Støeda 14. záøí 1870

Stenographischer Bericht

über bie

VI. Sitzung der ersten Jahres=Session des

bõhmischen Landtages vom Jahre 1870,

am 14. September 1870.

Stenografická zpráva

o

VI. sezení prvního výroèního zasedání snìmu

èeského od roku 1870, dne 14. záøí 1870.

Vorsitzender: Se. Erc. der Oberstlandmarschall Albert Graf Nostitz=Rhinek.

Gegenwärtig: Der Oberstlandmarschall= Stellvertreter Dr. Ritter v. Bìlský und die beschlußfähige Anzahl von Landtags=Abgeordneten.

Am Regierungstische: Se. Durchlaucht der k. k. Statthalter Fürst Dietrichstein=Mensdorff, der k. k. Statthalterei=Vicepräsident Ritter v. Riegershosen und der k. k. Statthaltereirath Ritter v. Neubauer.

Beginn der Sitzung: 10 Uhr 30 Minuten.

Pøedseda: Jeho Exc. nejvyšší maršálek zemský Albert hrabì Nostic-Rhinek.

Pøítomní: Maršálkùv námìstek dr. rytíø Bìlský a poslancové v poètu k platnému uzavírání dostateèném.

Co zástupce vlády: Jeho Jasnost c. k. místodržitel kníže Dietrichstein-Mensdorff, c. k. místodržitelský místopøedseda rytíø Riegershofen a c. k. místodržitelský rada rytíø Neubauer.

Sezení poèalo: v 10 hodin 30 minut.

Oberstlandmarschall (läutet): Meine Herren, die Geschäftsprotokolle der dritten Sitzung vom i. September sind durch die vorgeschriebene Zeit zur Einsicht aufgelegt gewesen. Wünscht Jemand etwas zu denselben zu erinnern? (Niemand meldet sich. ) Wenn nicht, so erkläre ich diese Protokolle für agnoszirt. Herr Abgeordneter Kanonikus Hron hat sich wegen dringender Amtsgeschäfte für die heutige Sitzung entschuldigt, ebenso ist Hr. Dr. Tyrš durch Krankheit verhindert.

Wir werden jetzt zur Fortsetzung der Tages= Ordnung Schreiten und ich ertheile dem Berichterstatter der Minorität Seiner Ercellenz Hrn. Dr. Herbst das Wort.

Dr. Herbst: Dem Votum der Minorität der Kommission und der ihm beigefügten Abresse wurde von einem sehr geehrten Mitgliede des hohen Landtages auf der anderen Seite der Vorwurf gemacht, daß dieselbe kurz sei. Mir scheint, die Ausdehnung eines Schriftstückes richtet sich nach dem Zwecke desselben und wenn nur der Gedanke ein ganz bestimmter und klarer ist, so kann auch das Schriftstück, welches diesen Gedanken zum Ausdrucke zu bringen hat, kurz und dabei doch sehr klar sein. Dagegen kann wohl den Schriftstücken, welche von der Majorität der Kommission dem hohen Landtage zur Annahme vorgelegt wurden, der Vorwurf der Kürze entschieden nicht gemacht werden. Ich fürchte aber, was sie an Länge gewonnen, daß dürften sie an Klarheit verloren haben, (links: sehr gut) unb wenn es hiefür eines Beweises bedürfte, so würde die Ausführung, welche von dem geehrten Redner von gestern am Schluße der Sitzung gemacht wurde, einen Sprechenden Beweis dafür liefern. Seine Rede gipfelte darin, daß er die Arbeiten der Majorität der Kommission gegen Mißverständnisse zu vertheidigen für nöthig fand; nun sind aber diese Mißverständnisse, die er bekämpft, nicht etwa untergeordneter Art, sondern sie betreffen das ganze Wesen der gedachten Schriftstücke und der darin niedergelegien Ansichten, sie betreffen nämlich einmal die Fundamentalfrage, was denn der rechtmäßige Landtag des Königreiches Böhmen fei, weiter die Frage, worin das Selbstbestimmungsrecht dieses Königreiches besteht, und endlich die Frage, wer denn die bestehenden legislativen Vertretungen der andern Königreiche und Länder sei, mit welchen durch Deputationen der hohe Landtag in Verbindung treten soll.

Nun sind dies gerade die drei Punkte, um die es sich in der ganzen Adresse und der ihr beigefügten Denkschrift wesentlich handelt, und wenn darüber Mißverständnisse in einem so ausgedehnten Maßstabe obwalten, so kann Klarheit wenigstens nicht der Vorzug sein, der die beiden Schriftstücke auszeichnet (Bravo! links). Mir Scheint aber auch biese Unklarheit in der Natur der Sache gelegen zu sein. Die Majorität der Kommission fand es nothwendig, den Gegenstand nicht in Einem Schriftstücke zu erschöpfen, sondern dem Entwurf der allerunterthänigsten Adresse noch eine Denkschrift beizufügen, die einen integrirenden Bestandtheil derselben bilben soll. Mir ist nun die Entstehungsgeschichte dieser beiden Arbeiten natürlich nicht bekannt, aber bei unbefangener, jedoch gründlicher Lektüre der= selben machen sie den Eindruck, als ob sie nicht in einer organischen Verbindung miteinander stehen würden, Sondern in einem blos äußerlichen Verbande (Rufe: sehr richtig), als ob die Denkschrift nicht blos die Begründung der Abresse, sondern mehr und nicht blos mehr, sondern auch anderes enthielte als die Adresse (Bravo! Rufe: sehr gut links), und dadurch wird es dann auch erklärlich, daß die Mißverständnisse, von denen der gedachte Hr. Redner spricht, entstehen konnten, und ich darf es offen sagen, nichts weniger als vollständig behoben erscheinen. (Rufe: so ist es!) Denn die Erklärung eines einzelnen Mitgliedes dieser hohen Hauses ist keine authentische Interpretation eines Schriftstückes, welches Seiner Majestät überreicht wird, und vermag die darin obwaltende Unklarheit nicht zu beseitigen. Es möge mir gestattet Sein, das Angedentete au dem ersten Gegenstande zu zeigen, bezüglich dessen nach der Meinung des Hrn. Redners ein Mißverständniß obwaltet, das ist bezüglich der Frage des rechtmäßigen Landtages des Königreiches Böhmen. Es ist unzweifelhaft, der Adreßentwurf und die Denkschrift stimmen in dem Gedanken überein: der hier tagende Landtag Sei nicht der rechtmäßige Landtag. Wer aber der rechtmäßige fei, das ist aus den Schriftstücken nicht zu entnehmen, vielmehr läßt die Adresse eine ganz andere Auslegung zu als die Denkschrist (Rufe: so ist es!)

