Verehrte Damen und Herren! Auf der Tagesordnung steht die Anforderung eines Kredits der Staatseisenbahnverwaltung im Betrage von insgesamt 940 Millionen Kronen zur Auffrischung und Vermehrung des Wagenparks. Ich will nicht leugnen, daß es sich hier um eine äußerst wichtige, ja sogar dringende Angelegenheit handelt. Hält man sich den Zustand vieler Personenwagen vor Augen, auch solcher, die in den Schnellzügen laufen, so müßte man eine Auffrischung des Wagenparks sogar als eine der dringendsten Aufgaben bezeichnen, wenn die Ursache nicht sehr häufig in einem empfindlichen Mangel an Reinlichkeitsgefühl zu suchen wäre. Und diesem Mangel, der seinem Wesen nach östlicher Herkunft ist, läßt sich wohl weder mit Millionenkrediten noch auch mit der hier so beliebten westlichen Orientierung abhelfen. So weit nun allerdings das deutsche Gebiet in Betracht kommt, muß man mit Fug und Recht von einer geradezu aufdringlichen Vernachläßigung des Verkehrswesens im allgemeinen, wie im besonderen des Fahrparks und seines Zustandes sprechen. Man gibt uns bei jeder Gelegenheit, die sich darbietet, ordentlich zu spüren, daß wir in diesem Staate nichts anderes sind, als die Hintersassen. Fehlt es einmal wirklich oder angeblich an Personenwagen, so hilft man sich bequem mit den Hof- salonwagen 5. Klasse "pro 40 mužù". Am Sonntag hatte ich Gelegenheit, beim Kreisturnfest in Arnau das beobachten zu können. Den deutschen Turnern sind Sonderzüge beigestellt worden, die durchwegs aus schmutzigen Viehwagen ohne jede Sitzgelegenheit bestanden. Zu gleicher Zeit hat in Hohenelbe ganz in der Nähe ein Sokoltrutzfest stattgefunden, und dort bestanden die Sonderzüge, wie bei dem Trutzfest, das einige Tage vorher in Trautenau stattfand, durchwegs aus fast neuen Personenwagen. Jedenfalls will man auf diese Weise wieder einmal sinnfällig vor Augen führen, daß sich unser Volk in diesem Staate einer besonderen Wertschätzung erfreut. (Výkøik: Bürger 6. Klasse!) Nicht nur 6., sondern vielleicht 8. oder 12. Dieses Gauturnfest ist aber auch noch aus einem anderen Grunde recht interessant, wie übrigens auch dasjenige, das Ende Juni in Troppau abgehalten wurde, weil aus dem Verhalten der Staatseisenbahnverwaltung klar hervorgeht, daß man uns Deutsche absichtlich bei jeder Gelegenheit vor den Kopf stößt.
Der Troppauer Turnverein hat damals 6 Wochen vor dem Stattfinden des Festes bei der Staatseisenbahndirektion Olmütz um Gewährung einer Preisermäßigung angesucht. Statt das Ansuchen zu erledigen, hat es die Staatsbahndirektion, um es möglichst zu verschleppen, dem Ministerium vorgelegt. Zehn Tage vor dem Stattfinden des Gauturnfestes hatte der veranstaltende Verein noch keine Erledigung in der Hand. Im Ministerium hat man mir und einem anderen Kollegen, der in dieser Angelegenheit einschritt, erklärt, daß die Sache von der Direktion im eigenen Wirkungskreise hätte erledigt werden können und daß übrigens das Ansuchen am 13. Juni - wir schritten am 18. Juni ein - bereits an die Staatsbahndirektion abgegangen sei. Am 20. Juni aber wollte die Staatsbahndirektion Olmütz von diesem Ansuchen noch nichts wissen.
