Meine Damen und Herren! Ich hatte selbstverständlich nicht die Absicht, gegen das vorliegende Gesetz das Wort zu ergreifen. Wenn ich mich zum Worte gemeldet habe, so geschah es deshalb, weil es in diesem Parlamente bei den Verhältnissen, die uns die Geschäftsordnung des Hauses gebracht hat, nicht möglich ist, zu dem Gegenstande zu sprechen, der für uns, aber nicht nur für uns, sondern für die gesamte arbeitende Bevölkerung derzeit der wichtigste Gegenstand ist. Es sind dies einerseits die Zustände, unter welchen wir gegenwärtig in diesem Staate leben, anderseits die Ernährungsverhältnisse, unter welchen die Masse der Bevölkerung zu leiden hat.
Wenn ich von den Zuständen im Staate spreche, so meine ich jene Umstände, durch die das Parlament, die geselzgebende Körperschaft, vollständig ausgeschaltet wird. Das Vertrauen des Volkes zum Parlament und zum Parlamentarismus in diesem Staate ist ohnehin nicht groß, das Parlament erfreut sich in der Masse des Volkes nicht des geringsten Ansehens mehr. Wie die Verhältnisse jetzt sind, tragen Sie alle dazu bei, die Parteien, die sich mitschuldig machen, daß das bischen Ansehen, das die gesetzgebende Körperschaft noch in der Bevölkerung genießt, vollkommen verloren geht. Nicht mehr im Parlamente werden die für das Volk einschneidendsten Angelegenheiten beraten und verhandelt, sondern außerhalb des Parlamentes hinter den Kulissen, in der sogenannten "Pìtka", und zwar im Kuhhandel, der zwischen den Parteien der Mehrheit des Hauses über die für das Volk einschneidendsten Fragen getrieben wird. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Botto.)
Es wird von der Pìtka als von einer Nebenregierung gesprochen. (Vykøiky: Es ist die Hauptregierung!) Es ist dies eigentlich ein schlechter Ausdruck für die sogenannte "Pìtka". Es ist diese Pìtka derzeit nichts anderes als ein Parlamentsersatz. (Souhlas na levici.) Es werden alle Verhandlungen, welche vor das Parlament gehören würden, um den Vertretern der verschiedenen Parteien Gelegenheit zu geben, ihre Meinung über die für das Volk so wichtigen Fragen auszutauschen, nicht im Parlamente verhandelt, sondern sie werden hinter den Kulissen und in einer Form verhandelt, die das Parlament entwürdigt.
Es ist selbstverständlich und überall Brauch, daß Parteien, auch Majoritätsparteien, das Recht und die Möglichkeit haben, über alle Fragen, die im Parlamente auf der Tagesordnung zur Verhandlung stehen, zu verhandeln, Sonderberatungen zu pflegen. Dieses Recht will ich und will niemand von uns den Parteien der Majorität des Hauses absprechen. Aber es ist etwas ganz anderes, was bisher parlamentarischer Brauch gewesen ist, und was in diesem Hause durch die Pìtka gemacht wird. Man kann neben den Verhandlungen des Parlamentes Sonderverhandlungen pflegen, um sich eine Majorität zu schaffen, aber es geht keineswegs an, daß diese Sonderverhandlungen ein Ersatz für die parlamentarische Tätigkeit sind. (Výkøiky na levici.)
Wir haben alle Ursache, gegen
diese Ausschaltung des Parlamentes in den für die Bevölkerung
wichtigsten Fragen entschiedenst Protest zu erheben, entschiedenst
unsere Stimme dagegen zu erheben, daß uns die Möglichkeit genommen
wird, über Lebensnotwendigkeiten der arbeitenden Bevölkerung in
diesem Hause zu sprechen. (So ist es!) Es ist bezeichnend
für die Verhältnisse in dem Staate und in dieser gesetzgebenden
Körperschaft, daß man den Umweg wählen muß, zu dem ich gezwungen
war, um zu einer so wichtigen Frage, wie es die Ernährungsfrage
ist, überhaupt reden zu können. Wir haben uns gesagt, daß nach
einer so langen Pause, wie wir sie jetzt hinter uns haben, die
wichtigste Frage, mit der sich die gesetzgebende Körperschaft
gleich bei Beginn ihres Zusammentretens zu beschäftigen hat, die
Sicherung der Ernährung ist, und unser Vertreter im Präsidium
des Abgeordnetenhauses wurde von Seite des Klubs beauftragt, in
aller Entschiedenheit dafür einzutreten, daß die Frage der Ernährung
auf die Tagesordnung der ersten Sitzung des Hauses gestellt werde.
Unter Widerstand und nach einer Kampfabstimmung ist es gelungen,
den Punkt der Ernährungsfrage als neunten Punkt auf die Tagesordnung
des Hauses zu bringen. Wir haben uns alle der Hoffnung hingegeben,
daß es möglich sein wird, diese wichtige Frage heute hier in ausführlicher
Weise zu besprechen und auf legalem Wege eine. Debatte über die
Ernährungsfrage in diesem Hause abführen zu können. Es ist nun
dem Nebenparlamente, der "Pìtka", unangenehm, daß in
der gesetzgebenden Körperschaft heute der Versuch unternommen
wird, diese Frage zur Verhandlung zu stellen, und dieses Nebenparlament
hat beschlossen, daß das Abgeordnetenhaus heute über diese Frage
nicht zu beraten hat. (Rùzné výkøiky na levici.)
