Geehrte Kollegen! (Hluk, rùzné
výkøiky na levici.) Es spricht sich sehr schlecht in eigener
Sache, schon darum spreche ich "pro". Der heutige Fall
handelt zufällig von meiner Person, in Wirklichkeit ist heute
vielleicht eine Sache auf der Tagesordnung, die von prinzipieller
Bedeutung ist, und meiner eigenen Person wegen würde ich gewiß
nicht in dieser Sache hier sprechen, ebenso wenig, wie ich im
Immunitätsausschuß gesprochen und etwa versucht habe, mich gegen
die Anschuldigungen, die von der Staatsanwaltschaft in Reichenberg
beim Gerichte erhoben wurden, zu verteidigen. Es handelt sich
heute um die prinzipielle Entscheidung, - der der Immunitätsausschuß
ausgewichen ist - was durch die Immunität gedeckt wird und was
nicht. In derselben sitzung, in der von der Mehrheit des Immunitätsausschusses
meine Auslieferung beantragt wurde wegen einer Rede, die eine
eminent politische war und die ich in Ausübung meines Abgeordnetenmandates
gehalten habe (Sehr richtig!), in derselben Sitzung wurde
ein èechischer Abgeordn eter von den Mehrheitsparteien mit denselben
Stimmen, weil er vom Gericht wegen Kriegswucher verfolgt wurde
. . . (Hört! Hört! - Výkøiky posl. dr. Baerana. Hluk.)
. . . es wurde in derselben Sitzung dieser Abgeordnete wegen
Kriegswucher durch die Immunität geschützt erklärt. (Hluk.)
Místopø. Buøíval (zvoní):
Prosím o klid.
Posl. Lehnert (pokraèuje): Wir haben solche Fragen früher auch schon im Immunitätsausschuß behandelt und sind zur Meinung gekommen, daß Vergehen, welche nicht ehrenrührig sind, welche in Ausübung des Abgeordnetenmandates angeblich begangen wurden, durch die Immunität geschützt sein müssen. Denn wir argumentierten folgendermaßen: Was hat das Abgeordnetenmandat für den Träger für eine Bedeutung? Das Abgeordnetenmandat hat für den Träger doch nicht die Bedeutung, daß er hierherfahren und diese Komödie hier mitmachen soll, besonders für uns Deutsche nicht. Es hat für uns die Bedeutung, daß wir wenigstens einige Leute aus unserem Volke haben, welche sprechen und sagen können, was das Volk denkt. (Souhlas na levici.) Wenn Sie uns gleichsam nicht mehr als Tribunen des Volkes anerkennen wollen, so brauchen Sie das nur zu sagen. Wir haben andere Mittel, wir haben andere Wege, um unsere Ziele zu erreichen, als öffentliche Reden. Da ist uns nicht bange. Ich kann mich zu der Objektivität der Mehrheit des Immunitätsausschusses nicht aufschwingen. (Posl. dr. E. Feyerfeil: Es war keine Mehrheit, es war der berühmte Dyk, der als Präsident dirimiert hat! Veselost na levici.) Nun, das macht die Masse, die so peinlich über den politischen Vorrechten der Abgeórdneten wacht, wie hier der Herr Referent in so ausgezeichneter Weise ausgeführt hat. Es hat sich insbesondere in dieser Sitzung gezeigt, wie peinlich die Mehrheit des Immunitätsausschusses über die Immunität der Abgeordneten wacht, wenn nämlich ein èechischer Abgeordneter wegen Kriegswucher angeklagt ist. Wenn es sich aber um einen deutschen Abgeordneten handelt, der wegen eines eminent politischen Vergehens angeklagt ist, da ist die Peinlichkeit etwas anders aufzufassen, da muß im Berichte für das Plenum hier peinlich gesucht werden, den ganzen Polizeiauszug, und noch dazu in einem Succus und Extrakt, zu servieren, der das Haus verstehen lehrt, wie überhaupt ein derartiger ungemein kluger, gescheiter und weltbewegender Beschluß zustande kommen konnte. Der Fall, der mich betrifft, ist heute ein Einzelfall, aber macht er Schule, so werden nach kurzer Zeit die Bänke auf der linken Seite des Hauses und vielleicht auch hier in der Mitte etwas leer werden und wir werden nach Pankratz kommen (Veselost na levici.) und