Sobota 19. èervna 1920

Und ich könnte Ihnen da Schauermären erzählen, wie weit die Korruption reicht und wie weit das Vertrauen in die Ministerien und zur Beamtenschaft in breiten Kreisen der Bevölkerung erschüttert ist, weil man einfach in der Provinz draußen sagt: Ohne Schmiergelder ist in Prag nichts zu erreichen. (Souhlas na levici.)

Nun, diese Korruption ist ja von Ihrer Seite selbst zugegeben worden. Ich erinnere nur daran, was Dr. Kramáø seinerzeit in seiner berühmten und berüchtigten Rede am 22. Jänner hier im Revolutionsausschuß gesagt hat, als er meinte, die ganze Administrative sei vollständig zerrüttet. Und er hat weiters in einer Versammlung in Prag ausgeführt: "Warum haben wir nicht Selbstvertrauen? Warum bringen wir der Zukunft kein Vertrauen entgegen? Weil wir in unserem volkswirtschaftlichem Leben derart zerrüttet sind, weil sich im Laufe eines Jahres soviel Schlechtigkeit, soviel Schwäche und soviel Unehrlichkeit eingenistet hat, und weil wir aus dieser Republik eine Melkkuh für Faulenzer gemacht haben, für Leute, welche keine andere Versorgung gefunden haben."

Wenn das von Ihrer Seite aus gesagt wird, so haben wir dem gar nicht viel hinzuzufügen und ich könnte natürlich auch andere derartige Aussprüche von èechischen Parlamentariern anführen und auf Broschüren und Flugschriften hinweisen, die von èechischer Seite ausgegeben wurden, wie z. B. die Flugschrift des Grafen Adalbert Sternberg, der ebenfalls schrieb, daß eine Korruption Platz gegriffen hat, daß man die Demokratie in diesem Staat nur noch eine Diebsdemokratie nennen könnte. Nun, ich sagte mir seinerzeit, als zum erstenmal so offen vor aller Welt der Skandal in dieser Republik zum Ausbruch kam, als man sich getraute, einen Minister bestechen zu wollen, der es allerdings ablehntes. Wie viele müssen da schon hineingefallen sein, wie viele müssen da schon bestochen worden sein, daß der Mann sich getraute, selbst an unseren Außenminister ein derartiges Ansinnen zu stellen. Und das ist die Folge dessen, daß Sie die verläßlichen, deutschen braven Beamten vertrieben haben, das ist die Folge davon, daß Sie auf ihre Mitarbeit verzichtet haben, aus rein chauvini stischen Erwägungen heraus, und daß Sie zur Erkenntnis kommen müssen - und ich habe diese Erkenntnis bereits bei vielen Ämtern gefunden - daß ohne die deutschen Beamten auf die Dauer nicht zu wirtschaften ist.

Und aus allem dem sollten Sie die Überzeugung gewonnen haben, daß das alte Sprichwort wiederum zurecht besteht, daß etwas faul ist im Staate Dänemark. Wenn Sie aber heute daran gehen wollen, eine Verbesserung durchzuführen, dann haben Sie den schlechtesten und umgekehrtesten Weg eingeschlagen, einen Weg, der Sie unbedingt noch näher dem Ruin entgegenführen wird. Denn die Verbitterung, die Sie in weiten Kreisen unseres Volkes und auch der anderen Völker hier schaffen, wird derartig nachhaltend sein, daß das Gefühl der Staatsidee, der Staatszugehörigkeit niemals mehr erwachen wird. Und wie wollen Sie den Staat dann eigentlich aufrechterhalten, wenn Sie bewußt die Staatsidee in den Völkern vernichten? Denn Sie wissen aus der Geschichte, daß Staaten nur zusammengehalten werden aus dem freien Willen der Bevölkerung, die sich aus wirtschafrlichen Vorteilen oder sonstigen Erwägungen selbst freiwillig zusammenschließt, oder daß Staaten zusammengehalten werden, nur weil sie Nationalstaaten sind. Aber keines von beidem trifft hier zu. Wir sind kein Nationalstaat, wir können das nicht oft genug betonen, weil man den Begriff vom èechischen Staate leicht der Außenwelt gegenüber verdunkelt, verschleiert. Wir sind ein Nationalitätenstaat, in dem Sie, das herrschende Volk, das èechische Volk, nicht einmal die Mehrheit sind. Wir sind aber auch kein Staat, der sich freiwillig zusammengefügt hat, weil einfach ein großer Teil der Bevölkerung in den Staat hineingepreßt und um seine wirkliche Meinung gar nicht befragt wurde. Und wenn Sie auch für die Zukunft dieses Gefühl der Staatszugehörigkeit durch derartig mangelhafte und die Volkswirtschaft vollständig vernichtende Gesetze vernichten und untergraben, dann dürfen Sie niemals auf loyale Staatsbürger rechnen, dann haben Sie sich den Ruin dieses Staates selbst zuzuschreiben. Es wäre ein Gebot der Notwendigkeit gewesen, daß man von Haus aus hier einen anderen Standtpunkt eingenommen hätte, daß man von Haus aus das größte Gewicht auf unsere Mitarbeit gelegt hätte.

