Pátek 2. bøezna 1849

seit Jahrhunderten erschallenden Rufe der ganzen Christenheit, daß die Kirche sich an Haupt und Gliedern reformiren müsse, nicht nur nicht eingeführt, sondern zu verhindern gewußt, und werden sie auch in Oesterreich ohne einen Machtspruch nicht einführen. Was hat sie denn gehindert, etwas zu diesem Ziele Führendes zu unternehmen? die Kirchengemeinden? — Nein, diese haben sich darnach gesehnt, und hätten sie in einem solchen Streben kräftig unterstützt. Das Episcopat sagt: der Polizeistaat. — Meine Herren, so mächtig als der Polizeistaat war, so wäre er gegen ein wahres Freiheitsstreben der Kirche eben so, und noch ohnmächtiger gewesen, als die alte römische Herrschaft zu ohnmächtig war, um das Christenthum zu erdrücken. (Beifall.) Und wer konnte so unabhängig, ja so kräftig der Macht des Polizeistaates entgegen treten, als das Episcopat, die Priester? Wer war denn dazu berufen, als sie von ihrem göttlichen Stifter, der die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit lehrte, der sie in die Welt sandte, um sein Wort zu verkünden, und nöthigenfalls mit ihrem Blute zu besiegeln? Und haben sie es gethan? sind sie für die Freiheit und Gleichheit Aller in die Schranken getreten? Nein, meine Herren, dagegen ist die Kirche unter dem Einflusse des hierarchischen Systems, wie die Bischöfe es selbst sagen, zur Magd des Staates herabgesunken, ein Beweis, daß wahres Freiheitsstreben der Kirche und die Elemente dazu nur in uralter Zeit vorhanden waren, aber in dem Systeme der Hierarchie untergegangen sind, und die Kirche ward weniger eine Magd, als eine begünstigte thätige Freundin des absuluten Staates.

Meine Herren! der Herr Abgeordnete für Tachau ist nicht nur ein glücklicher, er ist auch ein muthiger Mann (Bravo); er fürchtet die Uebergriffe etlicher Bischöfe und des kleinen Häufleins von Ultramontanen, welche unter der Fahne der Religionsfreiheit kämpfen, nicht. Wenn dieser Abgeordnete den Inhalt und die wunderbare Harmonie der Episcopats-Petitionen näher untersucht hätte, wenn er sich von der Zahl gewiß nicht etlicher, sondern vieler und hochgestellter Bischöfe überzeugt hätte, so würde er von seinem Muthe wahrscheinlich etwas eingebüßt haben. Und soll ich als Encyklopädist ihm, dem Staatsmanne, sagen, daß bei der gegenwärtigen Organisation der Kirche das, was die Bischöfe verlangen, auf ihren hohen Befehl der gesammte Clerus auch gegen seine Ueberzeugung mit verlangen muß? (Links Beifall.) Unseren geehrten Mitgliedern von Tirol, denen ich die Gerechtigkeit widerfahren lassen will, daß sie als Opfer einer künstlich erzeugten Landesstimmung von dieser Tribune hart mitgenommen wurden, könnten ihm in dieser Beziehung so manche interessante Aufschlüsse geben, wenn sie ihm z. B. die Entstehungsgeschichte der famösen Monsterpetition erzählen würden, von deren so zahlreichen Unterschriften — ich glaube hundert drei und zwanzig Tausend — das geehrte Mitglied von Innsbruck gutwillig und ohne alle Abhandlung uns bereits die Hälfte, über 60.000 nachgelassen hat. (Heiterkeit.)

