Gestatten Sie, daß ich einen anderen Gedanken anführe. Wir wissen alle, was für ein erbarmenswertes Elend auf jenen menschlichen Wesen ruht, welche von Natur, von Geburt aus so geschlagen sind, daß sie - sagen wir - manches Organs beraubt sind. Sie sind des Gehörs beraubt, und damit zusammenhängend auch der Sprache oder des Augenlichtes. Da muß ich sagen, da hat das alte Österreich und auch das Land Böhmen, wie es im alten Österreich war, leider viel versäumt, aber ich muß hinzufügen und geradezu die Anklage erheben, auch die èechoslovakische Republik, in der man doch auf Schritt und Tritt das Wort Humanität hört, hat viel versäumt. Es ist ganz bestimmt ein großer pädagogischer Fortschritt, welcher überhaupt zu den größten Fortschritten, die die Menschheit errungen hat, zu zählen ist, daß man Mittel und Wege gefunden hat, die Taubstummen zu unterrichten, daß man ihnen sittliche und höhere ideale Begriffe vermitteln kann und daß man sie auch für den Kampf ums Leben tauglich machen kann. Das wissen Sie so gut wie ich. Aber in Wirklichkeit ist gerade in diesem Punkte von staatswegen bisher ungemein viel versäumt worden. Fast alles. (Posl. Šrámek: Pane kolego, my na Moravì jsme si zøídili zemské ústavy.) Was diesbezüglich geschehen ist, ist fast ausschließlich private Arbeit, namentlich von Seite der Kirche. Wir z. B. im ganzen großen deutschen Deutschböhmen haben eine einzige Taubstummenlehranstalt, das ist die bischöfliche Anstalt in Leitmeritz. Es ist ungemein betrüblich, wenn man hören muß, daß z. B. an 40 Anmeldungen abgewiesen werden mußten, weil die Mittel fehlen, diese Schüler unterzubringen. Was für einem Elend sind diese Leute ausgesetzt, und was für Sorgen müssen sich die Angehörigen derselben machen! Mit der Blindenfürsorge und dem Blindenunterricht ist es nicht viel anders. Wenn ich die ganze Sache anführe, hat es keinen anderen Zweck als den, es möchte der Staat hier eingreifen, in welcher Weise immer er es tut, aber so, daß es ausreichend ist. Wer weiß, ob er überhaupt ein Verzeichnis darüber hat, wieviel solcher Geschlagener bestehen und wieviel Unterricht überhaupt sie genießen.
Ich gestatte mir noch einen Punkt zum Schulwesen hervorzuheben, er ist vorhin schon durch den Abgeordneten Fischer berührt worden. Unsere Mädchenschulbildung ist ganz bestimmt nicht auf der Höhe. Ich möchte diesbezüglich auf eine Schulgattung hinweisen, auf unsere Lyzeen, und ich würde die Unterrichtsverwaltung bitten, mit der Verstaatlichung auch der deutschen Lyzeen ernst zu machen, wie die èechischen Lyzeen zum Teil schon verstaatlicht sind, aber auch den Unterrichtsplan der Lyzeen umzuändern, damit die Absolventinnen der Lyzeen den Anschluß an andere höhere Schulen finden, wie es bisher fast unmöglich ist. Namentlich möchte ich darauf hinweisen, daß es unbedingt notwendig ist, die Lyzeallehrerinnen, welche doch im allgemeinen Damen mit akademischer Bildung sind, würdig zu stellen, damit sie den anderen staatlich angestellten Lehrern an Mittelschulen ebenbürtig sind.
Noch einen Punkt gestatten Sie mir kurz anzuführen. Wir wissen, fast alle Parteien lassen sich's in letzter Zeit angelegen sein, sich des Nachwuchses, der Jugend, anzunehmen; das ist auch unbedingt notwendig. Wir wissen das alle und alle sind darin tätig. Ich muß hervorheben, der Staat versäumt hier fast vollständig seine Pflicht und was auf diesem Gebiete geschieht, ist auch nur wieder private Arbeit. Und es sei die Unterrichtsverwaltung aufgefordert, diesbezüglich in entsprechender Weise einzugreifen.
