Úterý 19. èervence 1921

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 74. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 19. èervence 1921.

1. Øeè posl. dr. Schollicha (viz str. 583 protokolu):.

Meine Damen und Herren! In Verhandlung steht der Rechnungsabschluß des Obersten Rechnungskontrollamtes für das Jahr 1919. Ich will diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, um an der Tätigkeit der Staatsorgane etwas Kritik zu üben, denn wir sollen ja gewissermaßen mit unserer Zustimmung zu diesem Abschluß die Absolution für alle begangenen Sünden erteilen. Ich will hier den letzten Gewaltakt herausgreifen, der sich jetzt in Schlesien abgespielt hat, und zwar die Auflösung der "Nordmark". Diese Auflösung ist ein Faustschlag in das Gesicht der Deutschen Schlesiens. Sie ist eine der größten Gewalttaten des Beamtenministeriums Èerný, das ja wesentlich zur Verschärfung der Gegensätze zwischen den beiden Nationen beigetragen hat. Es ist eine Gemeinheit ersten Ranges, was da an den Schlesiern verbrochen wurde.

Der Tatbestand ist folgender: Die "Nordmark" hielt am 4. Juli 1920 ihre Hauptversammlung ab. Dabei wurden angeblich einige Äußerungen gemacht, welche den Wirkungskreis eines unpolitischen Vereines überschreiten. Besonders die Äußerungen des Obmannes Kudlich und des Wanderlehrers Heger wurden als staatsgefährlich hingestellt. Zwei Monate vergingen seit dieser Hauptversammlung und nichts rührte sich. Erst nach zwei Monaten kam man darauf, daß diese Äußerungen den Staat außerordentlich gefährdet hätten. Es war inzwischen ein Bericht über die Hauptversammlung in der "Deutschen Post" erschienen. Dieser Bericht war anstandslos durch die Zensur gegangen, nun aber, nach zwei Monaten stellte man auf Grund dieses Berichtes fest, wo es nicht mehr möglich war, festzustellen, ob sich die Sache tatsächlich so abgespielt hat oder nicht, daß der unpolitische Verein "Nordmark" seinen Wirkungskreis überschritten habe. Die Suspendierungsurkunde, die am 1. September 1920, und zwar Zahl 272/VI, Beschluß der schlesischen Landesregierung datiert ist, wurde um halb 9 Uhr abends zugestellt, ein Beweis, wie dringend man es hatte, da man sogar Überstunden machen mußte, um die Zustellung zu veranlassen. Das war aber nicht der wahre Grund, bei Gott nicht, der Grund war der, daß am 3. und 4. September der Deutsche Tag in Schlesien abgehalten werden sollte.

Es war ein Massenbesuch von allen Seiten zu erwarten, es hätte hier wieder einmal die Stärke des Deutschtums Schlesiens offenkundig aller Welt dargetan werden sollen. Damals waren in Schlesien auch fremde Offiziere und es war naturgemäß der schlesischen Landesregierung unangenehm, daß die nun sehen sollten, wie stark das Deutschtum Schlesiens sei. Und deswegen suchte man einfach die Abhaltung des Deutschen Tages zu verhindern und suspendierte die "Nordmark". Es gelang allerdings nicht, der einmütige Wille der Bevölkerung erzwang sich die Aufhebung des Verbotes. Aber seit dieser Zeit ist die "Nordmark" suspendiert, ihre Tätigkeit ist lahmgelegt, und was das für einen kulturellen Schutzverein bedeutet, ist wohl jedem klar.

