Stenographischer Bericht
übet die
XVI. Sitzung der zweiten Jahres=Session des
böhmischen Landtages vom Jahre 1872,
am 13. Jäner 1874.
Stenografická zpráva
o
XVI. sezení druhého výroèního zasedání snìmu èeského od roku 1872, dne 13. ledna
1874.
Vorsitzender: Se. Durchlaucht der Oberst= landmarschall Karl Fürst Auersperg.
Gegenwärtige: Der Oberstlandmarschall= Stellvertreter Eduard Claudi und die beschlußfähige Anzahl von Landtags=Abgeordneten.
Am Regierungstische: Se. Excell. der k. k. Statthalter Freiherr von Koller, der k. k. Statthalterei=Vicepräsident Freiherr v. Riegershofen und der k. k. Statthaltereirath Hr. Kurzbeck.
Beginn der Sitzung: 10 Uhr 45 Min. Vormittags.
Pøedseda: Jeho Jasnost nejvyšší maršálek zemský Karel kníže Auersperg.
Pøítomní: Maršálkùv námìstek Edvard Claudi a poslancové v poètu k platnému uzavírání dostateèném.
Co zástupcové vlády: Jeho Exc c. kr. místodržitel svob. pán Koller, c. kr. místopøedseda místodržitelství svob. pán z Riegershofenu a c. k. rada místodržitelství p. Kurzbeck.
Sezení poèalo o 10. hod. 45 min. dopoledne.
Oberstlandmarschall: Die Sitzung ist eröffnet.
Nám. nejvysš. maršálka Dr. Claudi: Sezení jest zahájeno.
Oberstlandmarschall: Ich habe dem hohen Landtage folgende Mittheilungen zu machen. Die Herren Abg. Dr. Banhans und Dr. Unger sind entschuldigt wegen anderweitigen Berufsgeschäften.
Im Drucke sind vertheilt: Beribt der Kommission für die Landtagswahlordnung über Antrag der Stadtgemeinde Wallern um Errichtung eines Gerichtssprengels mit dem Amtssitze zu Wallern. Bericht der Kommission für den Forstschutz über die Borkenkäfer=Kalamität im Böhmerwalde; Bericht der Kommission für die Landtagswahlordnung über Petition der Gemeinde Oschitz um Ausscheidung aus dem Sprengel des Bezirksgerichtes Niemes und Konstituierung eines eigenen Gerichtssprengels mit dem Amtssitze zu Oschitz; Bericht derselben Kom= mission über Petitton der Gemeinde Dauba um Belassung des Gerichtssprengels Dauba in der be= stehenden Zusammenstellung; Bericht derselben Kommission betreffs Eingabe der Stadtgemeinde Böhmisch= Skalitz über die Errichtung eines Gerichtsbezirkes in Böhmisch=Skalitz; endlich der stenografische Bericht der 7. Sitzung.
Bitte den Einlauf der Petitionen mitzutheilen.
Landtagssekr. Schmidt: Bezirksausschuß Ja= romìø um Erklärung der Trautenau-Jaromìøer Be= zirksstrasse als Landesstrasse.
Oberstlandmarschall Wird der Budget= kommission zugewiesen.
Landtagssekr. Schmidt: Abg. Leitenberger. Vorstellung der Ortsgemeinde Rochlitz gegen die Kreirung eines Gerichtsbezirkes in Hochstadt.
Oberstlandmarschall: Geht an die Kommission für die Landtagswahlordnung.
Landtagssekr. Schmidt: Abg. Adam. Petition der Gemeinde Langenan um Annahme des Waldert=
schen Antrages aus Gewährung von Vorschüssen aus dem Grundentlastungsfonde zu Schulbauzwecken.
Oberstlandmarschall: Geht an die Bud= getkommission.
Landtagssekr. Schmidt: Abg. Dr. Zintl. Pet. des Wilhelm Abeles und Genossen in Weseritz um Verbesserung der materiellen Lage israelitischer Lehrer Böhmens.
Oberstlandmarschall: Geht an die Schul= kommission.
Landtagssekr. Schmidt: Abg. Dr. Lehmann. Pet. des Bezirksausschußes Gabel um Erwirkung eines Landesgesetzes peto. Einhebung der Erwerbund Einkommensteuer von Gewerbsunternehmungen.
Oberstlandmarschall: Geht au die Ve= titionskommission.
Landtagssekr. Schmidt: Abg. Dr. Mayer. Pet. des Piseker ärztlichen Kreisvereines um Annahme der Regierungsvorlage über die Regelung des kommunalen Sanitätsdienstes.
Oberstlandmarschall: Geht an die Kom= mission für Sanitätsangelegenheiten.
Landtagssekr. Schmidt: Abg. Dr. Mayer. Pet. der Franziska Proschko, Unterlehrerswitwe in Wallern, um Unterstützung aus Landesmitteln.
Oberstlandmarschall: Geht an die Budgetkommission.
Landtagssekr. Schmidt: Abg. Dr. Herbst. Pet. des Bezirksausschußes Niemes um Abänderung des §. 13 des Jagdgesetzes.
Oberstlandmarschall: Geht an die Pe= titionskommission.
Landtagssekr. Schmidt: Frhr. Karl Korb v. Weidenheim. Petition des Fürsten J. Adolf Schwarzen= berg wegen Durchführung des Baues einer Eisen= bahn im Böhmerwalde anläßlich der Borkenkäser= Kalamität.
Oberstlandmarschall: Geht an die Bor= kenkäferkommission.
Wir gehen nunmehr an die Tagesordnung. Erster Gegenstand ist der Bericht der Kommission über Angelegenheiten der Hypothekenbank zum Landes= ausschußberichte Zahl 11 betreffs Gebahrung und Rechnungsabschluß der Hypothekenbank pro 1872. Berichterstatter ist Hr. Dr. Klier.