Wir haben schon erklärt, daß wir
zur Regierung kein Vertrauen haben, wir werden auch gegen diesen
Teil des Staatsvoranschlages stimmen. Ich erkläre zum Schlusse,
daß unsere Forderung nach voller Autonomie unseres Schulwesens
bestehen bleiben wird. Aber wenn wir auch der Regierung das Vertrauen
nicht aussprechen, so erklären wir doch: wir wollen mitarbeiten
an allen jenen Werken, welche wirklich einen wahren Fortschritt
im Schulwesen bedeuten, welche geeignet sind, die Schule wirklich
auf die Höhe zu bringen, welche wir anstreben. Wir wollen aus
den Schulen eine Jugend haben, die nicht bloß angefüllt ist mit
einem gewissen Wissen - und das sei möglichst groß - wir wollen
eine Jugend aus der Schule haben, die nicht bloß geeignet ist,
den Kampf im Leben in materieller Hinsicht zu führen, sondern
wir wollen auch eine Jugend haben, die erfüllt ist von religiösen,
christlichen und sittlichen Ideen, die Sinn für die Worte hat:
"Ad altiora natus sum." (Potlesk na levici.)
Geehrte Damen und Herren! Unsere Stellung zum Staatsvoranschlage im allgemeinen kann nur die der schroffsten Ablehnung sein. Diese Ablehnung ergibt sich in Verfolgung unserer sozialistischen Grundsätze, die wir nach den Erfahrungen des Zusammenbruchs der kapitalistischen Militärstaaten und insbesondere nach dem Verrat, nach dem notorischen Verrat des Rechtssozialismus entschiedener und kompromißloser zu vertreten gewillt sind. Diese Ablehnung ergibt sich aus der Betrachtung des Verhältnisses, in dem die aufgewendeten Summen für die einzelnen Ressorts stehen. Unsere Ablehnung muß aber zum schärfsten und flammendsten Protest gegen dieses Staatsgebilde werden, das sich als Produkt eines Systems entpuppt, das wir durch die Katastrophe des Weltkrieges erledigt glaubten, das nun aber wieder ersteht, so als ob nichts gewesen wäre, als ob nicht ein Strom von Blut und Tränen auch über diese Menschen gegangen wäre und gesprochen hätte.
Meine Herren! Die Ziffern des Budgets sprechen eine deutliche und klare Sprache. Sie sprechen gegen alle Reden und gegen alle Versicherungen Ihrer Minister, des Präsidenten und aller Parteien das eine klar und deutlich aus, daß Sie ein Militärstaat und kein Kulturstaat, und zwar ein Militärstaat der schlimmsten alten Sorte sind. Die Kulturhöhe eines Staates und damit nach meiner Ansicht seine Existenzberechtigung hängt von dem Verhältnis ab, in dem die Summe, die er für die Erziehung und Kultivierung seiner Generation aufwendet, zur Summe steht, die er für seine Verteidigung an setzt. Dieses Verhältnis allein sagt, wie hoch die Kultur des Staates ist. Und man sehe sich dieses Verhältnis genau an und verzweifle nicht. Diese lächerlichen 600 Millionen gegen diese 3500 Millionen Militarismus. Das ist noch weniger als ein Fünftel, das sind 4 1/2 Prozent. Von dem Etat eines Kulturstaates könnte man dann sprechen, wenn dieses Verhältnis umgekehrt wäre.
Dazu stehen wir - und ich werde es immer und immer wieder sagen - nach dem größten Bankerott einer Kultur, einem Bankerott, der größer ist als der wirtschaftliche: ja wir stehen wahrscheinlich vor der Liquidation des abendländischen Intellektes überhaupt. Man hätte nun glauben sollen, daß durch die Eindringlichkeit eines millionfachen Sterbens der Willensimpuls zur Erneuerung der Schulen, der Bildungsstätten, etwas selbstverständliches sein wird. Ein Imperativ des beleidigten Menschengewissens, so stark, wie gewaltig das Verbrechen war, müßte durch das Volkshaus und durch die Volkshäuser aller kapitalistischen Staaten gehen, wenn diese Einrichtung wirklich das wäre, was sie sein soll, nämlich das Gehirn und die Seele des Volkes, der Spiegel seines Willens. Für diese 608 Millionen läßt sich der Stand des Schulwesens nicht einmal so halten wie im alten Österreich. Es muß konstatiert werden, daß wir tief unter das Niveau der österreichischen Schulfürsorge herabsinken. Wir werden Tausende Kinder haben, die ohne Schulunterricht bleiben müssen. Warum? Weil die Schulexposituren, die der österreichische Staat loyaler Weise hielt, jene Exposituren in den letzten Dörfern, im Gebirge, wo die Schülerzahl nicht die gesetzlich vorgeschriebene war, die er aber trotzdem hielt, weil diese Exposituren jetzt aufgelassen wurden.