ich frage Sie, verehrte deutsche Kollegen, was soll dann dieses Abgeordnetenhaus noch für ein Interesse für unser Volk haben? (Posl. dr. Baeran: Aber das hat kein Interesse daran!) Wir haben derzeit soweit ein Interesse daran, daß wir hier eine Tribüne haben, von der aus wir unsere Forderung Tag für Tag immer aufs Neue in die Welt hinausrufen können. (Posl. dr. Baeran: Bei zehn Minuten Redezeit!) Ich werde mich heute nicht an die Redezeit halten, ich erkläre das ein für alle Male. Es ist so wie so eine einzigartige Einrichtung in einem Parlamente, daß auch hier von dieser Tribüne das Wort nicht frei ist, sondern der Zensur des Präsidenten untersteht, ob er eine Äußerung, die ich von diesem Platze aus hier mache, für hochverräterisch hält und diese aus den stenographischen Protokollen auszustreichen ist. Ich glaube, daß die heutige Verhandlung eine Folge der ganzen Konstruktion des Staates ist. Es ist ein Wahrwort: Durch dieselben Mittel, durch die ein Staat entsteht, muß er auch erhalten werden. Ist ein Staat ein Militärstaat, ist er durch die Kraft des Schwertes zusammengeschmiedet worden, dann muß er auch durch die Kraft des Schwertes erhalten werden. Ist es ein Staat der Freiheit, dann kann er nur durch Freiheit erhalten werden, und ist es ein Staat, der wie dieser Staat durch ein Mittel in die Welt gesetzt wurde, das ich nachher bezeichnen werde, dann kann er auch nur durch dieses Mittel wieder weiter erhalten werden. (Výkøiky poslance dr. Baerana. - Hluk.)
Das Fundament des Staates ist bekanntlich seine Verfassung. In dieser Verfassung ist im ersten Punkt, gleich im ersten Absatz, zu lesen: "Die Völker dieses Staates haben sich freiwillig zusammengeschlossen, um diesen Staat zu bilden." Das ist der Grundstein, der erhalten werden muß, und das ist die erste Frucht, die der Lügengeist der Welt gegeben hat. (Sehr richtig!) Das ist die große Urlüge, die immer neue Lügen gebähren muß, um sich zu erhalten. (Souhlas na levici.) Aus dieser Urlüge kommt es nun zu der liebevollen Behandlung der Bevölkerung seitens der Prager Machthaber hier. Diese Lüge hat zur Folge eine immer heißer aufwallende Begeisterung für Prag in unseren Landesteilen. Wenn Sie diese Begeisterung noch eine Zeit andauern lassen, dann werden diejenigen Sudetendeutschen, die der Ernährungsminister mit seinen Zentralen nicht zu Tode geliebt hat, aus lauter Begeisterung sterben. Sie werden sterben ganz gewiß mit dem "Hej Slovane" auf den Lippen. (Veselost na levici. Výkøiky.) Alle Kriegsanleihebesitzer, die durch diesen Staat um ihr Vermögen gekommen sind (Výkøik: Bestohlen worden sind!), ja, bestohlen worden sind, alle Beamten, die um ihre Existenz gebracht wurden, alle Kriegsverletzten, die bei ihren Bettelkreuzern verhungern können, alle Witwen und Waisen, die dem glorreichen Verrat der hochgeehrten Legionäre den Tod ihres Vaters verdanken, sie alle, alle erheben hier über dem Meere von Blut und Schmach, über das ihr Lebensschifflein treibt, einen hunderttausendfachen Chorgesang zum Lobe dieses Staates. (Sehr richtig!) Wenn wir draußen beobachten, vernehmen wir dieses ergreifende Lied unseres Volkes nicht tausendfach in jedem Orte? (Sehr richtig!) Alles, was geschah und noch geschieht, alles, was unserem Volke angetan wird, was Sie uns hier antun als Henkersknechte der Entente, all das ist eine Folge der Urlüge, die diesen Staat gegründet hat, wonach wir uns freiwillig zusammengeschlossen haben. Und wenn Sie hier posieren, mit dem, was der Bienenfleiß der Deutschen geschaffen, wenn Sie die Schande der Denkmalstürzer auf sich nehmen, den Ruhm des Bodenraubes auf sich nehmen, und die Geschichte umlügen