinavien, Deutschland und anderen Staaten eine jämmerlich geringe Menge haben, schwindet so sehr, daß unlängst der Direktor einer èechischen landwirtschaftlichen Schule den Absolventen riet, die Landwirtschaft, die sie eben studiert hätten, wieder aufzugeben. Statt, daß wir unsere landwirtschaftlichen Fachmänner vervielfachten, müssen wir sie also infolge der Bodenreform vermindern! Diese Tatsache allein sollte doch bereits zur Vernunft bringen! Und wie sieht es erst mit der Zukunft der deutschen Land- und Forstwirte aus? Wie vielen von den 184 deutschen Beamtenfamilien von Krumau wird bei einer Verstaatlichung noch eine Karriere winken? Es ist vollkommen begreiflich, wenn die Beamten heute erklären, nicht von ihrem Platze zu weichen, solange ihnen nicht voller Ersatz für even tuelle Schäden, also entweder ein Arbeitsfeld und dieselbe Karriere wie bisher oder ein entsprechendes Abfindungskapital gesichert wird. Ersteres kann wohl irgend ein Eintagsminister versprechen, er wird sein Wort aber nach Zertrümmerung oder stückweiser Verpachtung der Großbetriebe nicht halten können. Ein Sicherstellungskapital für die Beamten andererseits kann man von dem geringen Entschädigungspreis von 2000-2500 K pro ha nicht abziehen, zumal ja bereits die Patronatskosten (in Krumau kosten 22 Kirchen 300.000 K) und andere Lasten, kapitalisiert, abzuziehen wären. Man behauptet, die Sozialpolitik verlange die vorliegenden Bodengesetze und man übersieht dabei, daß man durch sie hinsichtlich der Beamten erst recht in soziale Gefahren gerät. Seine sozialpolitischen Ziele könnte man nur durch bedächtige Siedlungspolitik, also durch freihändige Erwerbung verkäuflicher Güter zum gerechten Preise erreichen. Durch die generelle Beschlagnahme und durch die Aufstellung künstlich niedriger Preise schädigt man nur die Gesamtwirtschaft. Eine gerechte Wertbestimmung ist nur durch freies Angebot und freie Nachfrage, also durch Aufhebung der jetzigen Beschlagnahme möglich. Bauernfelder werden heute mitunter zu 20-30.000 K das ha gehandelt. In der Durchführungsverordnung des Entschädigungsgesetzes aber hat man die Stirn, das ha mit 2200 K anzusetzen.

Wenn ein Schätzmeister ein Ding einmal hoch und einmal niedrig schätzt, nennt man ihn mit Recht ehrlos. Dem Staate soll nun erlaubt sein, was den Einzelnen entehrt? Er darf einen Grund dort, wo er ihn erwerben will, zum Vorkriegspreise bewerten und davon sogar noch Abzüge machen, darf ihn aber gleichzeitig zur Vermögensabgabe offiziell zum Vorkriegspreise plus 75% einstellen? Sieht man nicht ein, wie man den Staat durch diese Doppelzüngigkeit entwürdigt und um seine Autorität als gerechten Richter bringt? Will man denn wirklich ganz darauf verzichten, als Rechtsstaat zu gelten? In einem solchen müßten vor allem, alle Bürger vor dem Gesetze gleich sein. Das ist nicht der Fall. Wenn ein Vater vor dem Kriege seinen 2 Söhnen ein gleiches Erbe hinterlassen hätte - dem einen eine Fabrik, dem anderen einen Großgrundbesitz - so wäre der erste Sohn heute völlig frei, er könnte sein Erbe behalten oder um das 10- und 20fache verkaufen, niemand störte ihn. Der andere Sohn aber ist entrechtet, er muß davor zittern, daß ihm die Sbirren des Bodenamtes sein geliebtes Erbe aufkündigen, daß sie ihn aus seinem Heime verjagen und ihm nur einen Bruchteil seines wirklichen Vermögens ausfolgen, ja nicht einmal das, denn es erfolgt keine Barzahlung, er kann sich also nicht einmal eine neue Existenz gründen. Es wäre zu verstehen, wenn die Besitze jeder Art in der gleichen Weise zum Vorkriegspreise enteignet würden. Davor hütete man sich aber. Die Industriellen, Hausbesitzer und Finanzleute tastete man nicht an, da sah man die Undurchführbark eit des Planes gleich ein. Folgerichtig hätte man also auch gegen die Grundbesitzer nicht mit der Hacke der Enteignung vorgehen dürfen. Ihr Vermögen ist mit wenigen Ausnahmen nicht größer, als das der Mehrzahl der Industriellen und anderen Unternehmer.

