Meine Damen und Herren! In meiner vorjährigen Budgetrede hatte ich Gelegenheit, in ausführlicher Weise die Stellung der èechoslovakischen Regierung dem deutschen Schulwesen gegenüber zu behandeln und an der Hand der bisher erlassenen Schulgesetze, der erflossenen Verfügungen und Verordnungen die Deutschfeindlichkeit des ganzen Systems darzulegen. Ich bin leider nicht in der Lage, heuer auf Grund der im letzten Jahre auf dem Gebiete des deutschen Schulwesens erfolgten Verfügungen etwas Besseres berichten zu können, muß vielmehr von dieser Stelle aus wieder gegen die bisherige Behandlung und unglaubliche Bedrückung des deutschen Schulwesens in unserem èechoslovakischen Freiheitsstaate den schärfsten Protest und die schwerste Anklage gegen die èechischen Gewalthaber erheben.
Der Schulkampf, ein ewiger Schandfleck für diesen angeblich demokratischen Staat, ist auch im letzten Jahre nicht zum Stillstand gekommen, fand vielmehr seine ungehinderte Fortsetzung, ja sogar eine weitgehende Verschärfung. Die angewandten Methoden haben sich vielleicht etwas geändert, man hat teilweise zu etwas feineren Mitteln gegriffen, teilweise aber auch rohere, brutalere Mittel anzuwenden sich nicht gescheut.
Ich will nun im einzelnen die angewandten Methoden eingehender besprechen:
I. Da sind zunächst zu erwähnen die Ausschulungen. Auch im heurigen Jahre wurden in mißbräuchlicher Anwendung des Artikels 1 des Gesetzes vom 9. April 1920 vielfach Schulsprengeländerungen vorgenommen, ohne daß dies die beteiligten Parteien verlangt hatten oder die Notwendigkeit zu dieser Maßnahme gegeben gewesen wäre; im Gegenteil, die getroffene neue Einteilung ist vielfach schlechter als die frühere, zerreißt natürliche, seit altersher bestehende Beziehungen zwischen den einzelnen Schulgemeinden, sodaß die Annahme berechtigt erscheint, daß sie nur getroffen wurde, um die Schulkinderzahl der Stammschule herabzudrücken und diese dann aufzulösen. Das ist auch tatsächlich in einer Reihe von Fällen geschehen, z. B. Albrechtsdorf, Welledorf, Kolloredo u. a. m.
II. Ein weiteres Mittel der Schulvernichtung war die Umwandlung staatlicher Übungsschulen zu Sprengelschulen wie z. B. in Olmütz, wodurch 100 Kinder den alten, bestehenden öffentlichen Schulen entzogen und diese dadurch in ihrer Organisation gefährdet wurden.
III. Ein besonderes und für die èechischen Rechtsbegriffe wenig rühmliches Kapitel sind die gewaltsamen Entnationalisierungen, die ich wohl etwas eingehender behandeln muß. Der Vorgang hiebei war meist folgender: Von Seite der deutsche Ortsschulrat und die Schulleitung einem Erlaß mit folgendem Wortlaut z. B. (ète):
"Neutitschein, am 26. März 1921. Zahl 636. Seitendorf b. Fulnek. Reklamation der Schulkinder böhm. Nation aus der deutsch. Volksschule. An die Leitung der deutschen Volksschule Seitendorf, bei Fulnek.
Durch die auf Grund der vom èechischen Ortsschulrate in Seitendorf bei Fulnek bei der politischen Bezirksverwaltung in Neutitschein eingebrachten Reklamationen eingeleiteten Erhebungen wurde konstatiert, daß die tiefer angeführten Kinder, welche die deutsche Volksschule in Seitendorf b. Fulnek bisher besuchten, èechischen Ursprungs bezw. èechischer Muttersprache sind und deshalb im Sinne des § 20 des Ges. vom 27. November 1905, L. G. Bl. Nr. 4, sowie des § 1 des Gesetzes vom 3. April 1919, Nr. 189 S. D. G. u. V., in die èechische Schule gehören. Es sind dies: (folgt die Aufzählung der Kinder.)
Demnach ordne ich im Sinne der zit. gesetzlichen Bestimmungen die Ausscheidung dieser Kinder aus der deutschen Volksschule in Seitendorf b. Fulnek an und weise dieselben zum Besuche der èechischen Schule an.
