Sehr geehrte Damen und Herren! Anläßlich der Budgetdebatte will ich mich lediglich auf die Erörterung jener Verordnung der Regierung beschränken, welche die Geschwornengerichte aus den bekannten Ursachen für einige Bezirke ausgeschaltet hat. Nach den temperamentvollen Ausführungen meiner sehr geehrten Herren Vorredner kann ich mich ja ziemlich kurz fassen. Im Dezember v. J. wurden infolge der kommunistischen Agitationen in einigen Bezirken des hiesigen Staates Demonstrationen veranstaltet, welche allerdings zu verschiedenen Ergebnissen führten, welche mit der geltenden Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen sind. Es wurde da und dort Verschiedenes versucht, es wurde Privateigentum angetastet und die Staatsgewalt war genötigt, schließlich mit Machtmitteln einzugreifen, über deren Verwendung und Art man ja auch verschiedener Ansicht sein kann. Es ist richtig: nach dem Strafgesetze, das heute noch in der Èechoslovakei seine Geltung hat, haben sich die Beschuldigten, diejenigen, die sich in diese Unternehmungen eingelassen haben, schwerer strafbarer Handlungen schuldig, bzw derzeit nur verdächtig gemacht, und sie haben Verbrechen begangen, die nach dem Strafgesetz mit schwerer Kerkerstrafe, ev. sogar noch mit schärferer Strafe zu ahnden sind und vor Schwurgerichte zu stellen wären. Und nun kommt die Regierung und hebt durch eine Verordnung die Geltung der Schwurgerichte für eine ganze Reihe von Bezirken, in denen sich eben diese Vorgänge ereignet haben, auf. Es ist richtig, daß die Regierung das formale Recht dazu hat. Aber es wäre doch zu untersuchen, ob es in diesem besonderen Falle einerseits angezeigt war, von diesem Rechte Gebrauch zu machen, und ob andererseits dieser besondere Fall so ohne weiteres als Schulbeispiel für jene Fälle anzusehen ist, für welche eigentlich diese Ausnahmsbestimmung gedacht ist.
Als vor hübsch langer Zeit schon die Schwurgerichte wieder eingeführt worden sind, hat man daran die Hoffnung geknüpft, daß dadurch die Bevölkerung mit zur Rechtspflege herangezogen werde, daß sie in ihrem Verantwortlichkeitsgefühl, in ihrem Rechtsgefühl, in ihrer Redlichkeit bestärkt werde. Denn schließlich ist ja doch das Gefühl dessen, was Recht und Unrecht ist, und was die breiten Schichten der Bevölkerung gleichmäßig erfaßt, die eigentliche Quelle der Gesetzgebung und des Rechtes. Und wenn dies vertieft und verinnerlicht wird, so ist es jedenfalls für den Staat und die Allgemeinheit nur vom Vorteil. Man hat sich auch vorgestellt, daß es genugsam Fälle geben wird, in denen der gelehrte Richter mit seiner Gesetzeskenntnis und mit seiner Gesetzesgebundenheit nicht auskommt, wo ein Korrektiv gefordert werden muß, welches es ermöglicht, daß der starre Buchstabe des Gesetzes nicht so zur Anwendung kommt, wie eine, sagen wir, rein technische Anwendung des Gesetzes es vorschreiben würde, so daß eben das menschliche Gefühl, die reine Menschlichkeit hier zur Geltung käme und daß der Inkulpat, der Beschuldigte, nicht abgeurteilt würde von einer leblosen Rechtsmaschi ne, sondern von fühlenden Menschen. Und das hat man in den Schwurgerichten zu erreichen geglaubt; und man hat sie errichtet und hat ihnen schwere Verbrechen zugewiesen in der Hoffnung, daß gerade Fälle, die sonst vielleicht der Verurteilung zugeführt werden müßten, milder beurteilt werden, daß die Betreffenden freigesprochen werden. Und es ist bezeichnend, daß unsere Strafprozeßordnung zwar ein Verfahren kennt, das dann einzuleiten ist, wenn das Richterkollegium einstimmig der Ansicht ist, daß ein Fehlspruch im Sinne des Schuldspruches gefällt worden ist, aber niemals es ermöglicht, einen Freispruch des Schwurgerichtes irgendwie umzuändern. Und nun, meine Herren, kommt die Regierung und sagt, die Schwurgerichte sind deswegen aufzuheben, weil dadurch die Verhafteten Gefahr laufen würden, vielleicht ungerecht verurteilt zu werden.