Res. Dr. Klier: Die Kommission für den Rechnungsabschluß der böhm. Hypothekenbank hat sich erlaubt, ein Bild der Thätigkeit der böhmischen Hypothekenbank zu liefern. Ich glaube aber, der hohe Landtag wird mich dessen entheben, diese Ziffern vorzulesen, indem sie viel besser ans dem gedruckten Berichte entnommen werden können Ich habe aber als Resultat dieser ziffermäßigen Darstellung ganz kurz zu erwähnen, daß aus derselben hervorgeht, wie im Verlaufe einer 9 jährigen Thätigkeit der Hypothekenbank, beginnend im J. 1865 von einer Summe pr. 4400000 st. Darlehen sich dieselbe bis zum I. 1873 bereits auf 35800000 gehoben hat, wie der Reservefond, während man beim Beginne der Wirksamkeit der Hypothekenbank bald vom Lande ein Darlehen von 30000 st. zur Bestreitung der nothwendigen Auslagen geben mußte, sich jetzt be= reits auf einen Baarfond von mehr als 300000 st. gehoben hat.
Es ist einleuchtend, daß die Zunahme der Geschäfte der Hypothekenbank die Arbeitskraft der Angestellten in erhöhtem Maße in Anspruch nimmt und es wird dies insbesondere bei der Buchhaltung und den Hilfsämtern durch die Vermehrung der Annuitäten bewirkt, deren im J. 1872 noch 1745 hinzugekommen sind, so daß dieselben nunmehr bereits die Zahl von 14376 überschritten haben.
Der mit der Berichterstattung betraute Aus= schuß begnügte sich aber nicht mit diesen ziffermäßigen Resultaten, sondern suchte sich durch Absendung von mit der Geschäftsführung der Hypothekenbank vertrauten Ausschußmitgliedern die Uiberzeugung über die innere Gebahrung und den Geschäftsgang bei der böhm. Hypothekenbank zu verschaffen. Die Delegirten Graf Zedtwitz, Handelskammerpräsident Schier, Ritter v. Dotzauer und Dr. Klier nahmen nicht nur Einsicht in die Buchführung und prüften die Bilanz durch Vergleichung mit dem Hauptbuche, sondern ließen sich auch die Geschäftsprotokolle vorlegen und überzeugten sich, daß die Skontri= rungen niemals einen Anstand ergaben, daß in der Regel jede Woche eine Direktionssitzung abgehalten wird und dringende Geschäftsstücke häusig durch Rollarbeschlüsse erlediget werden, daß die Ausfertigung rechtsverbindlicher Urkunden, wie Quittungen und Ablassungserklärungen, dann die Ausfertigung der Pfandbriefe die Direktion unablässig in Anspruch nehmen, daß die Exekutionsführungen un= mittelbar vom Institute aus mit beträchtlicher Ko= stenersparung besorgt werden und daß, sowie früher, auch in dem abgelaufenen Jahre die Direktion ihre besondere Sorgfalt darauf verwendete, die Reali-
sirung der au die Darlehenswerber hinauszugebenden Pfandbriefe provisionsfrei zu vermitteln, wodurch den Parteien wesentliche Auslagen und Verluste erspart und zu Gunsten der Hypothekenbank nach= theilige Schwankungen der Kourse ihrer Papiere hintangehalten werden.
Diese Realisirung der Pfandbriefe hat einen sehr bedeutenden Umfang angenommen, denn die Summe der so realisirten Pfandbriefe hat sich vom Jahre 1867 bis zum Jahre 1873 auf 5174000 st. gehoben; ein Beweis, wie sehr sich die Intervention des Bankinstitutes der Gunst des Publikums erfreute.
Mit Rücksicht auf die ganze Geschäftsgebah= rung und die Bewältigung eines mitunter, wie zur Zeit der Kouponseinlösung und Annuitäten= zahlung, übermäßigen Geschäftsandrangs spricht der Landesausschuß in seinem vorliegenden Berichte den Verdiensten der Bankdirettion sowie dem Eiser des Beamten=Personales die unumwundene Aner= kennung aus, welcher Anerkennung der Ausschuß nach den gefundenen Resultaten und der einge= führten musterhaften Geschäftsführung sehr gerne beipflichtet und sie zur Kenntniß des h. Landtages bringt.
Abgesehen von den besoldeten Direktoren, welchen die Besorgung der laufenden Geschäfte und Lieferung der Sitzungsreferate als ordentlichen angestellten obliegt, wird der Generaldirektor und in Ermanglung eines solchen der Generaldirektor= Stellvertreter von den Geschäften der Hypothekenbank am meisten in Anspruch genommen; denn nach dem §. 35 der Durchführungsvorschrift zu dem Statute der böhm. Hypothekenbank obliegt ihm der Vorsitz in allen Direktionssitzurgen und die Ober= leitung des gesammten Verwaltungsgeschäftes. Er vertheilt die Geschäfte und Referate, ordnet die Direktionssitzungen an, deren in der Woche regelmäßig eine stattfindet, leitet die Berathung, be= stimmt die Gegenstände, welche zu rolliren haben, hat das Recht unter eigener Verantwortung in allen Fällen, wo der Bank keine Verpflichtungen auferlegt werden, wenn es nothwendig ist, Präsi= dialverfügungen zu treffen, hat alle Pfandbriefe zuunterfertigen, hat nach dem §. 1 der Geschäfts= ordnung über die Amtsthätigkeit aller Instituts= Organe, über den genauen Vollzug des Statutes und der von der Direktion oder von der verstärkten Kommission gefaßten Sitzungsbeschlüsse, dann über die vorschriftsmäßige Gebahrung in allen Geschäfts= zweigen die oberste Aufsicht zu führen; er vollzieht die Approbation der Geschäftsstücke, sowie die Ausfertigung der Erledigungen und rechtsverbindlichen Urkunden.