Endlich drei Tage vor Beginn des Festes wurde der Troppauer Turnverein verständigt, daß ihm eine 20 %ige Fahrpreisermäßigung zugestanden sei. Der Verein verständigte noch rasch mit Eilbrief alle teilnehmenden Vereine, legte 600 K für diese Eilbriefe aus, und das Ergebnis war, daß trotzdem nicht alle Teilnehmer die Fahrpreisbegünstigung erhalten haben, die ja ohnedies schmal genug ist, weil die Stationen nicht verständigt werden. So ist es beispielsweise in Mährisch-Schönberg gewesen, wo bei den Kassen erklärt wurde, es sei der Station von einer Fahrpreisermäßigung nichts bekannt. Wenn da nicht böswillige Absicht dahintersteckt, so kann man überhaupt nicht mehr von einer solchen sprechen. Nach einem Schreiben, das ich soeben erhalten habe, wird nun derselbe Vorgang auch gegenüber anderen Vereinen abgehalten. So hat man beispielsweise den Teilnehmern an der Volksbildnerwoche in Römerstadt, trotzdem vor acht Wochen um eine 33 %ige Fahrpreisermäßigung angesucht wurde, bis heute noch keine Erledigung zukommen lassen, obzwar in einer Woche bereits der Kurs beginnt, und so geht es aller Ecken und Enden. Beim Gauturnfest in Arnau ist es den Teilnehmern genau so ergangen wie seinerzeit den Troppauer Turnern. Die Inanspruchnahme der Fahrpreisermäßigung von 20 % wurde an allerlei Förmlichkeiten geknüpft. Abgesehen davon, daß man die Teilnehmer in schmutzigen Viehwagen fahren ließ, hat man auch noch die Vereine gezwungen, die Karten tags zuvor und zwar immer in Gruppen von 10 Mann unter Vorweis der Mitgliederkarte zu bestellen. Hingegen wird mir von Turnern übereinstimmend versichert, daß die Sokolvereine jederzeit ohne irgend welche Formalitäten 50 %ige Fahrpreisermäßigungen bekommen und es ist bekannt, daß für die Trutzfahrten in deutsches Gebiet sogar Freikarten ausgegeben werden. Wir verlangen in dieser Hinsicht vom Herrn Eisenbahnminister, der ja anwesend ist, genaue Aufklärung. Gelegentlich des Arnauer Turnfestes haben sich auch die èechischen Angehörigen unserer Wehrmacht hervorragend benommen.
Den deutschen Soldaten ist bekanntlich die Teilnahme an deutschen Festen strenge verboten. Ich habe vor ganz kurzer Zeit erst hier Gelegenheit gehabt, darauf hinzuweisen, daß in Bodenbach 6 deutsche Soldaten wegen Teilnahme an der Sonnwendfeier nicht nur mit Gefängnis bestraft, sondern auch aus Bodenbach weg versetzt wurden. Wie ist es nun aber mit der Trautenauer Garnison gewesen? Sie bekam den Auftrag, sich am Sokoltrutzfest in Hohenelbe zu beteiligen, hat auch unter Führung eines Offiziers teilgenommen und in Arnau, als die Teilnehmer an dem Gaufest ausstiegen, das "Hrom a peklo" mit Aufwand aller Stimmittel gebrüllt. Der begleitende Offizier hat dazu gegrinst. Geschähe etwas derartiges von unserer Seite, so wäre man bekanntlich gleich mit dem Hinweis auf die "nìmecká kultura" zur Hand. Wie man aber das bezeichnensoll, wenn es von der Gegenseite geschieht, die alles in diesem Staat mit Einschluß der Kultur gepachtet hat, das weiß ich nicht.
Gehen wir nun zu einem anderen Kapitel über. Es sind die Maßregelungen und Bedrückungen deutscher Bediensteter im Bereiche der Staatseisenbahnverwaltung. In der Sitzung vom 12. habe ich bereits einige Fälle derartiger Bedrückungen vorgebracht, ich setze heute fort. Ich erwähne, daß das bloß einzelne kennzeichnende Fälle sind, die dazu dienen sollen, das ganze System, das sich hier auslebt und austobt, gebührend zu schildern, jenes System, das durch den Beschluß der Direktorenkonferenz vom 17. Juni neuerlich bekräftigt wurde. Mein Kollege Knirsch hat in der damaligen Sitzung den Beschluß dieser Direktorenkonferenz erwähnt. Bei dieser Gelegenheit, wie auch bei einer früheren, als Kollege Grünzner mit einigen sozialdemokratischen Kollegen im Eisenbahnministerium vorsprach, hat der Herr Eisenbahnminister rundweg abgeleugnet, daß ein derartiger Beschluß vorläge.
