Sobota 17. ledna 1874

Den zweiten Einwurf, daß im alten Gebär= banse voraussichtlich auch die geheime Abtheilung belassen und daselbst die Errichtung einer dritten geburtshilfichen Klinik beabsichtigt werden dürfte, glaubt die Kommission damit zu entkräften, daß bereits im neuen Gebärhause für eine geheime Ab= theilung mit 14 Zimmern fürgesorgt ist und selbst das "Verbleiben derselben im alten Gebärhause würde nach dem Urtheile des Irrenhausdirektors nicht scha= den, da sie sowohl im Hause als im Garten von den übrigen Gebäuden vollständig getrennt ist und selbst die Wohnungen der Aerzte x. sich in ihre Nähe verlegen ließen.

Die Errichtung einer dritten geburtshilflichen Klinik ist bloßes Projekt und dürste kaum re= alistrt werden, weil dessen Nothwendigkeit nicht leicht einzusehen ist, indem seit Jahren nicht allein die Zahl der Studierenden und der Fremden, wel= che hieher zu studiren kamen, sondern auch der Wöchnerinen bedeutend abgenommen hat, das Mate= rial für zwei Kliniken ohnedies kaum hinreicht, da die Zahl der Wöchnerinen von 4000 auf 2400 herab= geschmolzen ist.

Die Kommission hat aber auch in reisflicher Erwägung aller Verhältnisse der Schaffung einer dauernden Abhilfe ihre Aufmerksamkeit zugewendet und beschloß die Errichtung einer definitiven An= statt im Südwesten Böhmens dem hohen Landtage als unerläßlich nothwendig zu empfehlen.

In Erwägung alles dessen stellt daher die Kommission folgende Anträge:

Der hohe Landtag wolle beschließen:

I.    Es habe von dem vom Landesausschuße in der Abscisse des Irrenhausparkes beabsichtigten Neuban abzukommen.

II.   Der Landesausschuß wird beauftragt, da= raus zu dringen, daß die neue Gebäranstalt bald= möglichst bezogen werde.

III.      Der Landesausschuß wird beauftragt und ermächtiget, das alte Gebärhaus zur provisorischen Unterbringung von Geisteskranken zu adap= tiren und dessen Belegung sobald als möglich zu veranlassen.

IV.   Der Landesausschuß wird beauftragt und ermächtigt, behufs Neubaues einer Irrenanstalt im südwestlichen Theile Böhmens die Einleitung zu treffen, hiezu ein passendes Objekt zu erniren und

hierüber dem nächsten Landtage Bericht zu erstatten und Anträge zu stellen.

Komise navrhuje:

Slavný snìme raciž se usnesti:

I.    S nové stavby, kterou zemský výbor zamýšlí, sejde.

II.   Zemskému výboru se ukládá, naléhati na to. aby nová porodnice co možná nejdøíve se osadila.

III.    Zemskému výboru se ukládá a moc dává, aby starou budovu porodnice zatím pro zaopatøení choromyslných upraviti dal a se postaral, aby co možná nejdøíve osazena byla.

IV.    Zemskému výboru se ukládá a moc dává, aby za pøíèinou stavby nového blázince v jihozápadních Èechách pøedbìžné kroky èinil, k úèeli tomu vhodné místo vyhlídnul a o tom pøíštímu snìmu zprávu i návrhy podal

Ich empfehle dem hohen Landtage die An= nahme der von der Kommission gestellten Anträge.

Oberstlandmarschall: Ich eröffne die Debatte. Herr Dr. Tedesco hat das Wort.

Abg. Dr. Tedesco: Hoher Landtag!

Ich würde an dem heutigen als dem letzten Tage unserer Sitzungen das Wort nicht ergriffen haben, um namentlich gegen einen Antrag zu spre= chen, der seiner Natur nach in das Gebiet der Verwaltung schlägt und dabei es sehr schwer ist, die Gründe für und wider in dem vollen Hause zu erörtern; ich würde also nicht das Wort ergrif= fen haben, wenn ich nicht als Landesausschußbei= sitzer die Pflicht hätte, mich des mir gewordenen Auftrages des Landesausschußes zu entledigen.

Es handelt sich nunmehr für den Landesausschuß darum, die Verantwortung für die Folgen der Beschlüsse, wie sie die löbl. Kommission angeführt hat, von sich im Vorhinein abzuweisen und im Vorhinein zu sagen, daß mau für die Folgen die= ser Beschlüsse die Verantwortung nicht übernehmen könne. Die Gründe dafür sind folgende: Der hohe Landtag hat in feiner verflossenen Session den Landesausschuß ermächtigt, in einer anderen Weife für die Unterbringung von 150-200 Geisteskranken zu sorgen und hat ihm dabei auf 2 Objekte hingewie= sen, welche Objekte jedoch sich im Laufe der Zeit als vollständig undurchführbar erwiesen haben, und zwar, weil das eine nicht verkäuflich und das andere theilweise durchaus unpraktikabel und von sämmtlichen Fachgenossen als unmöglich für einen Belegraum erklärt worden ist. In Folge dessen hat nun der Landesausschuß die h. Statthaltern aufge= fordert, daß ste an sämmtliche Bezirkshauptmannschaften des Landes die Weisung ergehen lassen wolle, ihr mitzutheilen, ob in ihrem Bezirke sich ge= eignete Objekte sinden, die zur Unterbrtugung von Geisteskranken geeignet wären und welche zu diesem Behufe adaptirt werden könnten. Es sind auch Inder That etliche 20 derlei Offerten eingelangt, von denen keine einzige als nur irgendwie brauchbar sich erwiesen hätte.

Ich will nur beispielsweise das anführen, daß ehemalige Schüttboden angeboten wurden, welche doch offenbar zur Unterbringung einer Quantität Geisteskranker vollkommen untauglich find. Unter diesen Umständen wurde nun eine Enquetekommission zusammengesetzt, die diesen Gegenstand berathen sollte.