Denn die "Nordmark" ist ein ausgesprochen kultureller, unpolitischer Verein, dessen Aufgabe, wie die der Schutzvereine im allgemeinen, es war und ist, die notleidenden deutschen Volksgenossen und deren wirtschaftliche Verbände zu unterstützen, deutsche Schulen und Kindergärten zu gründen. Ich möchte den Herrn Ministerpräsidenten bitten, etwas aufzupassen, weil er dafür verantwortlich ist, daß dieser Schlag gegen das Deutschtum geführt wurde. Eine weitere Aufgabe ist, Volksbüchereien zu gründen, Grund und Boden in deutschem Besitz zu erhalten, Lehrlings-, Gesellen- und Schülerheime zu unterhalten und anderes mehr. Die "Nordmark" war bis in die kleinsten Orte in Schlesien verankert, hatte 26.000 Mitglieder und man kann wohl behaupten, daß sie im Laufe ihres Bestandes ihre Aufgaben voll und ganz erfüllt und daß sie außerordentlich segensreich gewirkt hat, was wir besonders jetzt feststellen müssen anläßlich der Hochwasserkatastrophe, die sich in Nordmähren und Schlesien ereignet hat, wo zwar der "Nordmährerbund" große Beträge sammeln konnte, wo aber dieselbe Sammeltätigkeit in Schlesien durchzuführen der "Nordmark" verwehrt wurde. Wir strengten uns naturgemäß an, diese unglaubliche Gewalttat unmöglich zu machen, bezw. deren Aufhebung zu erzwingen. Aber gleich bei der ersten Vorsprache beim Ministerpräsidenten Èerný, wie auch beim Referenten Anders gewannen wir den Eindruck, daß man hier mit einer exemplarischen Strafe vorgehen will, denn die Schlesier gelten als illoyal. Hat doch selbst der Ackerbauminister Brdlík unlängst schlesischen Bauern gegenüber erklärt, daß die schlesischen Bauern sich illoyal dem Staate gegenüber benehmen.

Wir sprachen mehrmals beim Herrn Ministerpräsidenten Èerný vor, er gebrauchte aber jedesmal einige Ausflüchte, zum Schlusse die, daß das Material noch nicht gesammelt sei. Das war nämlich das eigentümliche bei diesem Vorgang; zuerst wurde die Suspendierung vom Landespräsidenten Šrámek verfügt und dann suchte man erst das Material für diese erfolgte Suspendierung zusammen. Es war ein geradezu krankhaftes Suchen nach belastendem Material. Es wurden im ganzen Lande Schlesien und in Troppau selbst Hausdurchsuchungen vorgenommen, deren Ergebnis gleich Null gewesen zu sein scheint. Denn als wir im Jänner und Feber neuerdings vorsprachen, hieß es immer wieder, das Material sei noch nicht beisammen. Im März stand die Entscheidung unmittelbar bevor. Im April war das Material wieder nicht beisammen, kurz und gut, die Entscheidung wurde immer wieder hinausgeschoben. Inzwischen hatte ich eine Interpellation über die Auflösung der "Nordmark" eingebracht. Diese Interpellation wurde im Oktober aufgelegt, und obwohl es Pflicht der Regierung ist, Interpellationen nach den Bestimmungen des Gesetzes binnen zwei Monaten zu beantworten, so hat es die Regierung bis heute noch nicht der Mühe wert gefunden, diese Interpellation gesetzmäßig zu beantworten. (Posl. inž. Jung: Ich habe dann eine zweite Interpellation eingebracht, um die Beantwortung der ersten Interpellation zu erzwingen, und die ist auch nicht beantwortet worden!)

Pøedseda (zvoní): Pan poslanec inž. Jung nemá slovo.

Posl. dr. Schollich (pokraèuje): Sie werden es begreiflich finden, daß die Achtung vor den Gesetzen in unserer Bevölkerung eine außerordentlich geringe sein muß, wenn man sieht, daß selbst der Ministerpräsident oder der Minister des Innern nicht einmal seinen gesetzmäßigen Verpflichtungen nachkommt. Nun, die Ministeranklage, die in den letzten Tagen erhoben wurde, wäre meines Erachtens auch auf diesen Standpunkt auszudehnen gewesen, aber wir kämen gar nicht aus den Ministeranklagen in unserem Staate heraus, weil tagtäglich soviel Gesetzeswidrigkeiten vorfallen, sodaß wir tagtäglich die Anklage erheben könnten. Es hat diese Suspendierung nunmehr auch die Zustimmung des Ministeriums gefunden, denn der Minister mußte jetzt Farbe bekennen, er konnte die Entscheidung nicht länger hinausschieben. So kam nunmehr der Beschluß des Ministeriums des Innern zustande, wonach der Rekurs der schlesischen "Nordmark" abgewiesen und der Verein als aufgelöst erklärt wurde. Es hatte damit der chauvinistische Geist im Ministerium des Innern, der, wie wir feststellen können, dort sehr gehegt und gepflegt wird, der jetzt größer ist als jemals früher, auch in diesem Falle gesiegt und auch gesiegt die Ansicht der schlesischen Landesregierung, daß man in Schlesien ein Exempel statuieren müsse.

