Pondìlí 10. dubna 1876

Die Majorität scheint die endliche Durchführung des natürlichen und positiven Grundrechtes respektive wirklicher Gleichstellung der böhmischen Nation an der bestehenden Universität oder durch Errichtung einer zweiten selbständigen annoch von Bedingungen abhängig machen zu wollen, welche zwar etwas glatter, als die Erklärung der deutschen Minorität bei Behandlung desselben Gegenstandes in diesem h. Hause vor 10 Jahren lautete, milder abgefaßt sind, doch aber unser nationales Gefühl und Rechtsbewußtsein noch immer empfindlich berührten.

Ist es überhaupt mißlich und bedenklich, wenn Vertreter einer Nationalität über die Wünsche und Bedürfnisse einer anderen Nation absprechen sollen oder wollen, so ist dies im vorliegenden Falle um so gewagter. Wir können ein solches Forum für unser Nationalanliegen nie anerkennen.

Die böhmische Nation, welche sich rühmen kann, vor einem halben Jahrtansende schon ihre "ehrwürdige alma mater" unter den Ersten in ganz Europa gehabt zu haben, die böhmische Nation, von welcher deutsche Geschichtsschreiber wie Menzel, der wahrlich nicht im Geruche freundlicher Gesinnung für die Slaven steht, nicht umhin konnte, in feiner "Geschichte der Deutschen" ausdrücklich anzuerkennen: daß die Deutschen (vor der Reformation) in der Bildung ein volles Jahrhundert hinter den Böhmen standen, mit Stolz behaupten wir treue Söhne dieses Volksstammes, von zuversichtlichem Bewußtsein getragen: daß die böhmische Nation heute wohl nicht nöthig habe, ihre Berechtigung, geschweige Befähigung zur ungeschmälerten Ausbildung in allen wissenschaftlichen Disciplinen der Hochschule und ihr Anrecht an volle nationelle Parität mit den deutschen Theil-

nehmern an der Prager Universität erst zu erweisen !                                 

Man hat es oft als beneidenswerthen Vorzug hingestellt, daß wir Böhmen slavischer Nationalität sogar regelmäßigen Intelligenz=Export führen und bis auf die neueste Zeit ein starkes Kontingent namentlich an Beamten, Juristen, Aerzten und Lehrern für alle Länder des Reiches stellen.

Weit entfernt, auf solchen Export besonderen Werth, zu legen, sollte diese Wahrnehmung, meinen wir, doch Jenen, welche um die Ehre der Hochschule und um gedeihliche Entwicklung der Wissenschaften daselbst so sehr besorgt sind, zur Beruhigung dienen, daß wir mit anständiger Besetzung aller Universitätsfächer nicht in Verlegenheit kommen, daß sich bei uns auch für die Hochbildung in allen Zweigen menschlichen Wissens bald geeignete Lehrkräfte finden, sobald berufene Organe sie ernstlich suchen und ihnen hier anständige Stellung gewähren.

Wir erinnern daran, wie ganz gleiche Bedenken vorgebracht wurden, als es sich hier um Gleichstellung beider Landessprachen an der technischen Hochschule oder um abgesonderte Errichtung einer böhmischen Polytechnik handelte; alle diese Befürchtungen und Anstände sind aber längst zu nichte: seit Jahren steht die böhmische Potytechnik ehrenvoll da, ebenbürtig neben der deutschen; ihre Wirksamkeit ist von unzweifelhaftem " Erfolge" gekrönt, und es wird mehrfach anerkannt, daß die geschaffene Konkurrenz beiden Instituten eher nütze, als schabe, indem sie beide zum wohlthätigen Wetteifer anrege.

Nach allen den Wahrnehmungen unterliegt es nun keinem Zweifel, daß im böhmischen Volksstamme die "persönlichen und fachlichen Mittel" zur Errichtung einer Universität in vollem Maße vorhanden feien!