Bei dem Geschäftsumsange der böhmischen Hypothekenbank nehmen derlei Obliegenheiten die Arbeitskraft des Generaldirektorstellvertreters un= ablässig in Anspruch und es erscheint dem Ausschuße als eine angenehme Pflicht, hier der ebenso aufopfernden wie ersprießlichen Wirksamkeit des der= maligen Generaldirektorstellvertreters des Herrn
Johann Ritter von Limbeck, welcher seit Bestand des Institutes, also nahezu 9 Jahre demselben vorsteht, mit dankbarer Anerkennung zu erwähnen.
Sofort erlaubt sich der gefertigte Ausschuß nachstehenden Antrag zu stellen:
Der hohe Landtag wolle beschließen, es werde der Landesausschußbericht vom 14. Feber 1873, Landtags=Zahl 11, resp. der Rechnungsabschluß der böhmischen Hypothekenbank für das Jahr 1872 als richtig befunden und genehmiget.
Snìm. akt. Höhm: Komise èiní návrh: Slavný snìme raèiž se usnésti takto: Zpráva zemského výboru ze dne 14. února 1873, è 11 sn., pokud se týèe úèetního závìrku èeské hypoteèní banky za rok 1872 uznává se za správnou a schvaluje se.
Oberstlandmarschall: Wünscht Jemand zu dem Antrage das Wort? (Niemand). Diejenigen, welche zustimmen, wollen die Hand erheben. (Geschieht). Angenommen.
Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht der Kommission für den Gesetzentwurf, betreffend die Zufahrtsstrassen zu den Eisenbahn= höfen. Berichterstatter ist Dr. Görner.
Ich habe dem h. Landtage die Mittheilung zu machen, daß sich als Regierungsvertreter der k. k. Statthaltereirath Herr Kurzbeck im Hause befindet.
Ref. Dr. Görner: Hoher Landtag! Der Bericht, welchen die zur Berathung des Gesetzentwufses des Landesausschußes wegen der Herstellung und Erhaltung von Zufahrtsstrassen zu den Eisenbahnhöfen gewählte Kommission erstattet hat, be= findet sich schon mehre Tage in den Händen der Herren Abgeordneten. Ich erlaube mir daher den Antrag, von der Lesung des Berichtes Umgang zu nehmen.
Oberstlandmarschall: Wenn Nichts er= innert wird, so nehme ich an, daß das hohe Haus zustimmt.
Ref. Dr. Görner: Ich habe endlich noch mitzutheilen, daß im Lause der Berathungen der Kommission eine Menge von Protesten und Petitionen eingelangt sind, welche sich alle gegen den Entwurf des Landesausschußes richten und welche von Seite der Tetschner Bezirksvertretung ausge= gangen und hauptsächlich dahin gerichtet sind, daß durch den Gesetzentwurf den Bezirken und Gemein= den große Lasten ausgelegt werden und daß dann die Autonomie nicht gewahrt ist.
Die meisten übrigen von vielen Bezirken ein= gelangten Petitionen gehen von diesem aus. Es sind nämlich von folgenden Gemeinden Petitionen eingelangt:
Zuerst, wie ich schon erwähnt habe, von Tetschen, dann von Kaaden=Duppau, Karbitz=Neu= dörfel, Böhm. =Kamnitz, Bischof=Teinitz, Leitmeritz, Dur, Karlsbad, Tachau, Aussig, Friedland, Mane= tin, Kuttenberg, Wittingau, Saaz, Nechanitz, Nim= burg, Warusdorf und zuletzt ist noch dazugekommen die Petition des Stadtrathes der Stadt Trautenau
und des Bezirksausschußes in Königinhof. Sie ge= hen meist von dem Standpunkte aus, welchen die Tetschner Bezirksvertretung, welche ihren Protest allen Bezirksvertretungen mitgetheilt hat, einnimmt. Nur der Bezirksausschuß von Kaaden-Duppau sagt, daß er insbesondere betont zu haben wünscht:
1. Daß die Zufahrtsstrassen bis zum nächsten öffentlichen Wege wie bisher von den Bahnen er= baut und erhalten werden;
2. daß von da bis zur nächsten Strasse oder Orte eine Bezirksstrasse errichtet werde und daß
3. bezüglich der Kompetenz die bestehenden Strassengesetze in Geltung bleiben.
Der Bezirksausschuß von Karlsbad legt eine Angelegenheit zugleich mit vor, nämlich die Errich= tung der Zufahrtsstrasse von dem Bahnhofe Schlak= kenverth zur Stadt und theilt mit, daß diese An= gelegenheit trotzdem, daß die Bahn seit 1870 in Betrieb ist, noch immer nicht zum Austrage gekom= men ist, wer diese Strasse herstellen soll. Darin liegt vor allem Andern ein Beleg für die dringende Nothwendigkeit eines eigenen hiezu bestimmten Ge=
setzes.
Oberstlandmarschall: Ich eröffne die Generaldebatte. Se. Excellenz Dr. Herbst hat das Wort.
Se. Exc. Dr. Herbst: Ich werde mir einige Bemerkungen erlauben, welche allerdings gegen die Vorlage des Landesausschußes sowohl als gegen den Kommissionsbericht und dessen Anträge gerichtet sind. Es muß an sich schon auffallen, daß, nach= dem der Landesausschuß einen Bericht in der Sache erstattet hat, von Seite der Kommission ausdrücklich erklärt wird daß sie sich dem Antrage des Landes= ausschußes nicht nur nicht anschließe, sondern auch gar nicht den vom Landesausschuße verfaßten Ge= setzentwurf ihrer Berathung zu Grunde lege, sondern sie habe sich bemüßigt gesehen, einen ganz anderen Gesetzentwurf auszuarbeiten, - einen Gesetzentwurf, welcher auf ganz anderen Prinzipien beruht, als der des Landesausschußes.