Es wurde zu dieser Enquetekommission der Direktor und beide Primärärzte der Landesirrenanstatt, zwei Abgeordnete der hohen Statthalterei resp. des hohen Sanitätsrathes, d. i. Herr Regie= rungsrath Professor Dr Jaksch und Hr. Statthal= tereirath Dr. Hoser, ferner Regierungsrath Profes= sor Dr. Halla, dann Hr. Krankenhausdirektor Dr. Biermann und Hr. Dr. Spielmann, der aber sein Ausbleiben später entschuldigte, dann Dr. Görner und 2 Rechnungsräthe und zwei Ingenieure beige= zogen. In dieser Kommission hat allerdings der Herr Irrenhausdirektor Fischet auf. das alte Ge= bärhaus hingewiesen, nachdem aber von mir jene Gründe entwickelt wurden, welche gegen die Be= nützung des alten Gebärhauses sprechen und nach= dem das Projekt entwickelt wurde, in der Abscisse des Irrenhausgartens einen neuen Flügel aufzubauen, hat die Enquetekommission mit Einschluß des Herrn Dr. Fischel dieses Projekt als das zweckmäßigere anerkannt. Die Gründe aber, die dafür ge= sprochen haben, daß das alte Gebärhaus nicht füglich der Irrenanstalt eingeräumt werden könnte, waren diejenigen, daß ja das alte Gebärhaus schon seit vielen Jahren, und zwar seit dem Momente, wo der Neubau des Gebärhauses in Angriff ge= nommen werden sollte, vom hohen Landtage dazu bestimmt ist, daß die Findelanstalt hineinkommen soll. Die Findelanstalt befindet sich gegenwärtig in höchst ungenügenden und unzweckmäßigen Räumen. Abgesehen davon ist die Findelanstalt in zwei Hän= sern untergebracht, theilweise in einem gemietheten Lokale, wobei der Landesausschuß in jedem Jahre gesteigert wird, wobei ein Contract auf eine längere Zeitdauer von dem Besitzer nicht eingegangen wird eben behufs der hier auch bereits für das nächste Jahr angekündigten abermaligen Steigerung; der andere Theil ist aber in dem Administrationsgebäude des Irrenhauses untergebracht und diese Räumlich= keit würde, im Falle das Findelhaus in das alte Gebärhaus kommt, vollkommen dem Zwecke der Irrenanstalt übergebbac sein. Nebstdem hat sich im Lause der letzten Zeit auch noch der Umstand erge= ben, daß das hohe Ministerium sich an den Lan= desausschuß wendete mit der Anforderung, seine Er= klärungen zu geben und die Mittel zu treffen, da= mit eine dritte Geburtsklinik in Prag errichtet wer= den könnte. Uiber die Zweckmäßigkeit einer solchen Errichtung hat der Landesausschuß ja gar kein Ur= theil, das steht natürlich dem Ministerium, der Reichsvertretung zu.

Jedoch mußte der Landesausschuß über die Möglichkeit der Durchführung sich entschließen und dem Ministerium berichten. In der Beziehung wurde

min gesagt, daß im Laufe des heurigen Jahres diese Errichtung eine Unmöglichkeit ist, weil im alten Gebärhause kein Platz vorhanden sei, daß aber, wenn das neue Gebärhaus wird eingerichtet sein, es allerdings möglich wäre, jedoch nur unter der Bedingung, daß die geheime Abtheilung in dem alten Gebärhanse fortbleibe, weil jene Räumlichkeiten, welche der geheimen Abtheilung im neuen Ge= bärhause zugewiesen sind, dann der 3. Klinik zuge= wiesen werden müßten. Es tritt demnach die Noth= wendigkeit an den Landesausschuß heran, für diesen Fall ebenfalls Vorsorge zu treffen. Ich bemerke ferner, daß eine Abweisung des Verlangens derh. Regierung, wenn es an den Landesausschuß herantritt, nicht möglich wäre und zwar aus dem Grunde nicht möglich wäre, weil das alte Gebärhaus auf Grundlage einer Ermäch= tigung, welche das h. Ministerium im "Jahre 1872 erst gegeben hat, an den Gebärhausfond grund= bücherlich einverleibt wurde.

Es hat nämlich die h. Regierung sich bei der Uebergabe dee Humanitätsanstalt an die Landes= vertretung die Eigenthumsrechte vorbehalten und erst im Jahre 1872 hat sie zu Gunsten des Ge= bärhausfondes die grundbücherliche Uebertragung des alten Gebärhauses gestattet. Es ist also klar, daß das Gebäude des alten Gebärhauses vor Allem für Zwecke des Gebär= und Findelhauses wird in Anspruch genommen werden müssen, und daß es nicht angeht, dasselbe zu verweigern und anderen Zwecken zuzuwenden, insoweit Räumlichkeiten dafür vorhanden sind. Ich bemerke übrigens, daß in der Sitzung vom 16. März 1866 ein Landtagsbeschluß gefaßt wurde, und zwar auf Grundlage langwie= riger Unterhandlungen, die zwischen den verschie= denen Vorständen der verschiedenen Humanitäts= auftalten, der Statthalterei, dem Landesausschuße (damals waren die bezüglichen Referenten der beiden Landesanstalten Dr. Rieger, Dr. Görner und der selige Graf Thun) gepflogen wurden und es kam da auf Grundlage einer Enquetekommission ein Ver= theilungsmodus der am Windberge gelegenen und dem Lande zugehörigen Realität zu Staude und der h. Landtag hat in dieser Sitzung diesen Ver= theilungsmodus genehmigt und hat ebenfalls diese Realität dem Gebär= und Findelhausfonde zuge= wiesen. Ich bemerke übrigens, daß hier die Ein= würfe, als ob der Neubau erst später fertig werden würde, als die Gebäranstalt zur Belegung gelangt, kaum stichhalten. Denn im ärgsten Falle kann sich der Unterschied auf 3--4 Monate belaufen, länger nicht. Für eine so lange Zeit wäre aber eine momentane Aushilfe allerdings zu treffen, denn in einem und demselben Hause kann die geheime Gebärabtheilung oder das Findelhaus und das Irrenhaus nicht bestehen. Die Irren würden allerdings nicht durch die Nähe der geheimen Abtheilung belästigt, aber umgekehrt wird die ge= heime Abtheilung sehr belästigt. Es können ja die Findelkinder und Säuglinge in die Nähe der Irren nicht gebracht werden, die gemeinschaftliche Benützung

