Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Achtundneunzigste (XLVI.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsier. am 5. März 1848.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 3. März 1849.
II. Forsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte.
Vorsitzender: Präsident Smolka.
Anfang 3/4 auf 10 Uhr Vormittags.
Präs. Die zum Beginne der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter ist versammelt. Ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Der Herr Schriftf. Gleispach wird das Protokoll der letzten Sitzung vorlesen. (Geschieht.) Ist bezüglich der Fassung des gelesenen Protokolles etwas zu erinnern? (Pause.) Nachdem nichts eingewendet wird, so erkläre ich das Protokoll als richtig aufgenommen.
Der Abg. Bauer hat sich als erkrankt anmelden lassen. — Ich habe dem hohen Hause anzuzeigen, daß der Constitutionsentwurf morgen gedruckt aufgelegt werden wird. (Beifall.) — Es ist eine Interpellation angemeldet vom Abg. Geyer; wollen der Herr Abgeordnete sie selbst vorlesen?
(Abg. Geyer besteigt die Tribune und verliest folgende Interpellation:)
"Interpellation an das Ministerium des Innern.
"Am 1. Februar d. J., habe ich an das hohe Ministerium des Innern die Interpellation gestellt, ob dasselbe den Bezirks-Commissär meines Wahlbezirkes zur Verantwortung zu ziehen gesonnen sei, der meinen Wahlmännern durch Strafandrohungen verboten hat, mit mir als ihrem Abgeordneten Besprechungen zu pflegen.
"Auf diese Interpellation ist mir am 3. d. M. die Antwort geworden: jener Beamte habe nach Recht und Pflicht gehandelt, daß er mir die Abhaltung einer Versammlung und Besprechung mit meinen Wahlmännern nicht gestattete, weil
ich angeblich laut zahlreichen Zeugenaussagen bei meiner Anwesenheit im Wahlbezirke mit Aeußerungen höchst aufreizender Natur auftrat, die zu Wien am 6. October v. J. vorgefallenen Gräuel als löbliche Handlungen darstellte, und das Bestreben kundgegeben haben soll, gegen die zur Belagerung Wiens anrückenden Truppen den Landsturm aufzurufen.
"Es ist hier nicht der Ort, mich gegen diese beschuldigenden Angaben, die als Antwort auf meine Interpellation vorgebracht wurden, zu rechtfertigen, ich erkläre sie einfach für unwahr und für eine Verleumdung. Sollten sie aber wahr sein, so müßte das Ministerium sich umsomehr bewogen finden, den betreffenden Bezirks-Commissär zur strengen Verantwortung zu ziehen, als die mir zugemutheten aufregenden Reden eine nach dem Gesetze strafbare Handlung begründen, und der Bezirks-Commissär deßhalb sogleich die strafgerichtliche Untersuchung hätte einleiten sollen. (Bravo.)
"Ich muß zugleich tief beklagen, daß in der mir gewordenen Antwort Grundsätze zur Rechtfertigung ausgesprochen wurden, welche dem constitutionellen Leben geradezu entgegen sind, nach welchen auf eine einfache Denuntiation hin eines der vorzüglichsten und natürlichsten Rechte des Abgeordneten nach altpolitischer Willkür gehemmt wird. Es ist kaum zu glauben, daß das Ministerium, welches bei Beantwortung der Interpellationen sich immer auf constitutionelle Grundsätze und Formen beruft, dieses inconstitutionelle Verfahren wird rechtfertigen wollen, umsoweniger, als es dadurch die Inconsequenz theilen müßte, daß ein Abgeordneter nicht das Recht der freien Willensmeinung haben dürfe, sondern zum Object der Beamtenwillkür heruntersinken müßte. (Bravo.)
"Aus der vom Ministerium gegebenen Antwort ist am meisten ihr Ende zu beklagen; denn obwohl ich bereits am 10. October v. J. Wien verließ, und eine Zeit zurückgezogen in meinem Wohnorte verlebte, und die Ereignisse am 6. October nie billigen konnte, so glaube ich doch auch andere Ansichten darüber frei haben zu dürfen, und nicht fremde nachbeten zu müssen. Ja selbst in dem Falle, als ich die mir zugemutheten höchst aufreizenden Reden im Anfange October geführt hätte, ist es schwer zu begreifen, wie man dieß im Anfang Jänner als Grund ansehen konnte, die Besprechung mit meinen Wählern zu hindern, wenn man auch nicht voraussetzen müßte, daß auch jetzt noch ein paar Aeußerungen genügen, um unter Polizei-Aufsicht gestellt, und der Suspendirung constitutioneller Rechte ausgesetzt zu werden.