Ich sinde dies übrigens sehr begreiflich und in der Natur der Sache begründet. Es handelt sich hier lediglich um eine Angelegenheit, wodurch in gleicher Weise etwas geregelt werden soll, was seiner Natur nach höchst verschieden ist. Es sind eben die Verhältnisse in jedem einzelnen Falle saßt andere und es ist eben deshalb geradezu unmöglich in ganz gleichmäßiger Weise durch allgemeine Grundsätze, wie es in der Natur eines Gesetzes liegt, die Frage zu entscheiden. Es ist daher sehr begreiflich, daß, wenn dem Verfasser des einen Entwurfes, z. B. jenem des L. A. bestimmte ein= zelne Fälle zunächst vorlagen, er sich bemühte, einen Entwurf zu machen, welcher diese bestimmten einzelnen Fälle zu entscheiden vermag, welcher aber eben deshalb in einer ganz großen Reihe anderer Fälle ganz unangemessen erscheint; und wenn daher dem Verfasser des Kom. =Berichtes wieder andere Fälle zu= nächst vorschweben, die Kommission Grundsätze aufstellt,
die diesen wieder anderen Fällen zwar entsprechend find, deshalb aber ans eine ganze Menge anderer Fälle nicht passen. Daher ist es erklärlich, daß dieser Gegenstand in verschiedenen Bezirken Beun= ruhigung und Aufregung hervorrief, wie die große Anzahl von Protesten, welche von Seite der Be= zirksausschüsse der verschiedensten Bezirke des Landes dagegen einliefen, beweist. Auf dieses ist aber umsomehr Gewicht zu legen, weil seit dem Bekannt= werden des Entwurfes, welchen der Landesausschuß ausarbeitete, als auch insbesondere jenes der Strassen= kommission nur eine sehr kurze Zeit verstrichen ist. Bis solche L. A. Berichte und Anträge bei der in solchen Sachen nicht sehr ausgiebigen Weise zur allge= meinen Kenntniß gelangen, vergeht eine geraume Zeit. Wenn aber nichtsdestoweniger bereits jetzt von einem so großen Theile der Bezirksvertretungen und Ausschüsse Proteste vorliegen, so ist es ein Beweis, wie groß die Wichtigkeit ist, welche von Seite der Vertretungen der Bezirke dem Gegen= stande beigelegt wird und wie schwer es ist, einen Gegenstand, der seiner Natur nach durch allgemeine Grundsätze gleichmätzig zu entscheiden unmöglich ist, durch ein Gesetz in gleicher Weise überall fixiren zu wollen.
Man könnte zwar meinen, weil der Antrag der Kommission von jenem des L. A. abweicht und weil den Bezirksausschüssen eigentlich nur der An= trag des L. A. noch vorliegt, denn wahrscheinlich ist dies der Fall, so würde sie vielleicht nach dem Antrage der Kommission, der ein anderer ist, sich mit diesem beruhigen, weil derselbe anscheinend und vielleicht auch wirklich in manchen Fällen den In= teressen des Bezirkes mehr entsprechend sei, als der Antrag des Landesausschußes; allein das ist eben nicht ganz richtig. Es mag sein, daß in einer großen Anzahl von Fällen der Antrag der Kom= mission günstiger für die Bezirke ist als der Antrag des L. A. Das will - und ich werde aus den Gegen= stand später zu sprechen kommen - gar nicht in Abrede gestellt werden. Allein daraus, weil der Antrag in einzelnen Fällen dem Bezirke günstiger ist, folgt ja nicht, daß die anderen Bezirke, für welche dieser Antrag in anderen Fällen wieder un= günstiger ist, darin eine Beruhigung sinden können. Denn z. B. für die Eisenbahnnuternehmungen, bei welchen diese Frage in einer großen Reihe von Bezirken wichtig ist, da wird sich das Ungünstige in dem einen Bezirke gegen das Günstige in den an= dern vielleicht ausgleichen, vielleicht werden durch den Kommissionsantrag die Eisenbahnverwaltungen sogar weniger günstig behandelt. Allein dieses Aus= gleichen im Großen und Ganzen nützt ja dem ein= zelnen Bezirke nichts, da er im gegebenen Falle deshalb ungünstiger behandelt ist; denn er hat nichts davon, daß der Entwurf einem andern Bezirke günstiger ist, als der Entwurf des L. A. Und daß sich nicht behaupten läßt, der Entwurf der Kom= mission sei überhaupt günstiger als der des L. A. für Gemeinden und Bezirke, obwohl es in ein=
zelnen Fällen gewiß ist, das werde ich später die Ehre haben nachzuweisen.
Wenn also zwei so achtbare Korporationen, wie der Landesausschuß und die von uns niedergesetzte Kommission in der Sache, nicht etwa in Einzelheiten abweichen, sondern prinzipiell ganz verschiedene Ausichten haben, wenn ferner eine so große Anzahl von Bez. =Ausschüssen in allen Theilen des Landes sich gegen das Gesetz ausgesprochen haben und förmlich dagegen protestirten, so muß uns dies wohl veranlassen, mit der größten Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit darau zu gehen, bevor wir ein solches Gesetz annehmen und lieber einige Zeit mit der Erlassung desselben zu warten, als ein Gesetz zu machen, welches vielleicht in weiten Kreisen Unzufriedenheit hervorzurufen geeignet ist, wobei wir aber andererseits vielleicht, wenn die Sache noch einmal überlegt werden würde, zu einem günstigeren Resultate kommen würden. Denn, wie ich mir früher zu bemerken erlaubte, die Schwie= rigkeit, über welche man nicht wird hinauskommen können, ist eben die, daß die Verhältnisse unendlich verschieden sind und daß sich nicht durch einen allgemeinen Grundsatz gerecht und billig für alle Fälle dieses Verhältniß entscheiden läßt. Damit will ich gar nicht in Abrede stellen, daß es wirklich nothwendig und wünschenswerth sei, daß die Frage überhaupt geregelt werde, d. h. daß die Möglichkeit geboten werde, dem öffentlichen Verkehrsinteresse gerecht zu werden auch dort, wo von Seite der Bez. =Vertretungen nicht das richtige Verständniß oder der richtige Wille entgegengetragen wird.