Der sehr geehrte Herr Redner hat sich gestern direkt an den Herrn Berichterstatter der Minorität gewendet und von demselben die Akzeptirung seiner Erklärung gewünscht, seiner Erklärung nämlich, daß der ständische Landtag nach Seiner Auffassung weder das Ziel noch ein Mittel zum Ziele zu gelangen Sei. Als seine persönliche Erklärung muß ich das natürlich akzeptiren und vollkommen respektiren; aber die Interpretation der Adresse und der Denkschrift führt nach allen Regeln der juristischen Hermeneutik nicht auf dieses Resultat (sehr gut) Die Denkschrifr, isolirt betrachtet, Spricht vom Landtage nach der Wahlordnung vom 8. April 1848, das ist sicher; und wer blos die Denkschrift liest, der würde diesen im Sinne der Majorität als den rechtmäßigen Landtag des Königreiches Böhmen ansehen wollen. Allein bei der Adresse fällt schon das auf, daß sie von jenem Patente vom 8. April 1848 gar keine Erwähnung macht, obwohl sie wieder vom rechtmäßigen Landtage des Königreiches Böhmen Spricht, und wenn darüber noch ein Zweifel sein sollte, so würde er ja durch den Wortlaut der Adresse behoben. Dort, wo sie vom rechtmäßigen Landtage des Königreiches Böhmen handelt und wo sie einen Beisatz, der ganz gewiß zur Interpretation gebraucht werden kann, macht, dort nämlich heißt es auf Seite 3: Wir glauben uns dafür verbürgen zu können, daß der rechtmäßige Landtag des Königreichs Böhmen bereit fein wird, den Anforderungen des Bestandes und der Sicherheit der Monarchie im vollsten Maße gerecht zu werden, er wird diese Bereitwilligkeit opferwillig bethätigen, falls es Ex. Majestät gefallen sollte, die als notwendig erkannten Erfordernisse in altherkömmlicher Weife von ihm anzusprechen. Was ist die altherkömmliche Weise, in welcher das als nothwendig erkannte Erforderniß vom Landtage des Königreiches Böhmen, so lange ein Solcher früher bestand, gefordert wurde? Das Postulat, eingebracht durch Tön. Kommissare. Und welchen anderen Landtag soll man sich nach dieser Stelle Denken, als den Landtag, wie er bis 1848 gewesen ist? (Bravo, sehr gut. )

Nun hat sreilich der sehr geehrte Herr Vorredner die Erklärung gemacht, daß Mißverständniß wäre sehr begreiflich, wenn man bei der Verwahrung vom Jahre 1861 stehen geblieben wäre; man Sei aber nicht dabei geblieben, man fei vielmehr in diesem Punkte der Deklaration beigetreten und erkennen den Landtag vom 8. April 1848 als berechtigt an; wenn blos dies die Beruhigung darüber bieten Soll, welcher Landtag als berechtigt anzusehen sei, so muß ich offen gestehen, dann habe ich diese Beruhigung nicht. Ich glaube nämlich nur darauf hinweisen zu dürfen, daß in der vorgestrigen Sitzung folgende Erklärung auch von der gegentheitigen Seite abgegeben wurde: "Die Wähler der Stadt= und Landbezirke wußten, als sie ihre Abgeordneten wählten, was die Deklaration enthält und unsere Wähler, die Wähler nämlich aus dem Großgrund= besitze, kannten auch uusere Verwahrung vom Jahre 1861. Auf Grund tiefer Verwahrung wurden wir gewählt, auf Grund derselben traten wir in den Landtag, bei dieser Verwahrung stehen wir noch heute. " (Bravo! Sehr gut! links. ) Wenn diese Erklärung abgegeben ist, dann begreife ich in der That nicht, wie man sagen kann, daß der Standpunkt der Verwahrung vom Jahre 1861 bereits aufgegeben ist, und das ist nicht blos die Erklärung eines einzelnen Herrn Redners, dazu kommt ja die offizielle und authentische Erklärung, welche beim Beginn der Session in diesem hohen Hause abgegeben wurde. Diese beim Beginn der Session im hohen Hause abgegebene und von sämmtlichen Mitgliedern der Vertreter des Großgrundbesitzes unterschriebene Erklärung lautet nämlich so: "Indem wir sonach in diese hohe Versammlung eintreten, müssen wir uns vor Allem auf die in der Landtagssession des Jahres 1861 von Mitgliedern der königl. böhmischen Stände abgegebene Erklärung vom 5. April jenes Jahres berufen und dieselbe hiemit unsererseits erneuern, beziehungsweise uns ihr anschließen. "

Es ist, also der Standpunkt eines so namhaften Theiles dieses hohen Hauses noch der Staub= punkt der Verwahrung vom Jahre 1861 und wenn das Mißverständniß durch das Verharren auf diesem Standpunkte entstanden sein soll, so besteht es ungeachtet der gestern abgegebenen Erklärung noch in vollem Maße fort, ja es ist vielmehr noch bestärkt worden. (Sehr wahr!)