Es ist hier von verschiedenen Rednern Ziffernmaterial vorgebracht worden, vom Kollegen Špatný und vom Kollegen dr. Schollich. Aber, meine Herren, dieses Material - dem ich die Sachlichkeit insbesondere bei den Ausführungen des Kollegen Špatný nicht absprechen mag - ist immer und immer wieder einseitig. Denn Sie hätten nicht die Schulen einer Nation zusammenzählen sollen, sondern Sie hätten sie alle beide zusammenzählen müssen, die deutschen und die èechischen Schulen, und die durchschnittliche Schülerzahl für eine Klasse berechnen müssen. Da würden Sie eine viel größere Zahl von Kindern erhalten, die in einer. Klasse zusammengepfercht werden müssen, als unter dem alten Regime. Nach dem jetzigen Stand beträgt die Zahl etwa 65. Dazu sind 45 % der Schullokalitäten, insbesondere der niederen Schulen, nach dem alten Schulgesetz unzulänglich. Es sind dies muffige und direkt gänzlich ungeeignete Lokalitäten. Diese Ziffern ergeben sich eben bei dieser Art von Schulreform, die wir bis jetzt durchgeführt haben. Diese Schulreform war nichts anderes, als daß wir - ich rechne deutsche und èechische Schulen zusammen - etwa 1000 Schulen geschlossen haben in einem Zeitraum, wo das verpönte Sowjetrußland 2000 Schulen gegründet hat.
Das Schulministerium nennt sich wahrscheinlich zum Unterschied vom österreichischen - Ministerstvo pro školství a národní osvìtu, das heißt für Schulwesen und Volksaufklärung, oder deutlicher übersetzt für Volkserhellung. Sagen Sie, mit welchen Ziffern im Budget rechtfertigen Sie denn diese Volkserhellung, diese Volksaufklärung? Mit diesen 3 Millionen? Was wollen Sie damit erhellen oder besser gesagt, wem wollen Sie damit etwas vormachen? Die Kanzlei des Präsidenten allein kostet dagegen 8 Millionen. Für Volksbildungskurse, welche das Wichtigste der ganzen Volksbildung sind, haben Sie da einen Betrag von manlache nicht etwa 60.000 Kronen eingesetzt, noch lange nicht eine Monatsgage des amerikanischen Militärattachés. Und für die Büchereien in der ganzen Republik zusammen einen Bettel von 300.000 Kronen, das langt nicht einmal für die Autoreparaturen der Präsidialbureaux. Wir protestieren gegen die Verlogenheit und gegen den Schwindel, durch die man auf Grund einer so lächerlichen Summe von 3 Millionen nach außen hin den Anschein erwecken will, als wäre es diesem System wirklich um etwas wie Volkserhellung zu tun. Ginge es auf Grund der wirklichen Budgetziffern, so würde ich Ihnen anempfehlen, das Ministerium lieber als Ministerium für Kultus zu bennenen, da Sie ja für den Kultus 50 Millionen, das ist ein Vielfaches, ein x-faches eingestellt haben. Aber das ist ja das Charakteristische für diesen Staat und für sein System, daß er um jeden Preis nach außen hin das verdecken will, was de facto, was wirklich ist, daß aber der Geist des Budgets ganz der alte des vergangenen Staates ist, daß dort wie da für die gleichen Ressorts die gleich großen Aufwendungen gemacht werden, nur in der Übersetzung der entsprechenden Valutaverhältnisse. Ja, meine Herren, hier hätte es geheißen: Einsetzen, hier hätte es geheißen, den großen Sprung zu tun, und Sie haben nicht einmal den Versuch unternommen mit einem Ruck aus diesem Geleise herauszukommen. Sie dürften natürlich darum auch mit mathematischer Notwendigkeit zu dem gleichen Ziele kommen, nur etwas schneller, weil wir ja in der Zeit der Revolution leben.