Die derzeitige Unsicherheit des Grundbesitzers ist unerträglich. Das primitivste Recht jedes Bürgers ist doch, daß er über die Teile seines Eigentums letztwillig verfügen kann! Dieses Recht hat der Grundbesitzer heute aber nicht. Er weiß selbst nicht, was er noch besitzt, er kann selbst keine Auskunft über seine Kreditwürdigkeit geben und er wird anderen dadurch leicht dubios. Die Folge davon ist, daß die Großgrundbetriebe ihren Kredit nicht, wie die Industrien, anspannen und nicht durch Investitionen das Maximum der Leistung aus dem Boden herausholen können. Der entgangene Gewinn der Volkswirtschaft ist durch diesen Stillstand der Investition stätigkeit enorm, er beträgt Milliarden, er trifft die Volksversorgung, den Export und die Handelsbilanz. Unlängst sah ich eine herrliche Waldstraße, deren Weiterbau wegen der angekündigten Enteignung seinerzeit eingestellt worden ist. Diese Sackgasse veranschaulicht am besten, wohin uns die tollen Gesetze geführt haben. Niemand traut dem Staate, daß er sein Versprechen, Investitionen bei der Enteignung abzulösen, erfüllen würde. Sie sind ja auch schwer feststellbar.

Und was wurde andererseits bisher durch die Gesetze erreicht? Das Abbröckeln von etwa 200.000 ha von den Großbetrieben an Kleinbetriebe! Dieser Vorteil steht doch zu den Lähmungserscheinungen auf Millionen von Hektaren in gar keinem Verhältnis. Er wäre ohne die generelle Beschlagnahme erreichbar gewesen, ja bei freiem Grundverkehr wäre jener Abbröckelungsprozeß ein viel intensiverer gewesen, denn durch die zum Teil 40mal so hohen Steuern und die 10-20fachen Löhne, die verzwanzigfachten Erbgebühren, die 30 %ige Vermögensabgabe, die sozialen Schwierigkeiten etc., ist die Fläche vieler Konglomeratbesitze ohnedies unhaltbar geworden. Die Gesetze fördern nicht, sondern sie hindern die Anpassung der Einheiten an die neue Wirtschaftslage, sie hemmen die natürliche Spaltung von Latifundien in Mittelbesitze. Bei freiem Grundverkehr wäre der Boden in die tüchtigste Hand gekommen, was zum Schaden der Volksversorgung infolge der Bodengesetze nun nicht geschah. Neue Zusammenballungen hätte man gesetzlich sehr leicht verhindern können.