Místopøedseda inž. Botto (zvoní):
Prosím, pane kolego, mluvit k vìci!
Posl. Hackenberg (pokraèuje): . . . . und daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werden soll, bezw. daß früher die Verhandlungen abzubrechen sind. Und aus diesem Grunde sind wir gezwungen, weil uns die Möglichkeit anders nicht gegeben wird, bei einem anderen Punkte der Tagesordnung diesen Schmerzen und Wünschen des arbeitenden Volkes Ausdruck zu verleihen. Wir haben auch in dem anderen Nebenparlamente, im Ständigen Ausschuß, den wir bekämpft haben und bekämpfen, und durch den das Parlament ausgeschaltet werden kann, im vorigen Jahre eine Regelung des Ernährungsplanes für das heurige Jahr durchgeführt, eine Regelung, durch welche eine schwere Belastung der gesamten Bevölkerung in Form von Abgaben herbeigeführt wurde. Es gab wohl keine Partei in dem Hause, welche nicht der Ansicht war, daß diese Verfügung des Ständigen Ausschusses abgeändert werden müsse, und dieser Wille des Abgeordnetenhauses kam bei der einstimmigen Annahme einer Resolution im Vorjahre zum Ausdruck, in welcher eine Novellierung der Verfügung des Ständigen Ausschusses gefordert wurde und wobei in dieser Resolution gleich festgelegt wurde, nach welcher Richtung die Verfügung des Ständigen Ausschusses zu ändern sei.
Nach langen Verhandlungen im Ausschuß hat sich schließlich der Ernährungsminister bereit erklärt, diesen Änderungen zuzustimmen, und diese Verfügung wurde im Hause bei Beratung derselben von den Parteien nur genehmigt, weil man damals nicht nur eine mündliche, sondern auch eine schriftliche Zusage des Ernährungsministers erlangt hat, daß die so notwendige Novellierung der Verfügung des Ständigen Ausschusses bezüglich der Einhebung der Brot- und Mehlabgabe bis zum 15. Jänner des heurigen Jahres durchgeführt werden, bezw. daß diese Vorlage dem Hause bis 15. Jänner vorgelegt werden wird. Das Versprechen eines Ministers (Výkøik: Ist nicht einen Schuss Pulver wert!) - das haben wir gesehen, daß es keinen Schuß Pulver wert ist - wurde jedoch nicht eingehalten. An Stelle einer Novellierung der so reformbedürftigen Verfügung des Ständigen Ausschusses kamen Weisungen der Regierung, die den Verordnungen und Gesetzen widersprechen und verfassungswidrig sind und durch welche eine ganz arge Verschlechterung der Ernährungsverhältnisse in diesem Staate für die Angehörigen der arbeitenden Bevölkerung herbeigeführt wurde. Wir haben Kritik geübt, zwar nicht in der gesetzgebenden Körperschaft, weil sich uns keine Gelegenheit dazu bot, sondeøn bei Vorsprachen bei den Ministerien, und auseinandergesetzt, daß es nicht angehe, durch Weisungen, die nicht einmal im Verordnungsblatte veröffentlicht werden können, gesetzliche Bestimmungen außer Kraft zu setzen, Verordnungen aufzuheben, einen Zustand zu schaffen, wie er für die Masse des Volkes unerträglich ist. Nicht nur eine Verfassungsund Gesetzwidrigkeit wurde begangen, sondern im ganzen Ernährungssystem ein Chaos herbeigeführt, das unerträglich ist. Der einzig richtige Weg, eine Anderung herbeizuführen, nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft, ist der verfassungsmäßige Weg. Es wäre Pflicht der Regierung gewesen, rechtzeitig eine Vorlage auszuarbeiten, sie der parlamentarischen Beratung vorzulegen und es den Parteien des Hauses zu überlassen, zu bestimmen, in welcher Form die Ernährung für die kommende Zeit geregelt werden soll. Statt dieses verfassungsmäßigen Weges kamen Weisungen der Regierung, bei deren Durchführung eine große Zahl von Personen, die auf Grund der Verfügung des Ständigen Ausschusses auf Brot und Mehl aus der staatlichen Versorgung Anspruch haben, dieses Rechtes verlustig gemacht und diese Leute zum Hungern verurteilt wurden. Die Weisungen gingen dahin, die Ausgabe der Brotkarten einzuschränken, u. zw. erst ohne gewisse Richtlinie, dann kamen Richtlinien, geltend für Prag und anwendbar für das ganze Reich, dabei widersprechend allen Bestimmungen der Verfügung des Ständigen Ausschusses. Wie mutet es einen an, wenn man in der Verfügung des Ständigen Ausschusses und in der Durchführungsverordnung zu derselben einen Paragraphen findet, in welchem gesagt wird, daß jede Änderung der Quote von der Regierung im Verordnungswege festgelegt werden und in den Verordnungsblättern ordnungsgemäß publiziert werden muß, um Geltung zu erlangen. Es ist vollständig ausgeschlossen und unmöglich, daß die Masse des arbeitenden Volkes bei der Not, in der sie sich befindet, die Preise zahlen kann, welche im freien Handel für alle diese Produkte gefordert werden, und ist daher auf die staatliche Versorgung angewiesen. Nun wissen wir, daß die Regierung, nachdem sie davon überzeugt ist, daß ihre Weisungen nicht Gesetzeskraft haben und für die Bevölkerung nicht bindend sind und niemand belangt werden kann, wenn er diese Weisungen nicht beachtet, doch Mittel und Wege hat, diesen Weisungen Geltung zu verschaffen. Diese Mittel bestehen eben darin, daß die Regierung ganz einfach die Bezirke aushungert, daß sie weniger zuweist, als zur Beteilung der Bevölkerung mit der vorgeschriebenen Quote notwendig wäre. So haben wir denn in dem Reiche eine ganze Reihe von Bezirken, und zwar vorwiegend Arbeiterbezirke, in denen die Belieferung eine solch elende ist, daß schon seit Wochen Konsumvereine, die vorwiegend oder ausschließlich Arbeiter zu ihren Mitgliedern zählen, nicht im Stande sind, ihren Mitgliedern Mehl oder Brot verabfolgen zu können.
