Verhandlungs-Protokoll
aus der zehnten Sitzung des böhmischen Landtages vom 18. April 1861,
welche
nach 2 Uhr Nachmittags unter dem Vorsitze Sr. Excellenz des Herrn Oberst-
landmarschalles, in Gegenwart des Herrn Präsidenten-Stellvertreters, und in
Anwesenheit der beschlußfähigen Anzahl von Mitgliedern eröffnet wurde.
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Oberstlandmarschall: Wir beginnen mit der Vorlesung der Protokolle.
(Aktuar Schmidt liest das Protokoll deutsch und dann böhmisch.)
Oberstlandmarschall:Hat Jemand etws gegen das Protokoll zu erinnern?
Dr. Klaudi: In dem deutschen Protokolle heißt es in dem Antrage, welchen ich gestern zu berichtigen mir erlaubte, dort: "versuchte"; darauf allein hat es sich nicht bezogen, sondern über die "verfügte".Es soll also statt dem Worte "versuchte" "verfügte" stehen. (Wird sogleich korrigirt.)
Oberstlandmarschall: Schreiten wir also jetzt zu den Einläufen.
(Aktuar Schmidt: Einläufe vom 17. April 1861 zur Sitzung am 18. April 1861:
1. Se. Excellenz der Herr Statthalter gint Aueßerung über die vom Angeordneten Herrn Ritter von Limbeck eingereichte Anzeige hinsichtlich vorgekommenenr Unregelmäßigkeiten bei Landtagswahlen im Schüttenhofner Bezirke.
Oberstlandmarschall:Das ist eigentlich eine schriftliche Interpellazion, welche Ritter von Limbeck beim Landesausschuße eingebracht hat, und vom jetzigen Landesausschuße an Seine Excellenz den Herrn Statthalter gegangen ist. Die schriftliche Beantwortung dieser Interpellazion ist nun Gegenstand des Einlaufes, und ich werde die Interpellazion und die schriftliche Beantwortung gleich jetzt vortragen lassen.
(Aktuar Schmidt liest die Interpellazion des Ritter von Limbeck und die Beantwortung.)
Hohes Landtags-Präsidium!
Mit Berufung auf die in der Sitzung des Landtages am 10. April 1861 von Seiner Excellenz dem Herrn Statthalter gemachte Aufforderung, Unregelmäßigkeiten bei der Wahlhandlung im Wege des Landesausschußes dem Herrn Statthalter zur Kenntniß zu bringen, erstatte ich über Ersuchen des Herrn Ferdinand Kotz, Ritter von Dobrz, Besitzer des Gutes Hlawniowitz, die Anzeige, das genannter Herr Ferdinand Kotz, Ritter von Dobrz, sich bei der Landtagswahl der Landgemeinden Schüttenhofen, Bergreichenstein den Wählern als Kandidat vorzustellen beabsichtigte, um vielseitigen Aufforderungen zu enstprechen. Bei dem Eintritte in das Wahllokale stellte er an die Wahlkommission die Anfrage, ob ihm gestattet sei, in dem Wahllokale zu erscheinen, und eine Ansprache zu halten.
Hierauf erwiederte der Herr Bezirksvorsteher von Schüttenhofen, daß er das Recht hiezu nicht hat.
Hierauf verließ Herr Ferdinand Kotz, Ritter von Dobrz, das Wahllokale.
P r a g, den 10. April 1861.
J. U. Dr. Johann Ritter von Limbeck m. p.
H o ch g e b o r e n e r G r a f!
Von einzelnen Herren Landtags-Abgeordneten wurde der Ansicht Ausdruck gegeben, daß bei der Vornahme der Wahlen zum Landtage, Wahlkandidaten zu gestatten war, im Wahllokale zu erscheinen, und an die versammelten Wähler Ansprache zu halten, und daß die Richtgestattung solcher Ansprachen Seitens der betreffenden Beasmten eine Unregeläßigkeit im Wahlvorgange begründe, welche zu rügen wäre.
Ich vermag in der bestehenden Lanstagswahlordnung keine Anhaltspunkte zu finden, welche die Richtigkeit jener Ansicht zu bewähren, und sonach die Ertheilung einer Rüge zu begründen oder zu rechfertigen geeignet wären.
Es kömmt in dieser Wahlordnung keine ausdrückliche Bestimmung vor, daß derlei Ansprachen zuzulassen sind, wohl aber erschienen solche durch die Anordnungen der §§. 38 bis 41 L. W. O. stillschweigend ausgeschlossen.
Dies ergibt sich unzweifelhaft sowohl aus dem Zusammenhange dieser Anordnungen, als auch durch die Vergleichung derselben mit den Bestimmungen der mit dem kais. Patente vom 30. Dezember 1849 erlassenen Landtagswahlordnung für das Königreich Böhmen.
Nach §. 47 der letzteren, waren die fraglichen Ansprachen unter gewissen Beschränkungen zulässig.
Diese spezielle Bestimmung erscheint in der dermaligen Wahlordnung, welche eben bezüglich der Zeit und Art des Beginnes und Fortganges der Wahlhandlung zumeist die Modalitäten der Landtagswahlordnung vom Jahre 1849 beibehielt - weggelassen.
Da nun eine zufällige Weglassung nicht vermuthet, und daher auch nicht angenommen werden kann, so stellt sich die Folgerung als richtig dar, daß der Vorgang der l. k. Wahlkommissäre, welche von Wahlkandidaten beabsichtigte Ansprachen an die Wähler im Wahllokale nicht gestatteten, als ein ungesetzlicher, somit rügenswerther von mir nicht erkannt werden kann.
Hievon habe ich die Ehre, Euere Excellenz unter Rückstellung der mir geneigtest mitgetheilten Anzeige des Abgeordneten J. Dr. Johann Ritter v. Limbeck, ddto. 10. d. Monats, in die gefällige Kenntniß zu setzen, und mit ausgezeichnetster Hochachtung zu verharren
Euerer Excellenz
Prag am 17. April 1961. ergebener Diener
Graf Forgách m. p.
An
Seine des k. k. Hern wirkl. geh. Raths, Oberstlandmarschall u.
Albert Grafen v. Nostiz
Excellenz