"Schließlich bemerke ich bloß, daß nach constitutionellen Grundsätzen, welche auch bereits in unseren Grundrechten ausgesprochen worden, öffentliche Versammlungen in geschlossenen Räumen nicht verboten, am wenigsten deßhalb, weil derjenige, der sie beruft, vor drei Monaten aufreizende Reden geführt haben soll.
"Ich habe das Gesagte hier angeführt, weil ich glaube, es meiner persönlichen Ehre, meiner Ehre als Abgeordneter und der Ehre der hohen Reichsversammlung, deren Mitglied ich bin, schuldig zu sein, auf die gesetzmäßige Untersuchung dieses Gegenstandes zu dringen. (Bravo.)
"Zu diesem Zwecke, und um weitere Schritte einleiten zu können, stelle ich an das hohe Ministerium die Frage:
"Ob es die, den gegen mich erhobenen, von mir für falsch erklärten Beschuldigungen zum Grunde liegenden Acten auf den Tisch des hohen Hauses niederlegen wolle."
"Kremsier den 5. März 1849.
Georg Th. Geyer m. p.
Reichstags-Abgeordneter für Neudegg in Krain."
(Großer Beifall.)
Präs. Diese Interpellation wird an das Ministerium des Innern abgesendet werden.
Es liegt ein Antrag vor, vom Abg. Haimerl und anderen 140 Abgeordneten unterschrieben, welcher eine Aenderung der Geschäftsordnung bezweckt, bezüglich der Lesung und Berathung des Constitutionsentwurfes in den Abteilungen. Ich werde diesen Dringlichkeitsantrag vorlesen; er lautet:
"Die hohe Kammer beschließe, rücksichtlich des Constitutionsentwurfes von der Bestimmung des §. 37 der Geschäftsordnung abzugehen und denselben, ohne ihn zur Vorberathung an die Abtheilungen zu verweisen, sogleich zue ersten Lesung bringen zu dürfen."
Wollen der Herr Abgeordnete diesen Antrag begründen.
Abg. Haimerl. Die Tendenz dieses meines Antrages, welchen verschiedene Mitglieder des hohen Hauses durch ihre Unterschrift auch zu dem ihrigen gemacht haben, geht dahin, daß der als beendet uns angekündigte Entwurf der Constitutions-Urkunde gedruckt, in die verschiedenen Landessprachen überseht, längstens bis zum 15. d. M. zur ersten Lesung vorbereitet werde, um diesen in den Annalen der österreichischen Geschichte denkwürdigen Tag auf eine bezeichnende Weise zu feiern; daß inzwischen die Debatte über die Grundrechte ununterbrochen fortgesetzt und dem Ende zugeführt werde, sodann sogleich mit der zweiten Lesung, respective öffentlichen Debatte der Constitutions-Urkunde begonnen werde, ohne Vorberathung in den Abtheilungen und dadurch nothwendig werdende neue Revision, Drucklegung und abermalige Uebersetzung in die verschiedenen Landessprachen. Zur Begründung dieses meines Antrages will ich mir nur einige Worte erlauben; denn ich bin der Meinung, wer nicht durch den Gegenstand und die Sache selbst bestimmt wird zur Annahme meines Antrages, den werden auch die Gründe nicht bewegen, und ich möchte nicht die Veranlassung zu unnützer Zeitversäumniß in dieser hohen Versammlung sein.
Meine Herren! Sie kennen die Sehnsucht, mit welcher die Völker Oesterreichs der Constitutions-Urkunde entgegenharren; Sie wissen, daß diesem hohen Hause schon zu wiederholten Malen der tadelnde Vorwurf gemacht wurde, daß das hohe Haus nicht schleunig genug bei der Verfassung des Hauptwerkes seiner Bestimmung vorgehe, sondern die dazu bestimmte Zeit theilweise mit anderen Gegenständen verkümmere. — Ich will nicht darauf eingehen, ob diese Vorwürfe uns mit Recht oder Unrecht gemacht worden sind; meine Herren, Sie kennen aber auch den Zustand, in dem sich derzeit die Länder Oesterreichs befinden, und Sie werden mir zugestehen müssen, daß dieser Zustand die schleunige Beendigung der Constitutions-Urkunde nicht nur wünschenswerth macht, sondern sogar dringend fordert; und weil Sie dieß wissen, so kann ich mit Bestimmtheit annehmen, daß in diesem hohen Hause nicht Ein Mann sitzt, der nicht die schleunige Constituirung des neuen Oesterreichs vom Grunde der Seele wünscht; daß nicht Einer hier sitzt, der auch nur einen Tag länger, als es absolut nothwendig ist, an dem ohnehin stark angegriffenen Marke des Volkes zehren möchte; daß nicht Einer hier sitzt, der nicht jeden ersparten Tag als einen reellen Gewinn ansieht.