Wir sind in dieses Haus eingetreten in dem Bewußtsein, daß nunmehr die schwere Zeit für unser Volk vorbei ist, daß wir hier eine Tribüne haben, von der aus wir reden und alle die Ungerechtig keiten werden in die Welt hinausverkün den können, daß wir werden zeigen kön nen, wie wir in diesem Staat behandelt werden, und daß wir die Außenwelt, das Ausland werden aufklären können; denn Sie wissen ja, daß unglaubliche Meinun gen im Auslande über diesen Staat be stehen, den man seinerzeit als den Licht fleck in Mitteleuropa angesprochen hat, so daß eine englische Zeitung von ei nem wunderbaren Eiland der Demokratie schrieb, und das sei die Èechoslovakei. Und ich glaube, wie die Demokratie hier ausschaut, wie hier alle gleiche Rechte in diesem Staate haben, das haben wir bereits zur Genüge erfahren und das wurde uns auch, seit wir hier in diesem Saale sind, bereits entgegengeschleudert, indem man sagte: "Ihr seid besiegt worden! " Ich wundere mich nur, wie ein Minister präsident Tusar im alten Revolutions ausschuß, als man die Verfassung ein brachte, den Mut aufbrachte, behaupten zu können, er hoffe, die Deutschen wer den sich nunmehr auf Grund dieser wun derbaren Verfassung mit dem Staate aus söhnen, sie würden vollständig zufrieden sein mit dem Staate, der uns eine Ver fassung gegeben hat, die nichts weniger ist als demokratisch, der uns ein Wahl gesetz mit einer besonderen Bevorzugung von Prag gegeben hat, der uns seither geknebelt hat, wie noch nie ein zweites Volk geknebelt worden ist. Da hätten Sie zeigen können und Gelegenheit gehabt, sich Freunde auf allen Seiten des Hauses, bei allen Völkern, zu erwerben. Sie haben aber diese kostbare Gelegenheit ein für alle Mal versäumt und ich begrüße es, daß durch die unsäglichen Drangsalie rungen, dadurch, daß Sie uns hunderte von Schulen einfach weggenommen, ge stohlen, gesperrt haben, daß dadurch so ein Geist der Unnachgiebigkeit in unseren Reihen erzeugt worden ist, der bis dahin gewiß gar nicht vorhanden war.

