Ètvrtek 8. èervence 1920

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 11. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 8. èervence 1920.

1. Øeè posl. dra Lodgmana (viz str. 582. protokolu):

Meine Damen und Herren! Der Gegenstand, welcher das Haus beschäftigt, lässt sich wohl am übersichtlichsten nach zwei Gesichtspunkten behandeln: Erstens einmal nach dem staatsrechtlichen und zweitens nach dem politischen Gesichtspunkt. Der Herr Berichterstatter hat es hier unternommen, auch die Vorgänge im Ausschuß einer Kritik zu unterziehen und hat darauf hingewiesen, daß der Permanenzauschuß nahe daran war, sich für die Behandlung dieser Vorlage unzuständig zu erklären. Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß auch die Vertreter unserer Parteien diesen Standpunkt im Ausschuß eingenommen haben, denn es ist ganz klar, daß der § 81 unserer und der § 80 der Geschäftsordnung des Senates den § 54 der Verfassungsurkunde via facti abändern. Deshalb haben auch wir uns dafür ausgesprochen, die Angelegenheit einem anderen Ausschuß zuzuweisen und im Übrigen eine Sichtung der Geschäftsordnung mit Rücksicht auf ihre Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen vorzunehmen. Auch in sachlicher Beziehung waren wir bemüht, zur vorliegenden Regierungsvorlage selbst alles dasjenige anzuführen, was unserer Ansicht nach die Vorlage unannehmbar und unmöglich macht; ja wir haben sogar darauf hingewiesen, daß sie eigentlich staatsrechtlich unmöglich ist. Es ist ja wohl allgemein bekannt, daß alle unsere Bemühungen an der Hartnäckigkeit des Ausschußes, beziehungsweise an der Überzeugung der koalierten Parteien zunichte geworden sind, daß dieser Vertrag eben abgeschlossen werden müsse und daß der Permanenzausschuß daher seine Beratungen zu Ende führe. Alle Anträge, die wir im Ausschuß gestellt haben, sind abgewiesen worden und so haben wir uns nun im Hause mit dieser ganzen Angelegenheit zu beschäftigen.

Der Herr Berichterstatter hat es heute unternommen, nachzuweisen, daß DeutschÖsterreich an diesem Vertrag interessiert sei. Aber nicht nur an diesem Vertrag, sondern auch an dem Vertrag vom 10. September 1919, weil nach § 230 des Friedensvertrages gewisse Bestimmungen dieses Sondervertrages der Èechoslovakei mit den allierten Mächten auch DeutschÖsterreich berühren - ich glaube wenigstens die Ausführungen so richtig verstanden zu haben.