Für die unverzügliche Befolgung dieser Anordnung mache ich den Herrn Leiter der Volksschule persönlich verantwortlich.
Eventuelle Einwendungen der gesetzlichen Vertreter der Kinder haben keine aufschiebende Wirkung.
Der Ministerialrat u. Vorsitzende des Bezirksschulausschusses: Wychodil, m. p."
Die Reklamation erfolgte nach diesem Erlasse auf Grund der einseitigen Angabe des èechischen Ortsschulrates oder der "Národní jednota" des betreffenden Ortes, wobei, wie ich ausdrücklich feststelle, Erhebungen an Ort und Stelle, die Einvernahme der betreffenden Eltern, was doch das Erste hätte sein müssen, nicht stattfanden. Es ist unrichtig, wenn der Herr Minister für Schulwesen und Volkskultur in seiner. Antwort auf meine Interpellation (Druck 2999) behauptet, daß durch protokollarisches und ob jektiv vorgenommenes Verhör sämtlicher Eltern alle für die Beurteilung der Sache erforderlichen Umstände genau ermittelt wurden. Ich bin in der Lage, ihm das Gegenteil beweisen und Eltern bekanntgeben zu können, die überhaupt nicht einvernommen und befragt wurden. Die einfache Angabe des èechischen Minderheitslehrers des Ortes genügte oft für eine so folgenschwere Maßnahme der èech. Behörde.
Diese Reklamationen betrafen vielfach Kinder, die in wenigen Monaten nach Vollstreckung ihrer Schulpflicht austreten sollten. Vom erzieherischen Standpunkt muß es als besonders grausam und im höchsten Grade schädlich bezeichnet werden, wenn ein Kind gezwungen werden soll, im letzten Jahre seines Schulbesuches, wenige Wochen vor Abgang, in eine Schule überzutreten, deren Unterrichtssprache es nicht versteht.
Diese Reklamationen sind aber auch ein Akt brutaler Rechtsverletzung, der in kühner Weise und um Gesetzunkundige zu täuschen, in einige unpassende Paragraphen gekleidet wurde. Sie erfolgte nach dem Erlasse mit Berufung auf § 20 des Gesetzes vom 27. November 1905, Landesgesetzblatt für Mähren Nr. 4 vom Jahre 1906, welcher lautet: "In die Volksschule dürfen in der Regel nur Kinder aufgenommen werden, welche der Unterrichtssprache mächtig sind."
Der klare Wortlaut dieses Paragraphen spricht für die Weiterbelassung der Kinder in der deutschen Schule, weil alle in Betracht kommenden Kinder wohl der deutschen, die meisten aber nicht der èechischen Unterrichtssprache mächtig sind. Sie hätten also nach dieser Bestimmung unbedingt in der deutschen Schule zu verbleiben, ohne Rücksicht, welcher Nationalität ihre Eltern angehören. Denn dieser Paragraph spricht nur von der Beherrschung der Unterrichtssprache beim Schuleintritte und nicht von der Nationalität und es ist einfach unbegreiflich, wie èechische Schuljuristen in der früher angeführten Antwort des Herrn Ministers daraus den Grundsatz ableiten wollen, "daß ein 6jähr. Kind in die Schule seiner Nationalität eingeschrieben werden muß". Im übrigen muß die Frage, ob die Eltern das Recht haben zu entscheiden, in welcher Sprache ihr Kind in der Schule zu unterrichten ist oder ob ein Kind bloß in die Schule seiner Mutter sprache gehört, erst im Zusammenhange mit der Neuregelung der Organisation des Volksschul esens gelöst werden. Den Forderungen, welche die Deutschen dies bezüglich zu erheben haben, soll heute hier nicht vorgegriffen werden. Im gegenwärtigen Zeitpunkte muß man sich aber auf die bestehenden Gesetze stützen und nicht auf die vielleicht kommenden. Das Ausschulen der Kinder hätte nur dann vorgenommen werden können, wenn eine gesetzliche Bestimmung vorhanden wäre, nach welcher gegen den frei er klärten Willen der Eltern deren Kinder gezwungen werden könnten, eine andere Schule zu besuchen als jene, in welche sie zu Beginn des Schuljahres über Ersuchen der Eltern eingeschrieben wurden. Ein derartiges Gesetz haben wir in der èecho slovakischen Republik noch nicht. Der § 106 der Verfassungsurkunde (Gesetz vom 29. Feber 1920, S. d. G. u. V. Nr. 121) gewährt allen Bewohnern der èechoslovakischen Republik den vollen und ganzen Schutz ihrer Freiheit ohne Rücksicht auf ihre Herkunft, Sprache, Rasse oder Religion; gemäß § 107 ist die persönlich Freiheit gewährleistet und eine Beschränkung oder Entziehung der persönlichen Freiheit wäre nur auf Grund eines Gesetzes möglich. Jedem steht also das Recht zu, in allen Gewissens- und Glaubensfragen freie und souveräne Entscheidungen zu treffen.