Die Begründung dieser Auflösung ist gerade komisch. Es heißt da unter Punkt 1.: Bei der Hauptversammlung der "Nordmark" habe das Mitglied des Vereines Heger erklärt, die Ortsgruppen müßten zur Bildung von Volksgerichten greifen und es müsse die gesellschaftliche Ächtung über die völkisch Gleichgültigen verhängt werden. Außerdem hat damals die "Nordmark" auch Zeugnisse über die Verläßlichkeit in nationaler Beziehung ausgestellt. Es ist also nach diesem Beschlusse ein Verbrechen, wenn wir den gleichen Grundsatz vertreten, den die Èechen seit jeher vertreten haben: "Svùj k svému", daß jeder zu dem Seinen gehöre. Die Èechen können in allen ihren Verlautbarungen fortwährend betonen, daß die Èechen nur bei den Èechen kaufen dürfen. Wenn aber von unserer Seite der gleiche Standpunkt vertreten wird, ist er naturgemäß strafbar. Ich glaube, wir haben uns auch in diesem Punkte wie in so vielen anderen den Èechen ein Vorbild zu nehmen und das gleiche zu tun, was sie schon im alten Österreich zu tun so meisterhaft verstanden haben. Ich meine, diese Tätigkeit des Vereines "Nordmark" war vollständig unpolitisch, sie ist eigentlich genau dasselbe, was die Národní výbors und die Národní jednota im alten Osterreich geübt haben und auch heute noch im stärksten Maße ausüben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht darauf zu sprechen kommen, wie weit die Národní výbors besonders in der heutigen Zeit besonders bei Staatsbürgerschaftsverleihungen in Betracht kommen.

Interessant ist auch die Begründung des Punktes 2. Es heißt hier, daß die "Nordmark" mit reichsdeutschen Schutzvereinen Fühlung erhalten hat und daß sie mit diesen Vereinen das gleiche Ziel, nämlich die Wiedervereinigung des deutschen Volkes in einem neuen deutschen Reiche verfolgen. Die Vereinigung aller Deutschen in einem Reiche muß das ideale Ziel der Deutschen sein. Ich stelle fest, daß dies eine Forderung des gesamten deutschen Volkes im Staate ist. Ich stelle weiters fest, daß wir nach wie vor auf dem Standpunkte des Selbstbestimmungsrechtes stehen, und ich gehe noch weiter und sage, daß wir die felsenfeste Hoffnung und Überzeugung haben, daß sich dieses Selbstbestimmungsrecht im Laufe der Zeiten durchsetzen wird und muß. (Výkøiky a souhlas na levici.) Das Verkehren mit deutschen Vereinen im Reiche draußen, meine Herren, ist niemals ein Verbrechen und wird niemals für uns eines werden. Wir werden uns in gar keiner Weise hindern lassen, mit unseren Stammesbrüdern in kultureller und nationaler Beziehung zu verkehren. Besonders erschwerend war allerdings, daß die "Nordmark" im Verkehr stand mit dem ausländischen irredentistischenVerein, nämlich dem "Hilfsverein für Deutschböhmen und Sudetenland." (Posl. inž. Jung: Der ist auch schon irredentistisch?) Das ist der gefürchteteste Verein derzeit für unseren Staat, der den Bestand unseres Staates tagtäglich so stark erschüttert, daß man seine Zeitschrift in unserem Staate sogar verboten hat. Die Herren haben nämlich gar keine Ahnung von der Tätigkeit dieses Hilfsvereines, sie wissen nämlich nicht, daß der "Hilfsverein für Deutschböhmen und Sudetenland" eigentlich nur die Vereinigung der Deutschböhmen, Deutschmährer und Schlesier draußen in Deutschösterreich ist und, daß er nichts anderes tut, als das Heimatsgefühl in diesen Kreisen wach zu erhalten, aber er gilt als irredentistischer Verein. Als ich unlängst hinausfuhr, um draußen einige Vorträge zu halten, ging ein Sturm der Entrüstung durch die ganze èechische Presse.