Es mag sein, daß die nothwendigen Bezirks= straßen nicht zu Stande kommen, weil die genann= ten Bez=Vertretungen nicht das Verständniß und den Willen haben, allein das gilt nicht blos rücksichtlich der Eisenbahnzusahrtsstraßen, dasselbe kann ja auch eintreten rücksichtlich anderer nothwendiger Straßen und man sollte die Frage eigentlich von einem höheren Standpunkte behandeln, sich die Frage aufstellen, ob nicht eine Aenderung des Strassengesetzes überhaupt nothwendig wäre, nicht aber blos im Interesse des durch die Eisenbahnverwaltungen vermittelten Verkehres, sondern im Interesse des Verkehres überhaupt
Es ist also wahrscheinlich, daß einzelne Fälle find, die bisher nicht in befriedigender Weise gelöst wurden.
Aber man muß sich denken, daß ja Böhmen bereits n. z. seit vielen Jahren ein Netz von Eifen= bahnen besitzt, daß die in Hinkunft noch zu erbauenden Eisenbahnen nicht eine solche Meilenlänge in der nächsten Zukunft erlangen werden, wie ste die schon erbauten haben, daß Böhmen bereits eine Menge von Bahnhöfe und Anhaltstationen besitzt und daß die verhältnißmäßig wenigen Fälle, wo ent= sprechende Zufahrtsstraßen nicht zu Stande kamen, nur beweisen, daß für solche Fälle vielleicht etwas geschehen sollte, nicht aber beweisen, daß auch für die unendliche Mehrzahl der Fälle, in welchen gar
kein Austand bestanden hat, daher auch in Zukunft feiner bestehen wird, das Bedürfniß nach einer all= gemeinen gleichmäßigen und deshalb den Grund= sätzen der Gerchtigkeit und Billigkeit nicht Rech= nung tragenden Entscheidung vorhanden sei. Das ist glaube ich, der Grundfehler beider Entwürfe, wenn ich von einem Fehler sprechen darf und da= rum ist es erklärlich, daß sie soweit auseinander= gehen und ich werde das gleich mir nachzuweisen erlauben, indem ich nun auf die Verschiedenheit der beiden Entwürfe eingehe und zu zeigen mich be= mühen werde, daß keineswegs den Protesten, welche von Seite der Bezirksausschüsse eingebracht wurden, etwa durch den Antrag der Kommission entsprochen und ihren Beschwerden abgeholfen wird.
Der Grundunterschied zwischen beiden Ent= würfen ist der, daß sie den Begriff der Eisenbahn= zufahrtsstrassen verschieden festsetzen.
Der Entwurf des Landesausschußes versteht unter Eisenbahnzufahrtsstrassen diejenigen Strassen, welche den Bahnhof verbinden mit dem nächsten öffentlichen Wege, ohne Unterschied, ob derselbe eine Reichs=, Landes=, Bezirks= oder Gemeindestrasse ist.
Der Entwurf der Kommission hingegen stellt den Begriff der Eisenbahnzufahrtsstrassen weiter, daß nicht schon, wenn durch die Zufahrtsstrasse ein Gemeindeweg erreicht wird, der Begriff der Eisenbahnzufahrtsstrasse erschöpfst ist, sondern er faßt auch die Verlängerung von einem öffentlichen Ge= meindewege bis zur nächsten Reichs=, Landes= oder Bezirksstiasse als unter den Begriff der Eisenbahn= zufahrtsstrassen fallend. Daraus zeigt sich, wie in einer ganzen Reihe von Fällen werden beide Be= griffe zusammenfallen.
Wenn nämlich der nächste erreichbare Weg eine Reichs=, Landes= oder Bezirksstrasse ist, fällt der Begriff zusammen, abweichen können beide Be= griffe nur dann, wenn der nächste erreichbare Weg eine Gemeindestrasse ist.
Alsodann erweitert der Kommissionsbericht den Begriff und sagt, auch die Verlängerung bis zur nächsten Bezirks=, Landes= oder Reichsstrasse ist noch mit dem Begriffe der Zufahrtsstrassen identisch, und doch normiren sie beide die Beitragspflicht zur Herstellung der Zufahrtsstrassen verschieden.
Der Landesausschußbericht nämlich legt die Herstellung und Erhaltung seiner Zufahrtsstrassen, d. i. bis zu dem nächsten öffentlichen Wege incl. Gemeindewege der Konkurrenz aus, zu welchen die Eisenbahnen ein Drittel, die Gemeinde oder der Bezirk ein Drittel und eventuell noch andere Per= sonen beitragen sollen.