Daraus ergibt sich, daß die Eltern und nur diese allein heute noch das Recht haben, über ihre Kinder zu bestimmen, in Mähren allerdings mit der Beschränkung der lex Perek. Demnach haben derzeit auf Grund der verfassungsmäßig gewähr leisteten Freiheitsrechte auch èechische Eltern das Recht, die Belassung ihrer Kinder in der deutschen Schule zu verlangen. Denn das Recht der Nation, das höher stehen soll und das Elternrecht nur auf gemischte Ehen beschränken dürfte, ist bis heute noch nicht kodifiziert und Gesetz. Aber zugegeben, daß der Wille des Einzelnen nicht berücksichtigt werden kann, mit ihnen einverstanden in der Forderung, daß ein èechisches Kind in die èechische Schule, ein deutsches Kind in die deutsche Schule gehört, warum locken sie dann mit allen möglichen Mitteln und Versprechungen deutsche Kinder in ihre èechischen Schulen, warum wollen sie deutsche Eltern verhalten, ihre Kinder in die èechische Schule schicken zu müssen? Denn von den ausgeschulten Kindern stammen viele von Eltern, welche immer, schon seit Jahrhunderten, deutsch waren und sind, sich auch bei der Volkszählung als deutsch eingetragen haben, andere stammen aus Mischehen, wobei aber die Eltern darauf beharrten, ihre Kinder in der deutschen Schule erziehen zu lassen. Mit welchem Rechte, außer dem der brutalen Gewalt, will man diese Leute zwingen, ihre Kinder in die èechische Schule zu schicken?
Der Herr Minister ist wahrlich schlecht unterrichtet, wenn er diese Tatsachen in seiner Interpellations-Antwort leugnet und behauptet, daß aus den Verzeichnissen von vorherein Kinder mit deutscher Muttersprache und deutscher Nationalität ausgeschieden wurden. Diese Antwort ist umso verwunderlicher, da ich selbst beim Herrn Minister Šusta mit einem betroffenen Vater vorgesprochen habe, der ihm die Dokumente seiner deutschen Herkunft und Nationalität auf Jahrhunderte zurück vorlegte, um zu erwirken - was ihm allerdings nicht gelang - daß sein aus der Schule entfernter Knabe wieder die Schule besuchen dürfe.
Der Herr Minister wußte also, daß auch deutsche Eltern davon betroffen wurden. Soweit aber ist der Deutsche in diesem Staate schon vogelfrei, daß er nicht einmal mehr das Elternrecht ausüben darf, sondern daß die èechischen Behörden, bezw. die Hintermänner und Drahtzieher derselben, über seine Kinder und ihre Erziehung entscheiden!
Das ganze Verfahren war im höchsten Grade mangelhaft, denn alle gemachten Angaben waren kommissionell zu erheben, was nirgends geschah.
Auch die Berufung auf den § 1 des Gesetzes vom 3. April 1919, Nr. 189 S. d. G. u. V., ist vollständig widersinnig, denn dieser Paragraph lautet: "Eine öffentliche allgemeine Volksschule kann in jeder Gemeinde errichtet werden, in der sich nach einem dreijährigen Durchschnitt mindestens 40 schulpflichtige Kinder befinden, wenn in der Schulgemeinde keine öffentliche Schule mit der Unterrichtssprache besteht, welche die Muttersprache dieser Kinder ist. Die Unterrichtssprache einer solchen Volksschule muß die gleiche sein wie die Muttersprache der betreffenden Kinder."
Durch diese Gesetzesbestimmung wird doch nur die rechtliche Möglichkeit geschaffen, in jeder Gemeinde, in welcher nach einen 3jährigen Durchschnitte 40 schulpflichtige Kinder sind, eine sogenannte Minderheitsschule zu errichten. Es ist unbegreiflich, wie dieser Paragraph in diesem Zusammenhange zitiert werden konnte.
