Sobota 20. dubna 1861

Oberstlandmarschall: Es ist der Majoritäts- und der Minoritätsantrag da. Wünscht Jemand das Wort? Wenn nicht, so werde ich den Majoritätsantrag zuerst zur Abstimmung bringen.

Diejenigen Herren, die dafür sind, für den Majoritätsantrag des Komités, daß von der Allerhöchsten Ermächtigung kein Gebrauch gemacht werde, bitte ich aufzustehen.

Dr. S t a m m: Bitte uims Wort. Ich erlaube mir auszudrücken, daß ich mich dem Minoritätsantrag anschließe, und zwar aus dem einfachen Grunde, daß wir von dem Gedanken getragen sind, und die Wahl vorgenommen haben, damit das Land Böhmen, welches im Allgemeinen mit starkem Gewicht in die Wagschale des Reiches fallen wird, würdig und vollständig vertreten werde, und in konsequenter Weise müssen wir such annehmen, daß es würdig und vollständig vertreten bleibe. Darum erlaube ich mir, mich dem Minoritätsvotum anzuschließen.

T e m p s k ý: Ich erlaube mir als Mitglied der Minorität noch einen Punkt zu erwähnen, der in dem Berichte nicht enthalten ist. Böhmen ist vorzugsweise ein industriereiches Land; Böhmen ist vorzugsweise berufen, in Wien die Industrie und den Handel zur Vertretung zu bringen. Es ist nun einleuchtend, daß gerade unter Industriellen und unter Kaufleuten, die von Böhmen aus nach Wien entsendet werden, nicht selten der fall eintreten könnte, daß der eine oder angere verhindert wäre, seine Stelle zu versehen. Es wäre deßhalb im Interesse der Industrie wünmschenswerth, daß Ersatzmänner gewählt würden, daß von der ohnehin sehr geringen Anzahl Industrieller wenigstens nicht noch im Laufe der Session einer oder der andere fehlt. Ich glaube, daß wir dem Wunsche des Landes dadurch entgegen kommen, wenn wir auf diese Weise die Vertretung wirklich so vollständig machen, als es dem Gesetze nach sein soll und wirklich sein kann, da die Wahl sehr wohl heute und morgen vorgenommen werden kann. Wenn auch allerdings das Skrutiniren keine leichte Arbeit ist, so aknn es doch bei der nöthigen Anzahl von Skrutatoren, die ja unter uns zu Gebote stehen, noch heute vollendet werden, und sollte eine Nachwahl nothwendig sein, so könnte diese motgen vorgenommen werden; ich kann mich der Ansicht der Majorität, daß Zeit nicht mehr vorhanden ist, nicht anschließen.

S t r a ch e: Ich glaube noch auf den Umstand aufmerksam machen zu sollen, der für den Vorschlag über Ersatzwahlen spricht. Es ist der, daß ein Theil der Landesausschußmitglieder zugleich Reichsrathsmitglieder sind, und dadurch jedenfalls entweder der Landesausschuß nicht vollkopmmen beisammen, oder aber die Vertretung des Landes Böhmen im Reichsrathe eine unvollständige ist.

Fürst Karl A u e r s p e r g: Es ist vorgestern in diesem Saale mit sehr beredten Worten dargestellt worden, daß es eine Ehrenpflicht sei, die dem Lande obliegt, Reichsrathsabgeordnete nach Wien zu senden, um dort für das Gesammtwohl Oesterriehcs und für das Wohl unseres engeren Vaterlandes zu berathen. Ich glaube aber, daß, wenn wir an dieser Ehrenpflicht festhalten müssen, wir auch an den nothwendigen Konsewuenzen festhalten müssen, daß also die Zahl der Abgeordneten, welche dem Lande zukommen, auch dort vollzählig erscheine und mitberathe; ich glaube, der hohe Landtag soll für das Land und für sich eifersüchtig sein, daß diese Zahl immer voll sei, und darum stimme ich für die Wahl von Ersatzmännern.

Graf C l a m - M a r t i n i t z: Ich habe geglaubt, daß eine Debatte über diesen Gegensta vielleicht ganz vermieden werden könnte. Es sprechen jedoch überwiegende Gründe der Zweckmäßigkeit für die Nichtbenützung dieser Ermächtigung, nämlich die von der Majorität betonte und begründete Unmöglichkeit, nach reiflicher Uiberlegung diese Wahl vorzunehemn; und dem Zufalle wollen wir dies nicht anheimstellen, denn e müßten erst Besprechungen und Berathungen vorausgehen, und wir sind jetzt in einer sehr langen Sitzung dem Schluße derselben nahe, und haben nunmehr einige Stunden der morgigen Sitzung zu unserer Verfügung; das sind die äußern Gründe, und ixch galube, daß sie so nahe liegen, daß eine Debatte darüber nicht mehr nothwendig ist.