Meine Herren! die Männer, die wir aus unserer Mitte gewählt haben zur Anfertigung dieses hochwichtigen Operates, denen wir unser Vertrauen geschenkt haben, sie haben dieses Vertrauen gerechtfertiget, sie haben durch eine unausgesetzte, angestrengte Thätigkeit, wofür wir Ihnen zum wärmsten Dank verpflichtet sind und bleiben werden (Beifall), sie haben durch angestrengte Thätigkeit den Entwurf vollendet, einen Entwurf. Nun er ist eine unter den mißlichsten staatlichen Umständen zu Stande gebrachtes Menschenwerk; ich gebe zu, daß er seine Mängel, seine Gebrechen hat, daß der Eine oder der Andere, in der einen oder anderen Beziehung eine Aenderung wünscht, aber der Entwurf ist im Ganzen von allen Denjenigen, welche sich bisher davon Kenntniß verschaffen konnten, mit Freuden begrüßt, mit Vergnügen gelesen, mit Zufriedenheit aufgenommen und belobt worden. Warum wollen wir noch länger säumen, diesen Entwurf, wie er uns vorgelegt worden ist, durch die erste Lesung zugleich zur Grundlage unserer öffentlichen Verhandlungen zu machen? Die Völker Oesterreichs, deß bin ich gewiß, werden uns gewiß eine Verletzung eines Paragraphen der Geschäftsordnung, welche etwa darin liegen könnte, nicht imputiren, und eine Befolgung des Paragraphen zum Scheine halte ich unter der Würde des hohen Hauses. (Beifall.)
Ich habe mich zur Stellung dieses Antrages, unterstützt von vielen gleichgesinnten Männern dieses hohen Hauses, umsomehr bewogen gefunden, als ich bei der Vorberathung der Grundrechte in den Abtheilungen die Erfahrung gemacht habe, daß wir zwar Zeit verloren, aber in der Sache wenig oder nichts gewonnen haben, daß der neu revidirte Entwurf in Folge jener Berathung nicht besser geworden ist, ja wir mußten sogar von verschiedenen Seiten hören, daß er schlechter geworden ist; wir haben aber auch für die öffentliche Debatte in diesem Hause durch die Vorberathung wenig oder nichts gewonnen. Sehen wir nicht bei jedem Paragraphen, daß wir uns durch eine Fluth von Anträgen durcharbeiten müssen, bis wir endlich beim Paragraphen des Entwurfes selbst anlangen. Müssen wir nicht stunden-, ja tagelange Reden anhören, Oftgelesenes und Oftgehörtes in mehr oder weniger veränderter Form wieder vernehmen, ohne daß auch nur Einer zu einer bestimmten Abstimmung dadurch bewogen wird? Wozu also die ganze Vorberathung, die nur eine Zeitverschwendung ist? Zur eigenen Information der Mitglieder dieses hohen Hauses, zur Vorbereitung für die zweite Lesung und Debatte, zur Verständigung der Parteien und der verschiedenen Meinungsgenossen, endlich zur Verarbeitung des Stoffes, der in der Constitutionsurkunde niedergelegt sein wird, durch die Presse, ist Zeit genug, während die Grundrechte weiter berathen werden, — die Zwischenzeit, meine ich, zwischen der ersten und zweiten Lesung des Constitutions-Entwurfes sowie diejenige Zeit, welche nothwendig werden wird, um in diesem hohen Hause die Constitution selbst zu berathen. — Wir sehen es ja tagtäglich, daß in der Presse eben nur diejenigen Paragraphen besprochen und bearbeitet werden, welche in den nächsten Tagen an die Tagesordnung kommen werden.
Ich wiederhole daher meinen Antrag, und ersuche das hohe Haus, sich wenigstens vorläufig über die Dringlichkeit dieses Antrages aussprechen zu wollen. (Links und im Centrum Beifall.)