Der Schaden, den die anderen Zentralen seit 1918 anrichteten, wurde von èechischen Zeitungen auf 12 Milliarden berechnet; man räumte daher endlich mit ihnen auf. Warum läßt man aber dann die noch viel schändlichere Bodenzentrale immer noch bestehen? Eine Zentrale, die, obwohl es ihr November 1920 auf meinen Antrag hin einstimmig aufgetragen wurde, bis heute pflichtvergessen keinen ernsten Bericht gelegt hat! Die gelegentlichen Artikel, welche von den Bodenamtshäuptern bisher über ihre Tätigkeit veröffentlicht wurden, können vor einem Fachmanne wohl nicht bestehen. Das Bodenamt gleicht einem gefräßigen, aber schlecht verdauenden Menschen. Während unzählige Zwangspachtfelder brachliegen oder in dem Ertrage sanken, werden immer neue Flächen dem viel intensiveren Großbetriebe entzogen. Statt die bestehenden Staatsbetriebe erst einmal kaufmännisch zu reformieren und auf die Höhe der Privatbetriebe zu bringen, werden neue Verstaatlichungen zum Programm erhoben. Selbst Lenin baut die Staatsund Kommunalbetriebe ab, weil er einsieht, daß er anders nicht zur Belebung der Produktion kommt und des Defizits nicht Herr wird. Hier aber werden die Staatsbetriebe vermehrt! Ärger als ein launischer Monarch will die jetzige Machthaberschaft nichts Unbequemes hören, sie will aus dem klaren Sachverh alt nichts lernen Ebenso wie die Bodengesetze wirtschaftlich durch unser Zurückbleiben im Rohertrag ad absurdum geführt werden, so werden sie es finanziell durch die Vermögensabgabe. Um diese vom Großgrundbesitze, also von einem wesentlichen Teile des Volksvermögens in barem Gelde zu erhalten, muß der Staat, ob das Bodenamt will oder nicht, die starre Beschlagnahme schlie ßlich lösen und den Abverkauf von entbehrlichen Teilen der Besitze freigeben. Von einem Sammelsurium von Parzellen, Revieren und Höfen hat der Staat nichts. Sie würden in seiner unglücklichen Hand nur bald unrentabel werden und er kann, bis er sie verkauft, durch Bodenentwertung Milliarden verlieren. Wenn es schon den Fachleuten der Produktion nicht gelingt, die Bodengesetze zu Fall zu bringen, so wird es dem Finanzministerium, wird es dem immer dringenderen Geldbedar fe des Staates gelingen.

Das Ausschalten der deutschen Kritik schad et nicht etwa bloß, wie Sie beabsichtigen, den deutschen Interessen, es schadet vielmehr Ihren eigenen Maßnahmen und damit Ihnen selbst. Mit der Eilfertigkeit des ösen Gewissens haben sie seinerzeit die Bodengesetze überhastet und ohne Fachmänner fertiggestellt, ehe wir hieher gerufen wurden. Sie haben diese seltsame Handlungsweise auch noch fortgesetzt, als der Friedensvertrag schon vorlag, der uns doch gleiche politische Rechte verbürgte. Von uns verlangen Sie seine Anerkennung, ihn selbst zu befolgen, zwang Sie ihr politisches Gewissen aber nicht. Dieses fehlt Ihnen auch heute noch, denn obwohl dieses Parla ment nun schon fast 2 Jahre besteht, ist der Bodenamtsausschuß heute immer noch dem Revolutionskonvent entnommen und wurde nicht, wie es anderwärts der parlamentarische Anstand erfordern würde, von den Parteien des neuen Parlamentes beschickt. Unzählige Vorsprachen und Interpellationen, ja sogar einstimmig angenommene Resolutionen prallen an Ihrem Zynismus ab. Versprechungen Ihrer Staatsmänner unter 4 Augen werden nicht eingehalten. Man gesteht uns privatim bereitwillig zu, daß die Bodengesetze ein Ausbund von böser Absicht und wirtschaftlichem Unverstande sind, man versprach offiziell, die Bodengesetze sogar noch im Herbste zu novellieren, aber zur Tat werden alle diese Worte nicht. Sogar das Bodenamt gab zu, daß die Grundbesitzer sich speziell durch das Entschädigungsgesetz mit Recht beschwert fühlen. Nun aber legt man dem Ministerrat eben eine Novelle vor, durch die es verschlechtert wird. Es mangelt an Mut, um vor die Öffentlichkeit zu treten und die bisherige Bahn als verhängnisvoll zu bezeichnen. Man verkriecht sich hinter die Parteien, man entschuldigt sich damit, daß die Bodenreform eine politische Frage sei, statt daß man diese wirtschaftliche Frage endlich mannhaft entpolitisieren und von der Demagogie säubern würde.