Wenn Sie dieses Gesetz heute hier annehmen, und wir können Sie daran nicht hindern, es läuft alles darauf hin aus, daß das Gesetz unbedingt ange nommen wird, so werden wir damit der Aussenwelt zeigen, wie weit dieser Staat bereits gekommen ist, und den Kredit im Auslande vollständig vernichten; denn das eine ist sicher: wenn wir zu einer lärmenden Obstruktion greifen, dann wird das ganze Ausland aufhorchen auf das, was in diesem Staate vorgeht und es wird ihm zum Bewußtsein kommen, daß von einer versöhnlichen Stimmung, von einer Ausgleichung der Völkerschaften hier nicht die Rede sein kann, und daß Ihr Staatskredit auf das Ärgste untergraben wird. Der alte österreichische Staat hat seinerzeit acht Kriegsanleihen aus geschrieben, und dann ist er zu Grunde gegangen. Die Èechoslovakei hat in der kurzen Zeit ihres Bestandes bereits die vierte Anleihe ausgeschrieben, jedesmal mit negativem Erfolge; das Vertrauen war selbst in èechischen Kreisen nicht zu finden. Nun, meine sehr verehrten Herren, für uns, die wir in diesen Staat hinein gepreßt wurden, eröffnet sich damit eine ganz herrliche Perspektive. Noch vier Anleihen brauchen wir und dann wird der Staat jedenfalls, wie das alte Österreich, ebenfalls zugrunde gehen. (Výkøiky: Fiduzit! Heil! - Potlesk na levici.)

7. Øeè posl. dra Lodgmana (viz str. 518. protokolu):

Meine Damen und Herren! Auf Grund einer Geschäftsordnung, welche zu jeder Vergewaltigung der Minderheiten die Handhabe bietet, hat die jetzige Regierung einen Gewaltakt unerhörtester Art ausgeübt. Die Regierungsvorlage, betitelt " Gesetz betreffend die Entschädigung der Besitzer der langfristigen österr.- ung. Kriegsanleihen und betreffs der 4. Staatsanleihe der èechoslovakischen Republik" wurde dem Hause vorgelegt. Der Sturm der Entrüstung, der sich über den Inhalt der Vorlage sowohl bei den Abgeordneten, als auch in der gesamten deutschen, ungarischen und slovakischen Öffent! ichkeit erhoben hat, (Poslanec dr. Juriga: Bitte, Herr Doktor, im Namen der Slowaken nicht zu sprechen. Wir sprechen schon für uns selbst und wir danken schön. - Hluk.) - hat den Finanzminister bewogen, die Vorlage so tiefgehend zu ändern, daß eigentlich eine neue Vorlage zur Verhandlung gestellt wurde. Geschäftsordnungsgemäß hätte diese neue Vorlage abermals in das Plenum des Hauses gebracht werden müssen. Doch wo man Gewalt anwenden will, schreckt man vor unerlaubten Mitteln nicht zurück. In stundenlangen Darlegungen haben die Mitglieder des Deutschen Parlamentarischen Verbandes im Budgetausschusse in sachlichster Weise auf die Gefahren für den inneren und äußeren Kredit des Staates, für sein Gedeihen in aller Zukunft hingewiesen. Vergebens wurde die Regierung davor gewarnt, in demselben Hetztempo wichtige Angelegenheiten durchpeitschen zu lassen, wie in der Revolutionsversammlung, vergebens wurde die Forderung aufgestellt, die Männer des gesamten Wirtschaftslebens, die Führer der Kriegsanleiheschutzverbände, der Sparkassen, Banken und sonstigen Kredit institute einzuberufen und die Angelegen heit gründlich durchzuberaten. Überwältigend wurde von allen Seiten nachgewiesen, daß die Vorlage einen tötlichen Stoß ins deutsche Wirtschaftsleben bedeute, daß die Gesetzgebung dieses Entwurfes den Ruin tausender und abertau sender Exi stenzen in diesem Staate bedeuten würde, daß insbesondere die §§ 12 und 9 un haltbar sind.

§ 12 verfügt, daß die Kriegsanleihe aller derjenigen, welche nicht neue Staats anleihe zeichnen und hiebei ihre Kri egs anleihe verwenden, von staatswegen als verfallen erklärt wird. Dadurch wird die neue Staatsanleihe zu einer Zwangsan leihe, es wird die Zeichnung jener mit der Einlösung dieser unlösbar verbunden, während die einzig richtige, weil sozial begründete Art der Einlösung der Kriegs anleihe ihre Verbindung mit der Vermö gensabgabe gewesen wäre.