Der Kommissionsbericht legt die Herstellung und Erhaltung der Zufahrtsstrassen bis zum nächsten Gemeindewege oder auch bis zu der nächsten Be= zirks=, Landes= oder Reichsstrasse ganz der Eisen= bahn auf und insofern ist es für den Bezirk vor= theilhafter. Dagegen legt er dem Bezirke wieder auf den Bau der Strasse von da bis zur nächsten Reichs=, Bezirks= oder Landesstrasse ohne alle Kon=
kurrenz der Eisenbahn. Daraus ergibt sich die Folge= Ist der nächst erreichbare Weg eine Reichs=, Bezirks oder Landesstrasse, so ist der Antrag der Kommission natürlich für den Bezirk der vortheil= hafte; ist der nächst erreichbare Weg eine Gemeinden strasse, so kommt es darauf an, wie lang wird die weitere Strasse bis zur nächsten Bezirks=, Landes= oder Reichsstrasse sein; ist sie sehr lang, so ist es für den Bezirk nachtheilig, ist sie sehr kurz, so ist es für ihn vortheilhaft. Nun wird es eben nicht immer gleich lang oder gleich kurz sein; es kann daher für einen Bezirk der Landesausschußbericht vortheilhaft sein, für einen anderen der Kommissions= Antrag, und daraus zeigt sich, baß die Durchfüh= rung des Kommissionsantrages vielleicht in einzelnen Fällen die Bezirke befriedigt sinden werde, in anderen Fällen aber noch weniger als die Durch= führung des Antrages des Landesausschußes, weil eben die Fälle verschieden sind und was dem Einen recht, im Gegenfalle einem Andern nicht billig, sondern unbillig ist. Daher kann ich von dem aus= gehen, daß durch die Kommissionsanträge, welche ebenso Ungleichartiges gleichartig entscheiden, wie die Anträge des Landesausschußes, den Protesten, welche von den Bezirksvertretungen eingebracht wurden, nicht abgeholfen worden ist. Ja im Be= griffe der Zufahrtsstrassen, wie er in der Kommis= sion vorliegt, finde ich das Geständniß, daß sich der Begriff nicht allgemein halten läßt. Denn darin heißt es, es fei eine Zufahrtsstrasse jene Strasse, welche die Verbindung der Bahnhöfe mit der nächsten Reichs=, Landes=, Bezirks= oder Ge= meindestrasse herstellt oder ausnahmsweise mit der nächst gelegenen Ortschaft.
Sie erkennt selbst an, daß es nicht richtig ist, die ganze Verbindung zwischen den Bahnhöfen und der nächsten Bezirks=, Landes= oder Reichsstrasse als Zufahrtsstrasse zu erklären, daß ausnahmsweise Fälle vorkommen können, wo der Begriff Zufahrtsstrasse nur bis zur nächsten Ortschaft geht, d. h. bis zum nächsten Gemeindewege, wie es der Landesausschuß gethan hat, wo die Verbindung mit der Ortschaft, das ist die Verbindung mit dem an der Ortschaft nahe gelegenen Gemeindewege gemeint ist.
Also die Kommission selbst erkennt an, daß der Begriff der Zufahrtsstrassen nicht allgemein passe; ausnahmsweise muß er doch wieder fallen gelassen werden. Aber welche diese Ausnahmen sind, davon schweigt der Bericht und das Gesetz vollständig. Das ist ganz der Beurteilung desjenigen anheim gestellt, der über die Frage zu ent= scheiden hat, ohne daß die mindeste Direktive gegeben wird, wann diese Ausnahme eintreten soll.
Hier liegt also einerseits keinesfalls ein si= cherer Anhaltspunkt vor, andererseits ein Zuge= ständniß, daß es nicht möglich, die Frage für alle Fälle gleichmäßig zu entscheiden. Nur wird scheinbar eine Entscheidung gegeben werden. In der That, wie gesagt wurde, können die Entscheidendenthun, was sie wollen. Das ist aber kein gutes-
Gesetz, wo ich Ausnahmen zulasse, aber gar nicht sage, wann die Ausnahme stattsinden soll.
Also es sind dadurch die Proteste nicht be= hoben, sondern es liegt darin vielmehr die Aner= kennung der unendlichen Verschiedenheit und der Unmöglichkeit, gleichmäßig alle Fälle zu entscheiden. Welche sind aber die Protestgründe? Der erste derselben ist, daß die Gemeinden und Bezirke, oder nach dem Ausschußantrage nur die Bezirke unver= hältnißmäßig und unbillig in einer bisher nicht bestandenen Weise durch das angegebene Gesetz ge= troffen worden sind.
Sie gehen dabei von folgender Anschauung aus, deren Begründung ich der geehrten Versammlung überlassen muß. Sie sagen nämlich so: Die Eisenbahnunternehmungen sind allerdings Unterneh= mungen, welche dem öffentlichen Verkehre dienen, aber sie sind auch industrielle Unternehmungen, welche nicht blos aus Humanität, sondern auch zu dem Zwecke gegründet werden, um dabei etwas zu ge=. winnen oder etwas zu verdienen.
Es ist ganz natürlich, das muß auch so sein, denn große Unternehmungen werden nicht ans Hu= manitätsgründen in's Leben gerufen, sondern der industrielle Fortschritt ist bedingt durch die Wünsche der Bevölkerung nach Ersparung von Arbeitskraft, das liegt in der Natur der Sache.
Man darf also auch nicht außer Augen lassen (meinen sie), das die Eisenbahnunternehmungen nach dieser Richtung hin wesentlich ebenso erscheinen wie eine andere industrielle Unternehmung.
Nun denke man sich, daß irgend ein Indu= strieller irgendwo eine Fabrik baut, eine Fabrik, die vielleicht mehr zum Vortheile des Bezirks ge= reichen kann (mitunter, denn die Fälle sind ver= schieden) als eine den Bezirk schneidende Eisenbahn.
Wenn nun der Industrielle sich seine Fabrik hinbaut, so liegt ihm daran, daß er zu seiner Fabrik gehen kann und er muß sich Wege zu seiner Fabrik herstellen, er kann nicht verlangen, daß ihm sie Andere herstellen, er hat wenigstens kein Recht dazu, obwohl unter Umständen die Einsicht des Bezirkes veranlaßt wird, eine Bezirksstrasse zu bauen, weil eine solche große industrielle Unternehmung wesentlich auch mit zu den Bezirkskosten beiträgt.
