Ich bitte, ich kann mich nicht
anders ausdrücken als wie: in einer scheinbar parteiischen Weise,
da ich doch nicht annehmen kann, daß die Herren mit Vorsatz so
etwas machen können. Es ist, ich bitte, wenigstens doch nicht
anzunehmen, daß nachdem eine Einzelnperson in diesem Falle entschieden
hat, Sie sich von solchen Motiven leiten läßt, und es ist daher
nur notwendig zu sagen, daß es vor allen Dingen am Platze wäre,
daß die Sache an den Immunitätsausschuß rückverwiesen werde, aus
den Gründen, die ich bereits angeführt habe, und weil ich mir
sage: Es kann in dieser Beziehung nicht anders verfahren werden
als nach dem Recht. Recht ist hier nicht geschehen und weil Recht
hier nicht geschehen ist, werden wir gegen den Antrag stimmen
und für den Antrag Stivín-Èermak. (Potlesk na levici.)
Ich bin schon da. Sie sagen nämlich
"Raddovi", das verstehe ich nicht, ich heiße
"Radda"!
Místopøedseda dr. Hruban (zvoní):
Dávám slovo panu posl. dr. Raddovi. (Rùzné výkøiky
na levici.)
Posl. dr. Radda (pokraèuje): Meine Damen und Herren! Ich hätte zu dieser Immunitätssache nicht gesprochen, wenn ich nicht auch ein Hochverräter wäre. Ich bitte sehr, es ist nämlich gefährlich, wenn man so etwas sagt, weil das unter Umständen vom Immunitätsausschusse gleich als Geständnis aufgefaßtwird und der Herr Vorsitzende stenographiert bereits, was ich spreche, und es wäre ganz leicht möglich, daß damit das Gerichtsverfahren gegen mich abgeschlossen wäre. (Veselost na levici.) Ich bitte aber, es soll kein Geständnis sein, sondern ich berufe mich auf den Bericht des Immunitä tsausschusses in der Angelegenheit Lehnert. Darin heißt es nämlich: "In Südmähren hatte diese Aktion der deutschen Rekruten, geführt vom deutschen Abgeordneten Dr. Radda, sogar ein blutiges Nachspiel, zumal dieselbe zuvor eine Kundgebung großer hochverräterischer Demonstrationen ausgelöst hatte. An der Spitze dieser Agitation in Südmähren stand der deutsche Abgeordnete Dr. Radda, um dessen Auslieferung das zuständige Gericht ebenfalls ansucht."
lch muß gegen diesen Bericht deshalb Verwahrung einlegen, weil meines Erachtens meine Immunitätssache mit der des Abgeordneten Lehnert absolut nichts zu tun hat. Über meine Immunitätssache kann der Immunitätsausschuß beraten und Beschluß fassen, er darf aber nicht vorweg mich zum Hochverräter stempeln, ohne daß er die geringsten Beweise dafür hat. Denn, meine Herren des Immunitätsausschusses, Sie haben sich nicht meritorisch mit der Sache zu befassen, was Sie hier allerdings tun. Sie betreiben damit eine Kabinettsjustiz, denn Sie stellen fest, daß der Abgeordnete Lehnert ein Hochverräter ist, daß ich mit der gleichen Aktion beschäftigt war und also auch ein Hochverräter bin. Sie haben eine derartige meritorische Entscheidung absolut nicht zu fällen, weil diese Entscheidung lediglich dem Gerichte und sonst niemandem obliegt, Sie haben lediglich zu entscheiden, ob Sie wegen einer politischen Äußerung oder wegen irgend einer anderen Straftat den Abgeordneten ausliefern wollen oder nicht, sonst gar nichts. Sie haben auch nicht zu begründen, daß Sie darin einen Hochverrat erblicken oder einen Diebstahl oder sonst etwas, sondern lediglich zu sagen, der Abgeordnete wird ausgeliefert oder er wird nicht ausgeliefert. (Sehr gut!)