Bei genauerem Eingehen auf den Schulvoranschlag - mir ist das bei diesen 20 Minuten eben nicht möglich, bei diesem System ist es ja nicht einmal möglich, daß die Abgeordneten immer zu Wort kommen, geschweige denn erst das Volk bei genauerem Eingehen auf den Schulvoranschlag, beim Vergleich der Summen für das niedere, mittlere und Hochschulwesen, auch wenn man die entsprechenden vom Lande getragenen Posten miteinbezieht, muß konstatiert werden, daß sich in diesem Schulbudget der Klassencharakter des ganzen Schulorganismus unverhüllt ausdrückt. Die verwendeten Summen für die niederen Schulen - das hat bereits Kollege Houser erwähnt stehen in keinem Verhältnis zu den für die höheren Schulen verwendeten und es sind die Schulreduzierungen, die eben bei diesem System notwendig wurden, weil der Staat den Ländern nicht mit entsprechenden Zuschüssen zu Hilfe kommt, ein Schlag gegen das Proletariat.
Nicht die deutsche Bourgeoisie und die deutschen Kapitalisten sind so sehr betroffen als vielmehr die Arbeiterkinder, die Kinder von Fabriksarbeitern, Kinder von Kleinhäuslern und kleinen Landwirten. Denen haben Sie die Klassen gesperrt, die primitivste Unterrichtsmöglichkeit genommen.
Wir müssen wegen dieser Note der Schulschließungen, weil sie ja insbesondere sich gegen die Bildungsmöglichkeit des Proletariates richtet, die Anklage wider den Staat hinausrufen. Dieser Staat allein kam als einziger in die merkwürdige Lage, mit Gendarmerie und Polizei gegen die Bildungsforderungen armer Glasarbeiter in Nordböhmen einzuschreiten, nachdem sie selbst aus eigenen Mitteln nach großen Mühseligkeiten sich eine Klasse aufbauen wollten, die ihnen eben der Staat nicht geben konnte.
Wir erheben die Anklage gegen diese Art von Schulschließungen, weil sie die chauvinistischen nationalen Leidenschaften aufgepeitscht haben und der wirklichen Erziehungsreform, ich meine der menschlichen, die ärgsten psychologischen Schwierigkeiten in den Weg legen, einer Erziehungsreform, die gerade bei den national verhetzten und - erlauben Sie mir den Ausdruck - national verrücktesten Menschen innerhalb dieser Staatsgrenzen mit dem Abbau des Mißverstehens in der Schule hätte beginnen müssen. Wir fühlen uns verpflichtet, gerade jetzt in der Zeit der nationalen Orgien, die beide Bourgeoisien, die deutsche wie die èechische, treiben und in die sie die Jugend hineinziehen - man erinnere sich nur an den Schulstreik - zu rufen: Es ist kein Unglück, wenn ein deutsches Kind die èechische Schule besucht, es ist kein Unglück, wenn ein èechisches Kind in die deutsche Schule geht, es ist aber ein Unglück, daß die deutschen und èechischen Kinder diese Art von Schulen, ich wiederhole es noch einmal, diese Art von Schulen besuchen, in denen der Geist einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung verzapft und glorifiziert wird.