Ich wollte das vorläufig nur anführen, weil ich darin den Beweis finden wollte, daß der Vorwurf der Kürze, der unserer Ausarbeitung gemacht wurde, durch den Vorwurf der Unklarheit der gegentheiligen Arbeit mindestens aufgewogen wird.

Ich wende mich nun zunächst zu einer kurzen Würdigung der historischen Darstellung, welche in der Denkschrift enthalten ist. Daß das, was an historischen Daten in der Denkschrift gegeben ist, absolut richtig ist, das unterliegt wohl gar keinem Zweifel.

Es sind dies ja keine neuen Thatsachen, die nicht Schon bekannt wären, ist ja doch erst im Laufe dieses Jahres eine Schrift erschienen, welche alle diese Umstände, Thatsachen und Urkunden viel vollständiger zusammenstellt, als es in der Deukschrift der Fall ist. Die Richtigkeit der Daten, die in der Denkschrift gegeben sind, zu bestreiten, wäre kindisch, sie sind ja unzweifelhaft. Etwas anderes aber ist es, rücksichtlich der Vollständigkeit: man kann Urkunden anführen, aber man kann nur das= jenige aus denselben anführen, was gerade für das, was man beweisen will, spricht, während es notwendig wäre, auch das anzuführen, was begründete Zweifel gegen das, was man behauptet, erregen kann;

Und in dieser Hinsickt werde ich mir erlanben, einige Daten zur Vervollständigung anzuführen.

In der Denkschrift wird z. B. ausdrücklich angeführt das Fundamentalgesetz vom 12. Angust 1791; es ist auch ganz richtig, daß es ein Fundamentalgesetz ist; denn es enthält die Entscheidung über Begehren, Destderien und Gravamina der Stände, die sich durch die jahrelange Unterbrechung in der Ausübung ihrer Berechtigungen verletzt sahen. Nun wird aber in der Denkschrift nur das angeführt, was auf Seite 3 der historischen Darstellung gegeben ist, - daß nämlich Kaiser Leopold den Ständen zusagte, "daß ihre Vernehmung Platz greifen werde, wenn es um die Festsetzung oder Abänderung der Constitution oder solcher Gesetze zu thun ist, so daß ganze Land betreffen. "

Das ist allerdings enthalten in der historischen Darstellung und es ist auch nicht ohne Bedeutung, daß in dem Gesetze lediglich die "Vernehmung" und nicht die "Einholung der Zustimmung" zugesagt wird.

Allein sehr' wichtig wäre es ja bezüglich der Frage, ob auf die frühere Zeit noch zurück gegangen werden könne, entscheidend, wenn dabei auch gefaßt worden wäre, was das Fundamentalgesetz vom I. 1791 in Seinem Eingange erklärt; nämlich den Maßstab der künstigen Verfassung der Stände kann nur vom Regierungsjahre der höchstfeligen Kaiserin Maria Theresia 1764 hergenommen und in die ältere Zeit nicht eingegangen weiden. (Sehr gut. ) Damit ist ein Normaljahr bestimmt, welches die historische Frage über den Umfang der Ständischen Berechtigung etwas einfacher erscheinen läßt, als es nach der Darstellung der Denkschrift der Fall ist.

Ferner wird in der Denkschrift allerdings auch des hochwichtigen Instrumentes, nämlich der Privilegtenbestätigung Ferdinand II vom 28. Mai 1627 Erwähnung gethan. Bekanntlich dreht sich die ganze Frage über den Umfang des böhmischen Ständerechtes um diese Privilegienbestätigung und deren Verhältniß zur Landesordnung. Mir scheint, daß es eben deshalb notwendig gewesen wäre, das aus dieser Privilegienbeftätigung, ob richtig oder unrichtig, abgeleitete Recht etwas näher zu prüfen und wenn möglich darzulegen, daß das, was von Seite der Regierung in dieser Beziehung seit jeher behauptet wurde, nicht begründet fei, denn ursprünglich wurde von Seite der Regierung immer behauptet, daß der in der Landesordnung ausgesprochene Vorbehalt, die Landesordnung zu mehren, zu ändern oder zu bessern, auch auf die Privilegienbestätigung Anwendung finde und daß sie ursprünglich nur mit diesem Vorbehalt ertheilt und auch Später corroborirt worden sei. Auch in dieser Hinsicht wäre vielleicht anzuführen gewesen, was eben auch in jenem Fundamentalgesetze vom Jahre 1791 Kaiser Leopold darüber und über den Sinn der Privilegienbestätigung gesagt hat, weil das zeigen würde, daß der Streit zwischen der Regierung und den Ständen über die Privilegienbestä= tigung nicht erst in den 40ger Jahren erhoben wurde und daß vielmehr eine ganz bestimmte Erklärung Schon im I. 1791 abgegeben und von den Ständen Schweigend aufgenommen wurde. In jener Fundamentalvorschrift heißt es nämlich §. 2, daß Seine Maiestät die Allehöchste Zusicherung ertheilt, "die "ständischen Privilegien auf die nämliche Art, wie "unter der Kaiserin Maria Theresia es geschah, zu "bestätigen, in soweit solche der veneuerten Landesordnung und der itzigen d. h. dermaligen Lanbesverfassung nicht zuwider sind. "