Denn hier kommt man bei den èechoslovakischen Gerichten ganz leicht in die unangenehme Situation, daß sich das Gericht des Berichtes deslmmunitätsausschusses womöglich als Beweismitel bedient. Denn Sie stehen in diesem Berichte auf dem Standpukte, daß die Berichte der Gendarmen ein Beweis der hochverräterischen Tätigkeit sind, und das werden Sie doch selbst nicht behaupten können. Was der Gendarm berichtet, das führt vielfach zu Freisprüchen und Sie haben gar keine Veranlassung, diesem Berichte irgend welche Objektivität zuzumessen, weil Sie Ihre Gendarmerie ganz gut kennen und wissen, daß sie nicht ga nz objektiv ist, zumindest nicht den Deutschen gegenüber. Ich könnte sehr viel Beispiele dafür erzählen, es wird vielleicht Gelegenheit sein, bei meiner Immunitätsangelegenheit auf die Berichte der Gendarmen zurückzukommen. Daß das unrichtig ist, was über mich im Ausschußbericht gesagt ist, geht daraus hervor, daß es bei den Assentierungen in meinem Gerichtsbezirke kein blutiges Nachspiel gegeben hat. Tatsache ist, daß der Abgeordnete Dr. Hanreich von èechischen Soldaten geprügelt wurde. Das ist das blutige Nachspiel, das man mir zur Last legt. Der Abgeordnete Dr. Hanreich ist beinahe totge schlagen worden, und dieses blutige Nachspiel habe ich veranlaßt durch mei ne hochverräterische Tätigkeit! Woher Sie diesen Bericht nehmen, weiß ich nicht. Aber es scheint der Bericht Ihrer Staatspolizei zu sein, die aus lauter agents provocateurs besteht, die überhaupt niema nd anderen aufnimmt als agents provocateurs. Sie scheinen zu vergessen, daß der § 25 der Zivilstrafprozeßordnung ausdrücklich eine Bestimmung enthält, daß man sich auf derartige Zeugen oder derartige Zeugnisse nicht verlassen darf, und daß derart ige Anzeiger auf keinen Fall als Zeugen zu werten sind. Schauen Sie sich einmal diesen Paragraphen an, Sie werden sehen, daß Sie mit Ihren agents provocateurs bei einen vorurteilslosen Gerichte kein Glück baben werden. Wenn man sich das Ganze und die Begründung dazu anschaut, so findet man, daß Sie alles auf wirklich sehr schwache Füße stellen. Es ist der Zwischenruf gefallen: "Ja, wie haben wir im alten Österreich gelitten! Da sind auch die verfolgungen auf der Tagesordnung gewesen!" Zugegeben. Aber auch wir sind im alten Österreich verfolgt worden. Wir sind mehr verfolgt worden, als die Èechen im alten Österreich verfolgt wurden; und wenn Sie die Kriegsverfolgungen meinen, so werden Sie es wohl begreiflich finden, daß ein Staat, der sich im Kriegszustande befindet, doch wohl das Recht hat, sich gegen Elemente zur Wehr zu setzen, die ihm unter Umständen in den Rücken fallen. Das war keine politische Tätigkeit mehr, das war schon etwas mehr, meine Herren. Aber man kann auch sagen, daß man das nicht rechtfertigen kann. Auf keinen Fall können Sie uns Vorwürfe machen, gerade Sie nicht, wo Sie sich einbilden, eine großangelegte Schweiz zu sein, viel freiheitlicher und demokratischer, als die Schweiz es ist. (Výkøiky.) Dorthin gehen die politischen Verbrecher, wenn sie sich vor der eigenen Staatsgewalt schützen wollen. In die Èechoslovakei sollte man aber als politischer Verbrecher kommen! Dann geht es einem so, wie es hier dem eigenen Abgeordneten geht. Wenn Sie überall Hochverrat spüren und riechen werden, so werden Sie vor Angst sehr viel Hosen brauchen. Es ist bezeichnend: Wir brauchen nur einmal nach Wien zu fahren und schon bekommt der Immunitätsausschuß das Begehren auf Auslieferung, weilwir hochverräterische Reden gehalten haben. Vertragen Sie denn das nicht, daß man über die Verhältnisse in diesem Staate auch anderwärts spricht? Warum sollen wir denn die Wahrheit nicht sagen? Warum sollen wir die Wahrheit nicht im Auslande sagen? Sie geben soviel Geld für die ausländische Propaganda aus! Geben Sie das Geld uns und wir machen diese Propaganda auch. Aber Sie geben es uns nicht und so müssen wir selbst hinausgehen und sagen, was der Wahrheit entspricht. Wenn Sie da Hochverrat wittern, tun Sie das, aber uns können Sie unmöglich davon abhalten. Wenn das alte Österreich jeden von den Èechen, der ins Ausland gefahren ist, hätte verfolgen wollen, dann wäre Dr. Kramáø aus den Verfolgungen nicht herausgekommen. Der war mehr im Ausland als hier. Aber die Herren wissen ja ohnedies, wo er überall war, ich brauche das nicht zu erzählen.