Präs. Ich glaube, daß ich die Unterstützungsfrage nicht zu stellen brauche, nachdem sie durch die vielen Unterschriften bereits beantwortet ist; — dieß gilt auch bezüglich seiner Eigenschaft als Dringlichkeits-Antrag. Es handelt sich nun darum, ob die Herren sich über das Wesen dieses Antrages einverstanden erklären. (Ruf: Ja!) Ich eröffne demnach darüber die Debatte. — Wünscht Jemand das Wort? Der Abgeordnete Rieger hat das Wort.
Abg. Rieger. Ich bin wohl mit dem Herrn Abg. Haimerlin vielen Puncten seiner Begründung vollkommen einverstanden, glaube jedoch, daß es nicht nothwendig ist, eine Verletzung der Geschäftsordnung in dieser Beziehung zu begehen. Ich glaube, man muß in unserer Constitution zweierlei Sachen unterscheiden: solche Gegenstände, die in jeder Verfassung vorkommen, und solche die nur speciell für Oesterreich bestimmt sind, die für Oesterreich ganz eigenthümlich sind, nach den eigenthümlichen Verhältnissen dieses Reiches. Ich glaube daher, daß man wirklich nur die Zeit vergeuden will, wenn man über Gegenstände sich besprechen möchte, die so zu sagen zum ABC der Constitution gehören, wenn wir erst in den Abtheilungen berathen sollen, ob der Kaiser unverletzlich sein soll oder nicht, ob die Minister verantwortlich sein sollen oder nicht, weil dieses etwas ist, was sich mit der Constitution von selbst versteht. Dagegen sind in unserer Constitution viele Bestimmungen, die wirklich ganz originell, für Oesterreich ganz eigenthümlich sind, diese müssen in den Abtheilungen besprochen werden. Ich gebe zu, daß man sich seine Meinung auch formiren kann durch Besprechungen mit Meinungsgenossen; aber vergessen Sie nicht, daß gerade bei diesen Besprechungen man immer nur Meinungen von einer Art, gewissermaßen von einer Natur hört, während in den Abtheilungen Männer von verschiedenen politischen Bekenntnissen zusammen treten, und sich die Meinungen durch diese gegenseitige Reibung besser aufklären. Ich glaube daher, daß wir allerdings die Constitution in den Abtheilungen in Berathung nehmen sollen, aber nur in denjenigen Puncten, die für Oesterreich eigenthümlich sind. Ich würde daher vorschlagen, daß von den Referenten des Constitutions-Ausschusses in den Abtheilungen nur einfach die Constitution vorgelesen würde, den Mitgliedern über den oder jenen Paragraphen Aufschluß gegeben würde, gewissermaßen auf Interpellationen geantwortet würde, warum der Außschuß diesen Paragraph so und nicht anders stylisirt hat. Aber man kann sehr füglich die Debatte einleiten über Gegenstände, die, wie da sind z. B. die Bestimmungen der Ländereinheit der österreichischen Monarchie, die gewissermaßen als politische Persönlichkeiten für die Zukunft zu gelten haben werden; man kann die Debatte einleiten über das Verhältniß der Ländergewalt und der Centralgewalt; man kann die Debatte einleiten über die Wirkung des Kreistages, über Zusammensetzung des Reichstages, über die Volkskammer und Länderkammer. Das sind Gegenstände, die für Oesterreich ganz eigenthümlich sind, für die es sehr zweckmäßig ist, daß sie von verschiedenen Meinungsgenossen beleuchtet und besprechen werden. Zu dieser Besprechung, ich möchte sagen, diesen etwa fünf disputablen Fragen genügt eine Woche. Wenn nun das hohe Haus beschließt, mit Schluß der Debatte über §. 15 und mit der Abstimmung darüber die Sitzungen des Reichstages zu unterbrechen, sich sogleich in die Abtheilungen zu verfügen, und allenfalls bis zum 13. diese Fragen in den Abtheilungen zu besprechen, so können wir bis dahin vollkommen fertig sein; wir können zugleich während der Zeit der Geschäftsordnung genügt, und wirklich etwas Nützliches geleistet haben, und am 15. März als dem Gedächtnißtage der Ertheilung unserer Constitution, die Lesung der Constitution vornehmen. Ich glaube also, daß man alles das unter Einem befriedigen kann, und sehe so eben, daß der Herr Abg. Strobach einen Antrag stellen will, der dahin gerichtet ist.