Man erklärte sogar, man dürfe mich nicht hinauslassen, weil wir draußen Irredenta betreiben. Nun, meine Damen und Herren, wenn wir das verbreiten, was hier in unserem Staate geschieht, wenn wir die Drangsalierungen und Schikanierungen des deutschen Volkes und damit die Wahrheit verbreiten, dann, glaube ich, halten wir uns nur an Ihren Wahlspruch: "Die Wahrheit siegt" und sind dann die besseren Patrioten in diesem Staate, denn wir tragen Sorge dafür, daß die Wahrheit auch außerhalb der Grenzen dieses Staates verbreitet wird. Es ist kindlich und kindisch, gegen eine derartige Tätigkeit den Staatsanwalt zum Einschreiten zu rufen. Ich glaube, der wäre im alten Ös terreich gar nicht fertig geworden, wenn er hätte die Tätigkeit der Herren Klofáè und Kramáø, die mehr als einmal im Jahre nach Petersburg, Moskau und anderorts gepilgert sind, verfolgen und diese Herren in Anklagezustand versetzen wollen.

Ich setze fort: Punkt 3 lautet: Der Obmann Kudlich hat damals erklärt, daß das deutsche Volk der Sudetenländer mit Gewalt in den èechoslovakischen Staat gepreßt wurde und daß damit ein Polizeistaat brutalster Art geschaffen wurde, unter dessen Willkürherrschaft auch die "Nordmark" zu leiden habe. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)

Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, darüber zu sprechen erübrigt sich. Daß wir nicht freiwillig in diesen Staat hineingekommen sind, wissen wir alle, und wenn das festgestellt wurde bei einer Versammlung eines Vereines, so wurde damit nur die Wahrheit kundgemacht, denn wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkte, daß damals bei der Gründung dieses Staates an uns der größte Betrug, die größte Vergewaltigung vollführt wurde, daß Lug und Trug die Grundlagen dieses Staates sind, wie das schwindelhafte Memoire III und die Tätigkeit des Beneš und des Kramáø bei der Friedenskonferenz beweisen. Wir können infolge dessen mit Recht behaupten, daß wir in diesen Staat hineingepreßt worden sind. Wenn wir diesen Staat als Polizeistaat bezeichnen, so glaube ich, drücken wir noch viel zu wenig aus. Man müßte ihn eigentlich meines Erachtens einen Zuchthausstaat nennen, in dem wir wie eingesperrte Zuchthäusler behandelt werden, wobei die vìtšina uns bei jeder Gelegenheit vergewaltigt und knutet.

Daß wir tatsächlich in einem Polizeistaat leben, darüber könnten wir Hunderte Beispiele anführen. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß unsere Zeitungen vollständig geknebelt sind, und daß wir gar keine Versammlungen mehr abhalten dürfen, wo nicht Regierungsvertreter anwesend sind, und daß die Kerker überfüllt sind von politischen Sträflingen. Ich fahre in der Besprechung der Auflösung der "Nordmark" fort. (Výkøiky posl. inž. Junga.)

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Pan posl. inž. Jung nemá slovo!