Nun, meine sehr geehrten Herren, ich würde da der hohen Regierung anempfehlen, wieder einmal die Einführungsverordnung zu unserer alten Strafprozeßordnung durchzulesen, die vom alten österreichischen Justizminister Glaser seinerzeit herausgegeben wurde und welche ein hohes Lied auf die Aufgaben der Volksgerichte, der Rechtsprechung und der Justiz enthält und da möchte ich der Regierung vor Augen halten, daß es nicht nur Sache aller Faktoren ist, dahin zu wirken, daß vielleicht nur die Schuld des Angeklagten an den Tag kommt, sondern auch alle Umstände zu erwägen, welche für seine Unschuld, eventuell für seine Freisprechung in Betracht kommen. Und, meine Herren, wenn heute die Regierung erklärt, wie ich vorhin schon erwähnte, daß sie die Schwurgerichte nur deswegen außer Kraft setzt, damit die Angeklagten nicht schuldlos verurteilt werden, so glaube ich, daß in Wirklichkeit gerade das Gegenteil der Fall ist. (Souhlas na levici.) Ich bin überzeugt, daß die Regierung das Volksgericht fürchtet, weil sie weiß, daß es sich hier nicht schlechthin um Verbrechen gemeiner Art handelt, sondern daß es sich hier handelt um eine politische Bewegung, um eine soziale Bewegung, welche sich auch nicht auf einzelne kleine Gebiete und Orte beschränkt, sondern welche heute schon ganze Erdteile umfaßt und daß diese Bewegung womöglich erstickt werden soll. Und dazu soll die Justitz dienen!
Meine Herren! Das ist wieder einmal
ein Beweis, wozu allem die Justiz herabgewürdigt wird. Sie wird
herabgewürdigt zu einem bloßen Verwaltungsorgan und sie soll sozusagen
das machen, wozu vielleicht eine andere Form der Justiz, das Schwurgericht,
nicht zu haben wäre. (Souhlas na levici.) Es wird auf diese
Weise nicht nur das Volksgericht diskreditiert, nein, es wird
überhaupt die Rechtspflege diskreditiert, weil auf diese Weise
sehr leicht die Meinung aufkommen wird, daß es nur eines Winkes
von oben bedarf, um ðiejenigen Urteilssprüche hervorzurufen, die
man gerade haben will. Infolgedessen ist für uns der Standpunkt
zu dieser Verordnung selbstverständlich gegeben. Wir müssen feststellen,
daß gerade das Gegenteil von dem wahr ist, was die Regierung sagt,
daß die Regierung will, daß die Angeklagten und Beschuldigten
verurteilt werden und daß ihr jedes Mittel dazu recht ist, selbst
die Aufhebung des ordentlichen Gerichtes, vor das die Beschuldigten
kommen sollen, selbst das Mittel der Einschränkung staatsgrundgesetzlich
gewährleisteter Rechte. Und eines dieser staatsgrundgesetzlich
gewährleisteten Rechte ist ja doch das, daß niemand seinem ordentlichen
Richter entzogen werden darf. (Souhlas a potlesk na levici.)
Meine Herren! Es ist auch politisch ungemein unklug, mit derartigen
Mätzchen zu arbeiten. Eine derartige Bewegung, wie die soziale,
mag sie nun schärfere, mag sie weniger scharfe Formen annehmen,
ist in den heutigen Verhältnissen mit derartigen Maßnahmen nicht
einzudämmen. Das würde vergleichbar sein mit dem Beginnen eines
Knaben, welcher Tauben einzufangen meint, indem er ihnen nachrennt.