Das Vorgehen des Leiters der politischen Bezirksbehörde ist auch nach der Richtung ungesetzlich, daß den Einwendungen gegen diese Verfügung die aufschiebende Wirkung aberkannt wird. Gemäß § 40, Abs. 7 des Gesetzes vom 27. November 1905, L. G. Bl. Nr. 4 ex 1906, Abt. I., haben Beschwerden gegen die Entscheidung des Bezirksschulrates (mithin auch des an dessen Stelle getretenen Bezirksschulausschusses) aufschiebende Wirkung, da ja durch den sofortigen Vollzug die Rekurse widersinnig wären und ein Erfolg derselben vereitelt würde. Es liegt auch kein wichtiges, öffentliches Interesse vor, das den sofortigen Vollzug rechtfertigen würde. Diese Ungesetzlichkeit mußte selbst der Herr Minister zugeben und als einen Übergriff bezeichnen, aber er irrt wieder, wenn er behauptet, daß der mähr. Landesschulrat den Rekursen der deutschen Ortsschulräte die aufschiebende Wirkung zuerkannte und daß bisher alle in Betracht kommenden Kinder, bis auf Ausnahmen, deutsche Schulen besuchen.
Ich stelle fest, daß diese Behauptung wohl bei der politischen Bezirksverwaltung Neutitschein zutrifft, nicht aber bezüglich der politischen Bezirksverwaltung in Mähr.-Ostrau, was dem Herrn Minister aus den vielen Vorsprachen diesbezüglich bekannt sein mußte. Das Vorgehen des Leiters der politischen Bezirksverwaltung in Mähr.-Ostrau, namens Žilka überschreitet alles bisher Dagewesene und ist der roheste Akt brutaler Vergewaltigung, wie er wohl bisher in keinem Kulturstaate vorgekommen ist. Mit dem im Wortlaute gleichen Erlasse wurden auch hier die Kinder, darunter viele deutsche, aus der deutschen Schule hinausgewiesen. Da sie aber in den meisten Fällen die Schule freiwillig nicht verließen, wurden sie mit brutaler Gewalt durch Gendarmerie aus den Klassen entfernt. Sowohl die Eltern wie auch die Kinder selbst weigerten sich, die èechische Schule, der sie einfach zugewiesen worden waren, zu benützen. Da sie in die deutsche Schule auch nicht gehen durften, blieben sie dem Unterrichte ganz fern, soferne sie nicht privat unterrichtet wurden. Hunderte deutsche Schulkinder besuchen auf diese Weise keine Schule. Žilka wußte sich auch da Rat und erließ folgenden Erlaß (ète):
"Vorsitzender des deutschen Bezirksschulrates in Mähr.-Ostrau. Am 1. Juni 1921. Zl.: 145 präs. Ausschulung von Kindern èechischer Nationalität aus den deutschen Schulen. An alle Leitungen deutscher Volks- und Bürgerschulen im Bezirke.
Als Vorsitzender des deutschen Bezirksschulrates habe ich seinerzeit die Ausschulung von Kindern èechischer Nationalität aus den öffentlichen Volks- und Bürgerschulen verfügt und den Leitern dieser Schulen unter eigener Verantwortung untersagt, diese Schulkinder am Unterrichte teilnehmen zu lassen.
Da manche dieser Schulkinder trotz des Verbotes von den Eltern weiter in die deutschen Schulen geschickt wurden, habe ich die Entfernung aus der Schule veranlaßt.
Gegen jene Eltern, die trotz meiner Anordnung die ausgeschiedenen Kinder in die èechische Schule nicht schicken wollten, habe ich das Strafverfahren wegen Schulversäumnissen durchgeführt.
Die ausgeschiedenen Schulkinder haben somit, insoferne sie nicht in èechische Schulen übergetreten sind, in der zweiten Hälfte des laufenden Schuljahres an dem Unterrichte in einer öffentlichen Schule nicht teilnehmen dürfen, wurden daher auch nicht geprüft und nicht klassifiziert.
Es ist mir in keinem Falle angezeigt worden, daß irgend welches der ausgeschiedenen Kinder während der zweiten Hälfte des laufenden Schuljahres eine Privatvolksschule besuchen würde (§ 201 der Schul- und Unterrichtsordnung).
Desgleichen ist von den Kindeseltern die Anzeige, daß die Kinder privat unterrichtet werden, nicht erstattet worden.