Mehrere geehrte Redner haben mir den Vorwurf gemacht, daß ich die Kirche als göttliches Institut nach ihren menschlichen Auswüchsen beurtheile und angreife. Ich muß aber diesen Herren bemerken, daß ich die Kirche als göttliches Institut nie angriff, sie auch nie angreifen werde; sie mögen aber selbst die Kirche als solche nicht mit der entarteten Hierarchie als menschliches Machwerk verwechseln. Ich als josephinischer Katholik (Heiterkeit, großer Beifall) — begreife, daß man die Kirche als göttliches Institut innig verehren, und zugleich die entarteten Auswüchse daran heftig bekämpfen kann. Ich bin der Ansicht, daß die Kirche, so wie sie sein soll, viel höher steht, als daß sie von jenem hierarchischen Absolutismus getragen werden sollte, welcher sich auf ihrem Gebiete durch Jahrhunderte langen Mißbrauch, wenn auch mit Zuthun des Polizeistaates eingenistet hat. Ich verstehe unter Hierarchie die Bischöfe, in sofern sie nach und nach alle Rechte der kirchlichen Gemeinden und übrigen Priester an sich gerissen haben, ich verstehe unter Hierarchie die Bischöfe, nicht als geistliche Oberhirten nach göttlichem Willen, sondern als mit weltlichem Prunk und Macht ausgestattete Fürsten, die auf ihrem Gebiete, ja selbst außer ihrer Amtswirksamkeit über Laien und Clerus fast unbeschränkte Herrschaft ausüben, die dabei kein Gesetz anerkennen, keine Aufsicht dulden wollen. Man sage uns nicht, die Bischöfe seien an die canonischen Gesetze gebunden; man sage uns nicht, sie seien dem römischen Stuhle unterworfen, daher sie weder willkürlich, noch verderblich wirken könnten. Meine Herren, Rom ist viel zu weit, und seit langer Zeit mit eigenen Angelegenheiten zu sehr beschäftiget, und was die Garantie betrifft, welche kanonische Gesetze bieten sollen, so wissen Sie ja, meine Herren, aus Erfahrung einer traurigen Vergangenheit, welche Garantieen Gesetze bieten, wo die gesetzgebende und ausübende Gewalt in Einer Hand, Richter und Partei in Einer Person vereiniget sind. (Beifall.) Sie wissen, welche Garantieen die Gesetze bieten, wenn sie ohne Verantwortlichkeit gehandhabt werden. Ueberdieß sind auf dem Gebiete kirchlicher Gesetzgebung seit Jahrhunderten keine Reformen vorgenommen worden, und die heute rechtskräftig bestehenden Gesetze stammen von jenen Zeiten her, wo der Herrscher Alles und die Beherrschten nichts als eine willenlose Heerde waren. Der Trost, daß die Mißbräuche der Hierarchie bloße Auswüchse sind, der Trost, das geistliche Fürsten mit vortrefflichen Eigenschaften das Ruder führen und uns zum Ziele geleiten können, kann uns nicht beruhigen. Nicht der Zufall persönlicher Eigenschaften — nein die Grundgesetze, die freien Institutionen müssen das Glück, müssen den Bestand der Staaten garantiren (Beifall), und so wie es im Staate ward, so muß es auch in der Kirche werden. (Beifall) Auch hier muß der Wille des Einzelnen in dem Willen der Gesammtheit untergehen, und die verschmolzenen Schichten der Gesellschaft auf dem Felde des Außerwesentlichen, des erst nachträglich Entstandenen jene Geltung erlangen, welche ihnen im Staate gebührt, welche weder dort durch Bajonnete, noch in der Kirche durch geheime Machinationen für die Dauer vorenthalten werden kann. Jenes Wasser aber, in welches der Abgeordnete für Tachau erst gehen und dann schwimmen will, muß, meine Herren, aus den frischen Quellen lebenskräftiger Reformen erst gebildet werden, denn sonst laufen wir Gefahr, mit ihm entweder im Trockenen zu bleiben, oder wir gerathen mit ihm in einen Sumpf! (Beifall.)

Ein Abgeordneter geistlichen Standes hat uns gesagt: die Kirche sei demokratisch-constitutionell, und nur der Staat habe sie durch Reichthümer, Würden und Privilegien demoralisirt und zur Polizeianstalt herabgewürdigt. Nun, meine Herren, selbst zugegeben, daß der Staat mit aller Gewalt die Reichthümer der Kirche aufgedrungen hätte, warum hat die Hierarchie die Kirche um Gold und Würden an den Staat verkauft? warum haben denn die Kirchenobern das Beispiel des göttlichen Stifters vergessen, der den Lockungen des Satans widerstand, als er ihn mit Herrlichkeit und Schätzen in Versuchung führen wollte? (Beifall.) Was die demokratisch-constitutionelle Verfassung der Kirche betrifft, davon haben wir bis jetzt in den äußeren Formen der Kirche noch nichts bemerkt. Oder nennt man das demokratisch-constitutionell, wenn den Gemeinden die Pfarrer, den Diöcesen die Bischöfe ausgedrungen werden, ohne daß sie ein Wort einzuwenden haben? oder wenn die kirchlichen Gemeinden, der niedere Clerus in den kirchlichen Angelegenheiten, welche die Gemeinden doch zunächst betreffen, mundtodt sind? Nennen sie das demokratisch-constitutionell, wenn die Kirchenoberen in fürstlicher Pracht leben, während die wahren Arbeiter im Weinberge des Herrn im Schweiße ihres Angesichtes darben. (Beifall.) Meine Herren, die Lehre Christi ist demokratisch, allein die Verfassung war es nur ursprünglich, muß es aber trotz der gestern gemachten Einwendungen wieder werden, soll die Kirche auf Autonomie Anspruch machen können. (Bravo.)