Nun ist es aber Jedem, der sich mit dem Studium der Geschichte der böhmischen Ständeverfassung in der Neuzeit beschäftigt hat, klar, daß die ständische Verfassung, wie sie unter Kaiserin Maria Theresia sich entwickelte und wie sie im Jahre 1791 bestand, gar keine Analogie mit derjenigen darbot, wie sie in der Landesordnung vom Jahre 1627 enthalten war, denn das wesentlichste Privilegium der Stände, welches in der Landesordnung enthalt ten ist, war das ausschließliche Recht der Mitglieder der Stände auf Landesämter; nun aber waren die meisten der Landesämter bereits im Jahre 1791 aufgehoben. Ich brauche nur auf die Veränderung binzuweisen, welche in der Justizverwaltung stattsand; während früher Mitglieder aus dem Herren= und Ritterstande als solche Besitzer des Landrathes fein mußten, war dies beseitigt und doch war jenes ein wesentlicher Theil der Landesordnung. So war es auch mit einer Reihe von anderen Landesämtern. Die Kronhüter waren au die Stelle der Burggrafen von Karlstein getreten. Die Stellung der Kreishauptleute war eine ganz andere und es war eine ganze Reihe dergleichen Ämter absolut geworden und weggefallen, ohne daß je die Stände um ihre Zustimmung gefragt worden wären. Daraus folgt in Bezug auf die Frage der Privilegien= bestätigung, daß auch von Kaiser Leopold und sei= neu Vorfahren die Sache so aufgefaßt wurde, daß das Recht zu mehren und zu ändern immer stattfinde auch bezüglich der bestätigten Privilegien. Darüber hätte nun doch etwas gesagt werden sollen, denn man kann doch nicht annehmen, daß bei einer solchen Frage, wie es die des alten Staatsrechtes ist, gerade dasjenige Moment werde ganz übersehen worden fein, um welches sich der Streit zwischen den Ständen und der Regierung durch so viele Jahre gedreht hat. Noch mehr Lücken zeigen sich aber, wenn man der Neuzeit näher kommt. Die Denkschrift erwähnt eigentlich als letztes historisches Dokument das kaiserliche Reskript vom 8. April 1848. Dieses Reskript ist be= dentsam und zwar darum, weil dasselbe, wie bekannt, nicht vielleicht ein Produkt Der Bureaukratie in Wien, Sondern ein Elaborat von Vertrauensmännern der Prager Bevölkerung war, und weil man bezüglich desjenigen, was darin aufgenommen und was von der Bevölkerung Prags und des Königreiches mit Jubel aufgenommen wurde, wohl annehmen kann, daß es die damalige Ansicht des Königreiches Böhmen in Bezug auf die staats= rechtliche Frage ausgedrückt habe.

Ich erlaube mir nun, meine Herren, Sie ausmerksam zu machen auf den vierten Absatz dieses kaiserlichen Reskriptes, wo es heißt: Die Bitte um die Vereinigung der Länder Böhmen, Mähren und Schlesien unter einer Centralverwaltung in Prag und einem gemeinschaftlichen Landtage hat den Gegenstand der Verhandlungen aus dem nächsten Reichstage zu bilden, wobei jene genannten Länter Böhmen, Mähren, Schlesien vertreten fein Werden. Und hier komme ich auf den zweiten Punkt des Mißverständnisses, von welchem der sehr ge= ehrte Redner von gestern gesprochen hat.

Dieses Mißverständniß hat sich auf das Selbst= bestimmungsrecht der böhmischen Krone bezogen und in dieser Richtung spricht sich die Denkschrift auf Seite 11 aus, wie folgt: "Denn wenn von Seite dieses hohen Landtages die Beschickung des Reichsrathes beschlossen würde, so würde hiedurch das Königreich Böhmen Seines freien Selbstbestimmungs= rechtes in den wichtigsten Fragen seines Staats= und Verfassungsrechtes verlustig, der konstitutiven und legislativen Gewalt eines neugeschaffenen parlamentarischen Körpers unterworfen und das Gebiet der Krone Böhmen, das bisher im Verbande der österreichischen Staaten auf Grund Seiner obgedachten Fundamentalgesetze als besonderer Staat, als besondere staatsrechtliche Individualität anerkannt war, einem neuen Staate inkorporirt werden. "

Nun der vierte Absatz aber erklärt, daß die Frage, ob die Länder der böhmischen Krone eine gemeinschaftliche Zentralverwaltung haben und durch einen gemeinschaftlichen Landtag vertreten fein Sollen, auf dem Reichstage zu Wien entschieden werden soll. Also nicht hier zu Lande und nicht durch eine Versammlung, welche blos aus Abgeordneten der böhmischen Krone besteht, sondern durch eine Versammlung in Wien, bestehend aus Abgeordneten sämmtlicher Länder zwar nicht aller Länder der Gesammtmonarchie, wohl aber aller und nur jener Länder, die jetzt im Retchsrathe vertreten sind. Wer im April 1848 unter dem Reichstage etwas anderes verstanden hat als den Reichstag, der im April 1848 einberufen wurde, der hat wenigstens nicht vorhergesehen, was die nächsten Tage nach Erlaß des Reskriptes kommen wird. (links Bravo!)

Dieser Reichstag, in welchem auch die Länder Böhmen, Mähren, Schlesien vertreten sein werden,

Sollte darüber entscheiden, und man hätte sich damit ohne weiters begnügt. Man muß damals entweder das Selbstbestimmungsrecht nicht in dem Sinne aufgefaßt haben, wie heute, oder es muß nicht in diesem Sinne bestanden haben; Sonst wäre dies wohl nicht möglich gewesen. (Sehr gut, bravo!) Den bedeutend größten Fehler der Denkschrift finde ich aber in etwas Anderem. Sie schließt die geschichtliche Entwickelung mit dem 8. April 1848 ab, als ob die Geschichte seit dieser Zeit sich nicht beständig entwickeln würde (sehr wohl!), als ob Seit dem Jahre 1848 in Österreich und in dem übrigen Europa nichts geschehen wäre und als ob dieses Stück Papier die geschichtliche Entwickelung abgeschlossen hätte für alle Zukunft!