und die ganze Republik schwarz-weiß-rot anstreichen, dann werden Sie den Staat nicht stützen. (Výkøiky: Blau-weiß-rot! Hluk. Veselost. Výkøiky.) In dieses System der Stützung und Steifung des Staates paßt nun der heutige Antrag gegen mich wunderbar hinein. Freistaat? Lüge! Demokratie? Lüge! Immunität? Lüge! Der Wahlspruch Ihres Staates, nicht der unsrige ist: "Veritas vincit, Die Wahrheit siegt." Lüge, nichts als Lüge! Auf Lüge ist dieser Staat aufgebaut und nur durch fortwährende neue Lügen kann er sich erhalten. Und es wäre ganz unnatürlich, wenn das uns zugesprochene lmmunitätsrecht auch tatsächlich für uns gelten sollte. Ich glaube da die Stimmung nicht bloß der nationalen Abgeordneten unseres Volkes, sondern auch der internationalen wiederzugeben, wenn ich protestiere gegen eine derartige Freiheit, wie sie uns hier geboten wird. Und sogar mein lieber Feind Kreibich (Veselost. Výkøiky.), der in derselben Versammlung anwesend war und der in diesem Berichte des Immunitätsausschusses als Kronzeuge geführt wird und den ich hoffentlich bei Gericht wiedersehen werde (Veselost na levici.) als Zeuge, auch in seinem Namen glaube ich protestieren zu können gegen diese Art der Freiheit, wie sie uns hier geboten wird. Aber lassen Sie von der vìtšina sich jetzt durch meine Worte nicht anfechten, die Sache will's, die Sache will's. Sagen Sie sich das zu Ihrem Troste. Das Wohl des Staates verlangt diese Art èechischer Freiheit. Zum Teufel mit den ewigen Bedenken! Und dann, besonders die Herren von den mittleren Bänken, bedenken Sie, bedenken Sie die Konkurrenz. Was sollen denn die Wähler von Ihnen denken, wenn Sie jetzt den Doktor Lehnert nicht ausliefern? Was werden die bei den Wahlen sagen? Was, so einen Hochverräter, wie hier ganz klar und offen nachgewiesen wurde, den wollen Sie durch die lmmunität schützen? (Veselost na levici.) Tun Sie das ja nicht, Sie könnten sich furchtbar schaden. Sie wissen, daß ich Ihnen immer gut rate. (Výkøiky.) Nie habe ich aus meinem Herzen eine Mördergrube gemacht, und unser Volk ist, wie schon die Verhältnisse einmal sind, der Meinung, daß in keinem Staate soviel Hochverrat getrieben wird als in diesem Staate, wie in der È. S. R. Ich möchte sagen, so jung und schon so verderbt! (Veselost na levici.) Wie schade! Und dann, denken Sie sich einmal in unsere Lage.
Wir als Hochverräter, angeklagt
vor einem Forum von Richtern, unter denen wir die Hochverräter
nur so wimmeln sehen. (Výkøiky.) Es ist da unlängst ein
Bild ausgestellt gewesen, da waren zweiundzwanzig Hochverräter
abgebildet. Zweiundzwanzig Hochverräter kosten zweiundzwanzig
Kronen. Darunter waren die angesehensten Männer Ihrer Republik.
Místopøedseda Buøíval (zvoní):
Pane øeèníku, raète konèiti. (Hluk a odpor na levici.)
Posl. dr. Lehnert (pokraèuje):
Die angesehensten Männer von den Ministerbänken an bis zu
den Stühlen der Abgeordneten hinunter. Sollen wir uns denn nicht
an ihnen ein Beispiel nehmen? (Hluk a výkøiky). Sie
haben geglaubt, Außerungen, die ich über den Präsidenten Masaryk
in der Versammlung gemacht habe, wegen der Würde des hohen Hauses
- "hoch" sage ich nur ironisch - wegen der Würde des
hohen Hauses nicht wiedergeben zu können. Ich bitte, ich kann
Ihnen diese Worte ziemlich wortgetreu wiederholen: "Präsident
Masaryk war österreichischer Professor. Er hat seinerzeit
dem Staate Österreich die Treue gelobt. Und als dieser Staat in
Not und Elend kam, als er in Gefahr geriet, da hat er die Treue
dem Staate gebrochen und hat zu seinem Volke gehalten. (Hluk
trvá.) Das ist sein Ehrenschild (Výkøiky.), dessentwegen
Präsident Masaryk gewählt worden ist. Das ist sein Ehrenschild!