Posl. dr. Schollich (pokraèuje): In Punkt 4 heißt es, daß die Veranstaltung des deutschen Tages am 4. und 5. September ein Mittel zur Vereinigung der Deutschen sein sollte, daß das eine Uberschreitung des Wirkungskreises war, denn damals habe man sich sogar nach Deutsch-Österreich gewendet, um jemanden zu bekommen, der diesen Festzug als Film aufnehmen sollte. Sie sehen, wie kindisch diese Begründung ist, und es wundert mich, daß der Herr Ministerpräsident Èerný unter einen derartigen Unsinn seinen Namen gesetzt hat. Dabei ist allerdings noch festzustellen, daß diese Veranstaltung des deutschen Tages nicht von der "Nordmark" ausging, sondern daß das eine Veranstaltung der deutschen Vereine im Allgemeinen war und daß, auch wenn die Veranstaltung von der "Nordmark" ausgegangen wäre, das niemals ein politisches Delikt hätte sein können.

Im Punkt 5 heißt es weiter: Die "Nordmark" hat auch Ortsgruppen außerhalb des Bereiches der Republik unterhalten. Dabei ist festzuhalten, daß die "Nordmark" nach den Satzungen berechtigt war, auch Ortsgruppen außerhalb ihres Gebietes zu haben. Das war noch vom alten Österreich her und wenn das jetzt verboten sein sollte, hätte dieser Paragraph unter allen Umständen aufgehoben werden müssen. Das ist bisher nicht geschehen.

Im Punkt 6 heißt es: Man habe sich einmal an die "Nordmark" gewendet, und zwar der "Deutschmährische Volksbund" mit einer Denkschrift und habe um deren Vervielfältigung ersucht. In dieser Denkschrift waren die Gewalttaten der Èechen aufgezählt. Auch ein sehr schweres Verbrechen, wenn ein nationaler deutscher Verein eine derartige Denkschrift herausgibt. In Punkt 7 heißt es, daß der Ortsgruppe Tyrn ein Wink gegeben wurde in Betreff der Errichtung einer öffentlichen èechischen Schule in dieser Gemeinde und ihr empfohlen wurde, die Agitation von Familie zu Familie einzuleiten. Wir dürfen natürlich nicht dafür arbeiten, daß unsere deutschen Kinder in die deutsche Schule gehen. Umgekehrt aber ist alles erlaubt; ich könnte an der Hand von Beispielen nachweisen, daß es sehr viele Schulen gibt, wo die Èechen mit Versprechungen deutsche Kinder in die èechische Schule hineingelockt haben. Aber das Gesetz gilt nur für uns und nicht für die Èechen und wird ausgelegt, wie man es braucht. Aber darin eine politische Tätigkeit zu sehen, das blieb leider nur dem chauvinistischen Referenten Ministerialrat Anderš im Ministerium vorbehalten und der Herr Ministerpräsident hat darunter seine Unterschrift gesetzt.

Punkt 8 sagt, daß die Auflösung deshalb erfolgte, weil nach der Einstellung der Vereinstätigkeit Ausschußsitzungen veranstaltet wurden, Zuschriften und Gesuche noch einliefen, der Kalender noch verschleißt wurde, Ansichtskarten wurden verbreitet, die Weihnachtssammlungen wurden veranstaltet und dergleichen mehr. Meine Herren, stellen Sie sich einen Verein vor, der plötzlich aufgelöst wird, der eine ganze Reihe von Verpflichtungen hat, seine Leute und Angestellten des Vereines, seine Kindergärten und dergleichen mehr unterhalten muß. Es ist selbstverständlich, daß die Tätigkeit des Vereines nicht mit einem Schlage aufhören kann und daß infolge dessen dem Vereine die Möglichkeit gegeben werden muß, seine Angestellten noch weiter bezahlen zu können. Im übrigen ist das selbstverständlich auch nur ein Scheingrund, ebenso wie ein Scheingrund der nächste Paragraph ist, wo es heißt, daß man zu einer Sitzung des Hilfsvereines für Deutschböhmen und Sudetenland den Obmann der Wiener Ortsgruppe der "Nordmark" als Vertreter gesendet habe, was natürlich ein rein politisches Ereignis gewesen sei. Im übrigen stelle ich fest, daß alle diese Gründe im Nachhinein zusammengesucht wurden, daß sie nicht im Augenblicke der Auflösung vorhanden waren, daß sie später mit viel Fleiß gesammelt wurden und daß infolge dessen die Suspendierung vollständig rechtswidrig erfolgt ist. Selbstverständlich hat man auch alle Sammelbüchsen und das Vermögen des Vereines konfisziert, aber ich bin neugierig, ob die èechische Regierung den Mut haben wird, das Bestandsvermögen, die Kindergärten und alles das, was für das schlesische arme Volk geschaffen wurde, zu stehlen, einen anderen Ausdruck kann ich hier nicht gebrauchen.

