Antrag des Abgeordneten Stöhr und Genossen, betreffend die Aufhebung der politischen Ehemeldscheine; Nr. 307: Antrag des Abgeordneten Ritter von Kopetz und Genossen, betreffend die Gebiete der Bezirksvertretungen; ferner Kommissionsbericht für Gemeindesacheu zum Vortrag.
Nr. 148, 155, 156, 159, 160, 171, 177, 283, Berufungen vermiedener Gemeinden, Bezirksausschüße und Parteien gegen Entscheidungen des Landesausschußes.
Es ist mir eine Zuschrift der hohen k. k.. Statthalterei zugekommen, welche ich ersuche vorzulesen:
Landtgssekr. Schmidt (liest): Durchlauchtig hochgeborener Fürst!
Ueber den verschiedenen Zweigen der innländischen Industrie, deren Belebung und Vervollkommnung die Aufmerksamkeit der Regierung fortan wachhält, gebührt der Glas- und QuincaillerieWaaren-Erzeugung im nördlichen Böhmen ein besonders hervorragender platz, und zwar, nicht blos, weil der Export dieser Waaren selbst nach überseeischen Ländern und in das Innere von Afrika sich ausdehnte, ondern auch, weil die Erzeugung dieser Waaren bei Gablonz und der Umgegend so zu sagen die einzige Erwerbsquelle nahezu von 14. 000 Menschen, welche bei der dießfälligen Erzeugung beschäftigt waren, gebildet hat.
Leider ist die Wahrnehmung gemacht worden, daß die Industrie von Gablonz und Umgebung theilweise Rückschritte gethan, seitdem Frankreich, Belgien und England mit ihr in Konkurrenz getreten sind und in ihren Erzeugnissen einen größeren Geschmack an den Tag legen.
Diese Wahrnehmung führt aber auch zur Erkenntniß der Mängel, auf deren Beseitigung vorzugsweise hinzuwirken wäre, wenn diesem Industriezweige nicht schließlich der Weltmarkt ganz entrückt werden, und die dortige Bevölkerung bei der Sterilität des Bodens nicht gänzliche Erwerblosigkeit anheimfallen soll.
Der Arbeiterklasse mangelt die nöthige gewerbliche Ausbildung an Hand der Wissenschaft, sie bedarf Fertigkeit im Zeichnen zur Erzielung besserer Formen und Forderung des Geschmackes, sie bedarf Kenntnisse in der Chemie, um die Erzeugung der farbigen Glasflüsse rationell und mustergiltig zu bewirken. Unter diesen Verhältnissen erscheint eine Fürsorge für einen gewerblichen Fachunterricht sowohl der jüngeren als der älteren Industriellen dringend geboten, und ich habe mich wegen Aktivirung eines solchen zunächst mit der Reichenberger Handels-und Gewerbekammer in das Einvernehmen versetzt.
Wie die beiliegende Eingabe vom 13. Juni 1868 nachweist, wurde einhellig die Ueberzeugung ausgesprochen, daß die Errichtung einer Fachschule in Gablonz ein dringendes Bedürfniß sei, daß als ordentliche Lehrgegenstände das Zeichnen für Modellierkunst und Ornamente, sowie chemische und mechanische Technologie verbunden mit praktischen,
dem Bedürfnisse der Glas- und QuincailleriewaarenErzeugung entsprechenden Uebungen aufzunehmen feien, auch Bedacht zu nehmen wäre, später auch für den Unterricht in der Buchhaltung und in Sprachen nach Thunlichkeit geeignete Fürsorge zu treffen, und daß endlich der Lehrplan derart eingerichtet werden sollte, daß Jünglingen, welche die Unterrealschule absolvirt haben, oder welche von den Lehrern bei einer Aufnahmsprüfung als befähigt erkannt wurden, in einem regelmäßigen zweijährigen Curfus der nöthige Unterricht ertheilt werde.
Nebstbei solle den Lehrern zur Pflicht gemacht werden, in einigen Abendstunden der Woche, die in der Glas- und Quincailleriebrauche bereits praktisch beschäftigten Unternehmer oder Gehilfen mit der unumgänglich nothwendigen Theorie vertraut zu machen, während die freien Stunden der Lehrer dazu verwendet werden könnten, den in dieser Branche arbeitenden Geschäftsleuten auf Verlangen mit Rath und That zur Seite zustehen, und ihre Forschungen auf verwerthbare Entdeckungen, Erfindungen oder Verbesserungen im Gebiete der betreffenden Industrie auszudehnen.
In Bezug auf die Mittel zur Errichtung und Erhaltung einer derlei Anstalt habe ich zunächst dahin getrachtet, die bezüglichen Interessenten und Bezirke diesfalls zu ausgiebigen Beiträgen stimmen zu lassen, und es ist den Bemühungen des k. k. Schulrathes Maresch gelegenheitlich einer Inspektionsreise und der Aufforderung des Gablonzer k. k. Bezirkshauptmannes an die Gablonzer Gemeindevertretung und die Bezirksvertretungen von Gablonz und Tannwald gelungen, zu diesem Zwecke beachtenswerthe Beiträge zu erzielen.