(Hluk. Výkøiky). Sagen Sie, daß das nicht wahr ist, meine
Herren. Sagen Sie, daß das nicht wahr ist. (Místopøedseda Buøíval
zvoní. Velký Hluk.) Und ich habe gesagt: Ihr sollt
Euch ein Beispiel nehmen an ihm, junge Leute, dieser Mann ist
der höchste Mann der Republik. An ihn müßt Ihr denken, an ihm
müßt Ihr Euch ein Beispiel nehmen. Wie er gehandelt hat, so müßt
Ihr im Leben handeln. (Hluk, výkøiky v pravo i vlevo.)
Kann man einen höheren Grad von Loyalität verlangen? (Souhlas
a potlesk na levici.)
Místopøedseda Buøíval (zvoní):
Žádám pana øeèníka, aby konèil.
Posl. Lehnert (pokraèuje):
Fürchten Sie nicht, uns einzuschüchtern. Sie können uns nicht
einschüchtern. Sie können uns nicht mundtot machen, das werden
Sie niemals imstande sein. Noch kämpfen wir in deutscher Art,
noch kämpfen wir mit offenem Visir. Wenn Sie wollen, können wir
auch anders kämpfen, wir können auch in Ihrer Art kämpfen. Heute
kämpfen wir noch Mann gegen Mann, im offenen Tageslicht und in
voller Freiheit und Offenheit. Ich drohe nicht, ich warne nicht,
ich lege Ihnen nur sachlich die Verhältnisse dar. Unsere Gesinnung
werden Sie nicht brechen. Sie werden uns vielleicht auf Gebiete
drängen, die wir bis jetzt noch nicht betreten haben, weil sie
unserer Natur zuwider sind. (Hluk).
Místopøedseda Buøíval (zvoní):
Pane øeèníku, odejmu vám slovo.
Posl. dr. Lehnert (pokraèuje): Es gibt noch Gebiete, die wir noch nicht betreten haben. Aber fahren Sie nur so fort, dann werden Sie es dahin bringen. Nicht vielleicht, daß wir es tun, aber vielleicht tun es andere von unseren Volksgenossen . . . (Hluk.)
Uns aber werden Sie niemals beugen.
Ich sehe schon die Hybris über Ihren Häuptern schweben und die
Geißel über Sie schwingen. Und die Hybris war immer der Vorbote
des nahenden Unterganges. Merken Sie sich das Wort. (Veselost
èeských poslancù.) Wir aber, wir lachen Ihrer. Wir lachen
über diese Sache. Für uns gilt das Trostsprüchlein unseres Dichters
Herwegh, der sagt: "Und wenn sie Dich nun fragen: Was machet
Absalon? Dann magst Du ihnen sagen: Ei, ei, der hängt ja schon;
doch nicht an einem Baume, und nicht an einem Strick, er hänget
an dem Traume der deutschen Republik." (Souhlas a potlesk
na levicí. Výkøiky: Heil!)
Meine Damen und Herren! Ich habe
mich in der Hauptsache zum Worte gemeldet, um eine persönliche
Bemerkung zu machen. Im Berichte des Immunitätsausschusses über
diese Angelegenheit ist meine Person angeführt und eine Äußerung
von mir in jener Versammlung wiedergegeben, und zwar in einem
Zusammenhange, wie wenn ich gewißermaßen als Kronzeuge hier gegen
den Herrn Dr. Lehnert geführt würde. Ich komme dadurch
in den für mich äußerst schimpflichen Verdacht, vielleicht ein
loyaler Bürger dieses kapitalistischen Staates zu sein. Ich muß
daher vor allen Dingen erklären, daß der betreffende Spitzel,
diese Regierungsstütze, der den Bericht über diese Versammlung
erstattet und auf Grund welcher schmutzigen Spitzelarbeit der
Immunitätsausschuß gearbeitet hat, daß dieser Spitzel entweder
nicht deutsch versteht oder aber taub ist. Ich habe in dieser
Versammlung dem Herrn Dr. Lehnert nicht vorgeworfen, daß
er die Rekruten zur Nichtstellung auffordert, sondern ich habe
in jener Versammlung dem Herrn Dr. Lehnert vorgeworfen,
daß er und seine Partei in der Frage der Assentierungen eine schwankende
und unklare Politik treiben und dadurch die jungen Leute in Unsicherheit
und Unglück bringen könnten. Nebenbei will ich bemerken, daß ich
zwar in jener Versammlung gegen Herrn Dr. Lehnert aufgetreten
bin, weil ich gegen die Parole, nicht zur Stellung zu gehen, war,