eines und desselben Hauses ist ein Ding der Un= möglichkeit. Wohl wäre es denkbar und möglich, daß ein Theil des alten Gebärhausgebäudes, das ist das vollständig allein stehende Gebäude für jene Zeit, wo es nothwendig ist zur provisorischen Unterbringung von Geisteskranken, allerdings benützt werden konnte.

Ich bemerke übrigens, daß das alte Gebär= haus durchaus nicht zweckmäßig zur Unterbringung von Irren sei, und das wird jeder zugestehen und zwar deshalb, weil die Korridors fehlen und weil da die Geisteskranken immerwährend in den Zimmern eingesperrt werden müssen, was bei der Behand= lung und Verpflegung ein sehr großer Uebelstand wäre; denn wenn nicht schönes Wetter ist und sie nicht in den Garten können, so müssen sie im Zimmer bleiben und haben keine Korridore zur Benützung Es ist also unzweckmäßig und würde überdies viele Kosten verursachen. Es würden an den Landes= ausschuß noch andere Schwierigkeiten herantreten und das wäre für den Fall, als das Schulgebäude von Kosmanos, welches für die gegenwärtig dort untergebrachte weibliche Abtheilung gemiethet wurde, gekündigt würde, was beim bevorstehenden Verkaufe der Gutsherrschaft Kosmanos sehr leicht möglich ist, und wenn wir gar keinen auch nur halbwegs möglichen Raum hätten, in dem wir provisorisch nur auf kurze Zeit Jemanden unterbringen könnten.

Es ist das eine ungemeine Schwierigkeit, wenn man auf alle Räumlichkeiten in dem äußersten Maße rechnet, und setzt den Landesauschuß in die unangenehme Nothwendigkeit, daß er auf die här= testen und unverschämtesten Bedingungen der Mieth= geber eingehen muß, weil eben die Nothwendigkeit hiezu besteht. Ich bemerke, daß, wenn im Kommis= sionsberichte angeführt worden ist, daß ja ein Findel= haus überall untergebracht werden kann, dies nicht möglich ist, denn dasselbe muß in unmittelbarer Nähe des Gebärhauses sein; es muß von demselben verwaltet werden und bezieht von demselben auch die Kost. Daß dies nicht möglich ist, wenn das Findelhaus in anderen Städtetheilen untergebracht ist, ist klar, wie auch, daß es vollständig unmöglich ist, auf dem Platze, wo sich jetzt die Humanitäts= anstalt besindet, andere Häuser und andere Loka= litäten An Miethe zu bekommen. Das habe ich schaudernd im vorigen Jahre selbst erfahren, wo ich nur 2 Zimmer zur Abhilfe einer bestehenden Ueberfüllung haben wollte, was mir unmöglich war zu erlangen.

Aus allen diesen Gründen glaube ich, daß eine so gebundene Marschroute, wie ste hier dem Landesausschuße vorgeschrieben ist, sehr schwer und vielleicht gar nicht durchführbar sein wird und ich glaube, der Landesausschuß muß sich selbst gegen allen Vorwurf verwahren, wenn der h. Landtag ans diese gebundene Marschroute eingehen sollte, sowie gegen die Folgen, die da theils für den Säckel des Landes, theils für die Verhältnisse der Landes= humanitäts=Anstalten erwachsen würden. (Bravo. )

Oberstlandmarschall: Der Herr Regierungsrath Prof. Jaksch hat das Wort.

Abg. Pros Jaksch: Mir scheint der Kom= missionsantrag gar nicht so bedenklich. Die Sache verhält sich kurz so: Die Irrenanstalt ist über= füllt. - Es sind 200 Kranke mehr dort als Platz ist.

Es ist somit eine rasche Abhilfe dringend noth= wendig. Die Sache soll abgeschafft werden durch den Neubau. Ich selbst war in der Enquetekommission dafür und gestehe es, aber nur deshalb, weil mir nicht bekannt war, daß der Direktor der Irrenanstalt Dr. Fischel sehr eingenommen gewesen sei für die Acquirirung des alten Gebärhauses; er erklärte, es wäre im Gegentheile sehr geeignet.

Auch bin ich der Uiberzeugung, daß die Adapti= rungsarbeiten in der Gebäranstalt kurz sein und die Kosten gleichfalls gering sein, nur einige 1000 fl. betragen werden, während zum Neubau der Kommission nicht einmal die Pläne vorlagen, kein Voranschlag, und die Kosten des Neubaues wenig= stens 170. 000 - 180. 000 fl. in Anspruch nehmen würden, sowie der Bau 2-3 Jahre dauern könnte.

Da es sich um rasche Entlastung der Irren= anstalt handelt und diese dadurch, daß man das alte Gebärhaus dazu verwendet, geschehen kann, so sehe ich nicht ein, warum es nicht sein könnte, umsomehr als der Herr Dr. Fischel dasselbe für vollkommen geeignet hält, wie das Protokoll nachweist.