Wie nämlich der zuliegende Bericht der Letzteren de dato 11. September 1868 Z. 178 nachweist, hat die Gablonzer Gemeindevertretung sich verpflichtet, die Lehrzimmer, das chemische Laboratorium und die Natural-Wohnung für den Zeichnungslehrer vom 1. November 1868 an, zur Verfügung zu stellen.
Von Seite der Gablonzer Bezirksvertretung wurde ein jährlicher Beitrag von 150 fl. auf 5 Jahre aus dem Bezirksfonde für Beleuchtung und Beheizung der Schullokalitäten bewilligt, ein ähnlicher Jahresbeitrag auf 5 Jahre, jedoch im Betrage von jährlichen 50 fl. wurde von Seite der Tannwalder Bezirksvertretung zugestanden.
Die unter den größeren Firmen veranlaßte Subskription lieferte vorläufig das Ergebniß einer Zeichnung von 1013 Gulden ein für allemal, doch ist nicht zu zweifeln, daß bei einem Prosperiren der Fachschule die Beiträge noch fortgesetzt werden dürften, zumal solche zunächst zur besseren Einrichtung der Anstalt verwendet werden würden.
Der Schwerpunkt bei der ganzen Angelegenheit fällt auf die Sicherstellung der Gehalte für das nach Gablonz zu disponirende Lehrpersonale.
Wie vorbemerkt, stellt sich zunächst das Bedürfniß eines Lehrers für den Zeichnen- und Mobellirunterricht, und eines zweiten Lehrers für den chemischen Unterricht dar.
Sollen die auszuwählenden Lehrkräfte ihrer Aufgabe gerecht werden, erscheint es nothwendig, Selbe in einer Art zu honoriren, daß selbe frei von Nahrungssorgen sich ganz ihrem Berufe widmen können, und in dieser Richtung dürfte ein Gehalt von 500 fl. für jeden wohl als das Minimum anzusehen sein, was einer solchen Lehrkraft als Jahresentlohnung angeboten werden könnte
In Erwägung, daß die speziellen Verhältnisse, welche das Inslebentreten der vorberührten Anstalt in Gablonz bedingen - nicht die engen Grenzen des Gablonzer Bezirkes allein, sondern insofern auch das Landes-Interesse berühren, als solche mit der gesammten Glasindustrie in Böhmen in Wechselwirkung stehen, glaube ich keine Fehlbitte zu wagen, wenn ich Euer Durchlaucht um die gütige Vermittlung ersuche, daß sich die hohe Landesvertretung veranlaßt finden möge, dem Unternehmen durch Gewährung einer jährlichen Subvention allenfalls von 1000 fl. aus Landesmitteln zur -Bestreitung der erforderlichen Gehalte des Lehrpersonals an dieser Anstalt vorläufig wenigstens auf die Dauer von 5 Jahren forderlich zu sein.
Ich hege die feste Ueberzeugung, daß eine solche Subvention den mächtigsten Sporn abgeben dürste, die dortigen Industriellen zu weiteren und erhöhten -Beiträgen zu stimmen, um mit Zuhilfenahme dieser Zuflüsse die Anstalt in einen Stand zu versetzen, Welcher zur Ehre des Landes und zur Förderung der vaterländischen Industrie mächtig beitragen dürste; auch dürfte im Laufe der Zeit es gelingen, anderweitige Zuflüsse für die Anstalt derart zu ermitteln, daß eine Ermäßigung der Subvention oder gänzliche Auflassung derselben nicht eben ausgeschlossen sein würde.
Indem ich vertrauensvoll diese Angelegenheit in die Hände Euerer Durchlaucht lege, und einem günstigen Erfolge entgegensehe, habe ich die Ehre mit der ausgezeichnetesten Hochachtung zu verharren, Euerer Durchlaucht ergebenster Diener Kellersperg.
Prag, den 18. September 1868.
Oberstlandmarschall: Da eine gleichfalls auf diesen Gegenstand Bezug nehmende Petition der Budgetkommission zur Berathung und Berichterstattung zugewiesen wurde, so werde ich auch dieses Schreiben des hohen k. k. Statthalterei-Präsidiums an die Budgetkommission zur Vorberathung leiten
Die Herren Mitglieder der Budgetkommission werden ersucht, heute Nachmittag 5 Uhr in der Sitzung erscheinen zu Wollen.
Adolf Riese-Stallburg, Obmann-Sellvertreter.
Die Commission für Eisenbahnen wird ersucht, sich unmittelbar nach der Sitzung am Montag versammeln zu Wollen.
Fürst Colloredo-Mannsfeld, Obmann.
Die Technik-Ausschuß-Sitzung, ist Montag, 21. September 8 Uhr Morgens.
Zeidler, Obmann.
Die Budgetkommission wird aus heute Abends 5 Uhr zur Sitzung eingeladen.
Gras Hartig.
Die Propinationskommission wird auf Montag 9 Uhr Morgens zur Sitzung eingeladen.
Graf Hartig, Obmann.
Ich erkläre die Sitzung für geschlossen.
(Schluß der Sitzung 2 Uhr 45 Minuten Nachmittags. )
Ernst Theumer, Verifikator.
J. U. Dr. Lubert Graf, Verifikator.
Kardasch, Verifikator.
Aus der Statthalterei Buchdruckerer in Prag.