ebenso wie meine Partei damals dagegen war. Aber daß wir diese
Parole, daß die Rekruten sich stellen sollen, nicht vielleicht
in Bekundung irgendeiner Loyalität gegenüber diesem Staate und
diesem Regierungssysteme ausgegeben haben, sondern nur die Rekruten
aufgefordert haben, einzurücken, damit sie auf diese Weise besser
imstande sind, diesem Regierungssystem einmal den Todesstoß zu
versetzen, das will ich nur nebenbei bemerken. Im Übrigen will
ich nur das eine sagen: Das Abgeordnetenhaus hat heute die Gelegenheit,
durch den Beschluß der Auslieferung des Herrn Dr. Lehnert
dem Herrn, der sich jetzt in Steinamanger befindet, zu sagen:
"Lieber Karl! Zu uns brauchst Du nicht zu kommen, wir besorgen
die Reaktion selber, wir brauchen keinen Monarchen". (Veselost
na levici.) Im übrigen würde ich den Herren nur raten, wenn
sie auf diesem Wege fortfahren wollen, dies nur zu tun. Es geht
bergab mit Ihnen und die Erben werden wir sein. (Souhlas a potlesk
poslancù nìmeckých a poslancù soc. dem. levice.)
Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! (Výkøiky.)
Sehr geehrte Herren Kollegen auf allen Bänken! Ich spreche zunächst zur formalen Seite der Sache. Der Bericht, den uns der Immunitätsausschuß vorlegt, ist ein Musterbeispiel dafür, wie leichtfertig, wie ungenau, ja falsch der Immunitätsausschuß informiert wurde von den bestellten Konfidenten und Spitzeln, von den bestellten Organen. Meine Herren! Ich verweise darauf, daß in dem Bericht des Immunitätsausschusses darauf hingewiesen ist - es haben bereits die beiden Herren Vorredner schon manche Richtigstellungen vorgenommen - daß dort z. B. vom Herrn Kollegen Knirsch gesprochen und gesagt wird, daß er dort eine Vermittlerrolle gespielt habe. Und der Herr Kollege Knirsch ist gar nicht einmal in Reichenberg gewesen! (Výkøiky na levici.)
Also die Mitteilung stammt aus einer Quelle, die in einem Rechtsstaat nicht die Beachtung juridischer Wertigkeit finden sollte. Diese Art neuer Konfidenten das sind nicht die alten Detektive und so weiter - sind zum Teil Persönlichkeiten, die in ihrem Leben in anderen Berufen Schiffbruch erlitten haben und mit dem Strafgesetz in Konflikt gekommen sind, wie der Fall, den wir an der Grenze erlebt haben und wie der Egerer Prozeß es dargetan hat. Solche Berichterstatter an die Prager Regierungsblätter und an die Majoritätsblätter èechischer Sprache, jetzt auch deutscher Sprache, das sind keine Quellen des Rechts, auf die soll man sich nicht einlassen; das sind irreführende Organe. Der Immunitätsausschuß und die Prager Blätter wurden ganz irrig informiert. Wie es mit diesen Konfindentenberichten, mit diesen Spitzelberichten an die Prager Majoritätsblätter aussieht - ich nehme sogar an, daß diese Blätter diese Mitteilungen in gutem Glauben abdruckten und glaubten, es handle sich da wirklich um Mitteilungen, die Ansprüchen auf Treue und Glauben genügen - wie es da aussieht, dafür will ich nur 2 Beispiele anführen, die sich wiederum nur auf Abgeordnete beziehen. Wenn ich nicht von Abgeordneten sprechen wollte, müßte ich stundenlang reden. Also nur 2 ganz augenfällige Beispiele.
Da stehen die Verbrecher vor mir.
Der eine ist mein Klubkollege Bobek, der andere mein Klubkollege
Dr. Wenzel Feierfeil. Da war am 23. November in Prag in
mehreren Blättern, speziell im "Venkov", Veèerník des
"Èeské slovo" ein langer Bericht zu lesen mit der Überschrift
"Wie deutsche Abgeordnete gegen unsere Republik hetzen oder
agitieren". Dem Kollegen Bobek sind Worte in den Mund
gelegt worden, Reden an einem Ort, der nicht einmal zutrifft.