Und ich glaube, daß auf diese Weise lediglich Märtyrer geschaffen
werden und gerade das Entgegengesetzte von dem erreicht wird,
was die Regierung beabsichtigt. Gerade dadurch werden Sie diese
Bewegung vertiefen und Sie werden Leute, die vielleicht noch nicht
einer derartigen Bewegung zugänglich waren, ihr erst zuführen.
Für uns, meine Herren, die wir die allen diesen Dingen zugrunde
liegenden Tatsachen vorläufig unberücksichtigt lassen wollen -
ich will durchaus nicht das, was geschehen ist, vielleicht verteidigen,
dazu fehlt mir jede Legitimation - für uns ist dies wiederum nur
ein Beweis, daß in diesem Staate Gewalt vor Recht geht und daß
diese Maßnahme wieder nur ein Teil jener Kette ist, welche wir
so oft schon rasseln gehört und deren Handhabung wir gesehen haben,
eine Kette von Gewalttaten, gegen die wir selbstverständlich alle
Stellung nehmen müssen. Es haben verschiedene Parteien diesbezüglich
Interpellationen eingereicht, heute auch der Deutsche parlamentarische
Verband, und ich bitte das hohe Haus, diese Interpellationen in
Beratung zu ziehen und, darauf zu dringen, daß die Verordnung
der Regierung, welche die Schwurgerichte aufhebt, alsogleich zurückgezogen
wird und daß die Beschuldigten dem ordentlichen Gerichte wirklich
überantwortet werden. (Souhlas a potlesk na levici.)
Hohes Haus! Die Anforderung von Nachtragskrediten ist nie eine erfeuliche Sache. Bei einem privaten Geschäftsmann heißt man die erhebliche Überschreitung der Ausgaben ein unwirtschaftliches Vorgehen und Schuldenmachen. In Gemeinden und bei Hauptversammlungen der Vereine fehlt es bei Uberschreitungen im Ausgabenbudget nie an strenger Kritik und auch die Verantwortung vor Behörden ist in der Regel nicht ausgeschlossen. Wenn zum Schlusse des Finanzjahres auch der Staat mit Nachtragskrediten kommt, so ist dies für die Offentlichkeit finanziell und wirtschaftlich keine erzieherische, sondern eine verziehende Erscheinung. Gewiß sind die heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse noch abnormal und plaidieren an sich für einige Nachsicht, die ich noch gelten lasse. Aber, meine Damen und Herren, 4.8 Milliarden Überschreitungen in den Ausgaben sind erstaunliche, monströse Engrosabweichungen von einer vorsichtigen Budgetierung und Haushaltung, auch wenn sie sich durch Zufälligkeiten ziffernmäsig, aber keineswegs ganz real auf die Hälfte herabrechnen liessen. Solche Riesenziffern gefährden die Annahme der Ernsthaftigkeit eines Staatsvoranschlages und stellen das Zutrauen zu vielen Einzelposten auf mehr als die härteste Probe. Auch für die Ministerien hat in Geld- und Steuersachen der alte Erfahrungssatz Geltung: Erst wägen, dann wagen, erst zählen, dann zahlen. Uns Deutschen stand vorerst nur eine äußerst kurze Kritik des Voranschlages für 1921 zu, nun haben wir uns bloß mit einer unerfreulichen Nachund Rückschau bezüglich des vorjährigen zu befassen.