In der Sitzung vom 12. hat er dem Kollegen Patzel gegenüber darauf hingewiesen, daß es sich hier wohl um eine Irreführung handeln müsse. Dieser Beschluß ist bekanntlich in verschiedenen Zeitungen, darunter auch der "Bohemia", veröffentlicht gewesen. Nun hat Kollege Patzel den Minister darauf aufmerksam gemacht, daß es nebst dem Wege der Richtigstellung in der Presse auch den Weg der Richtigstellung in diesem Hause gibt. Der Herr Minister hat es vorgezogen, diesen Weg nicht zu gehen und wir sind infolgedessen auch, solange dies nicht geschieht, nicht in der Lage, an der Richtigkeit der Meldung, die damals durch die Zeitungen ging, zu zweifeln, umsoweniger als sich in meinen Händen die wortwörtliche Übersetzung des Beschlusses der damaligen Eisenbahndirektoren-Konferenz befindet. Darnach lautet er: "Ständig wiederholen sich die Fälle, daß viele Eisenbahnbedienstete deutscher Nationalität sich absichtlich die Dienstsprache nicht aneignen wollen, wodurch der Dienst beträchtlich leidet. Soweit es sich um Bedienstete niederer Kategorie handelt, sind dieselben zur Vorrückung nicht vorzuschlagen. Handelt es sich jedoch um Beamte in leitender Stellung, so sind dieselben von ihrem Posten abzuziehen und in zugeteilter Eigenschaft zu verwenden."
Dann heißt es weiter: "Zugeteilte Bedienstete, welche die Dienstsprache noch nicht erlernt haben, sind zur Requalifikation zu beantragen. Ferner sind alle Bedienstete, die sich die Dienstsprache noch nicht angeeignet haben und deren Dienstausübung darunter leidet, in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen. Wenn aber diese Bediensteten nach einer bestimmten Frist die Dienstsprache noch nicht erlernt haben, sind sie hiefür in den dauernden Ruhestand zu versetzen. Viele Beamte und Bedienstete haben die Dienstzeit bereits überschritten und warten mit dem Abgang aus dem Dienste bis zu der Zeit, zu welcher die Durchrechnung der Dienstjahre und Neuregelung der Ruhegenüsse erfolgt sein wird." Schließlich: "Jene Bediensteten aber, welche über die Zeit gedient haben, deren Dienstausübung aber den Bedingungen nicht entspricht, sind sofort in den dauernden Ruhestand zu versetzen."
Und nun heißt es, es sei ein derartiger Beschluß nicht gefaßt worden. Daß diese Dinge doch besprochen wurden, wenn man auch nicht darüber mit "Hände hoch" abgestimmt hat, erhellt daraus, daß der letzte Satz bereits in einigen Fällen seine Anwendung gefunden hat. Und es erhellt weiter daraus, daß die ganze Aktivkontrolle - und das ist nichts anders als die Abteilung Hajšman bei der Eisenbahn - bereits auf den Beinen ist, um denjenigen festzustellen, der hinter der Veröffentlichung dieses Beschlusses steht. Das sind also Dinge, die sich nicht so ohne weiteres aus der Welt schaffen lassen. Aber es ist schließlich gleichgültig, ob ein derartiger Beschluß offiziell und formell gefaßt wurde oder nicht, weil ja auch ohne Beschluß das System gehandhabt wird, wie unzählige Beispiele beweisen. Ich habe am 1. und am 8. März in Angelegenheit der Maßregelung und Bedrückung deutscher Eisenbahner zwei dringliche Interpellationen eingebracht. Sie sind bis heute ebensowenig beantwortet, wie die dringliche Interpellation über die Übernahme der Kaschau-Oderberger Bahn in die Staatsverwaltung, die vom 17. Feber herrührt. Heute will ich aus dem reichlichen, mir zur Verfügung stehenden Stoff bloß zwei Fälle herausgreifen.