In dem Bericht sind die Orte der Versammlung in Reichenberg und
die Redner verwechselt worden und ganze Reden den verschiedenen
dort genannten Herren in den Mund gelegt worden, die sie gar nicht
gesprochen haben. Die Reichenberger Zuhörer wundern sich, wie
denn so etwas in Prager wichtigen Organen erscheinen konnte. Und
dem Herrn Kollegen Dr. Feierfeil, Teplitz wurde, eben auch
in den Blättern vom 23. November, sogar eine Rede in den Mund
gelegt, eine Brandrede gegen die Republik, die er in Wien gehalten
haben soll, eine Brandrede gegen die Republik, gegen den Henkerstaat,
die Henkersknechte und voll von Ausdrücken gegen den Herrn Präsidenten
Masaryk, die gar nicht wiederzugeben seien. Nun ist aber
Kollege Wenzel Feierfeil ganze Jahre her nicht ein einzigesmal
in Wien gewesen. (Hluk, výkøiky na levici.) Da sehen Sie,
wie falsch die Regierungspresse informiert ist und wie falsch
der Immunitätsausschuß berichtet war. Und der Immunitätsausschuß
hat - wie ich glaube - infolge dieser und anderer Aufhellungen
die Pflicht, diesen Antrag zurückzuziehen und neuerdings und besser
und richtiger zu beraten, und er wird zu dem Schlusse kommen,
daß man über solche Kleinigkeiten einfach gar nicht stolpern,
sich erst gar nicht damit abgeben sollte. Denn die öffentliche
Kritik, wie hier schon gesagt wurde, ist nicht die gefährliche,
sondern die geheimarbeitende, das ist die gefährliche, diese kleinen
Kliken, die sind das Gefährliche. Was da gesprochen wird, sola
nge wir offen und ehrlich sprechen, ist nicht das Gefährliche.
Aber ich weise darauf hin, wo die wirkliche Sabotage gelegen ist,
die Sabotage der Tat. Und die geht nicht von den Deutschen aus,
am allerwenigsten vom Herrn Dr. Lehnert. Denn wer sabotiert
den Staat? Die Kriegsanleihe mit ihren Folgen, die Arbeitslosigkeit
mit ihre Folgen, der Entgang der Steuern mit seinen Folgen. Wer
zahlt denn pünktlich die Steuern? Die Deutschen und Juden sind
es. Andere zahlen nicht so pünktli ch. Nehmen Sie die Arbeitslosigkeit,
nehmen Sie die Staatsgeschäfte mit der Baumwolle. Diese Baumwollaffaire
kostet das Land, das doch 80 % der Industrie des alten Österreich
beherbergt, gegen 6 Milliarden. Wie soll das Volk das aufbringen?
Wie soll die Industrie konkurrenzfähig sein? 6 Milliarden sind
da verpufft, der Wirtschaft entzogen worden. Eine einzige Firma
in Ostböhmen hat allein 100 Millionen verloren, eine zweite Firma
anderswo 10 Millionen, eine dritte 3 Milionen, und so weiter.
Wie kann da der Staat exportieren? Und nehmen Sie z. B. Proßnitz.
Das geht Deutsche und Èechen und Juden an und alle. Die Proßnitzer
Industrie wollte nach Jugoslavien exportieren. Es wurde ihr verwehrt,
- sie hatte günstige Anbote deswegen verwehrt, weil sie nicht
über Wien exportieren durfte. Nun ist aber Jugoslavien einmal
gewöhnt, über Wiener Häuser zu kaufen, und neue Handelshäuser
sind von der Èechoslovakei noch nicht errichtet worden. Dann der
Schafwollskandal, die Kammgarnindustrie überhaupt. Die Deutschen
hatten Schafwolle in der Slovakei gekauft, der Staat aber beschlagnahmte
die ganze Wolle einfach und gab sie dann viel teuerer an die Besitzer
ab und zwar einfach nach Kilogramm, nicht nach Qualität. Jetzt
liegt die Wolle ungewaschen da und der Staat muß wieder Millionen
zuzahlen. Das ist die Sabotage, meine Herren, die sich an dem
Staat vergreift und ihn verrät. Darum ist dieser sachliche Verrat
vielmehr zu verurteilen, als wie das offene Geständnis, als wie
offene Worte. Ich würde aus diesen Gründen gegen den Auslieferungsantrag
stimmen, aber falls ein Antrag vorliegt, dafür, daß der Immunitätsausschuß,
der schlecht informiert ist, sich mit der ganzen Sache noch einmal
befaßt. (Souhlas a potlesk na levici.)