Was die 3. gynäkologische Klinik anbelangt - habe ich Folgendes zu bemerken: Es ist nicht wohl angehend, daß die Gebäranstalt in einem neuen Hause untergebracht werde, und die Abtheilung für geheime Krankheiten in einem ganz anderen Hause. Es wurde vom h. Landtage ein Plan für das Gebärhaus vorgelegt und für's erste darauf gedrungen, daß für 4000 Entbindende Platz fei; zweitens, daß in diesem Hause eine ganz ab= gesonderte Klinik und Abtheilung bestehen solle.

Damals erreichte die Zahl der Gebärenden beinahe 4000; das ist gegenwärtig herabgegangen, und übersteigt nicht ganz 2000.

Wenn das h. Ministerium die geburtshilfliche Klinik errichten wird, so sehe ich nicht, wo Platz fehlen sollte. Es ist genug Platz, denn das Haus ist für 4000 berechnet. Es wäre sonderbar, wenn das alte Gebärhaus dazu dienen sollte, die ge= heimen Krankheiten aufzunehmen. Ich habe, was die Gebäranstalt betrifft, die Ansicht, daß sie voll= kommen hinreichend sei, dem Zwecke zu dienen, den das Unterrichtsministerium hat, wenn sie die Klinik errichtet.

Was die Findelanstalt anbelangt, so glaube ich, wenn das Herz'sche Haus, das zum Theile von der Findelanstalt, zum Theile von den Beamten eingenommen ist, der Findelanstalt ganz zugewiesen wird, und die Beamten herunter in die Gebär= anstalt kommen, daß dadurch allen Anforderungen ent= sprechen wird. - Wir haben dann binnen 1/2 Jahre

die Irren entfernt aus der Anstalt, haben ein eigenes Haus für die Findelkinder und haben, wenn eine 3. Klinik errichtet werden soll, im neuen Hanse Platz genug für dieselbe.

Ich bin deshalb ganz und gar für die Kom= missionsanträge und sehe nicht ein, wie es da eine Gefahr geben sollte für die Findelkinder. (Dr. Raudnitz meldet sich. )

Oberstlandmarschall: Dr. Raudnitz hat das Wort.

Dr. Raudnitz: Als Referent der Budget= kommission hatte ich mich mit der Frage zu be= fassen und habe Gelegenheit gehabt -- (Die Ab= geordneten drängen sich zum Redner. )

Oberstlandmarschall: Ich bitte! Wenn die Herren den Herrn Redner umstellen, kann das Haus den betreffenden Herrn Redner nicht verstehen.

Dr. Raudnitz: - genauen Einblick in die Erhebungen der Enquetekommission, wie in deren Beschlüsse zu nehmen. Die Enquetekommission hat sich einstimmig für den vom Landesausschuße dem h. Landtage in Vorschlag gebrachten Modus eines Neubaues auf der Abscisse des Irrenhausgartens ausgesprochen. Die Enquetekommission hat ferner jene Bedenken, welche der Herr Landesausschuß= referent gegen die Benützung des im Belegraume frei befindlichen Gebärhauses vorgebracht hat, auch einmüthig als richtig anerkannt.

Ich bin als Laie nicht in der Lage gegenüber einem Beschluße von Fachmännern die Richtigkeit der Anschauungen der Kommission zu prüfen, welche der Enquetekommission kontradiktorisch entgegengestellt sind. Die Frage ist meiner Ansicht nach von Seiten der Kommission aber nicht ganz nach den faktischen Verhältnissen aufgefaßt worden. Das Bedürfniß, welches sich in dieser Beziehung herausgestellt hat, ist ein doppeltes:

1.   Das Bedürfniß nach einer sofortigen Unterbringung einer Zahl von Kranken;

2.     das Bedürfniß, den nöthigen Belegraum für die nächste Zukunft zu schaffen, abgesehen davon, daß nach der erschrecklichen Zunahme der Zahl der Geisteskranken im Kronlande die Errichtung einer besonderen neuen Anstalt für die Unterbringung von 500 Kranken im Süden von Böhmen sich als noth= wendig herausstellen wird.

Ich hatte Gelegenheit mit dem Direktor des Irrenhauses auch über diese Frage zu sprechen. Er hat damals ganz im Einklange mit seinen Anschauungen in der Enquetekommission sich sehr warm für das von dem Landesausfchuße vorgebrachte Projekt eines Neubaues auf der Abscisse des Irren= hausgartens ausgesprochen; nur das eine dringende Bedürfniß hat er mir nahe gelegt, ob es nicht möglich wäre, den nöthigen Belegraum auf Unter= bringung von 40 bis 50 Kranken in der nächsten Zeit zu schaffen. In dieser Beziehung hat der Hr. Irrenhaus direkter hingewiesen ans denjenigen Theil des Irrenhausgebäudes, welcher eigentlich für Irren=

hauszwecke hätte verwendet werden sollen und welcher zeitweilig zur Unterbringung von Findlingen ver= wendet wird.

Wenn es nun richtig ist, daß die Gebäranstalt, nämlich die alte Gebäranstalt nach den Auschau= ungen der Kommission bereits am 1. Oktober dieses Jahres frei wird, so ist es ja selbstverständlich, daß auch die gegenwärtig in der Irrenanstalt unterge= brachten Findelkinder dort den nöthigen Belegraum sinden werden. Es ist aber auch ganz gewiß, daß sie vorläufig ihr Auslangen haben werden bis zum Momente, wo der Neubau hergestellt ist. Dieser Neubau empfiehlt sich auch aus praktischen Gründen, weil bei diesem Neubau eine Verbindung, zwar nicht unmittelbar, aber eine lediglich durch eine Strasse getrennte Verbindung mit dem gegenwär= tigen Anstaltslokole, welches eigentlich für Heilzwecke bestimmt war, hergestellt werden kann.