Diese Schulen, ob èechisch oder deutsch, sind Stätten der kapitalistischen Lüge, Stätten der nationalen Bourgeoisie, sie sind noch erfüllt von dem Dunst des klerikal-dynastischen Zeitalters, alles, nur keine Menschenbildungsstätten, wie es der Ernst der Weltkatastrophe, die das vernichtendste Urteil gegen unsere Schulkultur spricht, erfordert hätte. Unsere Schulen sind schwache Kartenhäuschen inmitten einer verlogenen Gesellschaftsordnung, einer Gesellschaftsordnung, die sich direkt widerlegt. Diese Schulhäuschen werden direkt zum Hohn und Gelächter, wenn sie pathetisch durch Unterricht und Lehre, das Wahre, Gute und Schöne unterrichten wollen, während das wirkliche Leben draußen vor den Fenstern ein Hohn auf alles Wahre, Gute und Schöne ist, weil es ein Wirtschafts- und ein Staatensystem durchzieht, das die Lüge, den Profit und den Wucher zum Prinzipe hat. Wir hätten allen Grund gehabt, uns hübsch gemeinsam zu einer Schulreform zusammenzusetzen, aber zu einer wirklichen und entscheidenden, tiefen Reform, die bis in das Leben hineingeht, die versucht, den Menschen zu verändern, zu einer Reform, die sich hier in diesem Staate speziell vor allem die Aufgabe gesetzt hätte, die Ideologie des Nationalismus, der von den Bourgeoisien wie ein Fangball benützt wird, wenigstens aus den Köpfen der heranwachsenden Generation zu reißen, damit sie nicht so unglücklich werde durch ihre nationale Verrücktheit, wie die gegenwärtige. Es wäre möglich gewesen, dies durch eine gründliche Revision, insbesondere des geschichtlichen Lehrstoffes und überhaupt der ganzen Lehrwerte zu bewerkstelligen, und zunächst durch den Unterricht èechischer unddeutscher Kinder in gemeinsamen Schulen, durch ein Aneinandergewöhnen und einander Kennenlernen auf Spielplätzen und im Unterricht anzubahnen. Das wäre der erste Schritt für eine Schulannäherung im menschlichsozialistischen Sinne gewesen. (Posl. inž. Jung: Sie sind ein Idealist!) Herr Jung, Sie können einen solchen Idealismus nie kapieren. Statt dessen hat sich die Regierung bemüht, das gerade Gegenteil zu machen und durch Schulschließungen psychologisch das Feld für diese Schulreform zu verstellen.
Denn in der Bourgeoisie werden die Kinder von den Alten in den Schulkampf hineingezerrt. Wenn der Herr Prokeš uns das letztemal hier erzählen wollte, - ich glaube es war bei der Generaldebatte - wie notwendig die Schulschließungen waren, den ich nur in einem Zwischenruf fragen konnte, ob dieses Vorgehen, weil der Herr Prokeš ein Sozialist ist, sozialistisch zu nennen sei, so sei ihm noch folgendes weiter gesagt: Ein Sozialist, Herr Prokeš, sperrt keine Schule. Warum? Weil die Schulen Aufklärungsmittel sind. Nur Sozialisten vom Schlage des Herrn Habrman und Tusar sperren Schulklassen, die darum rechtgetan haben, wenn sie sich mit Ihresgleichen in einem eigenen Klub zusammengeschlossen haben. Sie haben nichts mehr mit Sozialismus zu tun, sie vertreten nicht die Interessen des Proletariats, das im Sozialismus die einzige Rettung findet. Sozialistisch wäre es gewesen, die durch den Umsturz bedingte Veränderung des Sprachengebietes sowohl auf deutscher, wie auf èechischer Seite - war das notwendig, Sie haben 200 Klassen und Schulen geschlossen - durch eine Verschiebung der Schulklassen auszugleichen, sodaß man zwar eine Klasse, die 7 Kinder hat, wie Herr Prokeš sagt, aufläßt, dafür aber dort, wo 90 oder 100 Kinder sind, 2 Klassen neu errichtet. Sozialistisch wäre es gewesen, keine einzige Schule, keine einzige deutsche Klasse aufzuheben, dafür aber soviele èechische Schulen und Klassen zu errichten, bis der deutsche Stand erreicht wäre. Sie hätten Schlösser requirieren, Klöster und Stadtgebäude requirieren, Schieber aus ihren Nestern werfen können, hätten das Kapital zwingen können, Schulgebäude aufzuführen. Nur eines hätten Sie nicht tun dürfen, das, was sie getan haben, daß Sie andere Schulklassen erbrochen, Schulklassen nota bene, die dem ärmsten Volke gehören. Einem solchen Sozialismus, der das getan hat und das gedeckt hat, muß von dem Proletariate die Maske vom Gesichte gerissen werden.
Es hat keinen Sinn, durch Anträge im Schulvoranschlage etwas verbessern zu wollen. Er war ja fertig und fest abgekartet, ehe Sie uns ihn vorlegten, alle Anträge bleiben Papier. Es hieße nur so schwachsinnig sein und den Schwindel nicht zu durchschauen oder aber dem Volke, das da vom Hause immer wieder Hilfe erwartet, etwas vorzumachen. Im Rahmen eines solchen Voranschlages wollen Sie für die Bildung und Erneuerung dieser in körperlicher und geistiger Beziehung verelendetesten Generation wirken? Mit diesem Voranschlage lassen sich nicht einmal altösterreichische Bürokraten erziehen, geschweige denn neue Menschen.