Nachdem die Debatte einmal eingeleitet ist, glaube ich nun, auf die Prinzipienfrage selbst eingehen zu müssen. Ich muß hier denselben Standpunkt einnehmen, den ich bereits bei einer andern heute debattirten Frage eingenommen habe. Es handelt ishc umeine Aenderung in der verfassung. Hier aber ist es nciht eine Aenderung der landesordnung, sondern eine Aenderung der wahlordnung zu dem Reichsrathe, welche nicht einmal in den Wirkungskreis des Landtages gehört. Es könnte dies der Reichsrath genehmigen und beschließen, und durch die Sankzion Seiner Majestät würde es zum Gesetze, daß Ersatzmänner zu wählen sind. Der Landtag aber kann das nicht beschließen; er könnte es nur, wie dieses neulich in mehreren Landtagen geschehen ist, unter der Voraussetzung, daß der Reichsrath nachträglich seine Sankzion ertheilt. Ich glaube, meine Herren, nur in dringenden Fällen pflegt das Ministerium, pflegt die Regierung provisorische Maßregel zu treffen und nachträglicher Genehmigung des Reichsrathes zu unterziehen; ich glaube aber, meine Herren, daß das bei so wichtigen Verfassungsänderungen nicht wohl zulässig ist.

Es kann dieses in einzelnen Zweigen der Verwaltung, namentlich rücksichtlich der Finanzen des Staates nothwendig sein, aber nicht in Verfassungssachen. Und hier komme ich wieder darauf zurück: Ich glaube, es soll eine Verfassung noli me tangere

Ich muß mich schließlich gegen die Konsequenz verwahren, daß, weil wir es für eine Ehrenpflicht und für eien Pflicht des Patriotismus gehalten haben, die wahl zum Reichsrathe zu vollziehen, daß daraus gefolgert werden könnte, wir müßten Ersatzmänner wählen. Das große Faktum, der Entschluß, die Monarchien in diesem wichtigen Momente zu erhalten und zu retten, das ist bereits gethan. Es ist dasjenige, was die Monarchie rettet. Ich bin von der Ansicht ausgegangen, daß, indem alle Völker in diesem Entschluße zusammenstehen, sie nicht das Reich nur retten w e r d e n, sondern daß sie es eben dadurch gerettet h a b en. Ob der landtag auch Ersatzmänner wählt, hiebei sehr leicht in die Wagschale; das hat auf die große Frage der Existenz der Monarchie keinen Einfluß, und ich glaube, es wird die Zahl der Vertreter des landes Böhmen immerhin zureichend sein, um die Interessen und Bedürfnisse und Rechtsanschauungen des Landes zu vertreten, um den Entgang eines oder des andern Mitgliedes entbehren zu können. Ich glaube, insbesondere auf das Argument erwidern zu sollen, welches von der entgegengesetzten Seite des Hauses angewandt worden ist, daß etwa die Insustrie nicht hinreichend vertreten sein sollte. Meine Herren, es sind die Deputirten des Landtages von Böhmen, welche nach Wien gehen; es sind nicht mehr die Deputirten dieses oder jenes Zweiges oder Kreises oder Bezirkes von Böhmen, es sind die Vertreter des Landes Böhmen, welche in den Reichsrath gehen. Da kommt es nicht darauf an, ob ein oder der andere Bezirk dort nicht vertreten ist. Es ist die staatsrechtliche Einheit, die dort vertreten wird, und das Gesammtwohl muß uns allen vor Augen stehen. Ich muß noch auch darauf hinweisen, daß die Wahl von Ersatzmännern bei den Bestimmungen unserer Wahlordnung, die ohnehin ihres Gleichen sucht in der ganzen Reihe von Wahlordnungen, die in diesem oder jenem konstituzionellen Lande angefertigt worden sind, und die unsern Entschluß, unsere Wahl auf so wenige Namen bindet, daß mit unter zwischen zweien, dreien, einer zu wählen ist, und wenn nun noch ein zweiter als Ersatzmann zu wählen wäre, der Wahlakt eigentlich auf die Exkludirung des dritten hinaus laufen würde, daß - sage ich - unter diesen Bestimmungen der Wahlakt ein sehr beendigter sei, und daß unter diesen Umständen die Wahl der Ersatzmänner sehr schwierig und nicht von wesentlichem Vortheil sein kann. Endlich möchte ich der Anfassung entgegentreten, als ob, wenn vielleicht ein Abgeordneter durch Privatgeschäfte, Familiengeschäfte oder Berufsgeschäfte verhindert wäre, einer Sitzung oder während einer Zeit dem Reichsrathe beizuwohnen, daß dann die Ersatzmäner zu berufen wären. Ich glaube, daß das in die Willkür eines einzelenen Abgeordneten nicht gelegt werden kann, seinen Platz dem Ersatzmanne abzuterten. Der Landtag hat den Abgeordneten gewählt, und es kann dessen Stellvertreteung nurt dann eintreten, wenn er absolut verhindert ist, also im Falle des Todes oder der Niederlegung seines Mandates. Daß aber während der Dauer des Reichsrathes es einem Abgeordneten frei stehen solle sich zu entfernen, und daß dann der Ersatzmann einzurücken häzstte, das glaube ich, liegt nciht im Sinne der Regierungsvorlage. Ich glaube, aus allen diesen Gründen mich der Ansicht der majorität der Kommission, und zwar aus Gründen der Zweckmäßigkeit und aus den aus der Verfassung entnommenen Gründen anschließen zu müssen. (Vielfache Rufe auf Schluß.)