Sie meinen nun, und zwar im ganzen Lande so ziemlich, daß es in der Natur der Sache ge= legen sei, daß auch eine Eisenbahnunternehmung, welche Nichts gewinnen kann, wenn Nichts ans sie gebracht wird, diejenige sei, welche zunächst das Interesse habe, daß der Bahnhof zugänglich sei und zugänglich werde durch Strassen. In gewisser Beziehung erkennt die Kommission dies auch au, weil sie bis zum nächsten Wege der Eisenbahn es auffegt. Nun sagen die Petenten, daß bei den Eisenbahnen der Fall, daß sie zunächst wohl selbst berufen feien, mehr noch eintrete, als bei anderen Industriellen, und zwar aus folgenden Gründen: Das Vorhandensein einer anderen industriellen Un= ternehmung ist nicht blos von Vortheil für den
Bezirk, von volkswirtschaftlichem Vortheil, es ist auch für die Bezirks=Finanzen von Vortheil, denn die industrielle Unternehmung muß ihre Steuern dort zahlen, und nach den Steuern werden auch die Umlagen bemessen.
Es gewinnen also die Finanzen des Bezirkes durch den Bestand der industriellen Unternehmung. Das ist nun bei den Eisenbahnen (meinen sie) nicht so, und haben auch Recht. Bekanntlich sind nämlich die Eisenbahnen, alle die jetzt zu Stande kommen werden, auf eine längere Zeit hinaus, als dieses Gesetz währen würde, befreit von der Einkommensteuer, sie zahlen also keine Einkommensteuer und wenn sie auch zahlen, so zahlen sie wenigstens nicht im Bezirke, sondern theils dort, wo der Ver= waltungsrath seinen Sitz hat, regelmäßig in Wien, theils dort, wo die Betriebs=Direktion ihren Sitz hat, und im Bezirke zahlen sie nicht. Wenn sie also auch nicht einkommensteuerfrei wären, so würde das dem Bezirke nichts nützen, die Steuern, die dem Bezirke gezahlt werden, sind ganz ungenügend.
Das ist ein wesentlicher Unterschied, daß die industriellen Unternehmungen auch zu diesen Bezirkssteuern beizutragen haben, die Eisenbahnen nicht, und doch soll zu ihren Gunsten, meinen sie, etwas ganz anderes gelten, ja der Kommissionsbericht trägt sogar an, daß sie zur Herstellung der Bezirksstrassen auch von jenen Steuern, die sie im Bezirke zahlen, Nichts zahlen sollen, eine Anomalie, die gar nicht vorkommen sollte, daß derjenige, in dessen Interesse eine Strasse gebaut wird, von der Bezirkskonkurrenz ausdrücklich ausgeschlossen werden soll, und selbst von den geringen Steuern, die er zu zahlen hat, Nichts zur Herstellung der Bezirksstrasse beizutragen habe.
Uibrigens kann das für einzelne Bezirke sehr wichtig sein, nämlich für jene, wo die Eisenbahnunternehmung ihre Betriebsdirektion hat. Da zahlt sie nämlich wirklich ihre Steuer; aber bei der Be= freiung von der Einkommensteuer fordern zu wollen, sie von der Umlage für die Bezirksstrasse, die in ihrem Interesse hergestellt wird, zu entheben, ist etwas ganz exorbitantes, was man in dieser Beziehung fordern kann. Das ist der erste Grund, den die Bezirks= ausschüsse gegen die Gesetzeseinführung haben; sie sinden aber auch zweitens eine andere Beeinträch= tigung, nämlich, wie ich schon früher auseinander zusetzen die Ehre hatte, ist die Zahl der Fälle, wo die nöthigen Zufahrtsstrassen nicht zu Stande kamen, gegenüber der ungeheuer großen Anzahl von Fällen, wo dieselben bereits zu Stande gekommen sind, verschwindend klein; sie beträgt 5-6 Fälle. Nun sind bezüglich der Zufahrtsstrassen, welche schon hergestellt sind, bestimmte Verbindlichkeiten eingegangen worden und das Gesetz sagt ganz allgemein mit voll= ständiger Außerachtlassung der übernommenen Ver= bindlichkeiten: diese Strassen sind in Hinkunft Be= zirksstraßen, das heißt: sie gehen in die Bezirkserhaltung über, auch dann über, wenn sie zu Stande gekommen sind mit einer bestimmten Verpflichtung, von einer anderen Seite sie zu erhalten.
Es sagt dies einer der Proteste mit den Worten: "Den bestehenden Eisenbahnen wird überdies die Begünstigung gewährt, daß in Zukunft jene Zufahrtsstraßen, die sie bis jetzt als ihr Eigenthum herstellen und erhalten mußte, was allerdings beschwerlich zu erzielen war, ebenfalls von den Bezirken hergestellt und erhalten werden müssen " Denn das Gesetz erklärt alle diese Straßen als Bezirksstraßen und erklärt: Uiber die Erhaltung derselben gelten die Grundsätze wie bei anderen Bezirksstraßen.
Nun denke man sich, daß ein Uibereinkommen getroffen wurde, daß die Eisenbahnunternehmung den Theil dessen, was als Eisenbahnzufahrtsstraße er= scheint, sich verpflichtet hat, selbst herzustellen oder zu erhalten.
Würde dieses Gesetz in's Leben treten, so würde das einfach beseitigt und der Bezirk müßte, obschon eine andere Verbindlichkeit vorliegt, das als eine Bezirksstraße aufnehmen. Daß das den Bezirken nicht recht eingehen will und daß man darin nicht eine Böswilligkeit sinden darf, das scheint sehr begründet.
Endlich haben die Bezirksvertretungen noch ein drittes Bedenken, und zwar: daß dadurch die Autonomie wesentlich beeinträchtigt wird. Man kann sagen: die Autonomie wird nicht beseitigt, sondern ganz ausgehoben in Bezug auf diesen Gegenstand, denn an die Stelle der Bezirke tritt das Handelsministerium. Daß das Ministerium des Handels bei allen Fragen des öffentlichen Verkehrs eigentlich nicht die Tendenzen haben wird, welche die Bezirksvertretungen und die Steuerpflichtigen haben, das liegt in der Natur der Sache und im Berufe dieses Ministeriums.