Ich möchte die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, um auf die Vorgänge in der Donnerstag-Versammlung in Troppau zu sprechen zu kommen, über die der Herr Ministerpräsident jedenfalls durch das ausgezeichnete Spitzelsystem bereits unterrichtet sein wird. Ich habe die Aufgabe gehabt, bei dieser Versammlung die Auflösung der "Nordmark" zu behandeln. Ich habe rein sachlich den Auflösungsbefehl kritisiert und bin zufälligerweise auch auf die Tätigkeit der Legionäre insofern zu sprechen gekommen, als ich den bekannten Erlaß des Kriegsministeriums besprach, wo festgestellt wurde, daß heute unter den èechischen Legionäroffizieren sehr viele sind, welche nicht lesen und schreiben können.

Diesen Erlaß wollte ich ge rade kritisieren, als der Regierungsvertreter aufsprang und die Versammlung für aufgelöst erklärte. Auf meine Frage, mit welchem Rechte er die Versammlung aufgelöst habe, da gar kein Grund dazu vorliege, erklärte er: "Sie haben meine Nation beleidigt." Wir allerdings, nur so nebenbei bemerkt, können täglich und stündlich beleidigt werden und kein Hahn kräht darnach, aber durch den Gebrauch des Wortes Legionär wurde angeblich das èechische Volk beleidigt. Ich stelle aber fest, daß der Herr Regierungsvertreter nicht bloß für eine Nation dort sitzt, sondern als Vertreter des Staates und infolgedessen die Obliegenheiten aller Nationen dieses Staates zu besorgen hat. Er darf sich niemals als Vertreter einer Nation fühlen. Es scheint, daß tatsächlich das Wort Legionär in diesem Staate geheiligt ist. Ich erwähne dabei die Vorgänge, die sich im November v. J. hier abgespielt haben. Sie erinnern sich daran, daß damals der Kollege Baeran eine allgemeine Kritik an dem Vorgehen der Bevölkerung in den Novembertagen geübt hat.