Ich wäre aus diesem Grunde, weil doch schließlich das Haus dazu Stellung nehmen muß, ob es einen Abgeordneten wegen politischer Äußerungen ausliefert oder nicht, auch gegen die Rückverweisung liefern Sie aus - gut, dann werden wir in gerichtliche Untersuchung kommen, oder Sie wollen uns nicht ausliefern - dann müssen Sie den Mut haben, es hier zu sagen. Aber die Sache an den Ausschuß zurückverweisen und die ganze Sache solange vermänteln, bis davon nichts übrig bleibt, davon haben wir nichts. Gut, sagen Sie, wir seien Hochverräter. Dann wollen wir dafür auch einstehen. Und dann, wenn Sie Hochverräter ausliefern wollen, liefern Sie uns gütigst aus.
Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit - weil Sie sich immer darauf berufen, eine so außerordentlich freie Verfassung zu haben, die freieste auf der ganzen Welt, die von gar keinem anderen Staate überboten wird, weil Sie das immer hinausposaunen in die Welt - doch bezüglich der Immunitätsfrage Ihnen die betreffenden Bestimmungen vorhalten. Sie finden im § 11 des deutschen Reichsstrafgesetzes und im Artikel 30 der deutschen Reichsverfassung die Bestimmung: "Wegen der in Ausübung seines Berufes gemachten Äußerungen kann ein Abgeordneter nicht zur Verantwortung gezogen werden." Das geht sogar so weit, daß er überhaupt nicht verfolgt werden darf. Er braucht gar keine Immunität, weil sie im Strafgesetz schon ge währleistet ist. Es hat gar kein Auslieferungsbegehren zu erfolgen, überhaupt nichts, sondern der Betreffende ist von vornherein als Abgeordneter für alle in seinem Beruf gemachten Äußerungen und Handlungen immun. In England bitte, wollen Sie sich das auch aufschreiben - ist es die Bill of right aus dem Jahre 1689, also etwas vor der Gründung des an den Ausschuß, weil ich sage: entweder èechoslovakischen Staates. (Veselost na levici.) Diese lehnt jede Strafdrohung wegen einer Äußerung des Abgeordneten ab und verneint die strafrechtliche Verantwortung für die in Ausübung des Abgeordnetenberufes gemachten Äußerungen. Auch für die Zeit nach der Beendigung der Stellung als Abgeordneter, also auch wenn der Abgeordnete lange nicht mehr das Mandat hat, kann er wegen einer Äußerung, die er als Abgeordneter gemacht hat, nicht verfolgt werden.
Die belgische Verf ssung vom Jahre 1831 sagt: "Kein Mitglied einer Kammer darf aus Anlaß der von ihm in Ausübung seines Abgeordnetenmandates gemachten Meinungsäußerungen verfolgt oder ausgeforscht werden." Sie geht also noch etwas weiter. Den gleichen Wortlaut hat die französische Verfassung im Artikel 13 aus dem Jahre 1875. Die liegt Ihnen etwas näher, also bitte, sich vielleicht die aufzuschreiben! Und die italienische Verfassung Artikel 51 aus dem Jahre 1848 enthält ganz gleichlautende Bestimmungen.
Sie sehen daraus, daß zweifellos
demokratische Staaten, und auch Staaten, die Ihnen als Muster
und Beispiel gedient haben, auf einem ganz wesentlich anderen
Standpunkt stehen, als Ihre freiheitliche Verfassung. Im Übrigen
habe ich einmal bei einer Versammlung gesagt und ich möchte das
zum Schlusse meiner Ausführungen wiederholen: Wenn Sie den Kampf
von uns Deutschen als Hochverrat auffassen, dann gestehen wir
Ihnen ohne weiteres gerne zu, daß wir alle Hochverräter sind.
(Výkøiky: Heil! Bravo! Potlesk na levici.)
Hohes Haus! (Posl. dr. Baeran:
Hoher Sauhaufen!)
Místopøedseda dr. Hruban: Pro
tento výrok volám pana poslance dr. Baerana k poøádku.