Die Schwierigkeit bei der Irrenanstalt ist aber hauptsächlich darin gelegen, daß in dem neueren Gebäude, welches eigentlich für Heilzwecke bestimmt ist, der Belegraum für 150 Kranke ursprünglich geschaffen wurde und daß gegenwärtig dort eine Anzahl von 300 Kranken untergebracht ist. Diese mehr untergebrachten 150 Kranke sollen nun nach dem Projekte des Landesausschußes in dem neuen Gebäude ihre Unterkunft sinden. Es ist offenbar und Hr. Dr. Tedesco hat ganz richtig auseinander gelegt, daß die Räume in der Gebäranstalt sich allenfalls als Belegraum genügend erweisen würden für die Unterbringung von solchen Kranken, an deren Heilung nicht gedacht werden kann; keines= wegs aber wegen der mangelnden Räume, wie sie nach den neuen Erfahrungen der Wissenschaft eine Irrenanstalt erfordert, keineswegs können solche Kranke dort untergebracht werden, bei welchen eine Heilung noch zu erwarten ist.

Es scheint mir auch nicht ganz richtig zu sein, daß eine Kommission das einstimmig abgegebene Gutachten einer Enquetekommission plötzlich über den Hausen wirst und ein Projekt, welches diesen Neubau betrifft, vollständig als überflüßig, als nicht nöthig darstellt. Denn ich verkenne es nicht, daß der Kommission ein Bedenken vorschweben mußte, nämlich ein Bedenken, daß gegenwärtig noch keine Pläne und Voranschläge vorliegen, um die Trag= weite der dem Lande daraus entstehenden Kosten zu beurtheilen. Wollte aber die Kommission diesen Momenten Rechnung tragen, so müßte sie meiner Ansicht nach die Sache als noch nicht spruchreif behandeln und müßte sich lediglich dafür aussprechen, daß dieser Gegenstand entweder, weil die Anschauungen der Kommission mit denen der Enquetekommission divergiren, nochmals einer Enqueteberathung unter= zogen werde, oder der Landesausschuß vorerst das Projekt nach der Richtung der dem Lande daraus entstehenden Finanzbelastung zu prüfen hätte.

Aber nachdem ein einstimmiger Beschluß der Enquetekommission vorliegt, einfach zu erklären und den Landtag zu veranlassen, es habe von einem

projektirten Neubau abzukommen, das scheint mir nach der Lage der Dinge nicht berechtigt und ich werde nicht in der Lage sein, für diesen Antrag zu stimmen. Hr. Regierungsrath Dr. Jaksch hat aber auch aus Veranlassung der bis jetzt von dem Lan= desausschußbeisitzer Dr. Tedesco angeregten Frage bezüglich der Errichtung einer dritten Klinik eine Bemerkung sich erlaubt, daß der h. Landtag in dieser Richtung sich begnügen müsse, die zu gewin= nenden Lokalitäten des neuen Gebärhauses dem Unterrichtszwecke zur Verfügung zu stellen.

Ich weiß nicht, ob der h. Landtag in der Lage sein wird, die Frage der Begründung einer dritten Gebärhausklinik in Erwägung zu ziehen, aber das scheint mir, daß der h. Landtag, wenn es sich darum handelt, den Unterrichtszwecken neue, ausgezeichnete Kräfte zu gewinnen, einem solchen Projekte gewiß gerne unterstützend und helfend seine Zustimmung geben sollte. Und auch darum glaube ich, daß die Frage bezüglich der Belassung der geheimen Ab= theilung im alten Gebärhause noch nicht spruchreif ist, und namentlich der h. Landtag mit Rücklicht auf die hohen Unterrichtszwecke, welche damit ver= bunden sind, mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Gebärhausklinik unter dem früher bestandenen Professor sich eines hohen Rufes im gestimmten Europa zu erfreuen hatte, und daß dies durch Ge= winnung einer neuen bereits in Anssicht stehenden Kraft gewiß wieder der Fall sein wird, daß der h. Landtag mit Rücksicht auf diesen Umstand ebenfalls den so präjudizirlichen Beschluß nicht fassen sollte, durch welchen der vollständige Neubau eines solchen Irrenhausgebäudes auf der Abscisse des Irren= gartens abgelehnt würde.

Ich für meine Person werde daher gegen den Kommissionsantrag ad 1 stimmen.

Oberstlandmarschall: Herr Dr. Jaksch, Ritter von Wartenhorst hat das Wort.

Dr. Jaksch, Ritter v. Wartenhorst: Ich gestehe, daß ich bei der Enquetekommission gleich= falls für den Neubau gestimmt habe. Ich habe schon die Gründe auseinandergesetzt, warum ich von der Ansicht abgekommen bin. Jch habe nicht gewußt, daß Dr. Fischel es so sehr für wünschenswerth hält, daß die alte Gebäranstalt zweckmäßig hergerichtet werde. Was die Zweckmäßigkeit des Neubanes anbelangt, meine Herren, so gebe ich doch zu bedenken, daß der provisorisch nur projektirte Neubau so zweckmäßig wäre, er müßte verbunden werden mit der alten Anstalt durch eine Brücke, die die Straße überschreitet, oder durch einen Tunell (Oho! links), ja wohl, anders ist es nicht möglich, ganz gewiß. Das wäre ein Ehwand. Bezüglich des zweiten Einwandes, daß das alte Gebärhaus keine Korridore habe, muß ich be= merken, daß das alte Gebärhaus so gebaut ist, daß die Zimmer in 2 Abtheilungen liegen, und ein Gang zwischen den Zimmern durchläuft. Wenn nun Kranke ihre Zimmer verlassen und aus den Gang

gehen wollen, so ist da Platz genug; der Gang hat nur den Fehler, was aber den Geisteskranken weniger schaden wird, als den Schwangeren und Entbundenen, daß wenig Licht und schlechte Luft im Gange ist. Dann ist ein großer Garten bei der

alten Gebäranstalt, der liegt unmittelbar beim Hanse,

und könnte leicht in Verbindung gebracht werden mit der Anstalt, die wir in Slup haben, was gleichfalls ein Vortheil ist, der nicht zu unter= schätzen ist.

