Ètvrtek 10. èervna 1920

Pøedseda (zvoní): Slovo má p. posl. Patzel. Zádám, aby p. øeèník nebyl vyrušován. (Hlasy nìm. poslancù: Skandal! Herr Präsident, gibt es da keinen Ordnungsruf! Das lassen wir uns nicht gefallen! Das lassen wir uns nicht bieten!)

Posl. Patzel (pokraèuje): Ich kann der Frau nicht helfen, wir sind nicht hieher geschickt worden, um zu lügen und zu verschleiern, sondern die Wahrheit zu reden. (Hluk. - Výkøiky po volání k poøádku. - Posl. Knirsch: Er spricht vom Hunger und sie nennen uns Bagage! Hören sie das nich t, Herr Präsident? - Hluk. - Hlasy nìmeckých poslancù: Herr Präsident, haben sie denn kein Gerechtigkeitsgefühl?)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid. Dám si pøedložiti stenografický zápis, a zjistím-li, že byl pronesen výkøik, urážející nìkterý národ, budu volati pøíslušného poslance k poøádku. (Nìmecké výkøiky: Wie kann das ein Stenograph gehört haben! Die Stenographen konnten das doch gar nicht hören! - Posl. Kallina: Ich habe es doch gehört, der Betreffende leugnet es ja nicht, der mit der weißen Weste! - Nìmecké výkøiky: Wir sind bereit es zu bezeugen! - Posl. dr. Hanreich: Herr Präsident, hier ist ein konkreter Fall!)

Poslanec Patzel (pokraèuje): Meine Herren, dafür, daß wir den Hunger in den deutschen Gebirgsgegenden schildern, brauchen wir uns auch von einer Frau nicht Bagage zu heißen lassen. (Hlasy: To nikdo neøekl! - Výkøiky: Der Herr in der weißen Weste hat es gesagt! Es war keine Frau! Wir wollen erst den Ordnungsruf!) Lassen sie mich doch weiter reden. (Hluk.)

Die Regierung hat den Wohnungsfond geschaffen, aber auch mit dem Wohnungsfonde ist es in ganz merkwürdiger Weise ergangen. (Hluk.)

Die Herren Kollegeb beschweren sich, daß ein Kollege uns Bagage genannt hat! Das ist nicht parlamentarisch!

Pøedseda (zvoní): Už jednou jsem prohlásil, že dám si pøedložiti stenografický zápis, a zjistím-li, že bylo užito výroku na adresu nìkterého národa, budu volati pøíslušného poslance k poøádku.

Posl. Patzel (pokraèuje): Ich stelle fest, daß auch der Wohnungsfond derart verwaltet wurde, daß man erst dann etwas in die Öffentlichkeit brachte, als mehr als 90% davon aufgebraucht waren, aber nicht in den von den Deutschen bewohnten Randgebieten und daß hie und da ein dünner Brocken abfiel auf unsere deutschen Gemeinden. Und ich stelle fest, daß das planlose, willkürliche Herumversetzen von deutschen Staatsangestellten, die wie Sternschnuppen auf der Peripherie des èechischen Staates herumgeworfen wurden, aus chauvinistischen Gründen, nicht unwesentlich zur Wohnungsnot beitrugen, daß diese deutschen Staatsangestellten da, wohiu man sie aus angeblichem Staatsinteresse hinversetzte, Wohnung nicht finden, aufder Straßeliegen oder in elenden Schuppen wohnen müssen. (Výkøik: Humanität!) Von Humanität ist es auf diesen Bänken wohl längst ruhig geworden. Die trostlose Wirtschaftslage, von der gesprochen wurde, ist zu einem starkenTeile dadurch hervorgerufen werden, daß man, um die deutsche Industrie zu knebeln, sie durch eine èechische Industrie zu ersetzen, eine Wirtschaftspolitik trieb, aus der man nun den Ausweg nicht mehr findet. Die Folgen sind Arbeitslosigkeit ohne gleichen, Stellenlosigkeit von Hunderten und Tausenden von deutschen Arbeitern, von Hunderten von deutschen Angestellten und darum wirkt es ja ganz merkwürdig, wenn man jetzt verspätet kommt mit der Ankündigung einer Arbeitslosenversich erung zur selben Zeit, wo man im nord- und westböhmischen Industriegebiete gerade den Arbeitern jener Industrien, die man nicht arbeiten läßt, die Arbeitslosenu nterstützung entzieht, während für den Militarismus Geld genug vorhanden ist.