Aber wenn man schon nicht die moralische Kraft besitzt, die Bodenraubgesetze endlich zu ändern und vor allem das Bodenamt unter gerechter Heranziehung der Deutschen umzugestalten, so sollte man doch wenigstens solange mit weiteren Programmen innehalten, bis dies geschehen ist. Man sollte doch fühlen, daß die Wegnahme der Heimat und des Vermögens durch ein Organ, an dem wir keinen Teil, mit Methoden, in die wir keinen Einblick haben, daß die fortgesetzte Bedrohung der Bürger mit heimlich hergestellten Enteignungsprogrammen eine Verhöhnung der Demokratie sind und einen Absolutismus darstellen, dessen sich, mit wenigen Ausnahmen, jeder Monarch geschämt hätte. Man macht dem Staate Leute zu Feinde, die ihm wertvolle Dienste leisten könnten. Man demoralisiert die Bevölkerung. Man weckt hierzulande die Lust nach fremdem Gute auch bei Gemeinden und Bezirken, die sich doch in westlichen Rechtsstaaten vielleicht durch Kauf, gewiß aber nie durch Gewalt in Besitz von Boden setzen würden. Dadurch gibt man die Ordnung preis, statt sie pflichtgemäß mit dem Flammenschwerte zu bewachen. Es klingt wie ein Witz in dem Motivenbericht, daß man durch die Vorlage die innerpolitischen Zustände "stabilisieren" wolle!

Weit entfernt, die versprochene Novellierung der Bodengesetze und die Umgestaltung des Bodenamtes erst dazu abzuwarten, will man nun die Enteignung sogar beschleunigen und fordert dazu einen Nachtragskredit von 100 Millionen. Dabei waren die Gehaltsanforderungen im Budget doch bereits von 8 Millionen im Vorjahr auf 19 gesteigert, also mehr als verdoppelt worden. Über die fachliche Befähigung der Bodenamtsbeamten ließe sich hiebei viel sagen. Sie sind mitunter einer zweifelhaften Herkunft und die land wirtschaftlichen Studien, die von ihnen gefordert werden, sind äußerst gering Es ist demütigend für erfahrene Fachmänner, sich unter ein solches Diktat zu begeben. Industrielle würden sich ähnlichen Eingriffen nicht fügen. Auch über die moralischen Qualitäten mancher Beamten ließe sich manches sagen. Und nun sollen 100 Kommissariate noch neu hinzu errichtet werden. Dazu wird man auf noch minderwertigeres Material greifen müssen, eine Gelegenheit, um Parteigänger zu versorgen. Das wird eine wahre Landplage für die schaffenden Kreise werden!