Bei der Kürze der Redezeit - mir steht nur eine gute Viertelstunde zu - muß ich es mir hier versagen, auf die lange große Reihe der Einzelposten des Budgets und des auch noch keineswegs gründlichen und doch umfassenden Berichtes des Budgetsausschußes einzugehen. Nur eine besonders in die Augen fallende Post will ich streifen: die scheinbare Ersparnis von 810 Millionen Kronen bezüglich der präliminiert gewesenen Erforderniße für die zu übernehmende vorkriegszeitliche österreichische und österreichisch-ungarische Schuld. Denn diese Zahlung entfällt ja nur deshalb derzeit, weil die Repartitions- und Reparationskommission infolge langsamer Arbeit den Aufteilungsschlüssel noch nicht erstellen konnte. In Wirklichkeit wäre dieses Ersparnis im Staatsschatze zu hinterlegen, denn es ist eine bombensichere, nur zufällig noch nicht im jetzigen Termine zu zahlende Ausgabenpost. Bei Betrachtung der milliardenmäßigen Überschreitungen bezüglich 1920 können wir von deutscher Seite unwiderleglich behaupten, daß daran wahrhaftig nicht die 1200 erdrosselten deutschen Volks- und Bürgerschulklassen und die gesperrten deutschen Mittelschulen und nichtverstaatlichten deutschen Handelsschulen schuld sind. Auch die vom Feber bis Mai erwartungswidrig ausgebliebene Erhöhung der Invalidenrente Kriegsverletzter ist daran unschuldig, ebenso das Ausbleiben vergeblich erhoffter Subventionen für deutsche Baugenossenschaften und für notwendige Neubauten deutscher Kommunen. Auch einige vor Weihnachten reparaturbedürftig gewordene Pulte im hiesigen Sektor der Abgeordneten des Deutschen parlamentarischen Verbandes sind an dem Riesennachtrag schuldlos, zumal ja die deutschen Abgeordnetem für diese kleinen Tischlerkosten aufkommen. Unmaßgeblich halte ich dafür, daß übrigens die Episoden, welche sich vorher im verflossenen Dezember hier bei Abwesenheit der deutschen Verbandesvertreter in der Weise abspielten, daß hier angeblich das gespassige Wortspiel "Satisfakce-satisfacke" geprägt wurde, und jene Episoden, welche die Kommunistentage begleiteten, nicht nur moralisch, sondern auch finanziell für die Republik ungeheuer stärker negativ zu werten sind. Kein geringerer als der Herr Finanzminister selbst hat ja die Einwirkung der Gewaltakte des Kommunistenstreiches als verhängnisvoll für das Ansehen des Staates, für dessen Kredit und für den Entfall notwendiger Produktion im Bergbau, in Gewerbe und Industrie, in der Approvisionierung u. s. w. geschildert.
Auch die Diäten der Abgeordeten sind an der hohen Überpost der Nationalversammlung von 14 Millionen unschuldig. Denn diese sind bei aller Teu erung noch die alten geblieben und es gibt wohl, keinen Abgeordneten, der, wenn er infolge Ausübung des Mandates auf seine gewerbliche oder privatberufliche Tätigkeit verzichten mußte, nicht auf seinen Doppelhaushalt zugesetzt hätte. Viele Abgeordnete haben es ja dem Staat gewiß wieder anderweitig eingebracht. Ich nenne da z. B., wo ich selbst mit tätig war, die Torfangelegenheit in den Schenkermagazinen in Tetschen-Bodenbach. Die Regierung hat durch diese Interpellation Tausende erspart, die gänzlich verloren gegangen wären. Es fehlt nur an Zeit, diese Angelegenheit, die ich im Stálý výbor seinerzeit vorbrachte, hier näher zu erwähnen.
Die riesigen Überschreitungen rühren somit von ganz anderen Dingen und Posten her, und zwar zumeist von unfruchtbaren Ausgaben. Es fehlt mir auch hier die Zeit, die Millionenposten der Überschreitungen beim Aussen- und die Milliardenposten beim Kriegsministerium zu beleuchten sowie auch die hohen Ziffern, die für die Prager und auswärtigen Regierungsblätter zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung für die in vielen Stücken verfehlte und den Friedensvertragsbestimmungen und der nationalen Autonomie der Deutschen, Ungarn, Slovaken etc. ausweichende Politik ausgewiesen und noch mehr nicht ausgewiesen werden.
Und dann die Ziffer des Zentralenwesens oder Unwesens und das Treiben der Schieberei und Spekulation. Staatliche Organe sind nun einmal nicht die richtigen Geschäftsleute und Kaufleute, und staatliches monopolistisches Spekulieren ist in der Regel ein arges Verspekulieren. Dies zeigt der Milliardenverlust der jüngsten Zuckerkampagne und des von unglücklicher Hand entrierten Baumwolleinkaufes, dieses nunmehrigen Sorgenkindes des Baumwollsyndikats. Diese gründlich verfehlte Zucker- und Wollespekulationen haben für die Staatsfinanzen und für das Volk nichts von Süßigkeit und Molligkeit.