Abg. Strobach. Ich schließe mich der Ansicht des Abg. Rieger an, und zwar vorzugsweise deßhalb, weil der Constitutions-Ausschuß, dessen Mitglied zu sein ich die Ehre hatte, es jedenfalls für erwünscht halten wird, bevor die Verfassungs-Urkunde selbst in der Plenarsitzung zur Berathung kommt, die Meinungen über die Bestimmungen, welche die eigenthümlichen Verhältnisse Oesterreichs betreffen, im Vorhinein zu erfahren, und wie jedenfalls zu erwarten steht, ein Entwurf in die Kammer kömmt, der weniger disputabel erscheint, und die Annahme früher herbei führen dürfte. Ich bin von demselben Wunsche eingenommen, daß die Constitutions-Urkunde bald angenommen und zur Wahrheit werde; ich wünsche, daß die Constitutions-Urkunde am 15. März das erstemal gelesen werde; doch glaube ich, läßt sich Beides der Art in Einklang bringen mit der Geschäftsordnung, wie der Herr Abg. Rieger es darthat; denn wir würden in der That lächerlich erscheinen, da wir 3, 4, 5 Monate mit der Geschäftsordnung zugebracht haben, die Modalitäten aufstellten, welche die Berathung der Constitutions-Urkunde sichern sollten, und da diese Modalitäten jetzt in Anwendung kommen sollten, diese jetzt aboliren. Diesem Vorwurf möchte ich mich nicht preis geben, und will die Güte der Constitutions-Urkunde mit der schnellen Berathung derselben gewahrt sehen.
Mit Rücksicht auf diese Bemerkungen, erlaube ich mir, dem hohen Hause nachstehenden Verbesserungsantrag vorzulegen:
"Die öffentlichen Sitzungen des Reichstages sind vom Mittwoche dieser Woche an bis inclusive 14. d. M. auszusetzen; vom Mitwoch an bis inclusive 12. d. M. heben die Abtheilungen die Verfassungs-Urkunde in Verhandlung zu nehmen, und zwar in der Art, daß,
a) nur jener Theil dieser Verfassungs-Urkunde den Gegenstand der Debatte und Schlußfassung der Abtheilungen zu bilden hätte, welcher nur die eigenthümlichen Zustände Oesterreichs betrifft. Diesen Gegenstand hätte der Constitutions-Ausschuß den betreffenden Referenten selbst anzudeuten.
b) Die übrigen in den meisten europäischen Verfassungs-Urkunden vorkommenden Beziehungen haben die Referenten lediglich zu motiviren, und auf die dießfälligen Interpellationen zu antworten. Am 14. d. M. hätte der Constitutions-Ausschuß die dießfälligen Bemerkungen nochmals in Berathung zu ziehen; am 15., als am Gedächtnißtage der Ertheilung der Constitution, wäre die erste Lesung der Verfassungs-Urkunde vorzunehmen, und am 16. den folgenden Tag, die Verhandlung über die Grundrechte fortzusetzen, so daß mit der Fortsetzung der Verhandlung über die Grundrechte die Frist ausgefüllt wird, die zwischen der ersten und zweiten Lesung jedenfalls Statt finden muß."
Präs. Ich werde diesen Verbesserungsantrag nochmals vorlesen und die Unterstützungsfrage stellen. — Der Verbesserungs-Antrag des Abg. Strobach lautet: (liest ihn nochmals).
Abg.Strobach. Ich erlaube mir noch eine Bemerkung. Es wurde hier der Zweifel rege, in welcher Art es dem Constitutions-Ausschusse möglich sein dürfte, die Bemerkungen, namentlich die Beschlüsse über die eigenthümlichen Verhältnisse Oesterreichs, am 14. schon in Berathung und zur Schlußfassung im Constitutions-Ausschusse zu bringen. Ich glaube, dieses Bedenken ließe sich dadurch beheben, daß nämlich gleich an den Tagen, wo in den Abtheilungen ein Beschluß über diesen Gegenstand gefaßt wurde, der Constitutions-Ausschuß am Abende diesen Gegenstand stets erledige. So dürfte sich die Sache abthun lassen.