Man beruft sich bei den neuen Vorstöß en auf den Willen der Massen. Die Treibereien gegen den landwirtschaftlichen Großbetrieb und für die Waldverstaatlichung gehen aber nur von ganz begrenzten Kreisen aus. Die Massen wollen von einer Aufteilung immer weniger wissen. Der Bodenhunger unter den Fabriksarbeitern hat aufgehört. Dies zeigt ja auch, daß der Staat im nächsten Jahre nur 49.000 ha Landwirtschaft weitergeben, 21.000 ha aber zur Pachtzuteilung behalten will. Im großen verpachten kann den Boden der Eigentümer auch, dazu ihn von seinem Platze zu stoßen und die Heiligkeit des Eigentums zu verletzen, ist daher nicht nötig. Gewiß soll man der Stimmung der Massen bis zu einem gewissen Grade Konzessionen machen. Aber ihnen in derartig großer Aktion den Willen zu tun, gegen jede wirtschaftliche Vernunft, gegen jedes Rechtsempfinden, beweist einen Mangel an moralischem Verantwortungsgefühl. Die weitere Zertrümmerung der Großbetriebe oder ihre Überantwortung an die dummschwerfällige, unrentable Staatsmaschine verlangen nur die, denen man nicht begreiflich gemacht hat, daß die Steuerträger und vor allem die konsumierenden Massen in Stadt und Fabrik schließlich die Folgen davon zu tragen haben werden. Dies zu gestehen, hüten sich die Beamten an der Krippe des Bodenamts, es hüten sich auch die Parteimänner, die sich entweder direkt einen Bissen erhoffen oder ihn als Köder für ihre Wähler brauchen. Daß aber die wirtschaftlich denkenden, fachlich gebildeten Mitglieder der Majoritätsparteien nicht die Pflicht fühlen, ihre Stimme zu erheben und gegen diesen Eigennutz, diese frivole Irreführung des Volkes aufzutreten, beweist, daß sie sich selbst nicht achten. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. Schweichharta (viz str. 1584 protokolu):

Hohes Haus! Der vorliegende Regierungsantrag fordert eine Summe von 100 Millionen Kronen für das Jahr 1922 behufs schnellerer Durchführung der Bodenreform. Wir deutschen Sozialdemokraten sind aufrichtige Förderer einer wirklichen Bodenreform, müssen aber trotzdem aus sachlichen und formellen Gründen gegen diese Vorlage stimmen; aus formellen Gründen deshalb, weil es einfach ein Skandal ist, in welcher saloppen Art und Weise man diese Vor!age durchzudrücken versucht; nicht einmal der landwirtschaftliche Ausschuß hatte Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.

Dann bemängeln wir selbstverständlich, daß dieses Gesetz eigentlich im Verordnungswege angewendet werden soll. Aus sachlichen Gründen bekämpfen wir die Vorlage deshalb, weil wir zu dem im Dunkel der Kontrollosigkeit arbeitenden Bodenamt und zur Regierung, die uns von der Verwaltung fernhält, kein Vertrauen haben. Wir bedauern lebhaft, daß wir noch nicht Gelegenheit hatten, ausführlich über die ganze Bodenreform des èechoslovakischen Staates zu reden. Wir halten sie in der vorliegenden Form, in der Art und Weise, wie sie bisher durchgeführt wird, in volkswirtschaftlicher Beziehung für ein Unglück. So tief eingreifende Gesetze werden in ganz leichtfertiger Weise beschlossen und angewendet. Um Ihnen ganz kurz die Bedeutung der Bodenreform vor Augen zu führen, gestatten Sie die Verlesung einiger Ziffern: Insgesamt sind auf Grund von der Revolutionsversammlung ohne Zutun der übrigen Nationen beschlossener Gesetze beschlagnahmt 3,884.834 ha Boden. Davon sind 2,658.234 ha Wald. Das ist aber nicht alles! Dazu kommen noch die verschiedensten industriellen Betriebe, die mit der Landwirtschaft verbunden sind. So sollen im Jahre 1922 beschlagnahmt und verteilt werden, resp. in andere Hände übergehen: 54 Spiritusbrennereien, 58 Brauereien, 15 Mälzereien, 76 Ziegeleien, 