Aber gerade eine gar nicht waghalsige, nicht börsenmäßig gefährliche Spekulation haben bisher weder das nunmehrige Beamtenkabinet noch die èechischen Parteien leider vorgenommen, nämlich die der Rechtspflicht des Staates entsprechende und zur Gesundung der Volkswirtschaft unumgänglich erforderliche Anerkennung der Kriegsanleihen und und ihrer rechtmäßigen Verzinsung. Es ist zwar auf Grund einer Resolution, welche endlich das Problem der Kriegsanleihe als ein in Wirklichkeit gesamtstaatliches, nicht sonderpolitisches oder sondernationales Problem aufscheinen läßt, eine teilweise verbessernde Novellierung des früheren gänzlich ungenügenden Kriegsanleihegesetzes, wie die Regierungsblätter melden, in Sicht.
Meine Herren! Jeder unvoreingenommene Nationalökonom ohne Unterschied der Volkszugehörigkeit sieht als wesentliches unerläßliches Erfordernis des Staatsinteresses, des Gelingens einer äußeren oder inneren Staatsanleihe, als eine Vorbedingung auch der Wahrung der Steuerkraft der Erwerbsstände und der Erweckung des Vertrauens zu Staatspapieren nur die volle Einlösung der Kriegsanleihe zu den auch den Sukzessionstaaten obliegenden Prospektbedingungen, also auch der ausständigen und künftigen Zinsenzahlung an. Selbstverständlich kann in einem solchen Falle die Staatskassa auch die sichtlich ungeheueren Valutagewinne bei Realisierung des Wiener Lombards einstreichen. Würde die Regierung oder die Parlamentsmehrheit aber von einer zwingenden Verquickung der Kriegsanleihe mit einer neuen Anleihe trotzdem nicht abgehen, dann haben gewisse weitergehende Sicherungen der Rechte und Existensmöglichkeiten, der privilegierten und nichtpriviligierten, auf die ich jetzt wegen Zeitmangels nicht eingehen kann.
Meine Herren und Damen! Der Staatsund Volkswirtschaft täten Überschüsse statt Nachtragskrediten derzeit überaus Not. Ich erinnere da nur an die Einfuhr von Getreide, von Mehl und Reis; der Staat ist auf die bezügliche überseeische Zufuhr angewiesen. Die Zuckerkalamität und die schlimmen Verhältnisse der Textilindustrie gründen sich auf das gewaltige Sinken der Preise im Auslande. Bei uns sehen wir leider von einem Sinken der Preise wenig. In Amerika kostet ein Bushel Weizen, also etwa 33 Liter, derzeit 1 Dollar 60 Centimes. Ein Meterzentner würde sich da etwa auf 5 1/2 Dollars stellen. Die Farmer fordern, da bei diesem Preise dort nach schweizer Blättern mit Getreide geheizt und Lokomotiven bedient werden, einen Mindestpreis von 9 Dollars und wenn die Washingtoner Regierung dies bewilligen sollte, dann käme bis Hamburg so ein Meterzentner amerikanischen Weizens auf etwa 13 Dollars und bei uns, auf dem Umwege über die verteuernden Zentralen, würden wir bei dem jetzigen Dollarkurs in Prag von etwas über 89 auf eine Summe kommen, die das Kilogramm Mehl wohl über 16 Kronen kosten liesse.