Meine Herren! Ich glaube, es ist ganz belanglos, ob der § 230 des Friedensvertrages so oder anders lautet; die Tatsache, daß hier die juristische und staatsrechtliche Ungeheuerlichkeit behandelt wird, daß ein Vertrag, den zwei Faktoren miteinander abgeschloßen haben, interpretiert wird durch einen Vertrag, den zwei andere Faktoren miteinander abschließen, diese Tatsache bleibt bestehen, wenn auch der § 230 des Friedensvertrages den vom Herrn Berichterstatter erwähnten Wortlaut hätte. Sogar, wenn er expressis verbis feststellen würde, daß die Bestimmungen des èechoslovakischen Sondervertrages auch auf Deutsch-Österreich Anwendung finden, so darf trotzdem Deutsch-Österreich diesen Sondervertrag nicht abändern, sondern er kann sachlich und formell nur abgeändert werden wieder durch einen Vertrag zwischen der Èechoslovakei und den alliierten Mächten, und Österreich wäre dann an diese Abmachungen gebunden. Aber nach der formellen Seite hat der § 230 des Friedensvertrages gar nichts zu tun mit dem vorliegenden. Darüber sind sich auch die Herren vollkommen klar, daß wir hier eine juristische und staatsrechtliche Ungeheuerlichkeit nach der anderen begehen. Darüber erübrigt es sich vollkommen zu sprechen. Und es ist tatsächlich so, daß wir hier zwei ganz verschiedene Dinge miteinander gekoppelt haben. Einmal den Friedensvertrag von St. Germain en Laye, den Deutsch-Österreich einerseits und die Entente andererseits abgeschloßen haben, und den Sondervertrag vom 10. September 1919, denn die Èechoslovakei einerseits und die Entente andererseits abgeschloßen haben. Und nun unternimmt es die Èechoslovakei einerseits und Deutsch-Österreich andererseits, Verträge zu interpretieren, von denen sie gar nicht vertragschliessende Teile sind. Aber es ist natürlich ganz vergeblich, den Herren derartige juristische Unmöglichkeiten zu erklären, nicht deshalb, weil sie das nicht verstünden, sondern desbalb, weil sie sich über alle Argumentationen, es scheint mir fast aus irgend einem Angstgefühl hinwegsetzen. Sie könnten einmal zugeben, daß jemand auf eine Idee kommt, welche juristisch fundiert und gesetzlich vertretbar wäre. Und Sie haben in Ihrer Hast, Gesetze über die Köpfe der anderen zu machen, nicht einmal Zeit, sich Ihre Bestimmungen ordentlich zurechtzulegen, und so ist auch dieses Machwerk - anders kann dieser Vertrag nicht bezeichnet werden - zustande gekommen, das auf vollständig unhaltbarer Grundlage fußt. Nun, meine Herren, ich glaube, daß daran nichts zu ändern ist, denn die Herren werden sich selbstverständlich nicht das Recht nehmen lassen, uns einfach niederzustimmen, wobei ich allerdings nicht weiß, ob die vorgeschriebene, wenigstens nach dem Wunsche der Regierung zu erreichende drei Fünftel Majorität zu Stande kommen wird, weshalb auch ich mich in dieser Beziehung mit der Regierung in vollständiger Übereinstimmung befinde, es möchte nämlich bei der Abstimmung das Stimmenverhältnis festgestellt werden (Souhlas na levici.), ohne daß ich aber auch in diese juristische Frage eingehen will, daß die Regierung hier mit einem Vertrage zwischen Osterreich und der Èechoslovakei Bestimmungen ändert, die staatsgrundesgetzlich festgelegt sind, wobei sie allerdings nicht genau weiß, ob eine solche Anderung eintritt. (Souhlas na levici.)

In der Tat wird durch diesen Vertrag so manches geändert und ich möchte die Motive, welche die beiden Regierungen oder jedenfalls die Regierung des Èechoslovakischen Staates veranlaßt haben, derartige Verträge abzuschließen, auf dem politischen Gebiete suchen. (Souhlas na levici.) Es wurden hier zwei verschiedene Stoffe zusammengekoppelt: nämlich einmal die Bestimmungen über die Staatsbürgerschaften in den zwei Gebieten Èechoslovakei einerseits und Deutsch-Österreich andererseits und zweitens die Bestimmungen über den Minoritätenschutz in diesen Staaten. Und hier liegt der Hund begraben. Es ist tatsächlich so - und aus dem Vertrage geht es auch wirklich hervor, ich verweise diesbezüglich auf den Wortlaut des Artikel 17, insbesondere Absatz 3. - daß die deutsche Minderheit im Èechoslovakischen Staate grundsätzlich gleichgestellt wird den èechischen Minderheiten in Deutsch-Österreich und es ist die bekannte Theorie von Immigranten und Kolonisten wiederum auf ein anderes Gebiet übersetzt, als wir hier schon einmal feststellen konnten. Und auf diesem Wege suchte man eben diese These in eine praktische Wirklichkeit umzusetzen; und so konnte sich die èechoslovakische Gesetzgebung auch in diesem Vertrage, ungehemmt von irgend welcher Rücksicht auf die diesen Staat bewohnenden Nationen in dem entsprechenden Chauvinismus und Imperialismus ausleben, den wir ja alle schon zur Genüge kennen. (Souhlas na levici.)