Was endlich die dritte geburtshilfliche Klinik anbelangt, so bin ich gewiß derjenige, der dafür ist und der eben schon früher bewiesen hat, daß er den Mann sehr herwünscht, weil er ein Landsmann

ist. Darauf haben wir aber keinen Einfluß; das

geht durch das Ministerium. Es ist gegenwärtig keine Stelle leer, sie müßte erst kreirt werden. Uebrigens erwähne ich zur Belehrung der Herren, die weniger mit der Sache vertraut sind: Bei kli= nischen Lehrfächern, überhaupt bei praktischen Fächern, wenn sie einem Lehrer einen Fachruf schaffen und wenn ein Lehrer einem Fache Ruf verschaffen will, dazu gehört ein reichhaltiges Material. Wenn der verstorbene Professor Seyfert einen großen und mit Recht verdienten Ruf gehabt hat, so ist we= sentlich der Grund auch darin gelegen, daß ihm eben ein großes Material zu Gebote stand, daß er, sich in kurzer Zeit gründliche Kenntnisse ange= eignet und Material genug hatten um den Schü= lern in kurzer Zeit große Kenntnisse beizubringen. Theilen sie, meine Herren, das Material in 3 Kli= niken, was bleibt dann für eine Klinik? Der Lehrer mag noch so tüchtig sein, ohne Material kann er nichts leisten. Das ist auch eine Frage. Ueber die Frage übrigens, ob die dritte Klinik er= richtet werden soll, kann der hohe Landtag kein Urtheil abgeben.

Nach Allem, was vorgebracht wurde, sehe ich keinen Grund, von meiner Meinung abzugehen und werde dem Kommissionsantrage aus voller Ueberzeugung beistimmen. (Bravo rechts. )

O b e r s t l a n d m a r s ch a l l: Hr. Dr. Schmeykal hat das Wort.

Dr. Schmeykal: Ich glaube, daß es dem hohen Landtage aus dem bisherigen Verlause der Debatte ziemlich klar geworden sein dürste, daß die fachmännische Seite der Frage nichts weniger als klar vor uns liegt, und würde diese Diskussion noch länger fortdauern, so bin ich überzeugt, daß in gleichem und sehr raschem Verhältnisse diese Zweifel unter uns wachsen müßten. Ich will mich eben deshalb, weil ich kein Fachmann bin, in diese Seite nicht vertiefen; aber konstatiren will ich, daß diese Zweifel bestehen und daß man diesen Zweifeln um so mehr Berücksichtigung zuwenden muß, als bereits hervorgehoben wurde, daß eine Enquetekommission in dieser Frage berieth und be= schloß und daß mit den Ergebnissen dieser Enquete= berathung und der Beschlußfassungen der vorlie-

gende Kommissionsantrag in einem strikten Kon= stifte ist.

Dieses vorausgesetzt übergehe ich jene Be= denken, welche ich auch gegen den Kommissions= antrag hege. Ich weise darauf hin, daß Landtags= beschlüsse vorliegen in der gleichen Angelegenheit und zitire da zunächst den Landtagsbeschluß, welcher das Datum des 6. Dezembers trägt und übrigens auch selbst im Kommissionsberichte angerufen worden ist Dieser Landtagsbeschluß, beziehungsweise Land= tagsauftrag enthielt eine offene Vollmacht für den Landesausschuß, in dieser Frage vorzugehen und für eine provisorische Abhilfe zum Zwecke der Landes= irrenanstalt zu sorgen. Diese Vollmacht wird jetzt geradezu widerrufen. Ich möchte da wirklich die Frage stellen, was denn die Kommission dazu ver= mocht hat, die bereits durch den früheren Land= tagsbeschluß aus dem Jahre 1872 und, wie ich glaube, in sehr zweckmäßiger Weise ertheilte Vollmacht wieder zurückzunehmen. Ich glaube, daß der Widerruf dieser Vollmacht denn doch nicht so leicht gerechtfertigt werden kann und möchte insbesondere darauf hinweisen, daß es sehr schwer ist, dem Exekutiv= organe in derlei weitgehenden Verwaltungsmaß= regeln eben nicht eine gewisse freie Hand zu lassen. Ich wüßte nicht, was der Landesausschuß verschuldet hat, daß man ihm jetzt diese Vollmacht zurücknimmt. Er hat eben mit Bezug auf den Landtagsbeschluß vom 6. Dezember 1872 über das von ihm Ver= anlaßte einen Bericht erstattet, der mit der Bitte schließt, diesen Bericht zur genehmigenden Kenntniß zu nehmen. Der Kommissionsantrag aber geht in der Richtung viel weiter; er revozirt einfach die Vollmacht vom 6. Dezember 1872, die der Landes= ausschuß bekommen hat und aus Grundlage deren er bisher vorging.

Ich habe aber auch noch ein zweites Bedenken, und das ist, daß der Kommissionsantrag in Collision gerathen könnte mit einer anderen Anstalt, die gleich= falls dem Lande zugehört und in gleicher Weise Fürsorge erfordert, die Landesfindelanstalt. Es ist bereits von Seite des Herrn Referenten hervorgehoben worden, daß das alte Gebärhaus für die definitive Unterbringung der Landesfindelanstalt bestimmt ist.

Das soll nun anders werden. Das alte Ge= bärhaus ist in Aussicht genommen und soll zu Zwecken der Landesirrenanstalt verwendet werden. Ich frage nun, ob das wirklich zu empfehlen sei und frage, ob es auch zulässig und ausführbar sei. Ich darf diese Frage stellen ans zwei Gründen, einmal, weil mir eine heute im Einreichungsprotokolle des Landesausschußes eingelangte Eingabe des Findelanstalt=Primärarztes Professor Dr. Ritter vorliegt, bezüglich deren ich um die Gestattung bitte, dieselbe vollinhaltlich dem hohen Hause vor= zutragen.