Meine Verehrten! Der Staat ist, wie schon gesagz, auch wenn der Nachtragskredit nicht ein neuer Zeuge dafür wäre, der schlechteste Geschäftsmann. Besser wird sich da auf wirtschaftlichem Gebiete alles gestalten, wenn endlich der allmähliche Abbau der Zentralen erfolgt und die freie Wirtschaft für Handel, Industrie und Landwirtschaft und auch für den Einkaif von Getreide in den überseeischen Gebieten eintritt, Sie wissen, was man von Argentinien erzählt! Aber meine Redezeit ist zu eng bemessen, ich kann darauf nicht eingehen. Was hier noch geschoben und verteuert wird, bis vor die Türen der Zentralen, das geht einfach ins Große, wie der Nachtragskredit. Man hat allerdings gegen diese Schieber und Wucherer außerordentliche Strafen in Aussicht gestellt: auch zum Straßen kehren sollen sie verurteilt werden. Wenn der Staat aber alle diese Wucherer und Schieber wirklich erwischen würde, und zwar auch dort, wo sie oft am allernächsten sitzen, dann reichte allerdings der Straßen kot nicht aus, dann müßte man erst für die Kehrichtverwertung eine neue Zentrale errichten. In diesen Staatswirtschafts angelegenheiten darf es nicht so gehen, wie mit der Einstellung der ausgebliebenden Staatsschuldenzahlung vom alten Österreich, dass man nämlich ein Loch zustopft und ein anderes wieder aufmacht. Es muß Ordnung hineinkommen und die Ordnung wird dadurch erzielt, daß von oben herunter das Beispiel gegeben wird, dadurch, daß man auch im Staatshaus halte in den Ausgaben Ordnung hält und dort zu sparen beginnt, wo man sparen könnte, und nicht für bloße Prestigeangele genheiten sovieIMillionen ausgibt. Das Volk und der Staat als solcher haben eigentlich verflucht wenig von dieser teueren äuße ren Prestigepolitik. In dem bekannten Schiller'schen Gedicht: Preisend mit viel schönen Reden . . ." wird Graf Eberhard gerühmt, der von sich sagen konnte: "Ich mein Haupt kann kühnlich legen jedem Untertan in Schoß," worauf ihm die Runde zurief: "Enerhard, Ihr seid der reichste, Euer Land trägt Edelstein!"
Sorgen wir für die Ordnung im
Inneren des Staates und im ganzen Volke dadurch, daß wir wieder
Pflichtgefühl, Gerechtigkeit und Sitte oben und unten aufleben
lassen, daß die Gerechtigkeit auch gegenüber den Deutschen und
den anderen Minoritäts völkern gewahrt wird, daß abgegangen wird
von den materialistischen Anschau ungen, daß wieder auf die Vorausetzungen
und Grundbedingungen des Zusammen lebens eingegangen wird: Auf
Recht und Sitte und auf Verantwortlichkeitsgefühl, oben und unten,
in allen Kreisen. Dann wird es nicht nur anders, sondern auch
besser werden. (Potlesk na levici.)
Hohes Haus! Die Verfügung, mit der die Regierung die neuerliche zeitweilige Suspendierung der Geschworenengerichte verkündet, reiht sich würdig einer Anzahl anderer Staatsakte an, die an innerer Wahrhaftigkeit mit diesem Staatsakt vergleichbar sind. Das Memoire III, jener Punkt des Friedensvertrages, welcher von dem freiwilligen Zusammenschluss der Völker in der Èechoslovakei spricht, und die Begründung, man müsse die Kommunisten vor der Volkswut der Geschworenenge richte schützen, ergänzen einander würdig und sind Zeugen jener Wahrhaftigkeit, die angeblich auf die Tore dieser Republik geschrieben ist. Ich habe wahrhaftig nicht die Absicht, den Kommunisten zu Gefallen und zu Liebe zu reden, weder den deut schen, die auch unsere deutschnationalen Gesinnungsgenossen terrorisieren, noch den èechischen Kommunisten, denn wir haben auch von ihnen keine wirkliche nationale Duldsamkeit zu erwarten; wir haben aus dem Munde des Herrn Abg. Skalák gehört, daß sie wohl anerken nen, daß die Gründung der Republik nicht nach demokratischen Grundsätzen erfolgt ist, aber trotzdem nicht daran denken, an der Zusammensetzung des States zu rütteln; und was wir heute aus dem Munde des Herrn Dr. Šmeral gehört haben, war so ein glühendes nationales Bekenntnis zur èechoslovakischen Republik, daß eigentlich alles das, was sich zwischen seiner Partei und seinen früheren, nunmehr rechtssozialistischen Parteigenossen auftut, uns als nichts anderes erscheint als ein Streit um Führerstellen, Parteikonzessionen und dergleichen mehr. Wir sind keine Bewunderer der glühenden Anhänger des Herrn Apfelbaum, Uljanow und Bronnstein, aber Recht muss eben überall Recht bleiben und ich freue mich, daß der erste deutsche Redner ein deutscher Richter war, der den Grundsatz " Fiat justitia, pereat mundus" und pereat noch viel anderes, hier ausgesprochen hat.