§ 12 ist unannehmbar, weil er die vollständige und rücksichtslose Annullierung aller jener Kriegsanleihen bedeutet, welche von den Inhabern nicht zur Zeichnung auf die Staatsanleihe verwendet werden können.

Von dieser Konfiskation sind in erster Linie die armen und ärmsten Kriegsanleihebesitzer betroffen, darunter namentlich auch die vielen Zehntausende von Lombardschuldnern. Diese sind durch die auf ihren Kriegsanleihen lastenden Lombardschulden schwer bedrückt und zumeist außer Stande, die für die Zeichnung auf die neue Staatsanleihe geforderte Bar aufzahlung aufzutreiben. Diese Vernich tung zahlloser Exi stenzen ist ganz unbegründet und mutwillig, denn aus den eben genannten Kriegsanleihebesitzern können Zeichnungen für die neue Anleihe keinesfalls herausgepreßt werden. Man kann also nicht einmal behaupten, daß der § 12 im Interesse des Erfolges der neuen Anleihe liegt.

Im Gegenteil, der § 12 schadet der neuen Anleihe, weil die dadurch entfesselte Katastrophe das Mißtrauen der ganzen Bevölkerung außerordentlich verschärft und daher zahllose Personen, welche sonst gezeichnet hätten, von der Zeichnung abschreckt.

Die Einschränkung, daß von dieser Konfiskation diejenigen Kriegsanleihebesitzer nicht betroffen werden, welche der Vermögensabgabe überhaupt nicht oder nur mit einem Vermögen von weniger als K 25.000 unterliegen, ist nicht geeignet, die katastrophalen Wirkungen dieses Paragraphen in erheblichem Maße abzuschwächen.

Vor allem ist die Bestimmung unklar und nichtssagend, denn man weiß noch gar nicht, mit welchem Werte die Kriegsanleihen in die Vermögensabgabe eingestellt und ob nicht der Besitzer eines größeren Postens belehnter Kriegsanleihe infolge dieses Besitzes unter die Vermögensabgabepflichtigen fallen und in weiterer Folge von der Annullierung semer Kriegsanleihe betroffen werden wird. Auch wird es gerade bei mittleren und selbst bei großen Kriegsanleihebesitzern vorkommen, daß sie die erforderlichen Barmittel für die Zeichnung der Staatsanleihe nicht voll aufbringen können. Diese werden dann eben einen Teil ihrer Kriegsanleihe zur Zeichnung auf die Staatsanleihe verwenden und würden nach den Bestimmungen des § 12 zum Lohne dafür mit der Konfiskation ihrer restlichen Kriegsanleihe bestraft werden. Es kann auch nicht die Absicht der Finanzverwaltung sein, Lombardzeichnungen dadurch zu erzielen, daß den Kriegsanleihebesitzern die letzten Barreserven herausgepreßt werden; denn die sich daraus ergebende Lahmlegung der Volkswirtschaft würde dem Staate weit mehr schaden, als er durch das Plus an solchen auf schlechten Lombardforderungen beruhenden und daher innerlich gehaltlosen Zeichnungen erhält. Auch die Inhaber vollbezahlter Kriegsanleihen sind in vielen und zwar in sozial sehr wichtigen Fällen völlig außerstande, ihre Kriegsanleihen zur Zeichnung auf die neue Staatsanleihe zu verwenden. Als eines unter vielen Beispielen werden die Waisengelder angeführt, welche über gerichtlichen Auftrag fast ausnahmslos in Kriegsanleihe angelegt werden mußten. Wohl ist in diesen Fällen formell die Möglichkeit der Zeichnung der neuen Staatsanleihe im Wege des Lombardes gegeben, aber es ist klar, daß die Durchführung dieser Zeichnung für die Inhaber solcher Art mit Schulden belasteter Vermögen ruinös wäre, ganz abgesehen davon, daß nach den gesetzlichen Vorschriften die Vormünder zu einer solchen Verschuldung gar nicht ihre Zustimmung geben durften. Auch diese Waisengelder werden nach § 12 mit der Strafe der Konfiskation belegt. Zahllose Waisen würden hiedurch, weil ihr ganzes Vermögen in dieser Weise veranlagt ist, zu Grunde gerichtet. In sozialer Hinsicht ist der § 12 höchst anfechtbar, denn nach dem darin zum Ausdrucke kommenden Prinzipe bekommt derjenige, der noch Geld hat, um auf die neue Anleihe zu zeichnen, für seine Kriegsanleihe zwar wenig, aber etwas, wogegen dem mittellosen alles weggenommen wird. Eine gesetzliche Bestimmung mit einer derartig antisozialen Tendenz dürfte in der ganzen Welt einzig dastehen. Besondere Verwüstungen würde der § 12 in der Slovakei anrichten.