Oberstlandmarschall: Wenn keine Ein= wendung erhoben wird, so wollen davon Gebrauch machen.

Dr. Schmeykal (liest): "Aus dem Prager Abendblatte vom 16. Jänner 1874 Nr. 14 entnimmt der ehrfurchtsvoll Gefertigte, daß in dem Kommissionsberichte der betreffenden Landesirrenanstalt beantragt erscheint und in der Sitzung vom 17. Jänner zur Beschlußfassung einem h. Landtage vor= gelegt werden soll, es habe von dem vom Landesausschuße beantragten, in der Abscisse des Irren= hausparkes beabsichtigten Neubaue abzukommen. Der Landesausschuß werde beauftragt, daraus zu dringen, daß die neue Gebäranstalt bald möglichst bezogen werden könne; der Landesausschuß werde beauftragt und ermächtigt, das alte Gebärhaus zur provisorischen Unterbringung von Geisteskranken zu adaptiren und dessen Belegung sobald als möglich zu verwirklichen etc etc. Dieser überraschende Antrag der geehrten Kommission steht nicht nur mit dem wohlüberlegten und dem Bedürfnisse der Ge= genwart in jeder Richtung entsprechenden Antrage des h. Landtagsausschußes sondern auch mit der Billigkeit der Landesfindelanstalt im Widerspruche, für welche die alte Gebäranstalt seit der Fassung des Beschlußes der Erbauung eines neuen Gebär= hauses in Aussicht genommen war. Alle Vorstellungen über den ungenügenden Raum und höchst unzweckmäßige Localitäten der bisher von der Fin= delanstalt occupirten Gebäude wurden stets mit der Unthunlichkeit sofortiger Abhilfe und mit der Hinweisung aus die bevorstehende Zuweisung des alten Gebärhauses geantwortet. Die Findelanstalt hat in Folge dieses Ergebnisses durch Ueberfüllung und durch die Gebrechen der Räumlichkeiten Kalamitäten durchzumachen gehabt, welche sehr schlecht zu dem humanen Zwecke dieses so wohlthätigen Institutes paßten und deren üble Folgen selbst bei der Gewissenhaftigkeit und möglichster Anstrengung des Sanitätspersonales der Anstalt wohl gemildert, aber doch bei Weitem nicht vollkommen abgewendet werden konnten.

Es gab Zeiten und sie dürsten unter Voraus= setzung der Annahme des Kommissionsantrages wieder eintreten, wo jedes Fußbrett des Fußbodens mit Strohsäcken belegt und Ammen und Kinder auf die Erde gebettet werden mußten; - wo trotz dem viele Ammen nicht genügend unterbracht werden konnten, um für jedes Kind eine eigene Pfle= gerin und Ernährerin zu bestimmen, - sondern bis 30 Kinder je zu 2 einer Amme an die Brust gelegt werden mußten. Wie schwer es überdies unter solchen Umständen sei, entsprechende Ausstecht und Disziplin zu handhaben, versteht sich wohl von selbst.

Man möge nur denken und urtheilen über die Prager Findelanstalt, wie man wolle, man möge sich mit Aufhebungsgedanken des Institutes mit höchster Gefährdung des klinischen Materials in der Gebär= und in der Findelanstalt befassen ! So lange man aber diese Säuglingsanstalt des Gebärhauses bestehen lassen will oder, besser gesagt, so lange man ste nicht aufheben kann: so lauge hat sie das

Recht, als humanitäres Institut dieselbe Berücksich= tigung der durch sie zu erreichenden humanitären Zwecke zu verlangen, wie jede andere der Sanitäts= anstalten, welche der autonomen Landesbehörde unterstehen.

Man hebe sie lieber auf, als daß mau ihr die Bedingung entzieht, welche ihr zur entsprechenden Erfüllung ihrer Bestimmung als Pflege und Warte= sowie als Heil= und klinisches Institut unbedingt nothwendig ist. Dies geschähe jedoch, wenn man sie auf ganz ungenügende und hygininisch ungeeignete Räumlichkeiten des Hauses Nr. 462 anwiese und beschränkte, und deshalb bittet der ehrfurchtsvoll Gefertigte, diesen so lange verbürgerten Anspruch dieses humanen Rechtes der Findelanstalt ans die alte Gebäranstalt gegen den angezogenen Kommissions= Antrag auf das Entschiedenste in Schutz zu nehmen!"

Ich glaube, meine Herren, das sind doch Daten, welche nicht außer Erwägung gelassen werden können und dürfen, wenn man über die Verwendung des alten Gebärhauses verfügen will. Ich muß aber auch noch den Rechtsstandpunkt betonen, der es mir ohne Lösung einer gewissen Vorfrage gera= dezu unmöglich macht, die gestellten Kommissions=An= träge als sofort annehmbar zu erklären. Ich bemerke nämlich, daß dieses Gebärhaus an die Landesverwaltung überging. Im Jahre 1872 fand die bücherliche Vorschreibung mit Genehmigung der Regierung zu Hanben des Landes statt, aber unter ausdrücklicher Bezeichnung der Widmung und es ist dieses Haus nicht im Allgemeinen auf den Landes= fond des Königreiches Böhmen vorgeschrieben worden, sondern auf den Gebärhausfond. Das ist eine an= dere Frage, meine Herren, die unter allen Umständen dazu führen muß, daß man - ich bin wenigstens der Uiberzeugung - nicht sofort über das Haus der alten Gebäranstalt verfügen kann, ohne vorher das Einvernehmen mit der Regierung selbst ge= pflogen zu haben. Es ist also die Widmung, die geachtet werden muß, und ich glaube, dieselbe zu achten liegt gewiß Ursache und Veranlassung in dem Berichte, den wir soeben aus den Händen des Pro= fessors Ritter v. Rittersheim als Vorstandes der Findelanstalt zu empfangen Gelegenheit hatten.