Abg. Rieger. Die Bemerkung, was den Satz betrifft, so kann er in der Druckerei fertig liegert, so daß nur in jenem Satze eines Paragraphen eine Abänderung zu treffen wäre, wo der Constitutions-Ausschuß selbst, nach Berücksichtigung der Mittheilungen aus den Abtheilungen, eine Abänderung zu treffen für nothwendig findet. Es ist zu erzielen; der Druck kann in einem Tage vollendet werden, und am 15. März kann die erste Lesung vorgenommen werden. Es ist recht gut zu erreichen, und der Constitutions-Ausschuß, der bisher keine Mühe gespart hat, um das Werk zu seiner Vollendung zu bringen, wird auch diese Zeit gerne anwenden und die Abendstunden dazu verwenden, um die Bemerkungen der Abtheilungen der Berathung zu unterziehen.
Präs. Wird der eben von mir verlesene Verbesserungsantrag des Abg. Strobach unterstützt? (Geschieht). Er ist hinreichend unterstützt. Es hat das Wort der Herr Abg. Wìžnicky.
Abg. Wìžnicky. Meine Herren, ich schließe mich ganz der Ansicht des Herrn Abg. Strobach an, nur habe ich noch gegen einen Grund, den der Abg. Haimerl vorgebracht hat, und zwar gegen das, daß man bei den Grundrechten die Erfahrung machte, daß durch die Diskussion derselben in der Section die Debatte in der Kammer nicht abgekürzt werde, das zu erinnern, daß dieser Satz nicht so wahr ist, als er erscheint. Ich habe die Erfahrung gemacht in der Section, der ich anzugehören die Ehre hatte, daß außerordentlich viele Amendements gestellt wurden von den Herren, und daß gerade durch die Debatte in der Section alle die Herren von ihrem Amendement abgegangen sind. Ich glaube jeder Abgeordnete wird, wenn ihm nicht die Gelegenheit geboten wird, in den Sectionen sich eines Besseren zu überzeugen, sich verpflichtet fühlen, in der Kammer sein Amendement zu stellen, und dadurch der hohen Kammer die so kostbare Zeit zu nehmen.
Ebenso muß ich mich verwahren gegen den Ausspruch des Abz. Haimerl, daß wir auch bei den Grundrechten hier gesehen haben, daß unnöthiger Weise die Debatte in die Länge gezogen wurde. Ich glaube das können wir dem Volke gegenüber nicht sagen; wir haben, wo wir konnten, die Debatte abgekürzt, nur die Wichtigkeit des Gegenstandes machte es nothwendig, daß wir diejenigen Redner, die noch zu sprechen hatten, sprechen ließen. Es muß jedem einzelnen Gliede überlassen bleiben wahrzunehmen, was nöthig, was unnöthig, was es der hohen Kammer vorzubringen hat.
Meine Herren, es ist auch gesagt worden, daß der Constitutions-Entwurf die Zufriedenheit aller Glieder der hohen Kammer erworben habe (Ruf: Nein, nein!) — wenigstens mehrerer Glieder. Ja das kann uns nicht bestimmen; ich muß sagen, daß ich nicht das Glück hatte, den Constitutions-Entwurf genauer zu lesen. Wir können nicht im vorhinein sagen, ob dieser Entwurf so abgefaßt ist, daß es nicht nothwendig wäre, in den Sectionen ihn zu debattiren.
Meine Herren, das Debattiren in den Sectionen ist auch schon aus dem Grunde nothwendig, damit sich jeder von den Herren Abgeordneten, ehe der Constitutions-Entwurf in die Kammer kommt, auf einen solchen Standpunct stellen könne, daß er die Meinung der einzelnen Parteien genau überschaue. In den Clubbs ist die Besprechung nicht so nothwendig, weil wie schon einer der Herren Vorredner bemerkt hat, in den Clubbs man nur Gelegenheit hat, die Meinung der einzelnen politischen Glaubensfreunde zu hören. Meine Herren! ich bin also dafür, daß wir rücksichtlich der wichtigen Puncte bei der Geschäftsordnung bleiben, und dieß umsomehr, als ich glaube, daß wir die bezüglichen Paragraphe der Geschäftsordnung wohl nicht wegen anderer minder wichtigen Gesetze, sondern des wichtigsten, nämlich der Constitution wegen abgefaßt haben.
Präs. Der Herr Abg. Borrosch hat das Wort.