Dr. P a l a c k ý: Wenn Se. Excellenz der Herr Oberstlandmarschall nicht ermächtigt ist, den Landtag über den morgigen Tag weiter tagen zu lassen, so ist dieser Antrag auf Ersatzmänner ein rein unmöglicher, schon der Zeit wegen. Wir sitzen heute beinahe schon 6 Stunden, und morgen haben wir nur noch eine Sitzung. In der morgigen Sitzung kann und wird sich wahrscheinlich der Fall ergeben, daß wir noch Reichsrathswahlen vornehmenwerden müssen. Das ist Eines. Dieses Geschäft kann den ganzen morgigen Tag möglicherweise in Anspruch nehmen, dann, meine Herren, denken wir doch an unser Vaterland; für die Organisirung des landes ist von uns bis jetzt so wenig oder beinahe gar nichts geschehen. Die Anträge, die da gestellt worden sind, daß Kommissionen für gewisse Fächer aus unserer Mitte ernannt werden, um die Anträge für den künftigen Landtag vorarbeiten zu könenn, diese sind von vitaler Wichtigkeit, glaube ich; der böhmische Landtag ist in dem Falle, daß er allein seit dem verhängnisvollem Jahre 1848 noch nicht getagt hat, während andere Länder der österreichischen Monarchie ihre Landtage wenigstens im Jahre 1848, ich glaube, auch zum Theile 1849 gehabt hatten. Es ist durchaus nothwendig, daß wenigstens einige der Antrag gebrachten Kommissionen am morgigen Tag hinauszuverlängern, glaube ich, bleibt uns keine Wahl übrig. Ich beantrage daher auch den Schluß der Debatte über diesen Gegenstand.

Oberstlandmarschall: Das war schon früher beantragt. Ich bitte also diejenigen Herren, welche für den Schluß der Debatte sind, aufzustehen. (Der Schluß der Debatte wird mit Majorität angenommen.) Also werde ich jetz den Antrag des Komités zur Abstimmung bringen, und zwar jenen von der Majorität des Komités, weil es der weitere ist. Diejenigen Herren, welche nach dem Antrage des Komités mit Rücksicht auf die Geschäfte und Zeitverhältnisse des Landtags dafür sind, von den Wahlen der Ersatzmänner in den Reichsrath keinen Gebrauch zu machen, bitte ich, es durch Aufstehen bekannt zu geben. (Majorität für den Antrag.)

Oberstlandmarschall: Es sind 228 Mitglieder hier, also ist es die Majorität.

Nun werden wir noch einen Gegenstand, die Sitzung ist heute zu anstrengend, vornehmen, nämlich die Prüfung des Wahlaktes des Abgeordneten Oberlandesgerichtspräsidenten Ritter v. Wenisch; die Wahlakten sind hier. Ich möchte gern den Hrn. Abgeordneten Bachofen v. Echt und Hrn. Wenisch heute die Angelobung abnehmen. Ich bitte die Daten der Wahl vorzulegen.

(Aktuar Schmidt liest die Wahlakten über Tachau und Frauennberg.)

Oberstlandmarschall: Hat Jemand Etwas gegen die Wahl zu erinnern, so bitte ich die Hand aufzuheben. (Wird nichts erinnert.) Ich werde also die beiden Neugewählten Hrn. Bachofen v. Echt und Hrn. V. Wenisch die Angelobung ablegen lassen. (Die Angelobung findet Statt.)

Oberstlandmarschall: Die morgige Sitzung, meine Herren, wird um 12 Uhr Mittags sein, nachdem Sonntag ist, können wir sie früher nicht beginnen. Tagesordnung ist: "Bericht der Wahlkommission, über die beanständete Wahl des Abgeordneten für Haida, Plottendorf u. s. w., dann die Anträge, die heute an der Tagesordnung gestanden sind, Anträge auf Erwählung und Organisazion von verschiedenen Fach- und anderen Kommissionenn. Ich bitte, morgen um 12 Uhr zu erscheinen. Somit erkläre ich die Sitzung für aufgehoben.

(Ende 3/4 5 Uhr.)

Alois Matousovský,

Korrektor.

Peter Steffens,

Korrektor.

Josef Karl Ritter v. Peche,

als Korrektor.

_____________________________________

Aus der Statthalterei-Druckerei in Prag.


Souvisejici odkazy