Und was ist nicht Alles in dieser Zwischenzeit geschehen. (Ja wohl!) Es ist ein konstituirender Reichstag für jene Länder, die jetzt im Reichsrathe vertreten sind, nach Wien einberufen worden, und in diesem konstituirenden Reichstage wurden die im Königreiche Böhmen gewählten Vertreter ausgenommen (sehr recht!), und sie sind in denselben unbedingt und vorbehaltslos eingetreten (Bravo!). Was ist denn aber ein konstituiren= der Reichstag? und als ein Solcher Körper wurde er bei Seiner Einberufung ausdrücklich erklärt. Jede konstituirende Versammlung, und erst unlängst wurde mit Recht auf die Gefahren, die damit verbunden sind, hingewiesen - jede konstituirende Versammlung ist eine solche, die an keine Schranken gebunden ist bei dem, zu bessen Schaffung sie berufen ist.

Wer nun unbedingt und ohne Vorbehalt in eine Solche konstituirende Versammlung eintritt, der kann sich dann nicht gleich wieder auf den Erlaß vom 8. April 1848 berufen, um so weniger, als in demselben Monat die allerdings oktroyirte und Späterhin verworfene Verfassung vom 25. April 1848 erlassen wurde, welche sich über den Umfang der ständischen Berechtigungen im 54. paragraf auf ganz andere Weife ausspricht, als es in dem Reskript vom 8. April 1848 der Fall war und die= selben fast völlig aufhebt. In der That ist, wie es einmal gelegentlich einer Solchen Berufung auf das Reskript vom 8. April 1848 vorkam, der Eintritt, in den konstituirenden Reichstag sofort entgegen= gehalten worden.

Überhaupt ist es sehr lehrreich bei den konstituirenden Fragen Õsterreichs auf die Verhandlungen jener Versammlung zurückzukommen, und es ist von hoher Bedeutung daß die Protokole des Verfassungsausschußes jenes konstituirenden Reichsrathes noch vorhanden find und daß so viele lebende Zeugen vorhanden sind, die an den Arbeiten jenes Verfassungsausschußes Theil genommen haben (Bravo! links), wenn auch das, was in diesem Ausschuße gesprochen und beantragt wurde, bereits der Geschichte angehört. Es ist nicht ein Geheimniß, auch kein öffentliches Geheimniß, Sondern, es ist ein Gemeingut Aller, die sich mit der geschichtlichen Entwicklung beschäftigen und so wissen wir denn auch, daß in diesem Verfassungsausschuße der Antrag der Konstituirung Österreichs nach nazionalen Ländergruppen gestellt wurde, und daß der Urheber dieses Antrages nichts dagegen einzuwenden hatte, daß, wenn eine der proponirten Ländergruppen: Èechisch=Böhmen, nämlich die slavischen Theile Böhmens, Mährens und Schlesiens und die ganze Slovakei umfassend, gebildet wird, daß dann die deutschen Theile Böhmens und Mährens mit den alten Stammländern der Monarchie verbunden werden. (Bravo: links; Hört! rechts! Und dieser Antrag ist nicht von den deutschen oder so genannten zentralistischen Mitgliedern gestellt worden; nein, Sondern, es ist von denselben bekämpft und verworfen worden. (Zentrum: Hort!) Das ist auch eine geschichtliche Thatsache (Bravo links!), die ein merkwürdiges Streiflicht auf die Entwicklungen und Phasen, welchen Staat und Bewohner und die Ansichten der Letzteren im Laufe von 22 Jahren unterworfen sind, zu werfen geeignet ist. Aber bei der Konstituirung des Reichsrathes und Berathung desselben ist es nicht geblieben, er wurde bekanntlich aufgelöst. Sein Verfassungsentwnrf, der so radikal vorging in der Beseitigung des Historischen, daß er Sogar die schwarz=gelbe Farbe beseitigte und eine neue Farbe Österreich und seiner Flagge weiß=roth= gold mit Zustimmung aller Mitglieder beantragte, dieser Reichsrath wurde aufgelöst, es wurde die Verfassung vom 13. März 1849 oktroyirt, gerade so wie jenes Reskript vom 8. April 1848.

Und ich muß noch auf eine Thatsache aufmerksam machen, die nicht zu übersehen ist - die Herren, welche in den konstiuirenden Reichsrath eingetreten waren, waren in eine Versammlung eingetreten, welche nicht die gesammte Monarchie, wohl aber alle die Länder vertrat, die jetzt im Reichsrathe vertreten sind (sehr gut), und kein einziges Land mehr; also in eine cisleithanische Versammlung sind sie eingetreten, in eine cisleithanische Versammlung, die jetzt so sehr perhorreszirt wird. (Bravo. ) Auf Grund der Verfassung vom 13. März 1849 wurden am Ende des Jahres Landes= Ordnungen für die einzelnen Länder, so auch für Böhmen erlassen. Diese sind allerdings eben so wenig in's Leben getreten, wie das Reskript vom 8. April 1848. Aber "lex posterior derogat priori; " wenn Schon 2 Gesetze nicht in's Leben traten, so hat das zweite mindestens eben so viel Kraft, wie das Erste. Denn beide find von der abfohlten Gewalt erlassen und der spätere Wille des absoluten Herrschers überwiegt den früheren. - Dabei aber blieb es nicht. - Im Jahre 1851 war bereits jene traurige Periode des Absolutismus eingetreten, wo man wirklich sprechen kamt von dem Streben nach unberechtigter Centralisation, nach Beseitigung jeder Autonomie und auch nach Ger= manisirung. - In dieser Zeit nun, welche erst mit dem Jahre 1860 wieder abschloß - in dieser Zeit erschienen die kaiserlichen Grundsätze vom Jahre 1851 über die künftige Einrichtung der Länder des österreichischen Kaiserstaates