Ich will nicht darüber sprechen, meine Herren, daß es geradezu als Provokation der Deutschen in diesem Staate bezeichnet werden muß, wenn wir, die wir seit Jahrhunderten, wenn nicht seit Jahrtausenden, dieses Land bewohnen, gleichgestellt werden der èechischen Minorität in Wien oder in Ober- und Nieder-Österreich, eine Minorität, welche erst das Ergebnis der jüngsten volkswirtschaftlichen Entwicklung ist, also einer Minorität, auf die man mit Fug und Recht das Wort Kolonisten anwenden kann. (Souhlas na levici.) Ich will nicht davon sprechen, weil das vollständig vergeblich wäre, ich will aber nur darauf hinweisen, daß auch diesem Vertrage die Sucht zugrunde liegt, den Èechoslovakischen Staat als Nationalstaat hinzustellen (Souhlas a potlesk), während natürlich der Deutschösterreichische Staat als Nachfolger des alten Österreich ein Nationalitäten Staat ist. Also es wird nicht nur im Wege der jetzigen Gesetzge bung so gemacht; dieses Spiel ist bereits in den Friedensverträgen eingehend genug behandelt worden. Es werden hier eben die wirtschaftlichen, geographischen und, wenn Sie wollen, auch die ethnologischen Tatsachen einfach auf den Kopf gestellt und wir sind in Europa, Gott sei Dank, so weit gekommen, kindisch genug zu sein, um uns einzubilden, daß man mit einigen Paragraphen feststellen kann, daß dieser Staat oder ein anderer Staat so oder anders auszusehen hat, ob es Tatsache ist oder nicht. Wie weit man mit diesem Versteckenspielen seit 1867 gekommen ist, davon wissen wir ja ein Lied zu singen. Wir haben ja Osterreich als Beispiel immer vor Augen gehabt und haben es auch heute. Und das Entösterreichern, das hierzulande so beliebt ist, das ist bei diesen Zuständen einfach zum Stillstand gekommen und wir bewegen uns ganz in derselben gleichen Linie, wie die alten Liberalen im Jahre 1867 in Wien sich bewegt haben. (Místopøedseda Buøíval pøevzal pøedsednictví.)

Nun, meine Herren, lassen Sie mich dieses Kapitel schließen und gestatten Sie mir, daß ich nur ganz kurz auf die Folgen hinweise, welche sich für die Grundlagen dieses Staatsvertrages selbstverständlich ergeben. (Posl. dr. Baeran: Herr Markovièhätte uns sagen können, was seit drei Tagen in der Slovakei geschieht! Dort geschehen schöne Sachen, sehr interessante Sachen, davon hätte er uns erzählen können. - Posl. dr. Markoviè: To nepatøí k smlouvì s Rakouskem!) Vielleicht werden wir auch davon hören.

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím, aby pan øeèník nebyl vyrušován.

Posl. dr. Lodgman (pokraèuje): Nun, meine Herren, es fließt aus diesem Staatsvertrag ein ganz bestimmter Begriff für einen Schultypus. Und dieser Schultypus ist der Typus der Minderheitschule. Und es fließt weiters aus diesem Staatsvertrage, ich möchte sagen eine staatsrechtliche Bestimmung für die Anwendbarkeit gewisser Sprachen. Wir können vielleicht sagen, gewisse sprachliche Minderheitsrechte. Was den Minderheitsschultypus anbelangt, so weise ich abermals auf die Ungeheuerlichkeit hin, daß unsere deutschen Schulen als Minderheitsschulen hingestellt werden, während es doch natürlich gar keiner Frage und keinem Zweifel unterliegen kann, daß bei uns in den Siedlungsgebieten die èechischen Schulen Minderheitsschulen sind und nicht die deutschen. (Souhlas a potlesk na levici.) Es wird also die Minderheitsschule in Wien, Ottakring, gleichgestellt der deutschen Schule in Eger, Asch, Reichenberg oder sonst wo. Man kann ja diese Auffassung überhaupt gar nicht ernst nehmen.