Der Bezirksschulrat war daher bisher nicht in der Lage, sich zu überzeugen, ob die Eltern der ausgeschiedenen Kinder für den Unterricht ihrer Kinder auf eine gesetzlich zulässige Art gesorgt haben. (§ 205 der Schul- und Unterrichtsordnung.)
Da es ferner (den Unterricht an einer öffentlichen oder behördlich bewilligten Privatanstalt ausgenommen) gesetzlich verboten ist, mehreren Schulkindern gemeinsam den Unterricht in Winkelschulen zu erteilen, (§ 203 d. Sch. u. U. O.) bin ich als Vorsitzender des B. S. R. vorläufig nicht in der Lage, prüfen zu lassen, ob die ausgeschiedenen Schulkinder in der zweiten Hälfte des Schuljahres auf die gesetzlich zulässige Art unterrichtet wurden.
Soferne ich daher in vereinzelten Fällen nicht die ausdrückliche Bewilligung zur Wiederaufnahme des ausgeschiedenen Kindes in die deutsche Schule gegeben habe, verbiete ich den Schulleitungen ausdrücklich die Ausstellung von Schulzeugnissen am Ende des Schuljahres, ferner von Abgangs- und Entlassungszeugnissen für jene ausgeschiedenen Kinder, die am 1. Juni 1921 das 14. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Ferner verbiete ich den Leitungen öffentlicher und der mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschulen die Zulassung dieser ausgeschiedenen Kinder zu den im § 206 und § 208 der Schulund Unterrichtsordnung stattfindenden Prüfungen.
Der Vorsitzende: Žilka, m. p."
Dieser Erlaß ist in allen seinen Punkten, soviel Aufträge er enthält, vollständig ungesetzlich und außerhalb des Kompetenzkreises des Vorsitzenden des Bezirksschulrates erlassen. Denn die Eltern der ausgeschiedenen Kinder haben gegen das Ausscheidungserkenntnis zur richtigen Zeit Rechtsbeschwerde eingelegt und dieser Rechtsbeschwerde kommt aufschiebende Wirkung zu, so daß der Vorsitzende des Bezirksschulrates gar nicht berechtigt war, mit Zwang diese Kinder aus der Schule zu entfernen und den Eltern den Befehl zu erteilen, daß sie ihre Kinder in die èechische Schule schicken sollen. Denn die Eltern eines aus einer deutschen Volksschule rechtskräftig ausgeschiedenen Kindes sind durch die Bestimmung hauptsächlich des § 20 des Ges. vom 27. November 1905, L. G. Bl. Nr. 4 ex 1906, II. Teil (welche Bestimmungen sich nur auf öffentliche Volksschulen und nicht auf Privatschulen beziehen, daher umso weniger auf den häuslichen Unterricht angewendet werden können) nicht verpflichtet, ihr Kind in die öffentliche èechische Volksschule zu schicken, auch kann sie niemand hindern, dem Kinde häuslichen Unterricht erteilen oder es an einer deutschen Privatschule unterrichten zu lassen. Nirgends ist vorgeschrieben, besonders nicht im angezogenen § 201 der Sch. u. U. O., daß Kinder, welche die Privatvolksschule besuchen, dem Vorsitzenden des Bezirksschulrates angezeigt werden. Ebenso besteht keine Pflicht der Kindeseltern, dem Vorsitzenden des Bezirksschulrates anzuzeigen, daß sie ihre Kinder privat unterrichten lassen. Die Vorschriften, welche die häusliche Unterrichtserteilung regeln, sind in den § § 20, 23 und 24 R. V. G. enthalten und nirgends wird von einer derartigen Pflicht der Eltern gesprochen. Allerdings sind genaue Bestimungen im § 23 des Reichsvolksschulgesetzes bezw. in dem § 25 des mähr. Schulaufsichtsgesetzes und den § § 21 und 23 des mähr. Schulunterrichtsgesetzes enthalten, welche das Recht und die Pflicht der Bezirksschulaufsicht festlegen, sich in angemessener Weise davon zu überzeugen, wenn Zweifel obwalten, ob die die öffentliche Schule nicht besuchenden Kinder zumindestens den für die Volksschule vorgeschriebenen Unterricht in genügender Weise erhalten. Es ist Sache des Bezirksschulrates, sich eben in die Lage der Eltern zu versetzen, die besorgt sein müssen, ob die hier unrechtmäßig aus der öffentlichen Schule ausgeschiedenen Kinder den vorgeschriebenen Unterricht erhalten. Es ist bezeichnend, daß der Vorsitzende des Bezirksschulrates selbst hier im Eifer der Sache eine schwere Pflichtverletzung seinerseits zugibt. Die Ungesetzlichkeit seines Verbotes an die Schulleitungen zur Ausstellung von Abgangs- und Entlassungszeugnissen sowie der Zulassung der ausgeschiedenen Kinder zu den vorgeschriebenen Prüfungen braucht wohl nicht erst hervorgehoben zu werden.