Der erste betrifft einen gewissen Josef Flögel, Oberrevident, zuletztVorstand-Stellvertreter in Laube. Erstklassig beschrieben, galt er immer als vorzüglicher Beamter. Am 21. April l. J. wurde er plötzlich seines Postens enthoben und als Aushilfskraft der Stationskassa Tetschen zugeteilt. Seinen Posten bekam ein rangjüngerer Oberrevident, ein nationaler Überläufer namens Schwab. Es wurden auch sofort Schritte eingeleitet, um Flögel wieder auf seinen Posten zu bringen. (Zpravodaj posl. Buøíval: Co je to "Uberläufer?") Überläufer ist jemand, der bis dahin ein Deutscher, sich auf einmal als Èeche bekennt, und umgekehrt. Heute wird das natürlich in der ersten Richtung geschehen. Die Direktion Königgrätz behauptet, daß Flögel der èechischen Sprache nicht mächtig sei, sich aber auch nicht bemüht habe, sich sie auzueignen. Das ist aber nicht wahr. Erstens spricht Flögel nachgewiesenermaßen etwas èechisch, zumindest soviel, als er im rein deutschen Laube braucht. Zweitens lernt er es als 50 jähriger Mann heute noch. Und da die Sprachkurse, die über Auftrag des Eisenbahnministeriums eingerichtet wurden, nicht ausreichen, um die nötigen Sprachkenntnisse zu vermitteln, besucht er mit anderen Kollegen einen Privatkurs, den sie sich aus eigenen Mitteln eingerichtet haben. Wie ernst es übrigens der Eisenbahnverwaltung um die Vermittlung der Kenntnis in der Dienstsprache zu tun ist, erhellt aus der ganzen Einrichtung der Sprachkurse. Die deutschen Bediensteten sollen heute plötzlich über Nacht die Dienstsprache beherrschen und nun richtet man einen Kurs ein, der folgendermaßen ausschaut: Ein junger èechischer Beamter, ein Aspirant, der der deutschen Sprache überhaupt nicht mächtig ist, unterrichtet und leitet einen Kurs, den etwa 80 Bedienstete besuchen.
Also kurz und gut, eine lachhafte
Komödie, die absichtlich aufgeführt wird zu dem Zweck, damit man
dann sagen kann, die Betreffenden bemühen sich nicht und haben
sich bisher nicht bemüht, die Dienstsprache zu erlernen. Die Erfolge
sind dann natürlich auch darnach. Nun verschanzt sich, weil der
Hinweis auf die Unkenntnis der Dienstsprache nicht mehr half,
die Direktion Königgrätz neuerlich hinter der Ausrede, daß auch
die deutschen Bediensteten die Entfernung des Flögel verlangt
hätten, weil er mit ihnen angeblich zu grob sei. Das hat folgende
Bewandnis. Es ist vor einiger Zeit in Laube ein spontaner, wilder
Streik der Bediensteten ausgebrochen und es ist Flögel gelungen,
seinen Ausbruch durch energisches Zureden zu verhindern. Seine
Belohnung für diesen Dienst bestand dann in der Maßregelung. Wie
so vieles andere, hat also auch der berühmte Dank vom Hause Habsburg
in dieser glorreichen und entösterreicherten Republik seine Auferstehung
gefeiert. Es ist kein Geheimnis mehr, daß der hauptsächlichste
Unterschied zwischen heute und damals doch nur in der Farbe und
im Wappentier gelegen ist. Hatte es früher zwei Köpfe, so hat
es jetzt zwei Schwänze. Und wenn man bedenkt, daß der Sitz des
Verstandes doch im Kopfe ist und in keinem anderen Körperteil,
so ist auch manches, was sich an Dummheiten jetzt ereignet, sehr
leicht erklärlich.
Pøedseda (zvoní):
Volám pana posl. inž.
Junga k poøádku.
Posl. inž. Jung (pokraèuje):
Das ist die übliche Art und Weise, Tatsachen aus der Welt
zu schaffen.
Pøedseda (zvoní):
Volám pana posl. inž.
Junga po druhé k poøádku. (Nìmecké výkøiky.) Prosím
o klid.