Es ist von Seite der geehrten Hrn. Vorredner hervorgehoben worden, es thue rasche Abhilfe Roth. Nun, meine Herren, dem verschließt sich Niemand, aber die Frage steht ja so, worin soll diese rasche Ab= hilfe bestehen und bietet uns der Kommissions=Antrag wirklich die Mittel zu einer solchen raschen Abhilfe? Kann diese Frage bejaht werden, dann wird gewiß auch der Landesausschuß nicht verfehlen, diesen Kom= missions=Anträgen zu folgen, aber so lange dies nicht fest steht, so lange, glaube ich, muß auf etwas an= deres Rücksicht genommen werden und dies auf die Gefahr hin, ob nicht durch den Kommissions-Antrag die Sache noch mehr verzögert wird. Nach den ge= äußerten Bedenken ist die Wahrscheinlichkeit vor= handen, daß der Landesausschuß in die Zwangslage versetzt werden kann, den Kommissions=Antrag gar nicht

durchführen zu können. Was, meine Herren, soll dann geschehen? es bleibt nichts anderes übrig, als daß das ganze Jahr unbenützt verstreicht. Es kann von der am 6. Dezember 1872 kundgewordenen Vollmacht ein Gebrauch nicht gemacht werden, aber auch der Kommissions=Antrag nicht befolgt werden, weil sich im Verlaufe der Verhandlung herausgestellt hat, daß man vor einem Hindernisse steht, welches die Verantwortung der Durchführung von Seite des Landesausschußes nicht ermöglicht. Ich glaube also, daß da das Moment der raschen Abhilfe be= tont werden muß, ein anderer Weg einzuschlagen ist, den ich mir später in einem Antrage zu formuliren erlauben werde. Es ist hingewiesen worden auf die finanzielle Seite. Es ist besonders darauf hingewiesen worden, daß ein solcher Adaptirungsbau nicht viele Kosten verursacht. Nun, meine Herren, diese Vertröstungen bei Adaptirungsbauten wiederholen sich immer. Wenn man schließlich das Ergebniß der Baurechnungen konsultirt, tritt ein Zustand ein, den man vom sanitären Standpunkte aus als Katzenjammer bezeichnet. (Bravo!)

Ich möchte ferner vor der Annahme eines sol= chen Adaptirungsbaues warnen. Betreffs der Frage der Unterbringung einer dritten geburtshiflichen Kli= nik kann ich mich unmöglich darüber äußern, wie viele Wöchnerinen für eine Klinik als sogenanntes Material sich eignen und ob eine solche geburts= hifliche Klinik als eine 3. an der Universität noth= wendig sei, das zu entscheiden, überlasse ich den dazu berufenen Organen; möchte aber nur darauf hinweisen, daß unter allen Umständen, diese Frage nicht mit der uns gegenwärtig vorliegenden Ange= legenheit zu vermengen sei, daß die Stellung, die man in der Frage der Errichtung einer geburts= hilflichen Klinik einnimmt, sei es pro oder contra, nicht reagiren darf auf die Stellung, die man inner= halb dieser Frage einzunehmen hat. (Ruf: Sehr wohl!)

Ich erlaube mir nun, dem h. Hause nachste= henden Antrag in Konsequenz der von mir soeben vorgetragenen Ausführungen zu unterbreiten:

Der Antrag geht dahin: Es möge der hohe Landtag beschließen: Der Bericht der Kommission zur Abhilfe der Uiberfüllung der Prager Landesirrenanstalt werde dem Landesausschuße mit dem Auftrage zugewiesen:

1. über die Vollziehung des Landtagsauftrages vom 6. Dezemder 1872, betreffend die provisorische Unterbringung von Irren, mit aller Beschleunigung neuerlich Beschluß zu fassen und hiebei mit Rück= sichtnahme auf die Gebär= und Findelanstalt im Sinne jenes Commissionsberichtes zu erwägen, ob und inwiefern das alte Gebärhaus zum Zwecke der Landesirrenanstalt Verwendung sinden könnte;

2. behufs Neubaues einer Irrenanstalt im füd= westlichen Theile Böhmens die Einleitung zu tref= fen, ein passendes Objekt zu eruiren und hierüber dem nächsten Landtage Bericht zu erstattten.

Das, meine Herren, werden sie aus der Fas=

sung dieses Antrages wohl ersehen, daß er sich voll= ständig innerhalb des Zweckes einer objektiven und ruhigen Erwägung der Frage bewegt, daß er in keiner Weise den Commissionsantrag ad acta gelegt sehen will, sondern daß sein Ziel nur dahin geht, es möge dieser Commissionsantrag doch nur vor= läufig einer näheren Erwägung unterzogen werden ans allen Gründen, die ich bereits dafür in's Feld geführt habe Ich glaube nicht, daß es der Kom= mission selbst um Etwas anderes zu thun ist, als um zweckmäßige und vollständig geeignete Mittel zur raschen Abhilfe der Uiberfüllung zu finden.

Ist das aber der Fall, wird sie nicht eigen= willig und eigensinnig auf ihren Anträgen bestehen, sondern ich hege die Hoffnung, daß sie sich vereini= gen wird mit meinem Antrage, der nichts anderes bezweckt als eine nochmalige ruhige Prüfung der Frage. (Rufe: Bravo!)

Oberstlandmarschall: Ich bitte Diejeni= gen, welche den soeben vernommenen Antrag unter= stützen, die Hand zu erheben. Der Antrag ist un= terstützt und steht in Verhandlung. Herr Dr. Karl Lumbe hat das Wort.


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