In dem stimmen wir alle überein. Man muss den Mut haben, für die wahre Volks freiheit auch dann einzutreten, wenn sie Leuten zugute kommt, die nicht derselben Gesinnung mit uns sind, von denen wir in der Auffassung vom Nationalismus, Sozialismus und dem Staatsgedanken durch Weltanschauungen und abgrundtiefe Unterschiede getrennt sind. Wir können und dürfen nicht zustimmen, dass Arbeiter, die an ein Ideal geglaubt haben, die geglaubt haben, ihrem Ideale nachzuleben, deshalb, weil sie sich in den Mitteln vergriffen haben, weil sie nicht sahen, daß die Führer einen Kampf um Parteistellen, Konzessionen und den Besitz von Volkshäusern führen, deshalb, weil sie taktisch entgleisten, daß sie hiefür in den Kerkern der èechoslowakischen Republik schmachten, die nicht angenehm sind, ob ihre Tore nun für Deutsche oder Èechen aufgemacht werden. Freilich wird nach dem, was heute hier von dieser Stelle gesprochen worden ist, wohl auch mancher deutsche Arbeiter sehen, was er von der Internationale auch von der èechischen kommunistischen Seite zu erwarten hätte. Aber mit Kerker und Verfolgung wird auch die èechoslovakische Republik den Bolschevismus ebenso wenig bannen, wie Bismarck, den wir als Reichsgründer hoch verehren, mit dem Sozialistengesetz die sozialistische Gefahr in Deutschland nicht bannen konnte und wie die österreichische Regierung das Anschwellen der Arbeiterbewegung durch den bekannten Satz, daß die soziale Frage bei Bodenbach aufhöre, oder durch die Arbeiterverfolgung in den Boer Jahren nicht bannen konnte.
Und dann kommt noch etwas hinzu: mit der Pressefreiheit waren die Geschworenengerichte eine der wichtigsten Errungenschaften der vielgeschmähten und doch in vielen Dingen so braven, alten Demokratie der heute so verlachten 1848er. Wir haben damit das alte Beispiel von England aufgenommen und das Beispiel von Frankreich und haben die Rechtsprechung, so wie es in der uralten germanischen und auch slavischen Zeit war, dem Volke überantwortet. Und wenn man auch vielleicht oft sagt, die Geschworenengerichte hätten manchmal versagt und ihren Funktionen nicht entsprochen: 10 Schuldige freigesprochen ist immer besser, als ein einziger Unschuldiger verurteilt. Und auch Berufsrichter haben schon Fehlurteile begangen und wir haben neben dem berühmten Satze, "Il y a des juges en Autriche" auch den Satz von der Kabinettsjustiz gehabt. Und so sehr entösterreichert sich die èechoslovakische Republik, daß sie die Kabinetts- und Parteijustiz verstärkt und in viel böserer Auflage aus dem alten Österreich in ihren neuen jungfräulichen Staat übernimmt. Wir wissen, wie solche Urteile gemacht werden. Viele von uns und auch meine Wenigkeit waren im alten Österreich das Opfer eines solchen Kabinettsjustizurteiles und wir können uns nicht freuen, wenn jetzt, gleichgültig ob über deutsche oder èechische Arbeiter, mit den gleichen Mitteln Recht gesprochen wird, wenn sie irren, nach der Meinung der Staatslenker.