15 Stärkefabriken, 23 Molkereien, 16 Mühlen, 41 Sägen, 14 Kalkbrennereien und 1 Zuckerfabrik. Im Jahre 1923 soll die Übernahme von weiteren 30 Zuckerfabriken erfolgen. Sie sehen also, meine verehrten Damen und Herren, daß da ein ungeheuerer Eingriff in die ganze Volkswirtschaft gemacht wird. Grund und Boden ungefähr von der Größe Mährens wird neu aufgeteilt, erhält neue Besitzer und kein Mensch weiß, welche Wirkung das auf die Volkswirtschaft und auf die Volksernährung haben wird, eine günstige sicherlich nicht. Für die erste Arbeitsperiode, die bis 1923 reicht, war die Aufteilung von 155 Großgrund besitzen, resp. 155 Fällen mit zusammen 70.000 ha landwirtschaftlichen Bodens, und 140.000 ha Wald geplant. Nun eilt aber die Sache bei den Herren der Mehrheit. Sie erklären: Der Staat ist konsolidiert und gefestigt und man kann nunweit mehr machen. Man will recht bald fertig werden mit der Aufteilung - ich weiß nicht, hat man Angst, daß sie vielleicht noch verhindert werden könnte? Nun will man auch dem neuen Vorschlag 120.000 ha landwirtschaftlichen Bodens und 250.000 ha Wald aufteilen. Es ist sehr kennzeichnend, daß der Staat den größten Teil diesesGrunde, an sich reiessen will. So ist es nach dem ersten Plane vorgesehen gewesen, daß der Staat nicht weniger wie 112.000 ha Wald an sich zieht, und zwar aus "strategischen Gründen". Das ist natürliche eine sehr lächerliche Ausrede. Da braucht man weiter kein Wort zu verlieren. In der Vorlage wird die Kreditansprechung von 100 Millionen mit der Vermehrung von Beamten im Bodenamte begründet. Im Bodenamte herrscht eine heillose Wirtschaft, eine Überfülle von Arbeit, die verschuldet ist durch den Mangel eines wirklichen Planes. Hunderttausende von Akten liegen dort unerledigt. Von der Unfähigkeit und der Parteilichkeit, die dort herrscht, will ich heute nicht sprechen. Es sollen 400 neue Beamte aufgenommen werden. Die Zahl der Beamten steigt dann auf tausend. Diese 400 Beamten kosten 25 Millionen. Der Rest des Geldes soll verwendet werden für die Ablösung der auf den beschlagnahmten Gründen haftenden Forderungen. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Botto.) Wir begreifen, daß diese Ablösung notwendig ist, weil auch die Kleinhäusler mit einem großen Betrag haften; das ist ein Rechtsakt, der unbedingt durchgeführt werden muß. Ich will hier nicht weiter ausführen, wie sich das Bodenamt eigentlich die Finanzierung der Sache vorstellt. Die Idee des Bodenamtes geht dahin, daß man 150 Millionen als einen Arbeitsfond sicher stellen will, aus dem dann geschöpft werden soll, während die laufenden Kosten von 45 Millionen jährlich wie bisher gedeckt werden sollen. In der Vorlage heißt es, daß sich die Einnahmen durch die Verteilung erhöhen werden und daß also ein glattes Arbeiten des Bodenamtes möglich sein wird, daß also kein Defizit entsteht. Das war bisher auch der Fall. Ich möchte nun die Praxis des Bodenamtes beleuchten. Von Sozialismus, von wirklichen Bodenreformen, die den Sinn hätten, den größten Teil von Grund und Boden in gesellschaftliches Eigentum zu verwandeln rationell zu produzieren für und durch die Gesellschaft, ist bei den Arbeiten desBodenamtes keine Spur zu finden. Die Aufgabe des Bodenamtes ist vielmehr, zu nationalisieren, zu kolonisieren. Daß dies eine Tatsache ist, beweist schon die bisherige Arbeitsmethode, die vom Bodenamt angewendet worden ist. Nun werden Sie vielleicht in den letzten Tagen eine Notiz in den Blättern gelesen haben, daß vom Auslande her - mir ist das schon früher bekannt gewesen - überall èechische Ansiedler ins Land gezogen werden, denen man Grund und Boden geben will. In der