In den ehemals ungarischen Gebieten haben die Sparkassen, welche die Spargelder der breiten Bevölkerungsschichten verwalten, rechtlich den Charakter von Banken. Sie sind daher der Vermögensabgabe unterworfen und fallen mit ihrem sehr großen Kriegsanleihebesitz unter die Konfiskationsbestimmungen des § 12. Gerade diese Institute sind zum allergrößten Teile durch die Kriegsanleihe und durch ihre noch immer in Ungarn liegenden Depots, deren Überführung bisher nicht gestattet wurde, derart von Barmitteln entblößt, daß sie zur Zeichnung der neuen Staatsanleihe völlig außer Stande sind.

§ 12 stellt sohin eine ausgesprochene Vernichtung des Vermögens der Armen und den völlig verfehlten Versuch dar, Zeichnungen auf die Staatsanleihe unter Zugrunderichtung der Volkswirtschaft zu erzwingen.

§ 9 zieht aus der Vermögenskonfiskation des § 12 grausame Konsequenzen für das Rechtsverhältnis zwischen Lombardgläubigern und Lombardschuldnern.

Nach § 9 sind die Geldinstitute formell berechtigt, in Wirklichkeit aber genötigt, die Lombardforderungen für fällig und die verpfändeten Kriegsanleihen für verfallen zu erklären. Dem Belehnungsschuldner wird eine Vergütung nur dann und in jenem Ausmaße gewährt, um welches die Lombardschuld geringer ist als 50% des Nominalwertes der Kriegsanleihe. Wer seine Kriegsanleihe mit 50% belehnt, oder seine Lombardschuld auf 50% abgezahlt hat, der wird mit dem Verluste seiner gesamten Einzahlungen genau so bestraft wie jener, der 75% schuldet. Diese ganz willkürlichen und ungerechten Verfallsbestimmungen dürften gleichfalls einzig in der Gesetzgebung dastehen. Sie entspringen dem Bestrebem, den belehnenden Instituten, deren Lombardforderungen durch den Wortbruch des Staates notleidend werden, eine, wenngleich ganz ungenügende Entschädigung auf Kosten der gänzlich armen Belehnungsschuldner zuzusprechen.

Die Lombardschuldner bleiben überdies für die rückständigen Zinsen und für die Kosten haftbar. Zahllose mittellose Personen werden nicht nur ihr ganzes Hab und Gut verlieren, sondern auch mit Klagen und Exekutionen verfolgt werden.

Auch für die 50% übersteigenden Lombardschulden bleibt der Belehnungszeichner haftbar; das ist eine furchtbare Katastrophe, namentlich für Bezirke, Städte und Gemeinden, aber auch für zahlreiche Privatpersonen. Die ersteren haben unter Verpfändung ihrer Steuerkraft, die zweiten gegen irgend welche besondere Sicherheiten Lombarddarlehen von mehr als 75% aufgenommen und sehen sich auf einmal ungeheueren Zahlungsverpflichtungen gegenüber. Auch die Realbesitzer haben vielfach Kriegsanleihe mit voller Belehnung gegen hypothekarische Sicherstellung gezeichnet. Die Belehnungsschuldner werden solcherart wirtschaftlich zugrunde gerichtet und zur Verzweiflung getrieben. Aber auch die Lage der Lombardgläubiger ist keine rosige. Sie erhalten in Gestalt der für verfallen erklärten Kriegsanleihe für sie nahezu wertlose Pfänder; denn sie könnten diese Kriegsanleihen nur dann zur Zeichnung von Staatsanleihe für eigene Rechnung verwenden, wenn sie entweder erhebliche Baraufzahlungen leisten können oder in der Lage und gewillt sind, sich in außerordentlichem Maße zu verschulden.