Posl. inž. Jung (pokraèuje): Dem Flögel hat man also aus seiner angeblichen Energie einen Strick gedreht. Merkwürdiger Weise aber hat man einige Wochen später, als es gelegentlich der Ausweisung des Redakteurs Franke in Tetschen zu einer mehrstündigen Arbeitsunterbrechung kam, den dortigen Beamten wieder einen Mangel an Energie vorgeworfen, und wollte sie deshalb maßregeln, obzwar sie gar nicht eingreifen konnten, weil sie keine Kenntnis von dem Ausbruch des Streiks hatten und von ihm vollständig überrascht wurden.
Daraus folgt nun, daß der oberste
Grundsatz gegenüber den Deutschen lautet: "Wie's eben trifft."
Man nimmt die Dinge einmal von da und einmal von dort und gelegentlich
macht man eben auch in Tarnopol Anleihen für die Staatsmoral.
Die ganze Moral aus der Geschichte besteht nun darin, daß man
zwar von Ersparnissen redet, aber hochwertig quali fizierte Kräfte
für untergeordnete Posten verwendet.
Pøedseda (zvoní):
Upozoròuji pana øeèníka,
že lhùta uplynula.
Posl. inž. Jung: (pokraèuje):
Ich bedauere sehr. Ich hoffe, daß auch mir gegenüber die Geschäftsordnung
so liberal ausgelegt werden wird, wie es in der letzten Sitzung
gegenüber einem anderen Kollegen geschehen ist. Ich meine denn
doch, daß die Dinge zur Tagesordnung gehören und besprochen werden
müssen.
Pøedseda (zvoní):
Prosím pana øeèníka,
aby pokraèoval.
Posl. inž. Jung (pokraèuje): Im Mai hat der Herr Minister nun persönlich die Untersuchung des Falles Flögel zugesagt. Geschehen ist bis heute nichts!
Der zweite Fall, der vielleicht noch schärfer das ganze System kennzeichnet, ist der des Maschinenoberkommissärs Ingenieurs Niklas der Werkstätte Bodenbach. Ihm wurde vorgeworfen - weil man nichts anderes wußte - daß er im alten Österreich gegen die Arbeiter gewütet hätte. Ich persönlich kenne Niklas als einen harmlosen und liebenswürdigen Menschen, der niemandem ein Haar krümmt und in jeder Hinsicht entgegenkommend ist. Aber er ist ein Deutscher und das ist natürlich das Um und Auf der Sache. Da muß irgend etwas herbeigeholt werden. Die Untersuchung in dieser Hinsicht zeitigte, wie zu erwarten war, auch nicht das geringste Ergebnis. Wir haben es also hier mit einem jener typischen Fälle zu tun, die durchaus nicht vereinzelt sind und die sich nachgerade zu einer planmäßigen Hetze gegen alle deutschen Beamten entwickelt haben.
Es ist ein Fall, der zeigt, wie sich die èechische Arbeiterschaft zu Gunsten der èechischen Beamten und für deren Zwecke mißbrauchen läßt. Ich kann hier aus eigener Erfahrung sprechen, denn es ist auch mir ähnlich ergangen. Als ich seinerzeit nach meiner Enthebung wieder aufgenommen wurde, hat man in Iglau, meinem früheren Dienstort, das Gerücht verbreitet, ich hätte 30.000 Kronen Nachzahlung bekommen. Das hat nun dazu gedient, um die èechische Arbeiterschaft der dortigen Werkstätte und des Heizhauses aufzuhetzen, so daß sie zuerst einmal einen Demonstrationsstreik veranstaltete und mich dann gelegentlich meines Hinkommens einmal auch körperlich bedrohte. Meine Anzeige an das Eisenbahnministerium ist natürlich ohne jeden Erfolg in Hinsicht auf die Untersuchung geblieben. Sie hat bloß dazu geführt, daß ich damals aus Dienstesrücksichten zur Staatsbahndirektion Olmütz versetzt wurde. Ich erwähne das deshalb, weil ich den Kollegen Pelikán hier stehen sehe, der in der Sitzung vom 12. die Frage an mich richtete, durch welchen Schwindel ich zur Staatsbahndirektion Olmütz gekommen sei. Es diene ihm demnach zur Kenntnis, daß es seine Leute, nämlich die Mitglieder der "Jednota" und überdies die der "Unie" waren, welche mir zur Versetzung nach Olmütz verhalfen.