Ich habe vorige Woche eine Zuschrift aus dem Schönberger Bezirke bekommen - es ist ein passiver Bezirk, ein Elendsbezirk, bewohnt meist von Angehörigen der minderbezahlten Textilarbeiterschaft, ein großer Teil derselben arbeitslos. In dieser Zuschrift wurde mitgeteilt, daß sie seit sechs Wochen nicht im Stande sind, den Mitgliedern Mehl oder Brot verabf olgen zu können. (Výkøiky na levici.) Ich habe beim Herrn Ernährungsminister vorgesprochen und derselbe erklärte mir, es sei ihm das ganz unbegreiflich, weil wir nicht Mangel an Mehl, sondern genügend Vorräte haben, und es könne sich nur um einen Verstoß handeln, welcher von Seiten der Getreideverkehrsanstalt herb eigeführt wurde. In meiner Anwesenheit hat der Herr Ernährungsminister die Getreideverkehrsanstalt angerufen und zur Belieferung veranlaßt. Ich habe bei meiner Rückkunft in Brünn bei der Landesstelle der Getreideverkehrsanstalt vorgesprochen und dort mitgeteilt, daß der Minister sich geäußert habe, daß genügend Vorräte vorhanden sind und daß die Getreideverkehrsanstalt Schuld sei an den mangelhaften Zuschüben. In ein helles Gelächter brach der Direktor und der Prokurist der Getreideverkehrsanstalt aus und sie erklärten mir: Wir würden nur wünschen, daß uns der Herr Minister die Vorräte zur Verfügung stellt. So sehen Sie daraus, wie wenig man den Worten des Ministers glauben kann. Er sagt, die Vorräte sind vorhanden, und seine untergeordneten Organe versichern, daß dem nicht so sei, sie erklären, ja, wir können nur disponieren auf Zuschübe aus dem Ausland, aus Laube, und wir können nichts dafür, wenn unsere Dispositionen von dort aus nicht befolgt werden. So kommt es dann, daß ein Konsumverein um 25 Waggons Mehl weniger bekommen kann, als ihm gebührt, und er dann natürlich nicht im Stande ist, den Bedürfnissen seiner Mitglieder zu entsprechen. Not und Hunger tritt ein in diesen passiven Randbezirken, die nicht in der Lage sind, sich aus eigenem zu helfen. Nun nehmen Sie noch hinzu, daß es sich in diesem Falle gerade um einen Bezirk handelt, der durch die letzte Hochwasserkatastrophe arg betroffen wurde. Die Bevölkerung des Bezirkes hat ohnehin vorher schon ein geringes Einkommen gehabt, die Bevölkerung des Gebietes ist nun durch die Hochwasserkatastrophe der bittersten Not preisgegeben worden. (Místopøedseda dr. Hruban pøevzal pøedsednictví.)
Es wäre Pflicht der Regierung,
in erster Linie dafür Sorge zu tragen, daß solche Bezirke entsprechend
beliefert werden, und statt dem die Weisungen, auch in diesen
Bezirken zu drosseln. So sieht es mit dem gegenwärtigen Stande
der Ernährung in dem Staate aus und wir haben sicherlich alle
Ursache, die erste Gelegenheit, die sich uns dazu bietet, zu benützen,
um gegen diese verfassungswidrigen, gesetzwidrigen Weisungen der
Regierung in der scharfsten Form zu protestieren und deren Aufhebung
zu verlangen. In jedem anderen Parlamente würde man sich eine
solche Gelegenheit nicht entgehen lassen (Rùzné výkøiky.),
um durch Beschluß des Hauses die Zurücknahme solcher Verfügungen
zu erzwingen. Das Volk hat, habe ich vorher gesagt, kein Vertrauen
zum Parlament, das Parlament erfreut sich ni cht des entsprechenden
Ansehens unter der Bevölkerung. Es wird aber auch keine Verordnung
der Regierung mehr ernst genommen. Nicht nur vom Volke selbst
nicht ernst genommen, sondern auch nicht mehr ernst genommen von
den Organen, die mit der Durchführung der Verordnungen und Weisungen
der Regierung betraut werden. Wie kann man diese Weisungen ernst
nehmen, wenn man sieht, daß die Regierung selbst es ist, welche
das Gesetz bei jeder Gelegenheit verletzt, mißachtet und sich
über die Gesetze, die vom Parlament beschlossen werden, hinwegsetzt,
Weisungen ergehen läßt, durch welche solche Gesetze außer Kraft
gesetzt werden. Jedes Parlament, das auf seine Würde als gesetzgeberische
Körperschaft etwas gibt, würde mit aller Entschiedenheit gegen
solche Gesetzesverletzungen protestieren und würde die Regierung
hinwegfegen, die es wagt, durch Weisungen den Beschlüssen des
Parlamentes entgegen zu handeln. Nun haben wir uns nicht nur mit
diesen Verfügungen zu beschäftigen und deren Aufhebung herbeizuführen.