Und dann kommt noch etwas hinzu. Auch wenn Šmeral nicht hier gesprochen hätte, so wissen wir das Eine: Auch wenn man sich auf den Boden des Staates stellt, auf den wir uns nicht so an und für sich und so voraussetzungslos stellen, muß man sagen, daß die Leute, die da in den Dezembertagen auf die Straße gezogen sind, mit wenigen Ausnahmen der èechoslovakischen Republik nicht an den Kragen gehen wollten. Sie wollten ihrem Unmut über die Wirtschaft Ausdruck geben und ihrem Unmut darüber, daß die alten Führer, als sie zur Herrschaft gekommen waren, ihre jahrzehntelangen Versprechungen nicht erfüllen konnten. Wenn die Leute strafbar sind, so sind viel mehr strafbar diejenigen, die sie gerufen haben und die dann vom sicheren Horte der Immunität aus die Leute ihrem Schicksale überließen. Freilich fällt auch ein schwerer Vorwurf auf die èechischen Mehrheitssozialisten; denn ohne deren Zustimmung hätte die Beamtenregierung die Suspendierung der Schwurgerichte, die Verhängung des Ausnahmszustandes und die Verhaftung von 3000 èechischen und deutschen Arbeitern niemals vornehmen können. Sie werden sich heute vergeblich zu entschuldigen suchen. Die ungeheuerste Frivolität ist aber der Satz, daß man die Einstellung der Schwurgerichte damit begründen will, daß angeblich die Schwurgerichte zu hart hätten urteilen können. Ich bedauere, daß an der Spitze der Justizverwaltung ein Mann steht, der, abgesehen von seiner nationalen, prononciert nationalen Gesinnung, die er auch als Senatspräsident im alten Osterreich dargetan hat, immerhin als angesehener Jurist gilt und daß der seinen nennenswerten Namen zur Unterschrift für solche Dinge hergeben mußte. So weit kommt es in der Republik, daß Fachleute mißbraucht werden, um eine ganz unmögliche und unhaltbare Parteijustiz und Parteiverwaltung mit ihrem Namen zu decken und sich dadurch vollständig zu diskreditieren. Wenn Straftaten gesetzt wurden, die nach dem Strafgesetze zu ahnden waren, so meine ich, die Strafgesetze, die gegenwärtig noch lange nicht geildert sind, mit ihren zum Teil veralteten Strafsätzen hätten für die Verfolgung dieser Taten wohl ausgereicht. Aber es kommt noch hinzu die Suspendierung der Schwurgerichte mit dieser Begründung, über die in der ganzen Republik vom Oberhaupte bis zum letzten Staatsbürger jeder sich darüber einig war, daß sie innerlich unwahr, hohl und frivol ist. Diese Suspendierung untergräbt im ganzen Volke das Rechtsbewußtsein. Ich erinnere an die Zeit, wo bei den schwersten nationalen Kämpfen im alten Österreich ein Karl Hermann Wolf wegen politischer Delikte von èechischen Geschworenen in Jièín freigesprochen wurde, und an die Zeit, da èechische Politiker und Journalisten selbst in den Wogen der politischen Parteikämpfe innerhalb ihres Volkes deutsche Schwurgerichte forderten. So tief war damals, wenn es da auch manchmal Klassenurteile gab, das Rechtsbewußtsein, das Rechtsgefühl und das Verantwortungsgefühl in die Geschworenenreihen gedrungen, daß solche Urteile und solche Gefühle möglich waren. Die demokratische Republik, die der Hort aller Staatsbürger sein will, sollte dieses Gefühl vertiefen, nicht aber durch die Art der Suspendierung der Volksgerichte das Rechtsgefühl in allen Bevölkerungskreisen noch mehr erschüttern, wodurch gerade das Gegenteil erreicht wird, weil durch solche Maßnahmen das Vertrauen in die Gerechtigkeit und Rechtssprechung der Berufsrichter vollständig erschüttert wird, wenn man das Gefühl hat, daß das Volksgericht nur deshalb suspendiert wird, um durch Berufsrichter die härtere, der augenblicklichen Mehrheit der Regierung entsprechende Kabinetts- oder Parteiurteile fällen zu können.