Setzen wir nun die Erörterung über den Fall Niklas fort. Im Sommer 1919 wurden in Bodenbach zwei Abteilungsleiterposten frei, derjenige der Lokomotivund der Wagenwerkstätte. Niklas hat sich um beide beworben und hatte bis dahin bereits die Wagenwerkstätte provisorisch längere Zeit geleitet. Nichtsdestoweniger sind beide Posten mit Èechen besetzt worden. Für den einen Posten wurde eine Kraft aus Laun herbeigeholt, für den anderen eine aus der Privatindustrie in Wien. Niklas hat man dafür telegraphisch nach Laun versetzt. Den einen also hat man aus Laun herbeigeholt, den anderen dorthin versetzt - beides aus Dienstesrücksichten. Übersiedeln konnte er nicht, weil er keine Wohnung fand. Er bewohnte in Laun kurze Zeit ein Zimmer, wurde aber aus ihm vertrieben und mußte nun abwechselnd entweder in Brüx oder in Obernitz übernachten. Dazu wurden ihm auch die reduzierten Diäten mit 15. November 1920 eingestellt. Er ersuchte um Weiterbelassung der Diäten und Rückversetzung nach Bodenbach. Sein Gesuch erhielt von seinem Vorstand, einem Èechen, was besonders bemerkt werden muß, folgende Befürwortung: "Mit Rücksicht auf das Ergebnis der Vorsprache des Ingenieur Niklas bei Ingenieur Polivka (Direktorstellvertreter in Prag) wird dieses Gesuch zur weiteren Amtshandlung vorgelegt und wird bemerkt, daß sich dieser während der ganzen Zeit seines hiesigen Aufenthaltes dienstlich vollkommen korrekt benommen und bewährt hat. Hinsichtlich der Dienstsprache kann erklärt werden, daß er sich dieselbe in mehr als hinreichendem Maße angeeignet hat."
Der Bodenbacher Heizhausvorstand Pechmann, ein Èeche, nach der bekannten Rassentheorie des Herrn Kollegen Habrman, hat dazu folgende Bemerkung gemacht: "Dienstlich habe ich keinen Einwand gegen Ing. Niklas, bemerke aber, daß die hiesigen èechischen Eisenbahnbediensteten auch jetzt nicht die Rückkehr des Ing. Niklas nach Bodenbach wünschen. Seine Rückversetzung würden sie einerseits als rücksichtslose Handlungsweise gegen sich und die ganze hiesige èechische Minderheit auslegen (Výkøiky: Hört! Hört! Unerhört!), andererseits ihr künftiges Verhalten gegenüber der Direktion darnach einrichten." (Nìmecké výkøiky.) "Die Ortsgruppe der "Jednota" - heißt es weiter - die Herren Kollegen Buøíval und Pelikán mögen gefälligst zur Kenntnis nehmen, was jetzt kommt "erfuhr bereits von dem Vorhaben und hat selbst Schritte dagegen unternommen. Sie sehen nicht ein, warum Ing. Niklas, welcher die Möglichkeit hat, in Laun eine Wohnung zu bekommen, sich nicht weiterhin zum Vorteil der Republik in der Dienstsprache vervollkommen sollte." Die Direktion Prag hat daraufhin selbstverständlich sofort im Wege der Heizhausleitung Laun dem Niklas eröffnet, daß er in der Záložna in Laun eine Wohnung zugewiesen habe und ihn aufgefordert, binnen 14 Tagen diese Wohnung zu beziehen. Er wurde weiter darauf aufmerksam gemacht, daß seine Nichtübersiedlung schwerwiegende Folgen für ihn haben könnte und daß seine Rückversetzung nach Bodenbach weiter nicht in Erwägung gezogen werden könne. Nun erklärte sich Niklas bereit, persönlich nach Laun zu übersiedeln. Frau und Kind wollte er in Bodenbach lassen. Die Wohnung in Laun übernahm er nicht und hat das seinem Vorstand am 21. März laufenden Jahres mitgeteilt. Vorher hat er die Intervention eines Senators im Eisenbahnministerium in Anspruch genommen und dort wurde ihm vom Sektionschef Novotný eröffnet, er möge sofort einen Protest gegen die Verfügung einbringen, daß seine Familie mitübersiedeln soll. Diesen