Anknüpfungen an historisches Recht finden sich darin keine. Das einzige, was man als solches bezeichnen könnte, ist das Verbot, künstig, wenn man von einem einzelnen der Länder spricht, das= selbe als Kronland zu bezeichnen und die Vorschrift, ihm vielmehr feinen alten Namen: Königreich, Erzherzogthum u. s. w. zu geben und nur wenn mehrere genannt sind, von Kronländern zu sprechen. Das ist das einzige Historische. Sonst bricht es mit der Vergangenheit der Stände vollkommen. Aber auch das Wenige, was sonst darin enthalten ist, ist nicht in's Leben getreten. - Nun kamen dann Vorschriften, welche den verstärkten Reichsrath beriefen, der in's Leben trat und dann durch das Oktober=Diplom beseitigt wurde. Bezüglich des Oktober=Diploms möchte ich blos auf zweierlei aufmerksam machen. Einerseits, daß es Se. Majestät der Kaiser aus a l l e r h ö ch s t e r M a ch t v o l l k o m m e n h e i t erließ; er fühlte sich nicht gebunden durch das, was vor= angegangen ist, nicht durch die Verfassung vom Jahre 1849, aber auch nicht durch das Reskript vom Jahre 1848. - Das wäre bas Eine. Das andere ist, daß die gleichzeitig mit dem Oktober= Diplom veröffentlichten Landes=Statute und die damals schon in Bearbeitung begriffenen Entwürfe für die übrigen Länder und auch für das Königreich Böhmen beweisten, wie das Oktoberdiplom eigentlich die Berechtigung der Stände auffaßt, daß von einem solchen Maße von Berechtigungen der künftigen Landtage und von einer solchen Zusammensetzung, wie sie auf Grund des Februarpatentes geschehen ist, in jenen Statuten nicht entfernt die Rede war. Gar wenige Vertreter des Bürgerstandes hätten hier Platz gefunden, wenn jene Statuten in's Leben getreten wären.

Dann erschien das Februarpatent und es sind die weiteren Wandlungen eingetreten, welche die Geschichte der letzten Jahre aufweist. Das Februar= patent und der durch dasselbe geschaffene Landtag hat das voraus vor all'den früheren Schöpfungen, daß sie eben in's Leben getreten sind, daß wirklich auf Grund jenes Gesetzes Berathungen stattfanden, Gesetze beschloßen wurden und das hat von den früheren konstitutiven Anläufen keiner aufzuweisen. Das lebendige Verfassungsrecht ist erst mit dem Jahre 1861 geschaffen worden. Mit dem Reskripte vom 8. April 1848 ist nichts geschaffen worden und geschichtlich scheint mir doch nur dasjenige zu sein, was geschehen, nicht was geschrieben ist. (Bravo! links. )

Wenn ich mich somit wesentlichen Bedenken gegen die geschichtliche Darstellung, wie sie in der Denkschrift enthalten ist, nicht verfließen kann, so bin ich doch mit einem punkte derselben ganz vollkommen einverstanden und ich glaube, es wird bezüglich desselben überhaupt keine Meinungsverschie= denheit bestethen. Das ist, wenn Seite 12 gesagt ist:,, Bei aller Schuldigen Achtung für den aller=gnädigsten Monarchen und in unwanbelbarem Vertranen auf die jederzeit wohlwollendsten Intentionen Seiner Majestät muß doch die höchst bedauerliche Wahrheit zum Ausdrucke gebracht werden, daß unsere Verfassungszustände durch einen endlosen Wechsel von Regierungsgrundsätzen, Allerhöchsten Kundgebungen, Oktroyirungen und Sistemen, wovon die Späteren nicht Selten die vorangegangenen als nicht dagewesen behandelten, in ein solches Schwanken gerathen sind, daß Anschauungen, Urtheile und Institutionen sich in verwirrendem Widerspruche durchkreuzen und daß keine Gewähr dafür besteht, ob nicht die Oktroyirungen von Gestern durch eine Oktroyirung von Morgen abgeändert werden kann. "

Gewiß muß man sich vollkommen mit dieser Darstellung einverstanden erklären, allein, wenn man diese Stelle einem Unbefangenen und in die vorausgehende Darstellung der Denkschrift nicht Eingeweihten mittheilen würde, welcher Schluß würde sich für einen solchen daraus ergeben? Offenbar der Schluß, daß es jetzt mit den Oktroyirungen ein Ende haben solle; - (Ja wohl!) daß man nicht wieder mit neuen Oktroyirungen kommen Soll. (Ja wohl! links). Adresse und Denkschrift laufen aber eben auf Oktroyirungen und das werde ich mir jetzt zu begründen erlauben. (Bravo! links. ) Adresse und Denkschrift gehen nämlich dahin, daß auf den rechtmäßigen Landtag des Königreiches Böhmen zurückgekommen werden solle, wobei ich beide Meinungen offen lassen will, daß ferner das Königreich Böhmen durch Deputationen mit den bestehenden legalen Vertretungen der anderen Königreiche und Länder sich in Verbindung fetzen und daß es endlich direkt und zwar mit Wahrung seiner selbstständigen Stellung als Königreich Böhmen in die Delegationen wählen soll, - das sind die drei Postulate, welche in der Adresse und Denkschrift enthalten sind.