Es wird in diesem Vertrag unterschieden zwischen privaten und öffentlichen derartigen Schulen. Nun enthalten die Art. 17, 18 und die folgenden Artikel eine ganze Menge Bestimmungen über Privatschulen, über welche im Wesen nicht zu sprechen und gegen die nichts einzuwenden wäre, z. B. die Bestimmung, daß diese Privatschulen genau so der Staatsaufsicht unterliegen wie andere im Inlande befindliche Anstalten, und ähnliche Bestimmungen, gegen die nichts einzuwenden wäre. Aber was sich dieser Vertrag in Anwendung auf unsere Minderheitsschulen z. B. im 5. Abs. des Art. 19 leistet, ist geradezu erstaunlich. Hören Sie, wie gnädig uns diese beiden Regierungen beim Abschluß dieses Vertrages behandelt haben: Es heißt da: "In der èsl. Republik wird die deutsche Unterrichtssprache keinen Grund für die Verweigerung des Öffentlichkeitsrechtes bilden. Das ist der Geist dieses Vertrages und ich glaube, es ist, weiß Gott, dem nichts weiter zuzufügen. Man kann nicht deutlicher sein, als die vertragschließenden Teile hier in diesem Vertrage waren, man kann es wirklich nicht deutlicher zum Ausdruck bringen, daß man den eigenen Staat nicht mehr ernst nimmt. Art. 20 Abs. 3 besagt: "Der österr. Staat verpflichtet sich, zu veranlassen, daß öffentliche Volksschulen mit èsl. Unterrichtssprache in geeigneten Lokalitäten errichtet werden" usw. Hier, meine Herren, haben Sie auch ein weiteres Motiv für diesen Vertrag. Denn es hat natürlich den Vertretern des èsl. Staates sich weit mehr um die Sicherstellung der èechischen Schulen in Wien gehandelt als um eine der Kultur entsprechende Unterbringung unserer Schulen und Würdigung unserer Schulbedürfnisse. Manche Bestimmungen zeigen uns ganz genau, wessen wir uns zu versehen haben.

Und eine interessante Bestimmung, die auch für Wien gilt, ich meine nur für Wien, die wir uns hier genau besehen müssen, lautet: " Zur Feststellung der Kenntnis der èsl. Sprache bei den sich zur Aufnahme meldenden Kindern sind Kommissionen zu bilden, in welche auch Vertrauensmänner der èsl. Eltern als Mitglieder zu berufen sind." Sehr Einverstanden! Wir werden aber auch hier uns die Kinder ansehen, welche die èechischen Schulen besuchen. Wir werden auch einmal unter Beiziehung unserer Vertraue nsmänner feststellen, inwieweit diese Kinder überhaupt die èechische Sprache, oder wie man sie bezeichnet, die èechoslovakische Staatssprache beherrschen!

Also damit sei das Wesen dieses Vertrages, so weit er sich auf die Schulen bezieht, wohl zur Genüge gekennzeichnet und es erübrigt nur noch darauf hinzuweisen, daß auch die Sprachenrechte sich eben entsprechend regeln.