Abg. Borrosch. Ich kann den äußerst zweckmäßigen Antrag des Herrn Abg. Strobach, der so gründlich von ihm und seinem geehrten Vorredner motivirt wurde, nur auf das wärmste unterstützen (Bravo von der Rechten). Was der Herr Abgeordnete als Antragsteller hinsichtlich der Abtheilungsberathungen bemerkte, da erlaube ich mir Ihnen ins Gedächtnis zu rufen, daß ich damals, als es sich bei den Grundrechten um eben diese Manipulation handelte, mich dagegen erklärt habe, und zwar mit gutem Grunde, weil man über ganz einfache Grundsätze entweder von vornherein mit einander einig ist, oder doch einmal mit einander einig wird. Hier aber handelte es sich um wesentlich Anderes, um ein Positives, um ein Unmittelbares, in das Leben der Völker organisch Eingreifendes, und es ist hochwichtig, daß ein Verständigungsact der Mitglieder dieses Hauses in den Abtheilungen vorhergehe, damit stürmischen Debatten, oder möglichen Uebereilungen mit Schluß der Debatte vorgebeugt werde. — Es hat wohl Jeder die Erfahrung in den Abtheilungen gemacht, daß da von vielen Herren Mitgliedern, die niemals die Redner-Tribune besteigen, die nützlichsten, zweckmäßigsten Bemerkungen gemacht werden, die wesentlich zur Belehrung der Redner selber dienen, deren wir daher ganz verlustig gingen, um so mehr, weil gerade in den Abtheilungen die Vorberathung der Generaldebatte wie im englischen Parlamente besteht. Der Antrag des geehrten Herrn Abg. Strobach scheint mir alle Wünsche in dieser Hinsicht zu erfüllen, und ich schließe mit nochmaliger Anempfehlung desselben. (Bravo.)
Abg. Cajetan Mayer. Meine Herren! Es sind noch wenige Wochen vergangen, als Sie in Folge einer Interpellation an den Vorstand des Constitutions-Ausschusses einen von dieser (auf die linke Seite deutend) Seite des Hauses gestellten Antrag: die Verfassung möge am 15. d. M. vollendet sein, durch eine allseitige Beistimmung beifällig aufnahmen; diesen ihren Ausspruch, soweit es möglich ist, zu verwirklichen, bin ich überzeugt, werden Sie auch gegenwärtig noch bestrebt sein. Ich erlaube mir daher den Antrag zu stellen:
"Das hohe Haus möge den Beschluß fassen: Der Constitutions-Entwurf sei am 15. März zur ersten Lesung zu bringen, und dazu eine eigene Sitzung anzuberaumen."
Meine Herren, ich glaube, es wird dieses die schönste, die erhabenste Feier unserer großen Revolution, ich glaube, meine Herren, es wird dieses ganz geeignet sein, dem Reichstage selbst vor dem Volke, vor seinen Vertretern jenes Ansehen, jene Kraft wieder zu verleihen, die er nöthig hat, wenn er fort im Aufbaue des Vaterlandes wirken solle. Meine Herren, in so wichtigen Dingen muß die Form dem Wesen weichen; können wir die Form nicht ganz erfüllen, so soll dadurch das Wesen nicht leiden. Ich kenne den Constitutions-Entwurf sehr genau (Heiterkeit), ich weiß, meine Herren, daß darüber in den Abtheilungen höchstens Prinzipien berathen werden können, daß es nicht möglich sein wird, zu jedem einzelnen Paragraphen Verbesserungsanträge zu stellen; denn er enthält nicht, wie die Grundrechte, in einzelnen abgeschlossenen Sätzen ausgesprochene wichtige Grundsätze, er ist ein organisches Ganzes, und wird an diesem organischen Ganzen nur ein Theil berührt, ein Theil verändert, so wird das Organum nicht mehr in seiner Totalität bestehen. Meine Herren, ich erlaube mir, Sie hinzuweisen auf den §. 96 der Geschäftsordnung. Das Wesen der ersten Lesung besteht ja ohnehin nur darin, daß die Frage erörtert werden soll, ob eine zweite Lesung stattzufinden habe. Diese Frage, meine Herren, werden wir gewiß erörtern und abstimmen können, wenn wir auch über die einzelnen Theile in den Abtheilungen noch nicht debattirt haben, — derselbe Paragraph bestimmt aber, daß bei allen Gesetzentwürfen zwischen der ersten und zweiten Lesung eine Frist von acht Tagen stattfinden müsse, und daß beim Constitutions-Entwurfe das hohe Haus auch eine längere Frist festsehen könne. Meine Herren, ist es nicht möglich den Anforderungen des früheren Paragraphen, welcher in Anregung gebracht wurde, vollkommen zu genügen, so können Sie ja der Form nachträglich genügen und zwischen der ersten und zweiten Lesung eine längere Frist anordnen, und dadurch den Abtheilungen Gelegenheit bieten, alles dasjenige zu berathen, alle diejenigen Amendements vorzubereiten, die bei der zweiten Lesung ohnehin erst zur Sprache kommen können. Ich schließe mich allen jenen Formanträgen an, die der Herr Abgeordnete für Prag vorgebracht hat, nur Eines bitte ich Sie, meine Herren, machen Sie diesen Antrag nicht als eine Bedingung, nicht zu einer Conditio sine qua non der ersten Lesung des Verfassungs-Entwurfes am 15. März, denn es ist leicht möglich, daß wir diesen wohlgemeinten Abänderungen auch in der Totalität genügen können. Dann bitte ich aber, meine Herren, möge der Beschluß feststehen: Der Constitutions-Entwurf werde am 15. März gelesen, es werde dazu, und ausschließlich dazu, eine eigene Sitzung angeordnet. Ich glaube, das sind wir uns, das sind wir unserer Ehre, das sind wir zur Erweckung des Zutrauens der Völker uns schuldig.