Was sagt der Herr Minister zu einer solchen Vorgangsweise? Das Traurigste dabei aber ist, daß diesem Manne bis her noch nicht das Handwerk gelegt wurde, daß man ihn ruhig schalten und walten und eine ungeheure Erbitterung in die deutsche Bevölkerung hineintragen ließ. Oder sollte vielleicht Žilka auf höheren Befehl so handeln, da es doch schwer zu glauben ist, daß ein untergeordnetes Organ auf eigene Faust so die Deutschen herauszufordern wagt? Auf diesem Wege werden sie wohl kaum zu einer Beruhigung der Gemüter und zu einem friedlichen Nebeneinander-Wohnen der Nationen kommen.
Wahrlich, weit haben wir es schon gebracht, wenn selbst von Seite der staatlichen Organe die Gesetze und Verordnungen mißachtet und damit in der Bevölkerung jede Achtung vor den Behörden ertötet wird. Ich mußte mich mit diesem Kapitel der Reklamationen etwas eingehender beschäftigen, weil es wie kein anderes geeignet ist, dem deutschen Volke seine vollständige Rechtlosigkeit in diesem Staaten, die Schwere des Schulkampfes und die Größe der Rechtsverletzung seitens der èechischen Behörden deutlich zu zeigen. Die angeführten Fälle betrafen wohl nur Mähren, wo die lex Perek die Sachlage verschärft, doch wäre es gefehlt zu glauben, daß das Gleiche nicht auch in Böhmen vorgekommen ist. Nur suchte man hier nicht erst die Anlehnung an ein Gesetz, sondern ging nach reiner Willkür vor.
Auf die geschilderte Art wurden reklamiert, um nur einige Beispiele herauszugreifen:
in Neutischein | 90 Schulkinder |
in Schönau | 34 Schulkinder |
in Zauchtl | 18 Schulkinder |
in Seitendorf b. Fulnek | 10 Schulkinder |
in Senftleben | 7 Schulkinder |
in Mistek | 41 Schulkinder |
in Mähr. Ostrau | 194 Schulkinder |
IV. Ein weiteres Mittel zur Vernichtung des deutschen Schulwesens ist das Durchbrechen des Prinzipes der Schulorganisation, wie es sich im alten Österreich auf Grund der Erfahrung herausgebildet hatte. Hier hatte sich das Nationalitätenprinzip auf dem Gebiete des Schulwesens im Laufe der Zeit vollständig durchgesetzt, sodaß jede Schule ihrem eigenen Ortsschulrate unterstand, die deutsche Schule daher dem deutschen Ortsschulrate, die èechische Schule nur einem èechischen Ortsschulrate. Darauf fußten dann die ebenso organisierten Bezirksschulräte und darauf die deutsche und èechische Sektion des Landesschulrates. Das war eine ganz vernünftige Regelung, welche die Schule dem nationalen Kampfe entzog und der Verwaltung der Konnationalen übertrug, die doch an ihrem Ausbau nur allein das größte Interesse hatten.
In der Èechoslowakei ist auf diesem Gebiete, wie auf vielen, eine Rückentwicklung eingetreten. Mit Regierungsverordnung vom 6. November 1920, Z. 608 S. d. G. u. V., wurden an Stelle der alten Bezirksschulräte Bezirksschulausschüsse errichtet. Trotzdem der § 2 der Durchführungsverordnung des Ministeriums ausdrüclich sagt, daß in jedem Schulbezirke ein Bezirksschulausschuß zu errichten ist, wurden seitens des Vorsitzenden des Landesschulrates doch die Weisungen an die Vorstände der politischen Bezirksbehörden hinausgegeben, daß in einigen Bezirken, welche bisher 2 Bezirksschulräte hatten, einen für die Deutschen und einen für die Èechen, nunmehr ein einziger utraquistischer Bezirksschulausschuß zu errichten ist.