Der juristische Begriff der Minderheit ist aber in diesem Staatsvertrage festgelegt. Die Minderheiten haben, wie hier ausdrücklich fes tgestellt wird, gewiß Rechte. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß wir uns überhaupt nicht als Minderheit betrachten lassen. (Souhlas na levici.) Wenn wir schon in diesem Staate zu sein gezwungen sind, so wollen wir ein Staatsvolk mit gleichen Rechten und Pflichten sein. (Rùzné výkøiky a hluk.) Wir lehnen es ab auf Grund der Jahrhunderte alten Siedelung, uns mit irgend einer Minderheit in einem Staa te vergleichen zu lassen. Und wenn die Herren von den èechischen Bänken das Wort "Minderheit" für uns geprägt haben, nicht hier, sondern zunächst in Paris, und wenn diese Minderheiten Rechte zugewiesen erhielten, wie es ausdrücklich niedergelegt ist, dann verlangen wir auch die Organisierung dieser Minderheiten als öffentlich-rechtliche Körper, damit überhaupt jemand da ist, der diese Minderheitsrechte ausüben kann. (Sehr richtig!) Auf diesem Wege könnten wir uns begegnen. Er weist auf die Umbildung des Staates hin, nach der autonomen Richtung. Und wenn Sie wirklich das, was Sie mit Österreich hier in Brünn und mit den Alliierten in Paris im Jahre 1919 ausgemacht haben, wenn Sie das ernst nehmen, dann müssen Sie selbst dafür eintreten, daß jemand ða sei, der diese Rechte, die Sie selbst anerkannt und unterschrieben haben, wahrnehme. Vorläufig sehe ich aber noch Niemanden. Sie sind noch immer nicht von der Vorstellung loszubringen, daß wir als öffentlich-rechtliche Körper nicht anerkannt werden können, weil wir einfach èechoslovakische Staatsbürger deutscher Zunge seien. Genau so, wie es im alten zerfallenen Staat, in Österreich-Ungarn, geschehen ist! Sie werden schon sehen, wie weit Sie mit dem Mantel "èechoslovakisch" kommen werden. (Výkøiky.)

Daß dieser Vertrag von den Vertretern der èeschischen Regierung ausgearbeitet, teilweise übersetzt - nebenbei gesagt unverständlich übersetzt worden ist, ich verweise da auf Artikel 2, wo der deutsche Begriff "Staatsbürgerschaft" übersetzt ist mit "práva státních obèanù", was heißt "Rechte der Staatsbürger", also ganz unverständlich ist - daß also die Vertreter der èechischen Regierung an dem Vertrag in dem gekennzeichneten Sinne mitgewirkt haben, kann uns bei der imperialistischen Gesinnungsart der Herren, die sich besonders in der Bürokratie auslebt, keinesfalls Wunder nehmen. Daß aber Deutsch-Österreich seinen Namen unter diesen Vertrag gesetzt hat, das deutet auf eine vollständige Verkennung der politischen Verhältnisse hin. Und ich kann mir diesen Umstand weiß Gott nur dadurch erklären, daß die Herren vielleicht infolge ihrer zahlreichen Umorientierungen vom Norden nach Westen und dann wieder nach Süden, schließlich etwas kopflos geworden sind.

Für uns sind die Bestimmungen dieses Vertrages gleich gültig. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß unsere Stellung in diesem Staate ein noch ungelöstes inneres Problem ist. Wir sind uns klar, daß derartige Verträge, mögen sie mit wem immer und wo immer abgeschlossen sein, an den Tatsachen und an den Grundlagen, welche diesen Staat bilden, nichts ändern können, daß vielmehr über unser Schicksal die Weltbegebenheiten entscheiden werden (Souhlas a potlesk na levici.) und wir sind uns dessen bewußt, daß wir, wenn wir für unsere Befreiung aus den Fesseln der Knechtschaft kämpfen, dies nicht nur in unserem Interesse tun, sondern im Interesse von ganz Europa (Sehr richtig!); denn die Grundlagen der Zukunft Europas liegen meiner Ansicht nach einzig und allein in der Befreiung der jetzt geknechteten Nationen ohne Unterschied, im Sinne des Selbstbestim mungsrechtes, und in seinem Sinne lehnen wir Parteien des Deutschen parlamenta rischen Verbandes diesen Vertrag ab. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. dra Czecha (viz str. 589. protokolu):