Präs. Der Antrag des Abg. Cajetan Mayer lautet:
"Das hohe Haus beschließe: der Constitutions-Entwurf habe am 15. März zur ersten Lesung zu gelangen, und sei dazu eine eigene Sitzung anzuordnen."
Wird dieser Antrag unterstützt? (Das ganze Haus erhebt sich.) Er ist unterstützt.
Der Abg. Dylewski hat das Wort.
Abg. Kosakiewicz. Ich beantrage den Schluß der Debatte.
Abg. Dylewski. Der Abg. Strobach hat gesagt, daß wir an der Geschäftsordnung vier bis fünf Monate gearbeitet haben. Nun, so arg ist es nicht. Es ist wahr, es ist eine peinliche Erinnerung, daß wir bei der Geschäftsordnung so viele Zeit verloren haben, aber ich glaube, noch peinlicher würde die weitere Folge, wenn wir, um dieser Geschäftsordnung strenge nachzukommen, uns einen unnöthigem Zeitverluste aussehen sollten. (Beifall.) Was der Herr Abg. Mayer vorgebracht hat, daß der politische Theil der Constitution ein zusammenhängendes Ganzes ist, das kann ich nicht ausdrücklich bejahen, weil ich ihn nicht kenne; aber es ist natürlich, daß der politische Theil der Constitution unmöglich aus so aphoristischen Grundsätzen bestehen kann, wie die Grundrechte, daß es also ein fruchtloses Bestreben ist, gewisse originelle Bestimmungen herauszureißen und zum Gegenstande der Debatte zu machen. Die Sectionen können allenfalls aus freiem Willen alle Nachmittag oder wann immer vor der Sitzung sich vereinigen, aber ich sehe keinen Nutzen, oder doch keinen wichtigen Nutzen davon, weil doch jede Abtheilung ein Bild des Reichstages im Kleinen ist, indem sich dort ebenfalls aus jeder Provinz Abgeordnete in einer verhältnißmäßigen Anzahl befinden. Es ist nicht offiziell, aber doch bekannt, daß die Kammer in verschiedene Clubbs getrennt ist. Nun diese Clubbs werden die Sache schon bearbeiten. (Heiterkeit.) Uebrigens haben jetzt bloß zwei Mitglieder des Constitutions-Ausschusses sich für den Antrag des Abg. Strobach geäußert, mehrere Mitglieder des Constitutions-Ausschusses aber sind auf dem Dringlichkeitsantrage unterschrieben; — es sind also die Ansichten im Constitutions-Ausschusse selbst verschieden, und nach dem Antrage des Abg. Strobach soll der Constitutions-Ausschuß selbst die originellen Bestimmungen anweisen, über welche wir sectionsweise berathen sollen. Ich sehe da a priori keine Möglichkeit einer solchen Nachweisung; aber um sie doch besser zu sehen, muß ich Sie bitten, daß, nachdem zwei Mitglieder des Constitutions-Ausschusses dafür sprachen, mehrere aber dagegen eingeschrieben sind, daß noch mehrere Mitglieder des Constitutions-Ausschusses sich vernehmen lassen, um dadurch zu beweisen, ob dieser Antrag annehmbar sei oder nicht.
Präs. Es wurde der Antrag auf Schluß der Debatte gestellt (Ruf: Nein! ja!); der Antrag wurde gestellt, ich werde die Unterstützungsfrage stellen. Es sind noch eingeschrieben, die Herren Abg.