Meine Damen und Herren! Es ist vor allen anderen Dingen notwendig, daß wir angesichts des Falles Lehnert uns in Erinnerung bringen, daß es das primitivste, ja schon das älteste und verbriefte Recht eines jeden Abgeordneten ist, daß er in politischen Dingen, in Dingen, die er in Betätigung seiner Parteipolitik vorbringt, die Immunität genießt. Es ist ja auch in der Verfassung dieses Staates entsprechend dafür gesorgt, wenigstens auf dem Papiere, daß der Abgeordnete Immunität genießt. Und es muß uns schon mit Verwunderung erfüllen, und man wird das Gefühl des Zweifels nicht los, wenn man im Immunitätsausschusse sitzt und die Entscheidungen beobachtet, die dort gefällt werden. Es ist schon notwendig, daß man über die Eindrücke, die man da empfängt, sich unbedingt auch etwas Rechenschaft gibt. Es erweckt den Anschein, daß in manchen Fällen, in früheren und auch in diesem Falle Lehnert, mit zweierlei Maß gemessen wird. Und dagegen muß man sich denn doch wenden. Wir haben Fälle gehabt, wo wir dagegen Einwendung erhoben haben. Auch in diesem Falle haben die Vertreter unserer Partei dagegen Einwendung erhoben, daß so vorgegangen wird, wo es sich um Delikte gehandelt hat, die nichts, aber auch absolut nichts mit der politischen Betätigung des betreffenden auszuliefernden Abgeordneten gemein hatten und wo der Auslieferung nicht stattgegeben wurde.
Ich erinnere da z. B. an den Fall Chlebounová. Es hat sich da um einen Fall gehandelt, wo es sozusagen um Gefährdung von Leib und Leben ging, die der betreffende Herr angeblich - ich weiß es ja nicht genau, aber ich weiß es nach der Darstellung, die dort gegeben wurde - dadurch begangen hatte, daß er Spiritus gefaßt und diesen in einem Eisenbahnwaggon im Personenabteil oben über den Köpfen der Mitfahrenden plaziert hatte. Er wurde deswegen angeklagt, und sollte ausgeliefert werden. Der Immunitätsausschuß hat in seiner Mehrheit in diesem Fall, der doch absolut mit politischer Betätigung nichts zu tun hat, nicht ausgeliefert. (Výkøik.)
Bitte ein zweiter, ähnlicher Fall ist, so weit ich mich erinnern kann, der Fall Hlinka, wo es sich gleichfalls um eine politische Rede gehandelt hat und wo, wenn man in gleichem Sinne, wie im Falle Lehnert, hätte kritisch sein wollen, ganz bestimmt eine ndere Entscheidung hätte gefällt werden müssen. Es ist aber nicht geschehen. Warum? Weil angeblich die Gendarmerie nicht objektiv gewesen ist. Damals hat man dies als Argument herangezogen, um die Immunität aufrecht zu erhalten, d. h. den Abgeordneten nicht auszuliefern.
Im Falle Lehnert hat es natürlich keinen Zweifel gegeben und es ist ganz besonders interessant, zu betrachten, wie der Beschluß zustande gekommen ist. Der Herr Abgeordnete Lehnert hat hier von einer Mehrheit des Immunitätsausschusses gesprochen, der das beschlossen haben soll. Ich muß als Mitglied dieses Ausschusses, welches anwesend war, konstatieren, daß bei der Abstimmung Stimmengleichheit 3: 3 herrschte, und daß der Vorsitzende-Stellvertreter, der Herr Abg. Dyk (Nìmecké výkøiky.) es war, der für die Auslieferung entschied und das bei einem Tatbestande, von dem man nicht einmal sagen kann, daß er wirklich erwiesen ist; denn es heißt in den Akten, daß Lehnert gesagt habe, daß wir uns in einem Staate befinden, in den die Deutschen hineingezwungen worden seien. Er soll weiter die Äußerung getan haben, daß die Rekruten vor allen anderen Dingen sich kein Gewissen daraus machen sollen, zu schwören. Das soll wahrscheinlich der Hochverrat sein. Vor allen Dingen aber wurde von ihm gesagt, - nach der Niederschrift in den Akten, die dort verhandelt wurden und die ich durch einen èechischen Kollegen mir übersetzen ließ, da ich nicht èechisch verstehe - man könne niemandem befehlen, dem Staate Treue zu bewahren.