(Hluk. - Rùzné výkøiky na levici.)
Místopøedseda dr. Hruban (zvoní):
Žádám pana øeèníka, aby mluvil k vìci!
Posl. Hackenberg (pokraèuje):
Ich hätte sehr gewünscht, daß uns von Seite des Präsidiums
des Abgeordnetenhauses die Möglichkeit geboten worden wäre, zur
Sache zu sprechen. Nachdem uns aber diese Möglichkeit entzogen
worden ist, so ist es leider nicht anders möglich, diese für die
Masse des Volkes so notwendige Angelegenheit hier zur Sprache
zu bringen, und nun haben wir uns nicht nur mit den gegenwärtigen
Verhältnissen zu beschäftigen, sondern mit Zagen und Bangen blicken
wir in die Zukunft, deshalb, weil jetzt schon die Ernte in der
Slovakei begonnen hat und für die Versorgung der Bevölkerung im
kommenden Erntejahre keinerlei Vorkehrungen getroffen wurden.
Der Ernährungsplan sollte längst schon unter Dach und Fach gebracht
worden sein. Wir haben voriges Jahr schon im Herbste rechtzeitig
einen Antrag eingebracht, wie wir uns die Ernährung im kommenden
Jahre vorstellen. Wir wissen schon, daß die gebundene Wirtschaft
und insbesondere wie wir sie jetzt haben, auf die Dauer nicht
aufrecht zu erhalten ist. Wir sind eben so unzufrieden mit den
Zentralen, wie andere Parteien dieses Hauses. Wir haben diesem
unseren Mißtrauen zu der Wirtschaft, die wir jetzt haben, schon
früher Ausdruck verliehen, und einen Antrag ausgearbeitet, in
dem wir klarlegten, wie wir uns die Versorgung im kommenden Jahr
vorstellen, und wir wollten diese Wirtschaft, die jetzt ist, mitbeseitigen.
Wir haben uns gesagt, es muß für die Uebergangszeit eine andere
Form gefunden werden. Es mag sein, daß nicht alles, was in unserem
Antrage enthalten ist, für Sie annehmbar ist, aber es ist sicher,
daß dieser Antrag eine gute Beratungsgrundlage für einen Versorgungsplan
für das heurige Jahr geboten hätte. Es ist nicht zur parlamentarischen
Vorhandlung dieses so wichtigen Antrages gekommen, weil es einzelnen
Herrn des Ernährungsausschusses nicht gepaßt hat, und unter dem
Vorwand, daß Berichte nur èechisch erstattet werden dürfen, hat
man die Berichterstattung im Ausschuß über den so wichtigen Antrag
unmöglich gemacht. Aber es hat sich nicht um die Sprache gehandelt,
denn in allen anderen Ausschüssen des Hauses haben wir es ja schon
durchgesetzt, daß man sich mit dem Verlesen des èechischen Textes
des Schlußsatzes begnügt. Es hat sich den Herren um die Sache
gehandelt. Sie wollten verhindern, daß über den Ernährungsplan
beraten wird, und daß Vorkehrungen für das kommende Jahr getroffen
werden. Die Regierung wurde durch den Ernährungsausschuß, nachdem
man sich in demselben nicht einigen konnte, in einer Resolution,
welche vom Ernährungsausschuß einstimmig angenommen wurde, im
Feber aufgefordert, unverzüglich einen Ernährungsplan für das
kommende Jahr auszuarbeiten und der gesetzmäßigen Behandlung zuzuführen.
Der Ernährungsausschuß hat in dieser seiner einmütigen Kundgebung
festgelegt, daß er nicht nur will, daß unverzüglich der Ernährungsplan
beraten wird, sondern daß er auch den Standpunkt vertritt, daß
die für die Bevölkerung so wichtigen Fragen nicht im Verordnungswege,
nicht durch Weisungen erledigt werden dürfen, sondern auf gesetzmässige
Weise im Parlament durchberaten und beschloßen werden müssen.
Das hat der Ernährungsausschuß gewollt, die Regierung hat sich
aber auch diesmal einen Pfifferling um den Beschluß des Ausschusses
der gesetzgebenden Körperschaft gekümmert. Bis heute haben wir
keine solche Vorlage vor uns liegen, wir wissen nur, daß in der
Pìtka, im Neben-Parlament über diese so wichtige Frage verhandelt
wird, und daß wir im Parlament erst dazu kommen werden zu beraten,
bis sich die Pìtka, nicht nur über den Ernährungsplan, sondern
auch über alle anderen Fragen geeinigt haben wird. Wir anerkennen
schon die Tätigkeit unserer èechischen Parteigenossen in der "Pìtka",
obwohl wir anderseits auch sagen müssen, es ist fraglich, ob eine
solche Tätigkeit, wenn auch beseelt vom besten Willen, etwas Gutes
für die Arbeiterschaft zu leisten, im Interesse des arbeitendes
Volkes gelegen ist, insbesondere wenn mit dem Parlamentarismus
so Schindluder getrieben wird, wie es in diesem Staate gegenwärtig
der Fall ist.
Místopøedseda dr. Hruban (zvoní):
Upozoròuji pana øeèníka, že nyní jednáme o zmìnì uvozovacího
zákona k obchodnímu zákonu. Musel bych pana øeèníka volat
k vìci.