Bei solchen Anlässen drängt sich unwillkürlich die Frage auf: ob es überhaupt angehe, neue Errichtungen in threm Entstehen so difficil an äußere Formalitäten zu binden ? Ob denn Karl IV. bei Begründung der hiesigen Universität vor 500 Jahren ähnliche Nachweise forderte? Wie großartig war wohl die deutsche Literatur in jener streng wissenschaftlichen, universellen Richtung zur Zeit, als an den Universitäten Deutschlands statt des todten Lateins die deutsche Sprache eingeführt worden ist? Wie war´s mit derlei "sachlichen Mitteln" bei anderen, kleineren Völkern bestellt, als man dort an die Errichtung der ersten Hochschule ging, wie z. B. in Schweden, Dänemark, Holland. Portugal, neuerer Zeit in Ungarn, Kroatien x. Dennoch wird kaum Jemand bestreiten, daß auch dort die Hochschulen jenen frommen, denen sie die höhere Bildung vermitteln. Und war etwa das "Bedürfniß" der so schleunig vollzogenen Errichtung einer neuen deutschen Uni-

versität zu Èernowitz größer, diesfällige "Forderung" So unzweifelhaft "gerechter" die Bürgschaften für deren "Erfolg" in der Bukowina "vollkommener", daß unsere Regierung und Reichsvertretung - sich ohne irgend welche Nachweise zui fordern - dort so willfährig mit Bewilligung der Mittel und mit der unverzüglichen, vollständigen Durchführung beeilte ?! Wenn man diese Vorgänge unseren Verhältnissen entgegenhält, dann ist bei objektiver Betrachtung Schwer begreiflich, wie man verkennen, oder auch nur zweifeln kann, daß unsere Forderung endlicher Gewährung des durch Decennien vom ganzen Volke laut und immer lauter geäußerten Verlangens nach ungehinderter und ungeschmälerter universeller Bildung in allen Richtungen entschieden berechtigt sei, wie kaum in einem anderen. Lande des Reiches, mag man die persönlichen oder sachlichen Rücksichten in's Auge fassen, wobei auch die finanzielle Seite nicht übersehen werden sollte, daß die nationell böhmische Bevölkerung von ihrem hervorragenden Besitze im Königreiche Böhmen (mitten in Böhmen. Mähren und Schlesien) mindestens ihre gute Hälfte zu den ungeheneren Summen beisteuere, welche jährlich in die Staatskasse fließen, woraus durch so viele Jahre mehrere Universitäten mit deutscher und mit anderen Unterrichtssprachen, bisher aber keine voltständig mit böhmischer Sprache dotirt und erhalten werden.

Aus alle diese gewichtigen Umstände wirb in den vorliegenden Petitionen mit Nachdruck hingewiesen unter zissermäßiger Darlegung, wornach dem böhmischen Volksstamme in Oesterreich eigentlich zwei vollständige Universitäten gebühren.

Wofern auch das Sprachliche "Mittel" für die Hochschulen in Frage gestellt werden wollte, bemerken wir in genauer Kenntniß beider Landessprachen und mehrerer anderer, daß die Böhmische Sprache schon durch ihre bisherige Ausbildung an sich einen Schlagenden Beweis hoher Volksbildung liefert, daß sie durch ihren Reichthum, durch ihre kurze und genaue Ausdrucksweise in Präcifirung der Begriffe in allen Gebieten des menschlichen Wissens und Denkens - keiner bekannten Weltsprache nachsteht und ihre Entwicklungsfähigkeit gerade für die höheren Wissenschaften am sprechendsten dadurch erwies, daß sie ohne Schwierigkeit kennzeichnende und leicht faßliche Terminologien für allerlei Fachwissenschaften, namentlich für Chemie u. dgl. darbietet, wie sie selbst in deutscher Sprache bisher nicht erreichbar scheinen.

In. Anbetracht alles dessen scheint es fast, daß die Anreger hinhaltenden Bedenken und Hindernisse in Betreff der Einrichtung einer vollständigen Universität mit böhmischer Unterrichtssprache - den zu gegenwärtigen Erfolg weniger bezweifeln, als vielmehr fürchten, einen vielleicht zu mächtigen, rückwirkenden Einfluß besorgen.