Hohes Haus! Für das Verständnis des Brünner Vertrages ist es notwendig, seine Vorgeschichte zu kennen, und sich auch über die zwischen dem Èechoslovakischen Staate und der Deutschösterreichischen Republik obgeführten wirtschaftlichen Verhandlungen zu orientieren. Einiges darüber erfahren wir aus dem amtlichen Publikationsorgan des Ministerium des Äußern, dem Sborník. Es wird dort erzählt, daß schon vor den Verhandlungen von St. Germain und dann auch während der Verhandlungen, ein kräftiger Druck der Entente zu GunstenDeutschösterreichs einsetzte, daß dieser Druck sich in dem Maße steigerte, in dem sich die Situation Deutschösterreichs wirtschatflich verschlechterte und weiters daß der Druck ganz besonders kräftig wurde in dem Momente, da es zum Aufruhr der Länder kam und ein Abfall derselben zu befürchten stand, wodurch dann der ganze Friede von St. Germain ins Wanken geraten und internationale Verwicklungen zu gewärtigen gewesen wären. Und es wird dann erklärt, daß trotz alledem und das charakterisiert die Mentalität der Èechen am treffendsten - der Èechoslovakische Staat dem Drucke der Entente trotzig widerstand und ihr zu verstehen gab, daß sich die Einmischung der Ententemächte in die Verhältnisse der Èechoslovakischen Republik mit der Souveränität dieses Staates absolut nicht vertrage und daß es ganz unzulässig sei, daß über die Schicksale der Èechoslovakischen Republik jemand anderer entscheide als die Èechoslovakische Regierung selbst. Da die Èechoslovakische Republik aber eine aktive Politik zu machen bemüßigt war, erklärte sie sich schließlich zu direkten Verhandlungen mit Deutschösterreich bereit und gab den Deutschösterreichern zu verstehen, daß sie, wenn sie nach Prag kämen, dort willkommen wären. Und die Deutsch österreicher sind dann dieser Einladung gefolgt.

In dem Sborník, dem Publikationsorgan des Ministerium des Äußern, wird dann zum Ausdrucke gebracht, daß die Bereitwilligkeit Deutschösterreichs, nach Prag zu kommen, ein Ausdruck der Souveränität der Èechoslovakischen Republik sei, wobei noch hinzugefügt wird, daß dies noch lange nicht einen Kanossagang für Deutschösterreich bedeute. Es wird weiter pathetisch ausgerufen, daß die Èechoslovakische Republik durch die Reise Renners nach Prag unbestreitbar zum Kristallisationspunkt des neuen politischen Systems von Zentral-Europa werde und daß darin das Zugeständnis liege, daß die Èechoslovakische Republik von all den Nachfolgestaaten die am besten konsolidierte, die wirtschaftlich reichste, die finanziell gefestigteste Republik sei. Die Reise Renners nach Prag, die Verhandlungen zwischen Deutschösterreich und der Èechoslovakei, die Einigung zwischen Deutschösterreich und der Èechoslovakischen Republik, seien - heißt es weiter - förmlich der erste große Stein im Gebäude der künftigen èechosl. Außenpolitik, das Fundament zur Herstellung des Gleichgewichtes in Zentraleuropa, der erste Schritt zur Bildung geordneter Verhältnisse in Zentraleuropa, Und zum Schlusse heißt es: "Die Prager Verhandlungen sind unzweifelhaft ein Ereignis von internationaler Bedeutung; sie werden sensationell wirken bei den Verbündeten, sie sind eine Überraschung ersten Ranges, die darin liegt, daß sich zwei Staaten, die sich bisher so arg befehdet haben, die bisher unter der Kontrolle und Kuratel der Entente standen nun endlich selbstständig gemacht und einen Akt vollzogen haben, der ihre volle politische Reife zeigt." (Místopøedseda inž. Botto pøevzal pøedsednictví.)

Wir wollen alles das, was da in dem amtlichen Organ des Ministeriums des Äußern gesagt wird, nicht auf die Richtigkeit nachprüfen. Nur soviel wollen wir sagen, daß im "Sborník" etwas zu stark aufgetragen wurde. Wer die Verhältnisse kennt, in denen wir leben, der weiß, daß von einer wirtschaftlichen Konsolidierung der Èechoslovakischen Republik noch lange keine Rede ist, und daß auch keine Spur ist von einer finanziellen Konsolidierung der Republik. Das haben wir ja während der Verhandlungen über das Kriegsanleihegesetz und aus den wiederholten bei diesem Anlasse abgegebenen Erklärungen des Herrn Finanzministers am deutlichsten gesehen. Aber so viel ist richtig:

Die Verhandlungen und der Vertragsabschluß mit Deutschösterreich sind der erste Schritt zur Verselbständigung der Politik zweier österr. Nachfolgestaaten. Sie sind wohl ein noch zaghafter Schritt, aber der erste zur Befreiung aus der Kuratel der Entente und zur Loslösung aus der wirtschaftlichen und politischen Versklavung, die der Friedensvertrag den österreichischen Nachfolgestaaten gebracht hat. Aber noch eines haben die Verhand lungen in Brünn zu Tage gefördert und das ist die Erkenntnis, die lebendig ge worden ist mitten im nationalen Taumel, in dem wir jetzt noch leben: daß tausend fältige wirtschaftliche Beziehungen der Völker sich absolut nicht über Nacht zer reissen lassen, daß trotz aller Gegensätze der Vergangenheit eine Interessensolida rität besteht zwischen den Nachfolgestaaten untereinander, und vor Allem zwischen der Èechoslovakei und Deutschösterreich, und daß wir alle unsere Kräfte daran setzen müssen, die leidvolle Vergangen heit mit all' ihren Zerwürfnissen und Mißverständnissen endlich zu überwinden, um zu einem annehmbaren Verhältnisse zwischen den Staaten und ihren Völkern zu kommen. Die nationalen Revolutionen, gefolgt sind, und die zur Konstituierung der Nachfolgestaaten führten, haben das alte österreichische Wirtschaftsgebiet völlig zerschlagen, die Völker entzweit, zum vollständigen Abschluß der Staaten von einander geführt, den völligen Abbruch der wirtschaftlichen Beziehungen zur Folge gehabt, und so auf der ganzen Linie unermeßlichen Schaden gezeitigt, schwere wirtschaftliche Katastrophen und damit auch schwere politische Komplikationen und Krisen herbeigeführt. Die Èechoslovakei hat nämlich alle ihre Hoffnungen und ihre ganze Rechnung auf die Entente gesetzt. Von dort sollte die Ernährungshilfe kommen, von dort die Rohstoffe geliefert, dorthin der ganze Handelsverkehr gelenkt werden. Gleichzeitig wurden alle Brücken zu den Nachbarstaaten vollständig abgebrochen. Aber bald zeigte es sich, daß die Rechnung falsch war. Die Entente, die die Èechoslovakei ebenso wie die anderen Nachfolgestaaten durch den Friedensvertrag politisch zu ihrem Vasallenstaat und wirtschaftlich zum Hörigen machte, hat die erhoffte Ernährungshilfe nicht gebracht, die Lebensmittel und Rohstoffe nicht geliefert und als dies das eine oder anderemal doch geschah, nur zu ungeheuer drückenden und unmöglichen Bedingungen. Durch das Ausbleiben der erhofften Hilfe zeigten sich sehr bald die Folgen der verkehrten Handels- und Valutapolitik. Ursprünglich glaubten die Machthaber der Èechoslovakei, daß von dem allgemeinen Zusammenbruch vor Allem nur Deutsch-Österr. und Deutschland hart betroffen werden. Als aber der nationale Rausch verflogen war und die Ernüchterung eintrat, war es für alle klar, daß mit Rücksicht auf die enge Verknüpfung der Schicksale und Wirtschaften aller Völker der Niedergang des einen Volkes auch der Ruin des zweiten sei und daß das eine Volk in seinem Zusammenbruche das andere mit in den Abgrund reißen muß. Jahrhundertelange wirtschaftliche Beziehungen lassen sich eben nicht ohne die schwersten Konsequenzen für die davon Betroffenen zerstören. Treffend wird dies in einer Rede des Handelsministers Heidler vom November 1919 gesagt: die Èechoslovakei müsse sich bemühen, günstige wirtschaftliche Beziehungen mit den übrigen Nachwirtschaftliche Zusammenhänge", meinte er, " ausgetretene wirtschaftliche Pfade dürfen durch politische Ereignisse nicht unterbrochen werden". Zum Schluß ruft er aus: "Wir sehen, daß trotz aller unserer Bemühungen, die Ausfuhr nach dem Westen zu dirigieren, doch die Gebiete der österr.-ungar. Monarchie unsere besten Abnehmer sind." Wäre diese Erkenntnis unseren Staatslenkern früher aufgedämmert, ungeheueres Unglück und ungeheueres Elend wären erspart geblieben. Darum müssen wir es alle sehnlichst wünschen, daß den bisherigen desolaten Verhältnissen ein Ende gemacht, daß vor allem - ich bringe es in diesem Zusammenhang zur Sprache - mit den Feindseligkeiten im Verkehr zwischen der Èechoslovakei und Deutsch-Österreich aufgeräumt und daß endlich die Hemmnisse und Schwierigkeiten, im Eisenbahnverkehr, im Passverkehr, im Geldverkehr beseitigt werden, kurzum, daß alles ausgetilgt werde, was einer Verständigung und Annäherung zwischen den beiden Staaten und Völkern hinderlich im Wege stehe.