Was nun das erste betrifft, so wäre es allerdings am einfachsten zurückgreifen auf den Landtag, wie er bis zum Jahre 1848 bestanden ist. Das wäre zwar das Einfachste, aber ohne Oktroyirung doch nicht möglich, denn ein bestehendes Gesetz kann eben nur wieder durch ein Gesetz aufgehoben werden und daß das Februarpatent ein bestehendes Gesetz ist, das ist sogar auch von jener Seite zugestanden worden. Schwieriger würde es sein mit dem Reskript vom 8. April 1848 und der darin enthaltenen Wahlordnung, und es muß mir schon gestattet sein, mich über diese Wahlordnung, in welcher man gar so viel Gutes zu finden meint, etwas näher auszusprechen. Meine Ueberzeugung ist nämlich, daß zwischen ihr und dem früheren ständischen Systeme es eigentlich gar kein besonders wesentlicher Unterschied besteht und daß am allerwenigsten die Behauptungen richtig sind, welche in die Denkschrift aufgestellt wurden, nämlich, daß diese Wahlordnung bereits in Anwendung gebracht und nie aufgehoben worden sei und daß sie unter Achtung historischen Rechtes die Bevölkerung auf breiter und gerechter Basis zu konstitutiver Thätigkeit im Landtage berufen hatte. Diese Behauptungen werde ich etwas näher zu beleuchten trachten.

Zunächst die breite und gerechte Basis. Was das betrifft, so braucht man nur darauf zurückzugehen, wer denn eigentlich zur Theilnahme am Landtage nach dem Reskript vom 8. April berufen war. Erstens einmal alle Personen, welche bisher landtagsfähig waren. Es ist also in diesem Reskript mit dem modernen Repräsentativ=Prinzip vollständig gebrochen und das Prinzip der erblichen und persönlichen Berechtigung hat breiten Eingang in diese Wahlordnung in einer Weife gefunden, wie Sie in keinem Lande Europas etwas Ähnliches finden würden. Aber nicht blos das. Die königlichen Städte, die privilegirten Städte sollen auch ohne weiters wahlberechtigt fein, weil sie landtagsfähig feien und zwar ohne alle Rücksicht auf die Einwohnerzahl und die Stenerleistung, so daß z. B. in dem Verzeichniß der Städte, die damals wahl= berechtigt waren, unter anderen auch Theresienstadt mit einer Bevölkerung von 1100 Einwohnern vorkommt. (Sehr große Steuern werden die Bürger dieser Stadt wohl auch nicht zahlen). Das ist also die gerechte Basis gegenüber dem Februarpatent, wo eine Vertretung einer Stadt von 1100 Ein= wohnern durch einen eigenen Abgeordneten sicher nicht zugestanden ist.

Meine Herren, dazu noch etwas! Es war sogar unklar, wer diese Städte sind; denn die anderen Landstädte Sollten auch vertreten sein. Bei 4000 Einwohnern durch 1, bei mehr als 8000 Einwohnern durch 2 Abgeordnete. Daß matt aber doch nicht gut wußte, welche Städte eigentlich berechtigt seien, das beweist deutlich die Vorschrift, welche über die Vornahme der Wahl erlassen wurde. Dort heißt es nämlich:,, Allen jenen Städten und Ortschaften, welche im obigen Verzeichniß nicht verzeichnet sind, aber gleichwohl sich berechtigt glauben, eigene Deputirte zu wählen, steht es frei, zu wählen. So klar war also diese Wahlordnung, daß man nicht einmal wußte, welche Städte nach derselben wahlberechtigt Seien (Heiterkeit) und es war auch ganz natürlich! So entstand z. B. folgende Frage: Die königlichen freien Bergstädte, sind die auch befugt oder nicht? Das Verzeichniß nennt sie königliche privilegirte Bergstädte, königliche freie Bergstädte; man Sollte also glauben, diese privilegirten, diese freien Bergstädte sind auch königliche Städte und als solche wahlberechtigt, aber doch wurden jene unter ihnen nicht in das Verzeichniß aufgenommen, welche weniger als 4000 Einwohner zählen. Man hat daher nicht gewußt, sollen diese Städte wahlberechtigt fein oder nicht. Eine solche Wahlordnung scheint mir kaum ein Produkt reifer Ueberlegung, ein Palladium zu sein, Welches ohne weiters wieder ins Leben gerufen werden sollte. Dazu kommt aber, daß sie selbst schon damals nicht als etwas Feststehendes, Unwiederrusliches angesehen wurde. Es waren nämlich nur die landtagsfähigen Großgrundbesitzer zur persönlichen Erscheinung im Landtage eingeladen. Nun gab es damals auch schon sehr viele nicht landtagsfähige Großgrundbesitzer; die wendeten sich deshalb mit einer Petition an Se. Majestät, und nicht etwa mit einem neuen Reskript, nicht in Folge eines Gesetzes, sondern mit einem Ministerialerlaß vom 7. Mai 1848 wurde einfach erklärt: Auch sie Sollen in den Landtag! (Heiterkeit auf der Linken. )

Das Land sollte nämlich in 5 Bezirke getheilt Werden, wovon jeder Bezirk 3 Kreise, einer 4 Kreise zu umfassen hat und jeder 5 Abgeordnete zu wählen hatte; dies geschah durch einen Ministerialerlaß. (Sehr gut, links!) Noch mehr; während im Reskripte nur von Städten die Rede ist, ist durch das nämliche Ministerialreskript ausgesprochen, auch Dörfer, wenn sie über vier tausend Einwohner haben, können wählen, auf welche Art mehreren namentlich angeführten Dörfern die Wahlberechtigung eingeräumt wurde. Alles dies ist enthalten im Ministerialerlasse vom 9. Mai 1848, Z. 1674. (Sehr gut. )

Aber damit ist es noch nicht abgechan. Bei der Landbevölkerung sollte jeder Steuerzahler, in den Städten aber nur jeder Bürger wahlberechtigt Sein. Was ergibt sich daraus? Daß man an Privilegien festhielte, weil die königlichen Städte als Solche früher das Privilegium zu wählen hatten und in den königlichen Städten nur der Bürger berechtigt war. Auf dem Lande sollte also jeder, der Steuer zahlt, wählen; in den Städten aber Sollte keiner wählen, wenn er auch noch so viel Steuer zahlte, soferne er nicht Bürger war. Und das ist die breite und gerechte Basis!