Wie Herr Kollege Lehnert das gemeint hat, hatte er ja vorhin selbst ausgef ührt. Es ist aber sehr bezeichnend, daß auf Grund solcher Äußerungen ein Vorsitzender - dem Ausschuß kann ich den Vorwurf nicht machen, sondern nur dem Vorsitzenden - so dirimieren konnte, wie es wirklich geschehen ist. Es ist selbstverständlich, daß wir deutschen Sozialdemokraten gegen eine derartige Auslegung sofort Protest erhoben haben und auch hier diesem Proteste Ausdruck verleihen müssen. Warum? Weil der Immunitätsausschuß unserer Meinung nach und nach den Erfahrungen, die wir haben, nicht in die Untersuchung einzugehen, sondern lediglich zu entscheiden hat, ob der Abgeordnete in Ausübung seiner politischen Betätigung gehandelt hat, oder nicht. Und wenn in der gleichen Sitzung daneben ein Fall behandelt wurde, wo es sich um Wucher und Preistreiberei gehandelt hat, so muß man schon sagen, wenn in einem derartigen Fall nicht ausgeliefert wird (Výkøiky: Da hat auch der Vorsitzende Dyk dirimiert! Pfui Dyk!), dann ist das ein Skandal. Es hat sich in diesem Falle um die Nichtauslieferung des Abgeordneten Pastyøík gehandelt. Ich weiß nicht, inwieweit dieses Delikt, welches ihm nachgesagt wurde, zutrifft. Das kann der Ausschuß nicht entscheiden, das ist Sache des Gerichtes. Aber ich konstatiere, daß aufgrund der dem Immunitätsausschuß vorliegenden Akten der Auslieferung nicht stattgegeben wurde, trotzdem Herr Pastyøík wegen Preistreiberei und Wucher angeklagt war, was sicher mit seiner politischen Tätigkeit nichts zu tun hat. Wir haben nicht mehr tun können, als gegen diesen Vorgang zu protestieren und unter Protest die Sitzung zu verlassen. Das haben wir getan, weil wir uns mit einer solchen Entscheidung nicht identifizieren können. Sie haben bereits von diesem Platze aus durch Vorredner gehört, in welcher Weise im österreichischen Parlement in solchen Fällen gehandelt wurde. Ich brauche das nicht zu wiederholen, aber ich muß schon sagen, ein Sturm der Entrüstung hätte sich erhoben, wenn eine solche Entscheidung im Parlament gefällt worden wäre, aus dem einfachen Grunde, weil dieser Staat trotz seiner Morscheit, seiner Zerrissenheit nicht so schwach und nicht so ängstlich sich gefühlt hat, wie dieser Staat hier, wenn ein Herr Lehnert vor ein paar Leuten eine Rede hält, von der Sie annehmen, daß sie Hochverrat ist, was nicht eimal erwiesen ist. Wenn man in dem einen Falle die Objektivität der Gendarmerie bezweifelt, die die Anzeige erstattet hat, so hätte ganz bestimmt der Herr Vorsitzende entscheiden können, daß die Sache klarzustellen ist, ob sie zweifellos ist u. s. w. Das ist bis auf den heutigen Tag nicht geschehen, und deshalb begrüße ich es, daß hier ein Antrag eingebracht wird, welcher die Rückverweisung an den Immunitätsausschuß fordert. Denn es ist nur recht und billig, daß man einer solchen Entscheidung eines Einzelnen, nicht des Ausschusses gegenüber neuerlich Stellung nimmt. Denn das ist ganz und gar nicht in Ordnung und eine Verkennung der Tatsachen, umsomehr, als man in analogen Fällen immer ähnliches erlebt hat. Da es sich um nichtèechische Abgeordnete handelt, ist das nicht dazu angetan, Vertrauen zu erwecken, in der Bevölkerung und auch unter den Vertretern des Volkes hier, wenn nichtèechischen Abgeordneten gegenüber in scheinbar parteiischer Weise vorgegangen wird, so wie es hier der Fall ist.