Protest hat er am 17. März eingebracht. Am 21. März aber, als er meldete, daß er bloß persönlich nach Laun übersiedle, hat ihm sein Vorstand mitgeteilt, daß gegen ihn das Disziplinarverfahren eröffnet sei (Výkøik: Hat denn der gegen die Familie ein Verfügungsrecht?), obwohl er doch in Laun war und seinen Dienst angetreten hatte. Es bestehen also in der Èechoslovakischen Republik anscheinend noch gewaltige Reste der früheren Leibeigenschaft, weil man sich auch anmaßt, über die Familie eines Bediensteten eine Verfügung zu treffen. Am 29. März kam nun ein Dienstschreiben der Direktion Prag, Zahl 3255 - 10 und 11 vom 24. März l. J. in welchem die Werkstättenleitung Laun beauftragt wurde, dem Niklas zu eröffnen, erstens, daß bei der Heizhausleitung Bodenbach kein freier Posten für ihn sei, zweitens, daß er ehestens samt Familie zu übersiedeln habe, drittens, daß er ausdrücklich auf die §§ 21, 28 und 95 der Dienstordnung aufmerksam zu machen sei, welche Paragraphe über Dienstverweigerung handeln, (Nìmecké výkøiky.) viertens, daß er die Amtsstunden auch am Samstag und Montag pünktlich einzuhalten habe. Das bezieht sich nämlich darauf, daß ihm sein Vorstand dafür, daß er während der übrigen Wochentage Überstunden machte, das kleine Recht einräumte, am Samstag sich früher zu entfernen und Montag später zu kommen, damit er seine Familie besuchen könne.
Gleichzeitig kam ein Dienstschreiben Zl. 3242-I Abt. 1. vom 26. März d. J., welches besagt, daß dem Niklas, nachdem er die ihm zugewiesene Wohnung abgelehnt habe, sofort das Recht entzogen wird, Regiekohle zu beziehen, daß er ferner sofort die Legitimation seiner Frau abzugeben habe, weil er mit ihr nicht im gemeinsamen Haushalte lebe. Die Staatsbahndirektion Prag versucht sich also auch als Eherechtsreformerin, und aus dem Umstand, daß dieses Schreiben vom 26. März der Zahl nach niedriger ist als jenes, das er am 24. März erhielt, erhellt, daß man es hier mit einem planmäßig vorbereiteten Fall zu tun hat.
In diesem Zusammenhange wären auch noch díe ziemlich zahlreichen Versetzungen zu erwähnen, welche nach Abschluß der Volkszählung stattgefunden haben, wo man aus dem deutschen Gebiet eine Unzahl deutscher Bediensteter ins èechische Gebiet versetzt hat. Ich erwähne hier u. a. beispielsweise den Revidenten Lehr aus Olbersdorf, der nach Hullein kam. Dieser und die anderen Fälle haben den Inhalt meiner dringlichen Interpellation, Druck Nr. 1740 vom 1. März gebildet, welche, wie schon bemerkt, bisher unbeantwortet geblieben ist.
Nun, diese Maßregelungen erstrecken sich nicht nur auf Beamte, sie erstrecken sich auch auf Unterbeamte und Diener. Am 8. März habe ich in einer zweiten dringenden Interpellation auf die Maßregelung der deutschen Zugsbegleiter der Station Grußbach-Schönau hingewiesen. Weiters ist darin die Einstellung einer ganzen Reihe èechischer Arbeiter in die Heizhauswerkstätte Trautenau unter völliger Außerachtlassung des Bevölkerungsschlüssels erwähnt.
Neuerdings hat man ein sehr einfaches Mittel gefunden, um sich der deutschen Arbeiterschaft zu entledigen: es ist das die Einberufung zur aktiven Heeresdienstleistung. Sämtliche Bedienstete der Jahrgänge 1892 bis 1897, welche während der Kriegszeit tauglich befunden wurden, damals aber enthoben waren, wurden jetzt zu einer Bwöchigen Dienstleistung einberufen. Obzwar es sich offenkundig um nichts anderes, als um eine Abrichtung handelt, wird auf die Betroffenen der § 86 der Dienstordnung angewendet, d. h. sie gelten als entlassen.