Diese vollständig gerechtfertigte Kritik, worin er erklärte, daß Leute, die sich so benehmen, sich wie Lausbuben benehmen, wurde sogleich umgedeutet, indem die Legionäre sich getroffen fühlten und erklärten, sie werden den Abgeordneten Baeran dafür zur Verantwortung ziehen. Es ist eigentümlich, daß die Richtigstellung über den Vorfall damals nicht geglaubt wurde, trotzdem der Vorsitzende des Finanzausschusses, der Kollege Bradáè, selbst den Tatbestand feststellte und erklärte, daß diese Äußerung nicht gefallen sei. Es scheint, als ob man in unserer Republik immer ein Mittel, die Bevölkerung in Aufregung zu erhalten, braucht, um immer und immer wieder gegen das deutsche Volk schüren zu können. Drei Todesurteile sind damals dem Kollegen Baeran zugegangen, worin gesagt wurde, daß man ihn bei der nächsten Gelegenheit aus dem Wege räumen werde. Es macht dieser Vorgang mehr den Eindruck einer Komödie. Und jetzt ist wieder genau dasselbe eingetreten. Vor wenigen Tagen hat sich ein ganz unqualifizierbarer Vorgang abgespielt, eine Angelegenheit, wie sie bisher in einem gesitteten Parlament in der Form noch nicht vorgekommen ist, indem ein deutscher Abgeordneter von rückwärts angefallen und geohrfeigt wurde. Auch die Äußerung, die der Anlaß war, wird nun mehr wieder zu einer Beleidigung der Nation gemacht, denn gestern veröffentlichte das Präsidium der "Družina der èechoslovakischen Legionäre" folgende Kundgebung in den èechischen Blättern: "Als Abgeordneter Baeran in der Nationalversammlung die Legionäre 'Lausbuben' nannte, protestierten wir sofort beim Präsidenten Tomášek. Es wurde uns versprochen, daß Abgeordneter Baeran nicht früher zu den Sitzungen des Parlaments zugelassen werde, bis er diese freche Beleidigung widerrufe. Trotzdem wurde dieser Hetzer abermals in die Nationalversammlung zugelassen, ohne seinen Ausspruch zu widerrufen. Dadurch, daß er die Legionäre beleidigt hat, hat er gleichzeitig die ganze Nation beleidigt. Am 15. Juli hat er es gewagt, die Nationalversammlung zu beleidigen, wurde aber sofort bestraft. Wir warnen Sie, Abg. Baeran und Ihre Kollegen, unsere Geduld geht zu Ende! Mit Ihrem Vorgehen stimmt nicht einmal das deutsche Bürgertum in der Republik überein. Sagen Sie's noch einmal und dann . . . wird nicht einmal Ihre Immunität Sie schützen!"

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein trauriges Zeichen, wenn die Prätorianer in einem Staate die Gewalt an sich reißen. Es erinnert dies an die römische Geschichte, an die Zeit, wo im alten Rom die Prätorianer die ganze Gewalt an sich rissen und damit den Untergang des Staates herbeiführten. Denn es ist sicher, daß es zum Untergang eines Staates führen muß, wenn das Militär die politische Gewalt an sich reißt. Wir allerdings können auch diese Tatsache ruhig hinnehmen, weil wir auf dem Standpunkte stehen, daß wir diesen Staat nicht geschaffen und infolgedessen auch nicht die Verantwortung für seinen Bestand zu tragen haben. Ich will hier nur festhalten die Drohung, die in diesen Worten liegt, die Drohung, die schließlich und endlich darauf hinausläuft, daß man uns für unsere Tätigkeit, für unser Eintreten für das deutsche Volk zur Verantwortung ziehen und niederschießen will. Wir fürchten das nicht, wir haben vom ersten Augenblick, als wir dieses Schandhaus betreten haben, gewußt, welche schwere Stellung wir in diesem Hause haben werden. Wir haben uns keiner Hoffnung hingegeben, daß wir hier ersprießliche Arbeit werden leisten können, daß man unsere Stimmen hören wird. Und es ist gut so, daß man nicht auf uns hört, denn Sie würden mit der Zeit ein Musterstaat werden, wenn alles das beseitigt werden würde, woran wir berechtigte Kritik üben. Aber wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit. Wir haben uns keiner Täuschung hingegeben, daß wir in einen leeren Raum reden, daß unsere Worte vollständig ungehört verhallen werden. Und wir wußten auch, daß wir für das, was wir hier sagen werden, draußen in der Öffentlichkeit von der aufgehetzten Menge verantwortlich gemacht werden. Und deswegen hat jeder von uns, als er diese angeblich geheiligte Schwelle betrat, mit sich und seinem Leben abgeschloßen gehabt. Wir waren uns bewußt, daß wir Opfer für unser Volk werden bringen müssen, und da erinnern wir uns, daß schließlich und endlich jede Nation, wenn sie den Kampf um ihre Freiheit führt, Opfer bringen muß, und wir erinnern uns daran, daß das Christentum nur deshalb einen so großen Erfolg erzielte und den Siegeszug über die ganze Welt antreten konnte, weil seine Vertreter es verstanden haben, Opfer für die Idee zu bringen und mit dem Leben einzutreten für das, was ihnen heilig war. Und deswegen wollen auch wir als Märtyrer hier für die Rechte des geknebelten deutschen Volkes eintreten. Wir wissen, daß auch dann aus unseren Gebeinen jenes stahlharte Geschlecht hervorgehen wird, das den Freiheitskampf dereinst zum siegreichen Ende führen wird. (Souhlas na levici.)