Nun - wie die Wissenschaft keinem Volke allein angehört, das menschliche Wissen insgesammt umfaßt und - Wenn man von der Höhe der Wissenschaft spricht - umfassen soll, daher sich keine Literatur eines einzelnen Volkes einbilden darf, irgend eine Wissenschaft dem ganzen Umfange, der ganzen Höhe nach in sich zu fassen, während das menschliche Wissen täglich fortschreitet; ebenso ist andererseits das Reich des Wissens und geistigen Lebens unermeßlich, die Genüsse der Wissenschaft, der Born geistiger Labsale und moralischer Veredelung unerschöpflich ! Kein Mensch wird ärmer, kein Volk erleidet für sich einen Abbruch durch den Zutritt, durch humane Theilnahme Anderer. In diesem erhabenen Sinne wollen wir die Universitätsfrage aufgefaßt, wollen wir Böhmen die Pforten des Musentempels bis zur höchsten Stufe der Wissenschaft, zu deren natürlicher, volksthümlicher Pflege auch unserem böhmischen Volksstamme geöffnet sehen, ohne den gleichen Weg unseren deutschen Landsleuten vertreten oder verschränken zu wollen!

Seit Jahrhunderten leben im Königreiche Böhmen zwei Volksstämrne beisammen, deren Jeder innerhalb der Landesgrenzen nach Millionen Seelen zählt; und außerdem, der Sprache nach, einer mächtigen Nation oder Völkerfamilie angehört: die Einen der Deutschen, die Anderen t und zwar diese in überwiegender Zahl der Slavischen Nationalität. Beide Volksstämme sollen durch freundnachbarliche Berührungen, durch freundschaftliche Beziehungen zu eigenem Wohle zugleich eine allgemeinere welthistorische Mission im Geiste der Humanität zum friedlichen Bestehen und Vertragen beider Nationen im Ganzen erfüllen.

Der Landesvertretung steht es wohl an, liegt geradezu ob, auf die Entwicklung Beider Volksstämme gleichmäßig bedacht zu fein.

Dazu ist vor Allem unerläßlich, daß die Angehörigen beider Volksstämme im Lande sich gegenseitig achten, nicht minder auch die Beiderseitige Nationalität in der Gesammtheit und deren gleichartige Bedürfnisse: kein Volksstamm darf sich dann gegenüber dem anderen - mißachtend überheben, oder den anderen wohl gar als Mittel für feine Ausbreitung oder Herrschsucht behandeln, Keiner darf sich einbilden, geschweige es anstreben, ein "k. k. ausschließliches Privilegium auf universale Bildung zu Besitzen und zu behalten!

Von diesem Standpunkte aus kann die Landesvertretung des Königreiches Böhmen nicht gleichc^ittiQ über die Beschwerden und Klagen des böhmischen Volksstammes im Vaterlande hinweggehen - ohne wohlwollende Fürsprache für die so auffallend zurückgesetzte" Nationalität der böhmischen Landesbevölkerung.

Die Würde und gegenseitige Achtung jeder Nation, - Besonders unter den offenkundigen.

hier obwaltenden Verhältnissen heischt nicht blos unbedingte Anerkennung eines unlängbar natürlichen und positiven Rechtes, sondern mich willfähriges Entgegenkommen, freundliche Unterstützung zur unverzögerten Erreichung eines so humanen, gemeinnützigen Zieles möglichst allgemeiner höherer und höchster Bildung.

Schon der Bestand böhmischer Mittelschulen als Vorbildungsanstalten für die Hochschule muß auch eine solche mit böhmischer Vortragssprache zur Folge haben. Es ist auffallend inkonsequent und ungerecht, wenn man mit Hintansetzung aller Rücksichten für die aus den böhmischen Mittelschulen austretende Jugend nicht weiter sorgt, sie durch die Mangelhaftigkeit der bisherigen Bildungsmittel für's böhmische Volk bei ihrem Austritte, trotz des besten Erfolges auch bei vorzüglicher Befähigung - in die traurige Alternative fetzt, ihre Studien zur weiteren Ausbildung aufzugeben, oder aber sich erst die deutsche Sprache - auch mit ausländischen Sprachweisen - anzueignen, um die zweckdienlichen Vortrage an der Prager Universität mit einigem Nutzen hören zu können.

Zweck und Würde der Hochschule selbst fordert es, daß man sie nicht zu Sprachanstalten herabwürdige, noch auch als bloße Brotstudien behandle.