(Hluk.)
Posl. Knirsch (pokracuje): Meine Damen und Herren! Ich glaube, das Parlament dieser rein demokratischen Republik hat sich nicht der besonderen Achtung oder Hochachtung in der politischen Welt erfreut. Aber nach dem heutigen Tage ist sicher der letzte Rest von Achtung vor diesem Parlamente, wenn noch einer vorhanden war, geschwunden. Ich erinnere mich an manche Debatte des alten österreichischen Abgeordnetenhauses während der Kriegszeit und an manche Rede der Herren èechischen Kollegen, die hier auf den Bänken von rechts sitzen. Ich möchte da beispielsweise nur verweisen auf eine Rede des damaligen Abgeordneten Dr. Zahradník, eines geistlichen Abgeordneten, der in seiner Rede ausführte, daß der dem österreichischen Staate, beziehungsweise dem österreichischen Kaiser geleistete Treueid keine Gültigkeit habe. Und das sagte er zu einer Zeit, da der Staat sich im Kriegszustande befand. Ein anderer Kollege, Kollege Støíbrný, verkündete dort stolz, daß das Überlaufen der Soldaten zum Feinde für sie eine Selbstverständlichkeit sei und ganz mit Recht geschehe. Und keinem Menschen im österreichischen Abgeordnetenhause, keiner Regierung dieser reaktionären Monarchie ist es eingefallen, die èechischen Kollegen wegen dieser sogenannten hochverräterischen Reden auf die Anklagebank zu setzen, bezw. sie auszuliefern. Und wenn heute die Gesinnungsgenossen dieses Dr. Zahradník, die Gesinnungsgenossen des Dr. Kramáø, Støíbrný und wie sie alle heißen, hier vor diesem Forum aufstehen und einen Deutschen wegen einer politischen, rein politischen Rede dem Kadi ausliefern wollen, dann können wir vor solchen Parlamentariern nur die tiefste Verachtung zum Ausdruck bringen. (Sehr richtig!)
Meine Vorredner haben bereits die sachlichen Argumente, die gegen diesen Antrag des Berichterstatters sprechen, angeführt. Ich habe mich hauptsächlich zum Worte gemeldet, weil in dem Berichte des Herrn Berichterstatters auch meiner persönlich Erwähnung getan wird, und zwar gleichsam als Zeuge, wie der Herr Kollege Kreibich gegen Herrn Dr. Lehnert ins Treffen geführt wird. Es heißt hier in dem Berichte (ète): "Také poslanec Knirsch snažil se èiniti prostøed níka, ale jeho návrhy na kompromis byly velikou vìtšinou zamítnuty", zu deutsch: "Auch der Abgeordnete Knirsch bemühte sich in dieser Versammlung einen Mittelweg zu finden, aber seine Kompromißanträge wurden mit großer Mehrheit abgelehnt." - Ich stelle fest, daß ich in dieser Versammlung oder in irgend einer anderen Versammlung, in welcher Kollege Lehnert gesprochen hat, nicht anwesend gewesen bin (Hört! Sehr gut!) und daß daher dieser Passus des Berichtes sich nicht auf mich bezieht. (Výkøiky.)
Der Herr Berichterstatter macht
mich aufmerksam, daß das nicht seine Meinung war, sondern daß
er sich an die Relation des Spitzels gehalten hat. Nun, es ist
bezeichnend, bezeichnend für die Mehrheit des Immunitätsausschusses,
daß er, sich stützend auf solche unwahre Berichte von Spitzeln
hin mit einem solchen Urteile sich vor uns wagt. Es geht daher
aus dem ganzen Berichte hervor, daß es sich hier um kein sachlich
objektives Urteil handelt, sondern es ist klar zu erkennen, daß
man hier von vornherein in haßerfüllter Absicht einfach einen
mißliebigen, verhaßten deutschen Kollegen unschädlich machen will,
daß man an einem deutschen Kollegen, unbekümmert um seine Immunität,
einen Justizmord begehen will. Das wollte ich nur feststellen.
Ich würde es auch lieber sehen, wenn das hohe Haus heute vor die
Notwendigkeit gestellt würde, darüber abzustimmen, damit wir sehen,
wer den Mut hat, als Abgeordneten in solcher Weise die Immunität
der Abgeordneten zu schwächen. (Potlesk na levici.)