Lassen Sie sich's gesagt sein,
die Zeit sucht nach einem anderen Erziehungsziel, sie muß andere
Menschen bekommen, die Zeit - erschrecken Sie nicht - sucht den
kommunistischen Menschen, und lassen Sie sich es noch einmal gesagt
sein, sie wird nicht früher zur Ruhe kommen, die Zeit und auch
die Menschen nicht, als bis sie den kommunistischen Menschen gefunden
haben, den Menschen, der über die Enge aller bürgerlichen Staatlichkeit
und über die Enge und den Irrsinn dieser Staatlichkeit hinaus
den Weg ins kommunistische Lebens- und Weltgefühl gefunden hat.
(Potlesk na levici.)
Hohes Haus! Wie ein roter Faden zieht sich durch die Budgetdebatte die Klage von der Bedrückung, die Klage von der Unterdrückung, die Klage von der Drosselung des Schulwesens. Ich weiß nicht, ob ich es mit Genugtuung konstatieren soll, daß nicht nur wir Deutschen in dieser Republik Ursache haben, uns über die bisherige Behandlung des deutschen Schulwesens zu beklagen, sondern daß auch andere Nationen, die in diesem Staate wohnen, dieselben Beschwerden erheben wie wir. Mag dem sein wie immer: eine Tatsache müssen wir wohl daraus folgern, daß der Aufbau unseres Staates nicht so ist, wie er sein sollte, um den in ihm vereinigten Völkern die Möglichkeit zu bieten, friedlich nebeneinander zu leben. Meine hochverehrten Damen und Herren! Als wir deutschen Abgeordneten in dieses Haus eingezogen sind, waren wir uns dessen wohl bewußt, daß wir hier nicht als Freunde mit offenen Armen empfangen werden, wir waren uns dessen vollkommen bewußt, daß die große Mehrheit dieses Hauses, welche es verstanden hat, beiläufig 2 Jahre ohne uns Deutsche den Staat zu regieren, daß diese Mehrheit, wenn sie nicht durch äußere Verhältnisse gezwungen gewesen wäre, endlich auch uns in das Parlament hineinzuberufen, es wohl ruhig übernommen hätte, ohne die Deutschen noch weiter zu regieren. Wir waren uns aber auch dessen bewußt, daß wir als deutsche Abgeordnete die erste Pflicht haben, in diesem Hause die Interessen unseres deutschen Volkes zu vertreten und hier gehen vielleicht die Ansichten zwischen der Rechten und Linken des Hauses etwas auseinander. Die Herren von der rechten Seite, die sich das Staatsvolk, das Staatserhaltende Volk nennen, sind der Meinung, daß es unsere Aufgabe sein muß, in erster Linie für das Wohl des Staates zu sorgen, während unsere Meinung dahingeht, daß es unsere erste Aufgabe ist, für das Wohl unseres Volkes zu sorgen. (Souhlas na levici.) Und nun, wenn wir denn schon in diesem Staate vereinigt sind, wenn es schon das Schicksal verlangt hat, daß mehrere Nationen in einem Staate, in dieser èechoslovakischen Republik vereinigt sein sollen, daß es eine Ehe mit Vielweiberei ist (Veselost na levicí.), in der wir uns befinden, so muß ich darauf verweisen, daß in einer solchen Ehe nur dann ein friedliches Nebeneinanderleben möglich ist, wenn der eine Eheteil dem anderen so wenig als möglich wehe tut.