Posl. Hackenberg (pokraèuje): Ich mache nur darauf aufmerksam, daß es für die Masse des arbeitenden Volkes viel wichtiger ist, wenn über diese Angelegenheit gesprochen wird, als über die Vorlagen von etwas untergeordneter Bedeutung im Verhältnisse zu der viel wichtigeren Frage der Ernährung. Ich werde aber der Mahnung des Herrn Vorsitzender insofern Rechnung zu tragen suchen, daß ich mich kurz fassen und zum Schlusse kommen werde. Und nun wird statt in der gesetzgebenden Körperschaft in der sogenannten Pìtka beraten und bis die Pìtka fertig wird, wird die gesetzgebende Körperschaft vor vollzogene Tatsachen gestellt werden. Und es soll an dem, was das Nebenparlament beschlossen hat, in der gesetzgebenden Körperschaft nicht mehr gerüttelt werden. Ein solcher Zustand ist nicht nur unwürdig, sondern ist auch unerträglich für jeden, der es mit der Arbeit in der gesetzgebenden Körperschaft ernst nimmt.
Und nun, meine Herren, möchte ich nur darauf aufmerksam machen, daß wir uns diesen Zustand nicht nur nicht gefallen lassen können, wegen der Unwürdigkeit des Vorganges, sondern auch, weil wir mit dreinreden wollen, wie die Ernährung gestaltet werden wird. Nun glauben die Herren der bürgerlichen Parteien der "Pìtka", daß sie das Parlament retten und aus der Krise herauskommen werden, indem sie androhen, daß wenn eine Beendigung der Krise, in der sich das Haus gegenwärtig befindet, nicht herbeigeführt werden wird, man zur Auflösung des Hauses wird schreiten müssen. Ich sage den Herrn darauf nur das eine: Wir sind der Ansicht, daß die Krise in der wir uns gegenwärtig befinden, keine bloße Parlamentskrise oder Ministerkrise und eine vorübergehende Krise ist, sondern daß es sich um eine regelrechte Staatskrise handelt, und daß es eben dann anders werden wird in diesem Staate, bis man sich mit den Tatsachen abfinden wird und aus dem sogenannten Nationalstaat den Nationalitätenstaat, der er ist, machen wird, indem man das Recht der andern Nationalitäten anerkennt. Dann wird eine Parteienzusammenstellung möglich sein, wie sie natürlich ist. Es werden jene die Verantwortung zu tragen haben, die die Majoritäten der gesetzgebenden Körperschaft haben, nicht nach Nationen, das ist widernatürlich, sondern in ihrer Zusammensetzung nach der Klasse. Wir können es nicht erwarten, daß so wie es sich heute schon ab und zu in den einzelnen Ausschüssen zeigt, die Scheidung nach Klassen auch eine ständige Einrichtung des Plenums dieses Parlaments wird. Diesen Zustand herbeizuführen, hätten alle jene ein Interesse, die an der Beseitigung der Krise des Staates interessiert sind. Wir sind also der Ansicht, daß diese Krise nicht beseitigt werden kann durch Abmachungen in der Pìtka, und Beschlüsse derselben, sondern nur durch grundlegende Aenderungen der Verhältnisse dieses Staates, und nicht durch irgend einen Kuhhandel. Es wird den störrischen Mitgliedern der Pìtka die Auflösung des Hauses angedroht. Ich kann den Herrschaften schon sagen, daß die Drohung für uns und sicherlich auch für andere Arbeitervertreter nicht verfängt. Eine bessere Plattform, als Sie uns gegenwärtig geschaffen haben, durch die Kämpfe im Nebenparlamente, in der "Pìtka", können Sie uns für die kommenden Wahlen nicht schaffen. Sehr gut jetzt die Kämpfe um die Ernährung, sehr gut auch für uns der Kampf gegen die beabsichtigte Erhöhung der Mietzinse, sehr gut auch für uns der Kampf in den Fragen der Steuerreform, insbesondere der Kampf gegen die indirekten Steuern! Es ist also keine Drohung, die Sie gegen uns richten, wenn Sie von der Auflösung sprechen, wir selbst sind der Ansicht: Hinweg mit dem Parlament! (Hluèný souhlas nìm. soc. dem. poslancù. Výkøiky na levici. Místopøedseda dr. Hruban zvoní.) Wir sind für die Auflösung des Parlamentes, das Volk soll reden, soll durch seine Stimme zeigen, mit wem es einverstanden ist! Hinweg mit dem Parlament, welches es duldet, daß sich neben ihm ein Nebenparlament, eine "Pìtka" seßhaft
macht, welche die Aufgaben des
Parlaments an sich zu reißen sucht. Aber nicht nur hinweg mit
dem Parlament, hinweg auch mit der Regierung, die es wagt, gegen
die Beschlüsse der gesetzgebenden Körperschaft durch Weisungen
eine Verelendung der Massen des Volkes herbeizuführen. (Souhlas
a potlesk na levici.)