Bei den Landgemeinden endlich hielt man sich an die Vikariatsbezirke und jeder Vikariatsbezirk wählte zwei Abgeordnete. Es ist bekannt, daß hierin eine der größten Beschwerden lag, und man deshalb die Wahlen nicht überall vorgenommen hat. So hat der Bunzlaner Kreis 9 Vikariate und von diesen 9 Vikariaten hatte einer, nämlich der Reichenberger, damals Schon 79. 000 Einwohner, ein anderer, der Melniker, 22. 000 Einwohner, also eine Differenz von 22. 000 und 79. 000, d. i. von 1: 3 1/2.

Das ist der beste Beweis, daß mau sich an etwas Zufälliges gehalten habe, gerade so, wie man sich im J. 1849 und 1861 an die Bezirkshaupt= mannschaften gehalten hat, gewiß ohne Absicht; ich bin überzeugt davon; aber zweckmäßig und der Gerechtigkeit entsprechend war es gewiß nicht.

Daher würde eilte Solche beschränkte Vertretung der nicht privilegirten Klassen Stattgefunden haben, daß ich die Behauptung für berechtigt halte, daß jene Wahlordnung näher stehe irgend einer der vergangenen Jahrhunderte, als einer Wahlordnung, wie sie in moderner Zeit sich gründet auf das Prinzip der Repräsentazion und auf die Vertheilung der Stimmen nach der Einwohnerzahl.

Daher kann es uns kein Wunder nehmen, daß man namentlich in den deutschen Bezirken sich nicht zur Wahl nach dieser Wahlordnung nach Vikariaten entschloß.

Ich will aus vielen andern, wo mir die speziellen Daten nicht zu Gebote stehen, zwei Beispiele anführen.

In dem bezüglichen Jahre sollte in Röchlitz bei Reichenberg für den nördlichen Theil des Reichenberger Vikariats=Bezirkes die Wahl stattfinden und 30 Gemeinden wurden zu diesem Zwecke berufen. Sie verweigerten jedoch einstimmig die Wahl und gaben folgenden Protest zu Protokoll: "Die Wahl "könne nicht Stattfinden, weil die Ausschreibung der= "Selben nicht vom Kaiser und dem verantwortlichen "Ministerium ausgegangen sei, (das ist eine Thatsache) weil die Einberufung des Reichstags vor= "hergehen muß und weil die Eintheilung nach Vikariaten die deutsche Bevölkerung benachtheiligte. "

Aus diesem Grunde würde der Protest von der Versammlung mit Akklamation angenommen und von den Ausschüssen sämmtlicher 30 Gemeinden unterschrieben. Tags vorher wurde von den deutschen Gemeinden des Semiler Vikariatsbezirkes in Morchenstern bei Gelegenheit der Wahl ein ähnlicher Protest verfaßte und zu Protokoll gegeben.

In den deutschen Gegenden müssen aber diese Wahlverweigerungen in sehr ausgedehntem Maße Stattgefunden haben, und zwar läßt sich dies aus folgender Thatsache schließen.

Das Gubernialpräsidium in Prag veröffentlichte die vorgenommenen Wahlen und es sind im Laufe des Monates Juni sechs solche Verzeichnisse erschienen; das letzte derselben am 26. Juni 1848. Allein alle diese Verzeichnisse umfassen nur eine sehr kleine Zahl von gewählten Abgeordneten. Ich habe die in diesen 6 Verzeichnissen enthaltenen zusammengezählt und gefunden, daß höchstens von 30 Städten und 30 Vikariatsbezirken die Wahlen veröffentlicht worden sind. Nachher hat die Veröffentlichung nicht Stattgefunden, und da mittlerweile die Wahlen nach Wien ausgeschrieben waren, so darf man annehmen, daß das alle Wahlen gewesen sind, welche vorgenommen wurden.

Wenn ich darüber einen Zweifel hätte, er würde mir vollständig benommen fein durch den amtlich veröffentlichten Präsidialeriaß des Landeschefs vom 25. Juni 1848; dieser lautet nämlich folgends, und ist in der Prager Zeitung und in den anderen Zeitungen Jedermann zugänglich gemacht worden. Ich muß dabei über die Veranlassung desselben etwas vorausschicken.

Bekanntlich war der Landtag mit dem Erlasse vom 7. Juni einberufen worden vom hiesigein Gubernial=Präsidium, obschon eine kaiserliche Einberufung noch nicht stattgefunden hatte; das ist auch der Grund, worauf sich der Protest der Reichenberger Gemeinden bezog.

Erst durch ein kaiserliches Patent vom 6. Juni, also später wurde der Landtag von Seiner Majestät einberufen, daß Datum aber, für welches der Landtag zusammen treten sollte, in dieses Patent hineinzusetzen wurde dem Gubernialpräsidenten überlassen.

Das mußte ich vorausschicken zum Verständnisse jenes Präsidialerlasses, dessen Verlesung mir wohl gestattet fein wird; derselbe lautet:

"Das Landespräsidium hat sogleich den 24. "Juni als den Eröffnungstag bestimmt, und die "Drucklegung des Allerhöchsten Patentes angeordnet. "Der Ausbruch des Aufruhres am 12. Juni hat "diese jedech unmöglich gemacht. " - (Die Drucklegung. ) - "Eben dadurch ist die Vornahme der "Wahlen der Deputirten in Prag bisher unmöglich "geworden und selbst die Wahlen auf dem Lande "wurden an mehreren Orten theils unmittelbar durch "die in Folge vorhergegangener, verbrecherischer Thaten entstandene Aufregung vereitelt. "


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