Ich will bei dieser Vielweiberei nicht behaupten, daß man alle Weiber mit der gleichen Liebe umfassen könne und daß gewiß immer eine darunter sein wird, die sich der besonderen Zuneigung des Ehegatten erfreut. Diese erste Frau mögen vielleicht in unserem Staate die Slovaken sein, die das Erstgeburtsrecht, möchte ich sagen, besitzen, während wir anderen schon diejenigen sind, die in 2., 3. und 4. Linie an die Reihe kommen. Nichtsdestoweniger müssen wir aber verlangen, daß, wenn man uns hier haben will, wenn man uns aus dieser Ehe nicht ausspringen läßt, man es uns ermöglicht, hier unser Wohl und Wehe mit Ihnen zu teilen und nicht nur die Schattenseiten, die eine solche vielseitige Ehe mit sich bringt, sondern auch die Lichtseiten dieser Ehe. (Hlas: Ich bin für die Trennung). Nun, der Herr Kollege meint, er ist für die Trennung, ich will nicht behaupten, daß ich etwas dagegen einzuwenden hätte, wird sind aber heute leider noch nicht so weit, daß wir über Trennung sprechen könnten. Ich stelle mich heute auf den realen Boden, ich stelle mich auf den Boden der Tatsache, daß wir hier nebeneinander leben müssen, daß wir aufeinander angewiesen sind und ich stehe dabei weiter auf dem Boden, daß, wenn sich in uns die Überzeugung durchringt, daß wir aufeinander angewiesen sind, wir auch die Möglichkeit suchen müssen, uns das Leben gegenseitig so wenig als möglich zu erschweren. Wir werden Sie nie dazu zwingen können, andererseits, meine Herren von der rechten Seite, werden Sie uns nie dazu zwingen können, daß wir uns gegenseitig mit einer ehrlichen, wahren Liebe umarmen und daß wir sagen: "Alles was war, ist nicht mehr, wir sind von heute an Brüder." Das liegt in der Psyche des Menschen, daß er Vergangenes nicht so leicht vergißt, und wenn Sie von der rechten Seite darauf verweisen, daß Sie 300 Jahre unter deutschem Joch geschmachtet haben - ich will nicht untersuchen, ob dieses von Ihnen angeführte Argument richtig ist so müssen wir darauf verweisen, daß auch wir, wenn auch nicht 300 Jahre - und ich möchte es auch nicht wünschen, daß es 300 Jahre dauern soll - aber doch zwei Jahre bereits unter einem Joch schmachten, das eines Kulturvolkes unwürdig ist und daß infolgedessen die Liebe unsererseits zu Ihnen nicht über Nacht kommen kann, währenddem wir andererseits, wie ich bereits gesagt habe, von Ihnen nicht verlangen werden und nicht verlangen können, daß Sie uns lieben. Aber etwas anderes - und das glaube ich, muß unter Kulturvölkern möglich sein, diesen Weg zu finden - ist der Weg der gegenseitigen Achtung.
Sie, meine Verehrtesten, haben auf Erfolge in Ihrer Kultur hinzuweisen, die Ihnen kein ehrlich denkender Mensch nehmen wird und Sie haben Anspruch darauf, ein Kulturvolk genannt zu werden. Sie werden aber wohl der Gerechtigkeit soviel zulassen, daß Sie zugeben werden, daß auch das deutsche Volk ein Kulturvolk ersten Ranges ist. Und wenn auch Ihre Blätter in nationalem Überschwange von deutschen Barbaren etc. sprechen, im Innern weiß die èechische Intelligenz ganz gut, wo die Kultur des èechischen Volkes hergekommen ist, daß sie nicht zum geringsten Teile aus deutschen Bornen geschöpft wurde, daß Ihre größten Männer auf deutschen Universitäten studiert haben. (Souhlas na levici.) Also, wenn wir das berücksichtigen wollen, so wird es wohl möglich sein, daß wir uns gegenseitig achten, und sind wir einmal bei der gegenseitigen Achtung angelangt, so, glaube ich, ist auch der Weg bereits gezeichnet, wo bei gutem Willen die Möglichkeit geboten ist, hier und dort gemeinsam zu arbeiten.