Hochverehrte Nationalversammlung! Vor allem möchte ich bemerken, daß ich nicht im Sinne habe, gegen dieses Gesetz zu sprechen. Der vorliegende Gesetzentwurf, den wir im Parlament bereits durchberaten und verabschiedet hatten und mit dem wir uns, einem Beschlusse des Senates zufolge, heute wieder beschäftigen müssen, ist eine soziale Notwendigkeit und je eher dieses Gesetz in Kraft tritt, umso besser ist es. Es ist ja allgemein bekannt, daß das ganze System des Haltens von Pflegekindern, wie es heute gang und gäbe ist, einen ungeheueren sozialen Notstand bedeutet; ich muß sagen, geradezu eine Katastrophe, die große, nie wieder gutzumachende Schädigungen der Kinder im Gefolge hat, die in fremde Pflege übergeben werden müssen. Bis heute konnte jeder, der sich dazu meldete, Pflegekinder annehmen, ganz gleich, ob er zum Pflegevater die Eignung besaß oder nicht, ohne Rücksicht darauf, ob er in Verhältnissen lebte, die es wünschenswert erscheinen ließen, daß er Pflegekinder annimmt. Bis heute besteht keine wie immer geartete Kontrolle, die darüber wachen würde, daß Kinder an solchen unvollkommenen Stellen nicht untergebracht werden dürfen, und so kommt es, daß tausende Pflegekinder nur Ausbeutungsobjekte ihrer Pflegeeltern sind, die als billige Hilfskräfte in der Hauswirtschaft und bei der Heimarbeit verwendet werden. Gewöhnlich sind diese armen Kinder ganz der Willkür ihrer Ausbeuter ausgeliefert, weil es sich gewöhnlich um proletarische Eltern oder Mütter handelt, die es in ihrer Jugend auch nicht besser gehabt haben und die daher nicht wissen, welche Anforderungen an eine Kinderpflege gestellt werden müssen. Es sind gewöhnlich die ärmsten Proletarierkinder, die in Pflege gegeben werden, und da spielt auch die Höhe des Kostgeldes eine große Rolle. Wie oft werden alle Bedenken der Eltern eingelullt durch die Billigkeit der Forderungen. Und so kommt es, daß tausende Kinder im zarten Alter dahinsterben, weil sie Leuten zur Aufzucht übergeben werden, die selbst Not leiden und daher auch das Kostkind nicht ausreichend ernähren können.
Das ganze System des Pflegekinderwesens ist ja für den Staat sehr bequem, weil die Methode des "laisser faire"- Standpunktes Unkosten ersparte. In der gegenwärtigen Zeit aber, in der Zeit der Krisen und des wirtschaftlichen Niederganges, machen die Notsignale der menschlichen Gesellschaft auch den kapitalistischen Staat aufhorchen. Heute, wo erst fühlbar wird, in welcher Weise in den fünf Jahren des Krieges mit den Menschenleben in allen Staaten Raubbau getrieben wurde, wo die Folgen und Wirkungen der Unterernährung zu spüren sind und der Nachwuchs an Menschen in Frage gestellt ist, heute geht auch der Staat daran, endlich Vorkehrungen und Sicherungen auf sozialem Gebiete zu treffen, um seinen Nachwuchs zu schützen, Aber das, was auf dem Gebiete der Kinderfürsorge bis jetzt geschah, kommt mir vor wie ein kleines, winziges Pflaster auf einen großen wunden Körper, und auch das vorliegende Gesetz, das die Frage der Überwachung der Pflegekinder und der unehelichen Kinder regeln soll, ist im Grunde genommen in der Form, wie es uns heute vorliegt, nichts anderes als solch ein ungenügendes Pflaster. Wir beschäftigen uns mit dieser Vorlage sehr spät. In allen europäischen Staaten gibt es bereits gesetzliche Bestimmungen, welche den Schutz dieser Kinder vorsehen. Auch in Deutschösterreich ist ein analoges Gesetz schon seit zwei Jahren in Wirksamkeit. Wir kommen erst heute nachgehinkt.
Wir begrüßen den Fortschritt, der in diesem Gesetze liegt. Und wenn ich heute hier spreche, so geschieht es nicht, um das Gesetz abzulehnen, sondern um die Bedenken zu äußern, die ich gegen die Vorlage in ihrer gegenwärtigen Form habe.
Wir haben es bei diesem Gesetzentwurf mit einem Rahmengesetz zu tun, mit welchem dem Ministerium für soziale Fürsorge die Ermächtigung gegeben wird, die im Sinne des Gesetzes gelegenen Vorschriften mittels Vollzugsanweisung zu erlassen. Wie die Durchführungsverorduung zu diesem Gesetze gedacht ist, davon gibt uns der Motivenbericht einigermaßen Aufklärung. Vor allem erfahren wir dort, welche Organe die Regierung zur Ausübung dieser Kontrolltätigkeit heranziehen will. Es heißt im Motivenbericht: "Als Organe, welche die Bewilligung zum Halten von Kostkindern zu gewähren und die Aufsicht zu organisieren hätten, kämen in erster Linie in Betracht die Bezirkskommissionen für Jugendpflege in Böhmen, die Waisenvereine in Mähren und Schlesien und auf gleiche Stufe gestellte Organisationen, nach Bedarf auch andere geeignete Organisationen für Jugendpflege und städtische Behörden für Kinderschutz und Jugendpflege."
Nach meinem Dafürhalten wäre es zweckentsprechend und ist es unbedingt erforderlich, eine Bestimmung einzuschalten, welche besagt, daß auch deutsche Organe für Jugendschutz und Kinderfürsorge zur Kontrolltätigkeit herangezogen werden. Dieses Gesetz hat vor allem den Zweck, alle Kinder in fremder Pflege, sowie die unehelichdn Kinder in Schutz zu nehmen, ihr Gedeihen und ihre Gesundheit zu sichern. Die ärmsten, wehrlosesten Opfer der Gesellschaft sollen geschützt werden und es muß verhütet werden, daß das wenige Gute, was dieses Gesetz bietet, nicht zu nationalistischen einseitigen Tendenzen mißbraucht werden kann; das soll und darf nicht geschehen. Wir stellen daher, gestützt auf die Tatsache, daß nach der nationalen Zusammensetzung der Bevölkerung mindestens auch ein Viertel aller Kinder, denen dieses Gesetz seine Wohltaten zuwenden soll, deutsche Kinder sind, folgenden Resolutionsantrag: "Zur Kontrolltätigkeit sind auch in entsprechender Weise die deutschen Landeskommissionen für Kinderschutz und Jugendfürsorge heranzuziehen."Ich bitte Sie, für diesen Antrag zu stimmen.