Der Herr Ministerpräsident hat uns belehrt, daß bisher die Quelle des Staatskredi tes fest ausschließlich auf Angehörige und Unternehmungen des èechischen Volkes beschränkt blieb. Er hat uns freilich nichts davon gesagt, daß auch diese Quelle nur ein ganz dünnes Quellulein war, und zwar deswegen, weil wegen des Verhaltens der èechischen Staatsverwaltung, die dem Verhalten eines böswilligen Kridatars gleicht wie ein Ei dem andern, auch die èechischen Staatsgenossen zu ihrem Staat nicht genügend Vertrauen haben. (Hluk.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid!

Posl. Patzel (pokraèuje): Und wenn der Herr Ministerpräsident und der Herr Finanzminister glauben, daß sie durch diese Spottgeburt von Dreck und Feuer, - gestatten Sie, daß ich dieses Wort aus "Faust" gebrauche für die Charakterisierung der Regierungsvorlage über die angebliche Entschädigung der Besitzer der Kriegsanleihe und über die neue Staatsanleihe - wenn sie glauben damit den Staatskredit zu heben, dann schädigen Sie Ihren eigenen Staat, damit werden Sie keinen Menschen hinter dem Ofen hervorlocken. Der Regierungsentwurf ist für die Deutschen unannehmbar und durch ihn werden sich die Deutschen nicht zur Zeichnung bewegen lassen. Die èechischen Staatsgenossen werden wahrscheinlich auch keine allzugroße Freude davon haben. Meine Herren! Um Ihnen aber zu zeigen, zu welchem Wahnsinn der Regierungsentwurf in seiner heutigen Fassung führen kann, will ich Ihnen zwei Beispiele vorführen: Der èechoslovakische Staat hat zwar die Gebiete übernommen, in welchen die Inhaber dieser Kriegsanleihetitres wohnen, er hat auch die Menschen in sein Gebiet übernommen samt Fundus Instructus. (Výkøik: Die Menschen hat er nicht gestempelt, wohl aber alles andere!) Wenn es möglich wäre, hätte er uns auch den Galeerensklavenstempel aufbrennen lassen. - Heute gehen sicherlich Tausende èechoslovakischer Soldaten in Uniformen herum, die mit dem Erlös der Kriegsanleihe bezahlt wurden. Auch in den èechischen Gebieten Böhmens, Mährens, Schlesiens und der Slovakei sind meines Wissens Unterhaltsbeiträge ausgezahlt worden aus dem Erlös der Kriegsanleihe, denn von einer ordentlichen Steuergebahrung war damals in Österreich nicht mehr die Rede. Wenn Sie aber mit einem solchen Hohn auf die Einlösung der Kriegsanleihe kommen, und dann noch ein Benefizium mit übernehmen wollen, dann ist dies ein Ding, das sich vor der Weltgeschichte und vor dem Finanzgewissen der èechischen Staatsgenossen nicht halten kann.

Pøedseda (zvoní): Upozoròuji pana øeèníka, že jeho lhùta již uplynula.

Posl. Patzel (pokraèuje): Herr Präsident, ich bitte gegen mich dieselbe Liberalität walten zu lassen, wie gegen den Vorredner. Ich werde mich bestreben, mich kurz zu fassen. Ich will an zwei Beispielen den Widersinn der Gesetzvorlage darlegen. Das èechische Oberlandesgericht in Prag - die Herren sitzen jetzt noch hier - hat den deutschen Gerichtsvorstehern im deutschen Gebiete aufgetragen - noch im Jahre 1918 - aus den schon verschuldeten . . . (Smích èeských poslancù) - wenn sie lachen, ist dies ein Zeichen des Tiefstandes ihrer Politik . . . Beständen der kumulativen Waisenkassen Kriegsanleihezeichnungen vorzunehmen. Wenn die Richter sich weigerten, wurde ihnen von demselben Prager Oberlandesgericht Disziplinarbestrafung angedroht. Als zweites, sinnfälliges Beispiel will ich den Bezirk Platten herauszugreifen. (Hluk.)

Pøedseda (zvoní): Prosím o klid!

Posl. Patzel (pokraèuje): Er ist von 10.500 Menschen bewohnt und hat 14 Millionen K Kriegsanleihe gezeichnet; davon sind 10 Millionen K belehnt. Dies geschah zu einer Zeit, als der spätere èechoslovakische Finanzminister noch aus bankmäßigen Rücksichten recht begeisterte Artikel für die Kriegsanleihe geschrieben hat. Jetzt sollen dieselben Leute, die nichts mehr haben - die Krankenkassen und die Gemeindesparkassen das Doppelte, die privaten kleinen Sparer das Dreifache aufbringen, um die Staatsanleihe zu zeichnen. Wenn sie das zu Wege bringen, dann sind sie die größten Wundertäter nach den Wundertätern des grauen Altertums.