Und, meine Herren von der rechten Seite, wenn Sie uns die Möglichkeit geben werden, daß wir an der kulturellen, an der volkswirtschaftlichen Arbeit in diesem Staate mit Hand anlegen, dann ist vielleicht ein zweiter Weg gefunden, und das ist der Weg des gegenseitigen Sichverstehenlernens. Freilich fehlt noch manches dazu und ich möchte sagen: "die Worte hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube;" denn wenn wir Ihre Blätter zur Hand nehmen, welche durchseucht sind von Haß gegen alles Deutsche, gegen unsere Kultur, gegen unsere primitivsten Forderungen hetzen, welche in Ihre eigenen Reihen einschlagen, wenn sich ein weißer Rabe unter Ihnen findet, der den Mut besitzt - und leider Gottes haben wir noch nicht viele solcher weißer Raben in Ihren Reihen - wenn sich einer findet, der den Mut besitzt, darauf zu verweisen, daß es ja nicht möglich sei, ohne die Deutschen den Staat weiter zu erhalten und ihn auf die Höhe zu bringen, auf die er gebracht werden soll, wenn er unter den vielen Staaten Europas nicht ein Aschenbrödelröllchen, sondern eine maßgebende Rolle unter den Staatsgebilden Europas spielen soll, solange in dieser Presse, die das Volk da draußen vergiftet und die dem Volke die Möglichkeit nimmt, klar und ehrlich darüber zu denken, was denn geschehen soll, wenn es so weiter gehen sollte, wie bis jetzt, so lange Sie nicht die Macht haben, Ihrer Presse ein "bis daher und nicht weiter" zuzurufen, solange können wir auch nicht glauben, daß es möglich sein wird, uns gegenseitig ehrlich zu verständigen. (Výkøik: Støílet na sebe!) Jawohl, wenn hier geschossen wird, wird dort geschossen. Es kommt aber dabei, geehrter Herr Kollege, sehr darauf an, wo das schärfere Geschütz verwendet wird. Das ist eine Frage, über die man eventuell ebenfalls streiten könnte. Das, meine Herren, wollte ich nur im allgemeinen gesagt haben.
Was das deutsche Schulwesen als solches anbetrifft, so ist es ja von meinen geehrten Herrn Vorrednern schon so ausführlich behandelt worden, daß es hieße, leeres Stroh dreschen, wenn ich mich noch weiter darüber ausbreiten wollte. Ich meine damit das allgemeine Schulwesen und ich werde mir erlauben, nur in ganz kurzen Zügen ein spezielles Schulwesen hier zu besprechen, welches sowohl auf unseren Bänken links ein immenses Interesse erweckt, als auch bei Ihnen auf der rechten Seite ein großes Interesse - in Ihrem Sinne natürlich - haben dürfte, und das ist das landwirtschaftliche und das forstwirtschaftliche Schulwesen. Wir hören immer, einmal von Seiten der Volksvertreter, das anderemal von Seiten der Ministerien, das drittemal von Seiten anderer Ämter, daß wir daran gehen müssen, die Produktion zu heben. Wenn aber die Produktion gehoben werden soll, so genügt es wohl nicht, daß wir nur die nötigen Rohprod ukte und die physischen Mittel zur Hand haben, welche zur Höchstleistung in der landwirtschaftlichen Produktion führen, sondern wir brauchen auch das geistige Wissen dazu.
Dieses geistige Wissen muß uns eben unser landwirtschaftliches Schulwesen geben. Wenn ich auf das niedere landwirtschaftliche Schulwesen, welches ich hier speziell im Auge habe, blicke, so muß ich zu meinem größten Bedauern konstatieren, daß es mir nicht möglich ist, mich davon zu überzeugen, ob das löbliche Ministerium für Ackerbau, in welches Ressort ja unserlandwirtschaftliches Schulwesen einbezogen ist, hier den Schlüssel der Gerechtigkeit hat walten lassen. Denn es ist uns in diesem Voranschlag nicht gesagt, wieviel von den ausgeworfenen rund 15 Millionen Kronen, die für das landwirtschaftliche Schulwesen ausgeworfen worden sind, auf deutsches und wieviel auf das èechische und das slovakische landwirtschaftliche Schulwesen entfällt. Wir haben hier nur die Ziffern im Ganzen genannt. Nichtsdestoweniger muß ich aber meinem Befremden darüber Ausdruck verleihen, daß in einer Republik, die erst zwei Jahre besteht, in einer Republik, die große landwirtschaftliche Gebiete hat, die, wenn sie die Landwirtschaft sich in einer derartigen Weise entwickeln ließe, wie es in einem modernen Staate sein soll, ganz ruhig auf jede Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte aus dem Ausland verzichten könnte, daß in einem derartigen Staate nicht mehr als 15 Millionen Kronen für das landwirtschaftliche Schulwesen übrig bleiben, umsomehr als ich hier finde, daß in diesen 15 Millionen Kronen große Posten für die Neuerrichtung von landwirtschaftlichen Schulen, wenn ich nicht irre auch in der Slovakei, vorgesehen sind. Wir wissen ja, daß unter den heutigen Verhältnissen die Neuerrichtung einer Schule nicht wenig kostet.