Mit Befremden habe ich im Motivenbericht gelesen, daß die politischen Bezirksverwaltungen ebenfalls mit der Kompetenz betraut werden sollen, die Aufnahme und Wegnahme der Kinder zu bewilligen und über sie die Aufsicht zu führen. Soviel mir bekannt ist, dürfte es wohl kaum eine politische Bezirksverwaltung geben, welche über die hiezu geeigneten Organe verfügt, über Organe, die sich auf dem Gebiete der sozialen Fürsorge auskennen; denn um hier mitzuwirken, um festzustellen, wer zur Kinderpflege geeignet ist, wer fähig ist, eine halbwegs gedeihliche Aufzucht der Kinder zu verbürgen, muß vor allem etwas von sozialer Fürsorge verstehen. Es wäre daher ein großer Fehler, wenn wir den politischen Bezirksverwaltungen Aufgaben zuweisen wollten, denen sie durchaus nicht gewachsen sind. Mit solchen Bestimmungen erschweren wir nur die Durchführung dieses Gesetzes in der Praxis, indem zu dilettantischen Maßnahmen der Anlaß gegeben wird.
Ein Vorteil für das Gesetz wäre es nach unserer Ansicht, wenn die Berufsvormundschaft mehr herangezogen würde, wie dies in allen anderen Ländern der Fall ist. Geeigneter und fähiger zur Aufsicht über die Pfleglinge als die politischen Bezirksverwaltungen wären doch entschieden die Berufsvormundschaften, die einen wertvollen Anteil an der Durchführung dieses Gesetzes haben könnten und die in der Vorlage kaum berücksichtigt werden. Wir erwarten, daß diesem Mangel durch den entsprechenden Hinweis in der Durchführungsverordnung abgeholfen wird. Das vorliegende Gesetz bestimmt, daß alle Pflegekinder sowie auch die unehelichen Kinder, die von ihren eigenen Müttern erzogen werden, zu beaufsichtigen sind. Es hat dies seinen guten Grund. Es ist ja leider traurige Tatsache, daß in fast allen Fällen von Ki ndermißhandlung, die vor Gericht verhandelt werden, es sich um Kinderverwahrlosung handelt, es meist uneheliche Kinder betrifft. Das vor der Ehe geborene Kind, für das der ledigen Mutter so viel Leiden auferlegt waren, das ihr so viel Stunden der Sorge und Angst bereitet, wird gewissermaßen immer ein Stein des Anstoßes bleiben. Es gibt aber neben diesen Müttern, die ihre Kinder nicht lieben und mißhandeln, mindestens ebenso viele uneheliche Mütter, die ihre Kinder gut erziehen, die wunderbar ihre Mutterpflichten erfüllen und ihr Kind besser hüten und pflegen, als manche Ehefrau, und die Konkurrenz mit jeder ehelich angetrauten Mutter aufnehmen können. Wir sehen daher nicht ein, warum ohne Unterschied auch jene unehelichen Mütter, die ihren Mutterpflichten nachkommen und die die Gewähr bieten, daß ihr Kind einwandfrei erzogen wird, durch die Kontrolle belästigt werden. Es ist nicht einzusehen, warum alle diese Mütter durch die Kontrolle immer wieder von der Gesellschaft an ihren sogenannten Fehltritt gemahnt werden sollen, nur darum, weil ihnen das Standesamt nicht die Genehmigung zum Muttersein erteilt hat und deren Kind die Frucht eines "unerlaubten Verhältnisses", wie es im bürgerlichen Moraljargon heißt, ist. Das ist eine unnötige Schikane, die beseitigt werden muß.
Ich beantrage daher folgende Resolutionen (ète):
"Von der Kontrolle können jene unehelichen Mütter befreit werden, welche in folge ihrer Lebensumstände und ihrer persöhnlichen Eignung die Gewähr bieten, daß sie die Pflege und Aufzucht ihrer unehelichen Kinder in einwandfreier Weise besorgen."
Bitte wollen sie auch diesen Antrag unterstützen. Dieser ganze Gesetzentwurf hat nur dann einen Zweck, wenn den Kontrollorganen weitgehende Kompetenz erteilt wird.