Meine Herren! Der Herr Ministerpräsident hat auch Vorlagen über die Sozialisierung angekündigt. Es ist klar, daß der Zug der Zeit dahingeht und daß die Arbeiter ihrem Streben auch Nachdruck verleihen werden, daß sie aus Gegenständen und Werkzeugen des Wirtschaftslebens die Träger, die Mitträger des Wirtschaftstlebens werden. Mit Sittensprüchlein und Ermahnungen zur Arbeit wird man sicherlich die großen sozialen Zeitfragen nicht lösen und den großen sozialen Zeitströmungen nicht beikommen. Aber freilich, was von diesen Bänken bisher an Sozialisierungsanträgen gekommen ist, das ist keine Sozialisierung. Das Bodengesetz dient nicht dazu, um Kleinbauern zu schaffen, sondern um Legionäre an der Grenze anzusiedeln, es hat uns den famosen Herrn Liquidationsrat Kuèera gebracht sowie die Anschläge auf die deutschen Kurorte, die ja alle nahezu längst sozialisiert sind, weil sie Gemeinde-Eingentum sind. Das hat mit Sozialisierung nichts zu tun und die Deutschen werden sich sicherlich die Sozialisierungsvorschläge, die von den èechischen Bänken kommen, sehr gründlich ansehen. Wenn ihr Staat mit den Deutschen, die er zur Mitarbeiteinlädt für eine gewisse Übergangszeit, nur von einer solchen spreche ich - zu einer gewissen Ruhe und zu einem Beharrungszustand kommen will, dann muß er die Steine des Anstoßes aus dem Wege räumen. Sie müssen unserer Sprache das Recht geben, das vier Millionen Menschen in diesem Staate gebührt, Sie müssen das Recht auch geben allen anderen Nationen, die nicht freiwillig, sondern von Ihnen gezwungen in den Staatsverband gekommen sind. Und wenn Sie uns hereingenommen haben, dann müssen Sie die Sprache reden, die wir sprechen, selbst auf die Gefahr hin, daß aus der èechoslovakischen Staatssprache drei oder vier Staatssprachen werden. Sie müssen an die große Wiedergutmachung schreiten, von der heute schon hier gesprochen wurde, das Unrecht glatt und vollständig beseitigen, das Hunderten Gemeinden und Tausenden und Tausenden öffentlicher Angestellter zugefügt wurde. Sie müssen die Anschläge auf unser deutsches Schulwesen zurücknehmen und wirklich die Bahn freigeben für eine moderne, freie Schulentwicklung. Sie müssen auch die Hand bieten zu einer wahrhaft gleichmäßigen Erfassung, aber auch gleichmäßigen Verteilung der Lebensmittel, nicht zu einer national-territorial abgegrenzten Verteilung; hier finden wir die territoriale Abgrenzung ganz gut - sie müssen die Unterschiede in der Versorgung der einzelnen Bezirke beseitigen und so die hungernden Menschen an eine Gerechtigkeit glauben lassen.

Allerdings müssen Sie auch, wie schon gesagt, Ihre eigenen Volksgenossen zum Staatsgefühl erziehen und dann können Sie an uns herantreten. Um das Problem der nationalen Autonomie kommen Sie nicht herum. Darin hat allerdings Dr. Kramar recht: - und ich spreche hier sicherlich nicht nur für meine Partei, sondern auch für einen Großteil der deutschen Vertreter und wohl auch vieler nicht deutscher Vertreter gilt der Satz -: Das Endziel des Kampfes um die Selbstbestimmung ist der nationale Einheitsstaat.

Und wie ihn die èechische Nation für sich errungen hat, so wollen wir, daß auch die Deutschen und auch die Angehörigen aller anderen Nationen ihn sich erringen. Wir wollen den nationalen Einheitsstaat aus völkischen und sozialen Gründen, wir insbesondere als Nationalisten und als Sozialisten.