Für die kleineren und mit einem ansehnlichen Eigenbesitz von Kriegsanleihen belasteten Anstalten ist die Situation, in welche sie durch den § 9 geraten, gleichfalls katastrophal. Diese Anstalten werden sehr hohe Lombardverschuldungen auf sich nehmen müssen, um ihren Eigenbesitz an Kriegsanleihen zur Zeichnung der Staatsanleihe zu verwenden.

Die Eingehung von Lombardschulden in solcher Höhe, daß sie auch für die verfallenen Kriegsanleihen ihrer Klienten Staatsanleihe zeichnen können, ist für diese Anstalten unmöglich, wenn sie nicht in eine noch viel verwickeltere Lage wie jetzt geraten wollen. Aber auch für die großen Kreditinstitute wird die andauernde Immobilisierung größerer Geldmittel oder die Kontrahierung von langfristigen Lombardschulden eine schwere Belastung sein, welche sich mit Rücksicht auf die bevorstehende Geldknappheit an der Volkswirtschaft und damit auch an den Staatsfinanzen bitter rächen wird.

Daß durch diese zwangsweise Erschliessung solcher Zeichnungsquellen auch die Staatsanleihe auf eine durchaus schwankende und jeder Reelität entbehrende Grundlage gestellt wird, bedarf nach dem eben Gesagten keiner näheren Begründung. Die Finanzverwaltung glaubt offenbar, durch diesen einseitigen, gegen eine bestimmte Kategorie von Staatsbürgern gerichteten schärfsten Zwang der neuen Staatsanleihe zu dienen. In Wirklichkeit wird die Zertrümmerung der Volkswirtschaft und die Verelendung breiter Volksschichten jegliches Vertrauen des Volkes zum Staate zerstören und eine Stimmung des Hasses erzeugen, welche die Massen der zeichnungs- und zahlungsfähigen Bürger von der Teilnahme an der Staatsanleihe geradezu abschrecken muß.

Aus diesen Gründen muß die unbedingte Forderung erhoben werden, daß die §§ 12 und 9, ausgenommen den ersten Satz des § 9, dem allerdings auch gewisse Bedenken entgegenstehen, gestrichen werden. Das Gesetz über die neue Staatsanleihe darf nicht die Annullierung der Kriegsanleihen verfügen; es hat vielmehr die Bedingungen festzustellen, unter welchen Kriegsanleihen zur Zeichnung auf die neue Staatsanleihe verwendet werden können.