2. Øeè posl. Schuberta (viz str. 589 protokolu):

Hohes Haus! Wenn wir gegen diese Vorlage Stellung nehmen, geschieht dies vornehmlich aus dem Grunde, weil wir nach den trüben Erfahrungen der Vergangenheit vollen Grund zu der Annahme besitzen, daß es wesentlich andere Beweggründe sind, als die angegebenen, die zur Beschlagnahme führen. Wir wissen, daß wir die Gesetzwerdung der Vorlage nicht aufhalten können, wir warnen jedoch davor, daß bei der Durchführung des Gesetzes in einer Art und Weise vorgegangen werde, daß uns finanzielle Belastungen größeren Stils aus der Sache erwachsen, daß nicht unschätzbare Kunstund Kulturwerte überhaupt verloren gehen und der Vernichtung überantwortet werden und daß die ganze Aktion nicht etwa wie sooft wieder auf eine nationale Konfiskation hinausläuft. Die Übernahme vieler solcher Objekte, insbesondere die Übernahme vieler alter Schlösser und Herrenhäuser wird, um deren Räume den vorgesehenen Zwecken dienstbar zu machen, zu kostspieligen Adaptierungen führen müssen, ganz abgesehen von den vielen Entschädigungen, durch die der Staatssäckel empfindlich belastet wird. Vielleicht werden wir es, wenn nicht mit der notwendigen Vorsicht vorgegangen wird, erleben, daß eine neue Investitionsvorlage zu diesem Zwecke das Licht der Welt erblicken wird. Was wir in der Jetztzeit an trüben Erfahrungen erlebt haben, läßt uns diese Befürchtungen durchaus gerechtfertigt erscheinen. Der Umstand, daß nach dieser Gesetzesvorlage bei Gebäuden historischen oder künstlerischen Charakters vorerst das Gutachten des Staatsamtes zur Wahrung historischer und künstlerischer Werte eingeholt werden muß, weiters der Umstand, daß in den von diesem Amt empfohlenen Fällen die Beschlagnahme nur ausnahmsweise erfolgen kann, kann uns in unseren Bedenken nicht irre machen. Wir sehen heute bereits, und ich werde konkrete Fälle anführen, daß man sich über solche Bedenken ganz leichtfertig hinwegsetzt. Wir müssen in dieser unserer Anschauung umsomehr bestärkt werden, als ein von deutscher Seite, von Koll. Taub im sozialpolitischen Ausschuß eingebrachter Antrag, die Beschlagnahme für militärische Zwecke auszuschalten, gegen die Stimmen der Deutschen durchfiel. Wir besitzen keinerlei Sicherungen, die uns befriedigen könnten.

Wie wenig man sich aber auch auf die zur Wahrung der künstlerischen und historischen Interessen berufenen Staatsämter verlassen kann, dafür erbringe ich nur einige wenige Belege. Im westböhmischen Orte Tschetschowitz steht ein Backsteinkirchlein, wie solche im nordde utschen Tiefland ziemlich viele stehen, eine Perle der Frühgothik, wie wenige in diesem Lande. Trotzdem selbst utraquistische Symbole dieses Gebäude für sie interessant machen, läßt man es verfallen und verkümmern. Die Perle Dienzenhofers drüben über der Brücke befindet sich in furchtbarem Zustande mitten in der Hauptstadt, im Kulturzentrum. Wenn Sie Ihre eigene Bauwerke nicht schützen und schirmen, wie dürfen wir da hoffen, wenn die Soldaten aus jedem übernommenen Schlosse ein Zwinguri schaffen werden, wie können wir da auf Duldung und auf Rücksichtnahme hoffen.


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