Wir sahen ja, wie selbst die großen Probleme der Sozialversicherung immer und immer wieder an nationalen Hemmungen scheiterten. Wollen Sie dieses Beispiel wieder erleben, in Ihrem Staate neu aufrichten, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn kundige Leute diesem Staate schließlich und endlich ein Unglück prophezeihen, daß vielleicht das Entösterreichern nach der anderen Seite hin ergänzt. (Výkøiky.) Herr Dr. Kramáø hat heute erklärt, wenn es einmal gelingen könne, eine volle Vereinigung der Slovaken auf den èechischen Staatsgedanken herbeizuführen, dann würden die Èechen nicht mehr nötig haben, sich vor den Deutschen zu fürchten. Wohl hat nach meiner Meinung manches, was heute von dieser Stelle gesprochen wurde, diesen Traum Dr. Kramáø's für immer in das Reich der Fabel, in das Märchenland verwiesen. Wir wollen nicht, daß die èechische Nation sich vor uns fürchtet, wir wollen sie aber andererseits darüber belehren, daß wir ihr den Respekt abzwingen werden, den der Kampf um das Recht auch den anderen abnötigen muß, und wir wollen sie darüber belehren, daß auch wir weder die èechische Nation, noch ihre heutige Politik fürchten. (Potlesk nìmeckých poslancù.) Wenn Herr Vlastimil Tusar gesagt hat, eine alte Welt versinkt und eine neue Welt entsteht, so weise ich ihn darauf hin, daß auch die politisch-nationale Entwicklung in Europa noch lange nicht abgeschlossen ist, daß die politisch-nationale Entwicklung noch neue Stadien vor sich sieht und daß wir Vertreter der unterdrückten Völker gewillt sind, mit allen Fasern unserer Seele und mit allen unseren Kräften dahin zu arbeiten, um nach unserem Können diese Entwicklung zu beeinflussen. Wir hoffen, daß dabei die èechische Nation in klarer Erkenntnis der Lebensnotwendigkeiten ihres eigenen Staates in Zukunft sich mit uns darüber zu verständigen gedenkt und wenn es schon die in Paris und London aussprachen, wird man sich auch in Prag einmal darüber klar werden müssen, daß die Revision verschiedener Punkte der Verträge von St. Germain und Versailles unabweislich ist.

Die Entwicklung der großen wirtschaftlichen Fragen drängt nach dem Zusammenschluß großer Wirtschaftsverbände und diese Entwicklung weist die Èechoslovakei, den èechoslovakischen Staat nicht nach Polen und nicht nach Frankreich, sondern sie führt die Staaten zusammen in den Gebieten von dem Quellengebiet der Oder und Elbe bis zu den Mündungen derselben. Und wenn Ihnen das Wort Mitteleuropa noch so sehr verhaßt ist, wenn Sie Ihren Staat befestigen wollen, werden Sie daran denken müssen. Ich erinnere daran, daß die größten und schönsten Kulturepochen des Königreiches Böhmen damals waren, wo es in engster Gemeinschaft mit dem alten deutschen Reiche stand und wo böhmische Herzoge und Könige Kurfürsten des deutschen Reiches waren. Und doch wurde die èechische Nation nicht entnationalisiert. Es kamen nicht nur Burgunderreben und Hopfen, sondern viel deutsche Kultur und die deutsche Universität ins Land. Die èechische Nation hatte keinen Schaden davon und sie wird keinen Schaden haben, wenn sie mit der großen deutschen Nation in einem großen Wirtschaftsverband sein wird. An ihr selbst liegt es aber, diese Entwicklung herbeizuführen, denn sie kommt und drängt danach. Führen wir selbst, die Staaten an der Elbe und Oder, nicht gemeinsam diese Entwicklung herbei, dann wird die Not gemeinsam uns noch mehr zu Sklavenstaaten des westländischen Kapitals machen, als Deutschland und Deutsch-Österreich und Sie heute schon sind. Eine freie Entwicklung Ihres Staates können und werden Sie nicht anders erlangen, als indem Sie sich mit diesem Gedanken vertraut machen. Daß wir Deutsche in den Sudetenländern, wenn diese Frage herankommen wird, nicht in der Rolle von Lohnsklaven dabeistehen, sondern in der Rolle von gleichwertigen Mitstreitenden und Mitkämpfenden, daß werden Sie wohl verstehen. Wir meinen, die schönste Entwicklung für die Deutschen und Èechen in diesem Siedlungsgebiete könnte dann anbrechen, wenn es möglich wäre, daß die deutsche sozialistische Republik, zu der auch die deutschen Sudetengebiete gehören werden und müssen, mit der èechischen sozialistischen Republik Vereinbarungen trifft über große mitteleuropäische Wirtschaftsbeziehungen. Diesem Gedanken werden wir nachhängen, und um ein Wort Goethes zu variieren, will ich sagen: Nach einem solchen Ziel wollen wir gehen, als freies Volk auf freiem Grunde stehen. (Hluèný potlesk nìmeckých poslancù.)

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