Dieses Ministerium wird und muß nach meiner Uiberzeugung, wenn es den Staat nichts kostet, sondern die Privaten sie zu so viel Straßen ver= halten, als nur immer möglich, sonst würde es nicht das Handelsministerium sein. Sein Beruf ist nicht, die Steuerpflichtigen zu vertreten, sondern das In= teresse des öffentlichen Verkehrs zu vertreten, und wenn es sagen kann, ihr müßt Straßen bauen so viel, als ich für nöthig erkenne - so müßte nicht das Handelsministerium sein, wenn es nicht sehr viele Straßen auf Kosten der Bezirke bauen ließe. Das Handelsministerium also an die Stelle der autonomen Behörden treten zu lassen, das scheint mir nicht der richtige Weg zu sein.
Allerdings ich begreife vollständig, daß man autonome Verwaltung und autonome Willkühr unterscheiden muß, da es nicht dem Belieben einer Bezirksvertretung anheim gegeben sein kann, im öffentlichen Interesse, namentlich auch im Inter= esse anderer Bezirke nothwendige Straßenstücke zu bauen zu unterlassen. Es mögen solche Fälle verhältnißmäßig selten vorgekommen sein, ste sind aber gewiß vorgekommen, und mir selbst ist auch bekannt, daß zwar in mehreren Bezirken im öffentlichen Interesse eine Straße gebaut werden soll, sie wird auch gebaut, aber ein zwischenliegender Bezirk will nicht bauen. Das ist möglich. Das
ist nicht blos bei Eisenbahnzusahrtsstraßen, sondern auch bei anderen Straßen möglich und das Be= dürfniß, welches wirklich besteht, besteht, nicht blos in Bezug ans die Eisenbahnzufahrts-Straßen; dem wird nicht abgeholfen dadurch, daß man ein allge= meines Gesetz ausstellt, sondern, wie ich glaube, aus eine doppelte andere Art, entweder dadurch, daß von Fall zu Fall im Wege eines Landesgesetzes ausgesprochen wird, es müsse eine solche Straße zu Stande kommen und daß auf Grund gepflogener Erhebungen die Concurrenz den Verhältnissen des einzelnen Falles entsprechend gerecht und billig vertheilt wird. Denn nur die Justitia distributiva ist die wahre Gerechtigkeit, nicht dieje= nige, welche blos mit gleicher Elle messen will, sondern das als Recht jedem bestimmt, was den Verhältnissen des einzelnen Falles entspricht. Das ist nicht durch einen allgemeinen Grundsatz festzusetzen möglich, sondern durch Beurteilung von Fall zu Fall. Mau könnte diesen Weg einschlagen, und ich halte ihn auch für genügend, weil solche Fälle nicht so häusig sind als man denkt und ge= rade bei Eisenbahnzufahrts=Straßen auch nicht so häusig vorkommen. Man könnte aber auch den zweiten Weg einschlagen, man könnte nämlich das Straßengesetz überhaupt ändern und für solche Fälle, wo an der Renitenz der Bezirksvertretungen und besonders einzelner Bezirksvertretungen (auch dies ist der Fall) - das ganze Unternehmen schei= tert, ein Verfahren vorschreiben, welches von den der Regierung unterordneten Organen vielleicht einige Aushilfe gewährt. Das scheint mir nun der richtigere Weg zu sein. Damit würde die wahre und berechtigte Autonomie nicht verletzt, das öffentliche Interesse aber gewahrt, ohne daß man in einzelnen Fällen materielle Ungerechtigkeit durch dieses Streben herbeiführt, im Durchschnitt gerecht zu sein. Denn von der durchschnittlichen Gerechtig= keit hat der einzelne nichts, indem ja in einzelnen Fällen Unrecht zugefügt wird. Das ist aber eine Täuschung, der man sich bei den allgemeinen Grundsätzen hingibt. Die Bahn gewinnt nichts oder sie wird härter behandelt, das mag sein, aber ist nicht recht, wenn sie härter behandelt wird, als sie be= handelt sein sollte. Aber erst diese harte Behandlung kommt nur einzelnen Bezirken zu Gute und die Bahn wird schlechter, sie hat von dieser harten Be= handlung nichts. - Man muß sich von der Voraussetzung frei machen, als ob es sich um eine Gefälligkeit gegen die Eisenbahnen handelte, oder daß man jene kommunistischen Unternehmungen begünstigt, welche daraus ausgehen, daß andere Unternehmungen soviel zahlen, als sie zahlen können. Das ist nicht der richtige Standpunkt. Man soll nicht mehr zahlen, als was recht ist; aber es soll auch kein Bezirk mehr zahlen, weil ein anderer wenig zahlt.
Aus diesen Auseinandersetzungen dürste nun hervorgehen, einerseits wie unendlich schwierig es ist, durch allgemeine Grundsätze die Sache zu regeln, andererseits wie wichtig es ist, der gerechten Auf=
regung, die im ganzen Lande hervorgerufen werden könnte, insoweit Rechnung zu tragen, daß mau dieses Gesetz, welches auf keinen Fall so dringend ist, daß es über Hals und Kopf beschlossen werden müßte, ohne daß eine ruhige Erwägung desselben stattfindet, lieber die Berathung über dieses Gesetz vertage. Ich meine nämlich die Sache so: Es hat der L. A. auf Grund wohl erwogener Motive seine Anträge gestellt; die Commission hat wieder eben= falls auf Grund ihrer Kenntnisse der Sachlage ge= rade das Entgegengesetzte gesagt in vielen Fällen Die Bezirksvertretungen haben wieder Besorgniß gegen die Bestimmungen des Gesetzes in anderer Weife, es ist also jedenfalls ein sehr schätzbares Material, gesammelt von Personen, welche reichliche Erfahrung in diesen Gegenständen besitzen, vorhan= den. Nun scheint es mir, daß es sehr schwer sein würde, wenn der Landtag gedrängt durch Ge= schäfte aller Art sich selbst zutrauen sollte, er werde selbst das Richtige treffen.