Im Motivenbericht haben wir gelesen, daß gerade die kinderreichsten Familien Pflegekinder halten. Es ist gewöhnlich die Meinung maßgebend, daß dort, wo fünf zu essen haben, auch noch ein sechstes oder siebentes Kind mit ernährt, oder besser gesagt, mit unterernährt werden kann. In solchen Familien wachsen die eigenen Kinder ohne Aufsicht und Pflege heran. In sehr vielen Fällen sind die kleineren Kinder einem älteren Geschwister überantwortet und ihre Erziehung läßt alles zu wünschen übrig. Die größte Aufmerksamkeit müßte auch dem ungeheuren Wohnungselend zugewendet werden, das die größten sittlichen Gefahren für die Proletarierkinder - und das sind ja diese Kinder, von denen hier die Rede ist, fast ausnahmslos - mit sich bringt. Gewöhnlich sind die Kinder ganz und gar der Gnade oder Ungnade ihrer Pflegeeltern überantwortet, und niemand beachtet die Gefahren, die den Kindern drohen. Handelt es sich um uneheliche Kinder, wird die Mutter, die in 99 Fällen von 100 im Lohnverhältnisse steht und es schwer-genug hat, sich durchs Leben zu schlagen, wenig übrig haben für ihr Kind. Unsere sittliche Rechtsauffassung, die aus früheren Jahrhunderten übernommen wurde, besteht auch heute noch, daß in dem Kind - und diese Rechtsauffassung teilt nur zu oft die Mutter selbst, - in dem unschuldigen Würmchen man ein Zeichen der Schande sieht - und selbst wo das nicht der Fall ist, wird das Kind meist als Existenz- und Heiratshindernis angesehen und ist daher im Wege. Es ist leicht, für sein Kind Mutterliebe zu empfinden, wenn seine Erhaltung ohne schwere Opfer vor sich geht. Aber können Sie das arme Dienstmädchen, daß die Hälfte seines Lohnes der Pflegemutter abliefern muß und auf alle und jede Freude verzichten muß und sich nicht mehr entsprechend kleiden kann, verurteilen, darum, weil sie ihr Kind als Last empfindet? Das Verhältnis der ledigen Mutter zu ihrem Kinde wird sich erst dann ändern, bis wir staatliche Mütterheime haben werden, wo die ledige Mutter und ihr Kind aufgenommen und ein Heim finden wird. Im Jahre 1910 gab es in Böhmen, Mähren und Schlesien 35.727 Ziehkinder. Diese Zahl dürfte heute wohl doppelt so groß sein, wenn man den Krieg und seine Folgen bedenkt. Der Krieg hat die unehelichen Geburten begünstigt und die Zahl der erwerbsfähigen Frauen vervielfacht. Wir bemühten uns, in das Gesetz die Bestimmung hineinzubringen, wonach alle Kinder bie zum schulpflichtigen Alter regelmäßig vom Arzte zu untersuchen wären. Wenn man bedenkt, daß bis zum ersten Jahre ein Drittel und bis zum fünften Jahre ein Fünftel aller Kinder, die geboren, wieder von dieser Welt Abschied nimmt, so ist diese Forderung begreiflich. In einem Staat jedoch, der für den Militarismus immer wieder neue Milliardensummen braucht, ist für ausreichende soziale Maßnahmen kein Geld verhanden.
Auch dieses vorliegende Gesetz ist nur Stückwerk, weil es mit ungenügenden Mitteln und den geringsten Kosten rechnen muß. Es ist nur Stückwerk, weil es eine unzulängliche Einrichtung, wie es das Kostkinderhaltesystem ist, nicht gänzlich beseitigt, sondern zu stützen sucht.
Wir stehen prinzipiell auf dem Standpunkt, daß die fremde Privatpflege zu beseitigen wäre und die Anstaltserziehung an ihren Platz zu treten hätte. Ueberall dort, wo die Eltern oder die dazu rechtlich verpflichteten Personen die Erziehung der Kinder nicht selbst leiten können oder wollen, müßte der Staat dieses Amt übernehmen. Er müßte Kinderheime und Landerziehungsheime besitzen, wo die Kinder unter der Leitung tüchtiger Erzieher und Pädagogen herangebildet würden. Nur dann würde endlich die ständige Gerichtssaal-Rubrik, die von jugendlichen Verbrechern und kindlichen Vagabunden erzählen, aus den Zeitungen verschwinden. Jedes Kinderheim, das gebaut würde, schlüge ein Zuchthaus oder ein Bordell aus dem Felde. Eine Regelung in diesem Sinne wäre nicht unmöglich; sie wäre leicht durchzuführen, man brauchte zu diesem Zweck nur die Villen, Schlösser und Paläste zu beschlagnahmen, die eine auch heute noch privilegierte Klasse besitzt. Im kapitalistischen Klassenstaat jedoch läßt man lieber tausend unschuldige Proletarierkinder zu Grunde gehen, bevor man den Reichen ihre Bequemlichkeit raubt.
Trotzdem fordern wir sie auf,
stimmen sie für unsere Anträge und für dieses Gesetz, das trotz
alledem einen Schritt nach vorwärts hedeutet. Wohl wissen wir,
daß das Kapitel Kinderlend und Kinderausbeutung erst dann sein
Ende finden wird, wenn der Kapitalismus, der die Ausbeutung des
Menschen durch den Menschen zum System erhoben hat, endgiltig
verschwinden wird. Die Sturmzeichen der Zeit deuten bereits auf
einen Untergang.
Geehrte Damen und Herren! Ich
kann meine Ausführungen zu diesem Gegenstand nur mit dem allerschärfsten
Protest gegen die unwürdige Behandlung des Parlamentarismus in
diesem Staate beginnen. Es ist eine Schmach und ein Skandal sondergleichen,
daß ein Staat, der sich auf seine Demokratie so viel einbildet,
der geradezu hinausgackert, daß er der Pächter der Demokratie
ist, daß der den Parlamentarismus derart handhabt. Es ist eine
Schmach sondergleichen und wir hätten das vom Vorsitzenden dieses
Hauses nicht erwartet, daß er das Parlament förmlich nur zusammentretten
läßt, zur Entgegennahme der Diäten und zum Tabakfassen.