Ehe ich nun zur Erörterung des Vertrages übergehe, soll Einiges über das Verhältnis dieses Vertrages zum Friedensvertrage gesagt werden, dessen Durchführung, Klärung und Ergänzung der Brünner Vertrag bezweckt. All das Unrecht, all die Unbill, die den Friedensvertrag charakterisieren, sie kommen in allen jenen Materien zum Ausdruck, die den Gegenstand des Vertrages zwischen der Èechoslovakei und Österreich bilden. Der Entente hat es nicht genügt, sich alle Nachfolgestaaten botmäßig und wirtschaftlich tributpflichtig zu machen, sie hat es sich zur Aufgabe gestellt, das ganze Leben ihrer Vasallenstaaten unter ihre Kontrolle zu nehmen und es bis in die letzten Poren hinein zu durchdringen. Keine selbständige Regelung für die Nachfolgestaaten ohne Bewilligung der Entente. Eine eiserne Klammer hält sie alle fest umschloßen. Alle sollen die Werkzeuge der Entente sein und bleiben. Deutsch-Österreich und Deutschland sollen in ihrer Ohnmacht, weiter niedergehalten jeder selbstständigen Regung entkleidet werden. Die Gegner Deutsch-Österreichs und Deutschlands sollen durch Verschärfung der Gegensütze in ihrer Feindschaft zu diesen Staaten bestärkt werden. Polen soll zum Sturmbock der Entente werden, die Èechoslovakei förmlich zur französischen Feldwache herabsinken. (Souhlas na levici.)

Statt die Völker einander näher zu bringen, hat man Hass und Zwietracht aufgehäuft und den Rachegedanken nur noch verschärft. Darum dürfen wir keine Gelegenheit vorüberziehen lassen, ohne gegen diesen Schmachfrieden entschiedenst Protest einzulegen, vor der Geschichte jede Verantwortung für ihn abzulehnen und zum Ausdruck zu bringen, daß nur das Selbstbestimmungsrecht der Völker ein staatenbildender Faktor sein (Potlesk na levici.) und daß nur das Selbstbestimmungsrecht zur internationalen Verwirklichung des Sozialismus führen kann. Vorläufig hat die Entente noch alle Macht in Händen, aber was auf Gewalt aufgebaut ist, läßt sich auf die Dauer nicht halten. An den geschichtlichen Notwendigkeiten werden die Pariser Kartenmacher nichts ändern können. Und jeder Schritt der Annäherung unter den Völkern ist ein Schritt nach Vorwärts zur Beseitigung des Schmachfriedens.

Nun zum Vertrage selbst. Er bezweckt die Regelung gewisser Fragen, die zwischen der Èechoslovakei und Österreich strittig sind, und vor allem der Fragen der Staatsbürgerschaft und des Minderheitenschutzes. Im Motivenbericht wird gesagt, daß die Bestimmungen des Friedensvertrages vielfach unklar, unvollständig, strittig und widerspruchsvoll sind, und daß es im Interesse der Völker hüben und drüben notwendig sei, Klarheit zu schaffen. Aber der Weg, auf dem man das zu erreichen sucht, führt zu neuem Unrecht.


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