Wie sehr haben sich die deutschen Landsleute und deren legale Vertreter im böhmischen Landtage dagegen gewehrt, als zur Anbahnung allgemeiner Verständigung in ein Landesgesetz die Bestimmung aufgenommen wurde: daß - unbeschadet der natürlichen nationalen Ausbildung an Mittelschulen mit böhmischer Unterrichtssprache die deutsche - und an jenen mit deutscher Unterrichtssprache die böhmische Sprache als bloßer Lehrgegenstand obligat werde. Die Deutschen erklärten dies für eine Gefährdung nicht bloß ihrer Jugend, sondern auch ihrer Nationalität, und glaubten sich nicht genug beeilen zu können, dieses sogenannte und stark verpönte "Sprachenzwangsgesetz" durch Aufhebung jener Bestimmung abzuändern

Wie kann man darnach uns - dem böhmischen Volksstamme, der böhmischen Jugend zumutheni, die letzte, höchste Ausbildung an unserer Hochschule fortan nur in deutscher Sprache hinzunehmen.

Der hohe Landtag des Königreiches Böhmen käme mit sich selbst in grellen Widerspruch, wenn Hochderselbe dies billigen, auch nur stillschweigend gutheißen würde.

Was Einem Volksstamme des Landes unzuträglich, ja geradezu eine Rechtsverletzung ober Gefährdung nationeller Interessen schien: wie kann, soll das, ja noch weit Schlimmeres dem böhmischen Volksstamme weiterhin angethan werden, welcher sonst schon darum, weil ihm anderwärts keine derartige Bildungsmittel in seiner Sprache zugänglich sind, die er hier in seiner Heimath

nicht findet, - in Absicht auf Hoch- und Fachbildung viel ungünstiger gestellt ist als die Deutschen, denen so viele Hochschulen und andere Hilfsmittel in der angedeuteten Richtung zu Statten kommen. Was der Literatur eines Volkes abgeht, wird aus Werken anderer Nationen zusammengetragen und ergänzt. So wird jede Erfindung, alles menschliche Wissen durch Uebersetzungen, Vorträge, Mittheilungen und Bearbeitungen berufener Fachmänner zum Gemeingute aller Völker. Dazu finden sich überall Männer vom Fache vor. Einzelnen kann es zur Aufgabe gemacht werden, wie es eben durch höhere Bildungsanstalten gefördert wird; unbegründet, zweckwidrig wäre aber eine solche Zumuthung ganzen Völkern gegenüber, daß ihre sämmtliche Jugend erst alle jene Sprachen zu erlernen hätte, in welchen gute Schriften vorkommen.

Wir meinten übrigens und glauben noch, baß die nationelle Gleichstellung an der Prager Universität durch vollständige Besetzung aller erforderlichen Lehrfächer in beiden Sprachen und zugleich durch Aufstellung derartiger Prüfungskommissionen in allen Richtungen durchgeführt Werden könne, ohne daß es der Gründung und Einrichtung einer ganz neuen selbstständigen Universität bedürfte; wir nahmen die Neuerrichtung einer solchen auf, als wir vernahmen, daß dieser Weg den deutschen Vertretern besser entspräche. In diesem Sinne sind auch die Petitionen aufzufassen. Wir wollen jedoch den entscheidenden Stellen nicht vorgreifen, ob sie es vorziehen, in dieser ober jener Weise dem ausgesprochenen Bedürfnisse und Verlangen des böhmischen Volksstammes gerecht zu werden.

Iu Erwägung alles dessen erwarten wir wohlgeneigte Förderung unseres hochwichtigen Anliegens von allen Seiten des hohen Hauses und stellen daher den Antrag, Hoher Landtag wolle beschließen: Bei Abtretung ber Petitionen an die k. k. Regierung werde diese zugleich aufgefordert, sofort entsprechende Einrichtungen zu treffen, daß im Königreiche Böhmen Jedem die Möglichkeit geboten werde, Sich unter Einhaltung gesetzlicher Bedingungen die universale Bildung in allen Gebieten ber Wissenschaft, nach jeder Richtung hin, in böhmischer oder in deutscher Sprache anzueignen; überdies sei aber auch für angemessene Einrichtung der nöthigen Prüfungskommissionen an der Hochschule zu Prag Sorge zu tragen, damit die Hörer der Universität nach freier Wahl ihre Prüfung daselbst in einer wie in der anderen Landessprache ablegen können.

Prag, am 6. April 1876.

Dr. Trojan,

Berichterstatter der Minorität.


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