Die endgültige Entscheidung über die Kriegsanleihefrage kann nicht innerhalb 24 Stunden vom Zaun gebrochen werden. Es ist dies ein lebenswichtiges Problem für den Staat und für die Bevölkerung, welches sorgfältiger Überlegung bedarf. Das, was dem alten Osterreich und Ungarn mit Recht zum Vorwurfe gemacht wird, daß es seine Staatsbürger unter Vorspiegelungen und Erpressungen gezwungen hat, nicht nur ihre tatsächlichen, sondern auch noch fingierte Erparnisse, also blanke Arbeitskraft dem Staate zu verpfänden, wird hier in höherem Maße wiederholt; freilich stand der alte Staat unter dem Drucke der kriegerischen Ereignisse und war somit selbst in einer Zwangslage. Diese Vorlage begeht einen Raubzug bei voller Freiheit der staatlichen Betätigung und zum Zwecke der unsinnigen und überflüssigen militärischen Ausgaben, welche den verhältnismäßig größten Teil der Jahresausgaben des Staates ausmachen. Für jene Kreise, welche es, unterstützt durch die politischen Verhältnisse während der letzten 1 1/2 Jahre, verstanden haben, Kriegsanleihe zu niedrigem Kurse in ihre Hände zu bekommen, also für die Schieber und Kettenhändler mit Kriegsanleihe, ergibt sich durch die Vorlage die günstige Gelegenheit, diese ihre Beute nicht nur in Sicherheit zu bringen, sondern sogar gut zu verwerten; diejenigen, die ihre Kriegsanleihe zur rechten Zeit abgestoßen haben, werden durch den Gesetzentwurf freilich nicht berührt. Alle die aber, welche weder das eine noch das andere gemacht haben, also die gutgläubigen Besitzer des alten Papieres, welche oft ihr Letztes und darüber hinaus zur Anschaffung von Kriegsanleihe gezeichnet haben, werden an den Bettelstab gebracht und der Verzweiflung überantwortet. Eine solche unerhört unsoziale Maßregel dürfte keine Regierung, die sich ihrer Verantwortung bewußt ist, mit ihrem Namen decken, kein Parlament, welches ernst genommen werden will, billigen und kein sozialempfindender Mensch gutheißen! Die natürliche Folge wird sein, daß sich ein neuer Schiebermarkt eröffnen wird; denn die verängstigten und zur Verzweiflung gebrachten Besitzer werden eine Beute der Hyänen des finanziellen Schlachtfeldes werden, welche ihnen die Kriegsanleihe zu einem ganz lächerlich geringen Preise abjagen werden, um mit ihr ihrerseits ein gutes Geschäft zu machen. Das ist aber der Zweck der Vorlage! Der deutsche Besitz soll in èechische Hände gespielt, der deutsche Handelsmann, Gewerbetreibende und Industrielle von der Stätte seiner Wirksamkeit vertrieben, der deutsche Arbeitsfleiß dem èechischen Staate botmäßig gemacht und dadurch dem èechischen Staate der Lorbeer des Siegers auf Kosten von hunderttausend Existenzen gesichert w erden! Das ist der Ausfluß der èechischen Nationalpolitik, welche sich hier in wirtschaftlicher Form auf den Rücken der unterjochten Völker auslebt. Wie freilich das Ausland zur Gebarung eines solchen Staatswesens Vertrauen haben und auf welcher Grundlage sein Kredit gehoben werden soll, das mögen diejenigen entscheiden, welche es unternommen haben, dem Hause eine Vorlage zuzumuten, welche den deutlichsten Stempel brutaler Vergewaltigungen und eines krassen Diletantismus auf der Stirne trägt. Ist doch in der Vorlage, welche eine Staatsanleihe betrifft, nicht einmal auf den Fall Rücksicht genommen worden, daß jemand die neue Staatsanleihe gegen bar und nicht gegen alte Kriegsanleihe zeichnen will.

Wir Vertreter des deutschen Volkes in diesem Staate sind uns in dieser Stunde unserer Verantwortung bewußt und wollen abwarten, ob dem Staate etwa das Ausland jenes Vertrauen schenkt, welches er bei seinen Staatsbürgern nicht genießt und nicht genießen kann.

Wir haben in stundenlangen schweren und harten Verhandlungen mit der Regierung und den Koalitionsparteien alle diejenigen Punkte berührt, welche die Vorlage so unsozial und unannehmbar machen. Wir werden noch in letzter Stunde den Versuch unternehmen, dem § 12 wenigstens die schwersten Härten zu benehmen. Für uns wird dadurch die Vorlage keineswegs annehmbar, aber wir wollen dadurch wenigstens die armen Leute retten, welche sich aus der Zwangslage, in welche sie durch die heutige Gesetzesvorlage gebracht werden, zu befreien nicht in der Lage sind. Wir haben diesen Antrag auf den Tisch des Hauses gebracht und wir bitten Sie in letzter Stunde, ihn als Zusatzantrag zu § 12 anzunehmen.

Im Übrigen werden wir für alle Anträge stimmen, welche den Übergang zur Tagesordnung beinhalten und gegen die Vorlage selbst, weil wir es nicht auf unser Gewissen nehmen können, eine in so unerhört schleuderhaftem Tempo zustande gekommene und unsozial ausgebaute Vorlage zu verantworten. (Potlesk na levici.)

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