Dieselbe Schlußfolgerung wurde fälschlicher Weise auch bei den Ortsschulräten gezogen, sodaß es heute eine Reihe deutscher Ortsschulräte gibt, in denen auch Èechen sitzen oder das deutsche Schulwesen einem zur Mehrheit èechischen Ortsschulrat ausgeliefert ist. Es wird wohl ohne weiters zugegeben werden, daß eine so zusammengesetzte Körperschaft wenig Liebe, Fürsorge und Verständnis für das fremdnationale Schulwesen aufbringt und mehr daran denkt, dies zu schädigen als zu fördern. Wie tief aber im Rechtsbewußtsein des Volkes der ethisch gerechtfertigte Grundsatz verankert ist, daß nur Nationsangehörige zur Verwaltung der Kulturgüter ihrer Nation berufen sind, beweist die Tatsache, daß vielfach in deutsche Ortsschulräte ernannte Mitglieder èechischer Nationalität auf ihre Amtsfunktion verzichtet haben und den Sitzungen des deutschen Ortsschulrates prinzipiell aus dem Grunde fernblieben, weil sie der Anschauung sind, daß es ein Unrecht von ihnen wäre, in andersnationale Schulangelegenheiten hineinzusprechen. Rühmend muß diese Handlungsweise hervorgehoben werden und sie beleuchtet ganz besonders das Verhalten der amtlichen èechischen Schulbürokraten.
V. Neben den bereits besprochenen Methoden, das hoch organisierte deutsche Schulwesen zu vernichten, kommt weiters in Anwendung, daß man die schulpädagogischen Stellen der Deutschen verringert oder oft unnötig lange unbesetzt läßt. Es dauert oft sehr lange, bis endlich eine frei gewordene Bezirksschulinspektorsstelle wieder besetzt wird, wobei alle Vorschläge der Fachorganisationen unbeachtet gelassen werden und nicht immer die fachliche Tüchtigkeit, sondern die Gesinnungslosigkeit des zu Ernennenden den Ausschlag gibt. Scheut man doch auch nicht davor zurück, selbst offene oder verkappte Èechen zu Hütern des deutschen Schulwesens zu ernennen.
Mit Erlaß des Ministers für Schulwesen und Volkskultur vom 22. April 1921, Z. 29.743, wurde die Inspektion des Gewerbeund Fachschulwesens neu geregelt und zugleich die Inspektoren bestimmt, welche die Inspektion durchführen sollen. Abgesehen davon, daß unter den 3 ernannten Ministerialinspektoren kein einziger der deutschen Nationalität angehört und unter den 13 Fachinspektoren sich nur 4 befinden, welche deutscher Nationalität sind, wurden 6 Fachinspektoren èechischer Nationalität mit Inspektionen von Fachschulen mit deutscher Unterrichtssprache betraut. Bei dem anerkannt hohen Bildungsstand und der Tüchtigkeit deutscher Fachlehrorgane besteht wohl kein Zweifel, daß genügend qualifizierte deutsche Lehrkräfte vorhanden gewesen wären, welche mit der Inspektion für die deutschen gewerblichen Unterrichtsanstalten hätten betraut werden können.
Dieser Vorgang wird scheinbar nur deshalb befolgt, um das deutsche Schulwesen vollständig unter Aufsicht zu haben und entsprechend beeinflussen zu können. Dieser Vorgang widerspricht allerdings ganz und gar dem Grundsatz, daß die Unterrichts- und Erziehungsanstalten und sonstigen kulturellen Einrichtungen eines Volkes durch Angehörige derselben Nationalität betraut und verwaltet werden, widerspricht auch der loyalen Auslegung des Art. 9 des Vertrages von St. Germain, daß die für die nationalen Minderheiten errichteten Kulturinstitute sich in ihrer Sprache verwalten, beziehungsweise verwaltet werden.
Die Anerkennung des Nationalitätenrechtes auf dem Gebiete der Schulverwaltung hat sich sowohl für die Entwicklung des deutschen als auch für die Entwicklung des èechischen Schulwesenes außerordentlich bewährt. Nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen und den durch jahrzehntelange gewohnheitsrechtliche Übung erstarkten Rechtsüberzeugungen ist die Bestellung von Personen einer anderen Nationalität zu Lehrkräften oder Inspektionsorganen ungesetzlich.