neuesten Zeit will man den Nachkommen jener Ansiedler, die nach der Schlacht am Weißen Berge flüchten mußten, die damals ihren Besitz verloren haben, Boden geben. Aber ich will bei dieser Gelegenheit doch fragen, warum man nicht die 15.00 0 deutschen protestantischen Bauern ins Land zurückruft, die man in der Zeit der Glaubenskriege aus Böhmen vertrieben hat und die auch ihren Grund und Boden verloren, der seitens der damals herrschenden katholischen Adelskaste geraubt wurde, die, um ein Wort des Kollegen Medinger zu gebrauchen, Lust nach fremdem Gut empfanden. Diese deutschen Ansiedler will man wahrscheinlich seitens der Mehrheit des Hauses nicht im Lande haben. Der ganze Plan der Bodenreformmacher geht dahin, durch neue verläßliche Staatsstützen die Konsolidierung des Staates noch mehr zu fördern. Daß es von allem Anfang an ein Unsinn war, mit der Ansiedlung von 440.000 Menschen d. h. neuen Bodenbesitzern zu rechnen, wie man bei der Schaffung des Gesetzes gesagt hat, ist ganz evident. Der preußische Staat, der doch etwas ganz anderes ist als die Èechoslovakei, hat auch versucht, gegen die Polen in Westpreußen zu kolonisieren und hat in jahrzehntelangen Mühen nicht einmal 40.000 neue Stellen geschaffen und ungeheuer viel Geld dabei verpulvert, ohne dabei etwas zu erzielen. Es ist ganz sicher, daß auch Ihre Idee von der Kolonisation scheitern wird. Ich möchte daran erinnern, wie man in es Karpathorußland machen will, weil damit direkt ein hygienischer, ein sozialpolitischer Rückschritt verbunden ist. Dort will man die armen Gebirgler, die in Lehmhütten hausen, in der Weise ansiedeln, daß man ihnen wieder Lehmhütten baut, statt neuer fester Häuser, die aber viel zu viel kosten würden. Also nicht eine moderne Anlage will man schaffen, nicht den Boden verbessern, nicht ihn rationell bewirtschaften, sondern man schafft Siedlungen in der alten Form von Lehmhütten in Karpathorußland. Das ist in keiner Richtung ein Fortschritt, vielmehr eine offenkundige Schädigung der Gesamtinteressen. Ich will nicht näher von der Gefährdung der Volksgesundheit und Volksernährung reden, sondern nur von der Schädigung der landwirtschaftlichen Arbeiter, die bei der Zerschlagung des Großgrundbesitzes aufsPflaster geworfen werden. Wir haben schon einen Vorgeschmack davon bei der Parzellierung des Gutes in Pardubitz, wobei mehr als 30 Arbeiter brotlos geworden sind, meistens alte Leute, die nun nicht wissen, wovon sie leben sollen. Da kommt man auf den Gedanken, sie ähnlich wie die Güterbeamten entschädigen zu wollen; aber man gibt ihnen nicht so viel, wie den Güterbeamten, sondern höchstens 80 % davon. Daß die Lage der Güterbeamten übrigens auch äußerst traurig ist, darauf hat schon Kollege Dr. Medinger hingewiesen; bedauerlich ist nur, daß der größte Teil der Güterbeamten sich im Interesse der Großgrundbesitzer dazu mißbrauchen läßt, gegen die Bodenreform überhaupt aufzutreten, statt eine solche Lösung zu wünschen, wie wir sie wollen. Wir wollen keine Zerschlagung des Großgrundbesitzes, wir wollen aber auch etwas ganz anderes erreichen, als es sich der Herr Kollege Dr. Medinger vorstellt. Wir erklären, daß die wirtschaftlichen Vorrechte, wie sie bisher bei den Großgrundbesitzern bestanden, in der heutigen Zeit der Demokratie und des Sozialismus einfach unhaltbar geworden sind. Grund und Boden der Kapitalistenklasse gehört nach unserer Auffassung der Gesellschaft, nicht mehr den Einzelnen. Es ist ein ganz unhaltbarer Zustand, daß zum Beispiel der Großgrundbesitzer Schwarzenberg, der auch vom Kollegen Medinger genannt worden ist, 174.000 ha Grund und Boden besitzt, 30 Schlösser und eine