Im alten Österreich hat dieser
Paragraph nur auf jene Anwendung gefunden, welche zur dreijährigen
Dienstzeit einrückten, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, daß
man den Betreffenden jederzeit den Wiedereintritt ermöglicht hat;
in der Èechei hingegen gelten sie, wenigstens soweit es Deutsche
betrifft, ein- für allemal als entlassen. Wir haben hier also
den typischen Fall einer Entösterreicherung im schlechtesten Sinne
des Wortes vor uns. (Posl. Patzel: Das alte Österreich war
ein Chimborasso an Freiheit gegenüber diesem Polizeistaat!)
Pøedseda (zvoní):
Volám pana poslance
Patzela za tento výrok k poøádku,
Posl. inž. Jung (pokraèuje): Eine Anzahl derartiger Fälle ist mir aus dem Bereiche der Direktion Pilsen bekannt. Wir fordern vom Herrn Eisenbahnminister Aufklärung in der Hinsicht, ob und inwiefern diese grausame Maßregel, die mit der Humanitätssimpelei unserer Zeit wahrlich nicht das geringste zu tun hat, auch auf die èechischen Bediensteten Anwendung findet. Mir schwant allerdings, daß sich die Eisenbahnverwaltung ihres Überschusses an Angestellten auf die einfachste Weise zu entledigen trachtet, indem sie das deutsche Element nach Möglichkeit ausrottet.
Wie man èechische Unternehmungen
fördert, darüber kann ich auch ein bezeichnendes Beispiel vorbringen.
Im "Vìstník pro železnice a plavbu" vom 4. Juni
1921 Nr. 44 und 45 erschien eine Verordnung des Eisenbahnministeriums
Zl. 182, welche für Kalksteinmehl von Volyò nach Teplitz-Waldtor
eine Tarifermäßigung ausspricht. Es wird ein Tarif von 756 Hellern
festgesetzt, während der normale Frachtsatz bis dahin 1040 Heller
betrug. Vorher wurden im Vìstník vom 29. Jänner 1921 unter Zl.
8 für den Artikel Kalksteinmehl von Volyò nach Dux A.-T. E., Ullersdorf,
Türmitz, Bleistadt, Bad Königswart, Kosten, Kriegern, Brüx, Nürschan
und Stankau ermäßigte Frachtsätze eingeführt. Diese Tarifermäßigung
kommt aber nicht allen Kalkwerken, welche Kalkmehl erzeugen und
für die Glasfabriken von Teplitz und Umgebung liefern, zugute,
sondern nur einem einzigen, u. zw. dem Volyòer Werke. Dieses befindet
sich in èechischen Händen, ist in den letzten zwei Jahren vergrößert
worden und wird nun durch die oben erwähnte Tarifermäßigung in
einen solchen Vorteil versetzt, daß die übrigen Kalkwerke, welche
früher den erwähnten Glasfabriken lieferten, nicht mehr konkurrenzfähig
sind. Benachteiligt sind namentlich zwei Firmen, die Kalksteinwerke
Wenzel Renner und Josef Kratzer in Hohenelbe. Die Lieferungen
des ersteren allein nach Teplitz-Waldtor betrugen in den letzten
neun Jahren 36.880 q. Zur Gegenüberstellung sei nochmals erwähnt,
daß der Frachtsatz der Volyòer Werke nach Teplitz-Waldtor eine
Ermäßigung von 1040 Hellern auf 756 Heller erfahren hat, während
der Satz Hohenelbe-Teplitz-Waldtor unverändert auf 780 Hellern
verblieb. Die diesem èechischen Werke bewilligte Tarifbegünstigung
fällt umso mehr ins Gewicht, als es sich hier um ausgesprochenes
Schwergut handelt, wobei also der Frachtsatz eine ganz ungeheuere
Rolle spielt. Wir wären dem Herrn Minister sehr verbunden, wenn
er uns auch in diesem Falle Aufklärung gäbe.