ganze Menge Industrieunternehmungen sein eigen nennt. Unsinnig ist es auch, daß der Großgründler Clam-Gallas zirka 59.000 ha Grund und Boden besitzt, daneben aber in Böhmen allein 700.000 Kleinhäusler und Bauern existieren, die durchschnittlich nicht einmal einen Hektar Boden besitzen. Es gibt zirka 1,120.000 Bauern und Häusler in der Republik, die nicht so viel Grund und Boden haben, daß sie genügend Getreide für sich und ihre Familien bauen können. Wir wollen, nochmals sei es betont, nicht die wahllose Zerschlagung der rationell betriebenen Großgrundbesitze, sondern deren Übernahme durch Zweckverbände der Gemeinden und Bezirke, so wie dies am Tetschner Parteitag in der dort angenommenen Resolu tion vorgesehen ist. Selbstverständlich wollen wir auch Produktivgenossenschaften haben, soweit es möglich ist, daß sie Grund und Boden übernehmen können. Nur zweifeln wir, ob diese Produktivgenossenschaften immer die nötigen finan ziellen Mittel haben und ob die Leute stets genügend geistig vorgeschult und vorbereitet sind, diese große Aufgabe zu übernehmen. Auf keinen Fall können wir aber zugeben, daß der Staat den größten Teil des Waldes an sich zieht, der Wald soll vielmehr auf die Gemeinden und Bezirke aufgeteilt werden, die ihn gemeinsam viel besser verwalten werden, als der Staat, der noch nicht bewiesen hat, daß er gut wirtschaften kann.

Die Bodenreform, wie wir sie wünschen, hat natürlich ihre heftigen Gegner, und wir kämpfen da nach zwei Fronten. Nach der einen Seite kämpfen wir gegen die Art und Weise, wie die èechische Mehrheit die Bodenreform durchführen will, nach der anderen Seite kämpfen wir aber auch gegen die Gegner der Reform im deutschen Volke. Einen deutschen Gegner der Boden reform haben wir ja unmittelbar vorher gehört, es ist der Kollege Medinger, der hier nur im Interesse des Großgrundbesitzes, im Interesse seiner Klassengenossen gesprochen hat. Ich nehme ihm das nicht übel, es ist ganz gut, daß er ganz offen, deutsch gesprochen hat. Die Methode, wie Herr Medinger die Bodenreform durchführen will, ist allerdings einfach lachhaft. In einer Interpellation hat er angeregt, die Bodenreform so zu machen, daß der allerdings zu große Komplex, den einzelne Herren haben, aufgeteilt werde, aber nicht auf die Kleinbauern usw., sondern - auf die Verwandten des Besitzers. Was dann übrig bleibt, soll den Großbauern und den mittleren Bauern abverkauft werden. Das ist natürlich keine Lösung der Bodenreformfrage. Ich weiß sehr gut, daß Herr Medinger immer und überall im Inland und im Ausland gegen die Bodenreform kämpft. Ich habe hier das Aprilheft der "Oesterreichischen Rundschau" v. J. 1921, worin sich Herr Medinger sehr energisch geg en die Bodenreform ausspricht und sie als Ausfluß kommunistischer, russischer Ideologie hinstellt und worin er sich und seine Klasse den Èechisch-Bürgerlichen anbietet, damit sie gemeinsam die umstürzlerischen Bestrebungen, wie sie in der Bodenreform zum Ausdrück kommen, bekämpfen könnten. Die Idee des Herrn Medinger geht eben dahin, womöglich eine Mehr heit zu finden, welche die ganze Boden reform überhaupt erwürgt. Was er hier unter anderem gesagt hat vom Hinunter sinken der Valuta, von einer vollen Entschädigung, hat er auch schon vor Monaten in diesem Heft dargelegt und hat da mit bekundet, daß er von einer ernsten Reform nichts wissen will. Wir werden uns natürlich von solchen Leuten nicht irreführen lassen, obwohl wir sehr genau wissen, daß die Herren Großgrundbesitzer heute sehr gut organisiert sind und alle Mittel anwenden, um die Bodenreform zum Scheitern zu bringen.


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