Meine Gegner sprachen von Anarchie. Wenn sie das Streben, die Kirche von dem harten Drucke absoluter Hierarchie zu befielen, und auch in ihrem Gebiete den vernünftig ausprägbaren Gesammtwillen zur Geltung zu bringen, Anarchie nennen, so bin ich Anarchist; wenn sie mir vorwerfen, daß ich die gemächliche Ruhe und Willkürherrschaft der Kirchenobern nicht billige und auch in der Kirche sowie im Staate statt der Ruhe und Verwesung jene schaffende Thätigkeit der erhabenen Natur herbeiwünsche, welche zur Luftreinigung auch der Stürme bedarf, um ewig reproducirend fortzuwirken — wenn sie dieß Anarchie nennen, nun so bin ich Anarchist! Aber, meine Herren, sind wir die Anarchisten, die auf dem Kirchengebiete die Reform durch anbahnende Grundgesetze wollen, oder Jene, welche die Auflösung des absoluten hierarchischen Systems sich selbst überlassend, den Indifferentismus, die Völkerwanderung aus der Kirche, und am Ende die Revolution in der Kitche hervorrufen?! Sind wir die Anarchisten, welche den kirchlichen Gemeinden und dem niederen Clerus die Geltung in kirchlichen Angelegenheiten durch Grundgesetze anbahnen, oder Jene, die dieß ihnen vorenthaltend, es darauf ankommen lassen, daß man sich der verweigerten Rechte durch Umwälzungen bemächtige? — Dieses zu beurtheilen, überlasse ich Ihnen.

Man hat mir den Vorwurf gemacht, daß ich durch Hinweisung auf die Uebelstände in der Vertheilung des Kirchenvermögens und auf die nöthigen Reformen, Rechte antasten, ja sogar den Communismus heraufbeschwören will. Es würde mich zu weit führen, wenn ich in dieser Hinsicht alles das sagen wollte, was dagegen gesagt werden kann. Ich gebe meinen Gegnern bloß zu bedenken, daß das Kirchenvermögen nicht der Geistlichkeit, sondern den Kirchengemeinden gehört; daß die Geistlichkeit daran nur ebenso bethiliget ist, als ein Angehöriger, als ein Bestandtheil dieser Gemeinde; daß ein großer Unterschied sei zwischen dem Eigenthum eines Individuums und zwischen jenem einer Gesellschaft, einer Gemeinde oder Corporation; daß, während das Individuum über sein Vermögen unbedingt verfügt, bei der Gemeinde, der Gesellschaft, der Corporation das Recht der Gesammtheit bei der Vertheilung und Bestimmung vorherrschend ist; daß man alse wohl auf die enormen Abstufungen in der Dotirung der Kirchen und Geistlichen hinweisen, auf Reformen bestehen kann, ohne eben Communist zu sein.

Ich habe mit mehreren Mitgliedern, die in der Kirchenfrage meiner Ansicht sind, einen Antrag eingebracht; der Abg. Wiser hat ihn gestern begründet. Aus diesem Antrage, meine Herren, werden Sie ersehen, daß ich ein Anhänger der Synodal-Verfassung bin. Ich habe es von dieser Tribune, unbekümmert um die Schmähungen, die ich voraussah, schon bei der Generaldebatte ausgesprochen; dieß diene Ihnen zum Beweise, daß ich das Josephinische System, wenn auch die bureaukratischen Uebergriffe im neuen Staate nicht so zu befürchten sind, dennoch nur als Nothwehr betrachte und nur in solange beibehalten wissen will, bis freie Institutionen auf dem Gebiete der Kirche ins Leben getreten sind. Aber bei allem dem muß es mich und jeden Vaterlandsfreund tief schmerzen, Kaiser Joseph, diesen erhabenen Glanzstern der österreichischen Dynastie, von dieser Tribune geschmäht zu hören — in einer Zeit, wo es für die Krone gefährlich ist, einen ihrer würdigsten Träger zu schmähen. (Beifall.) Und warum? weil er seinem Jahrhunderte weit voran, jene Reformen als Despot decretiren mußte, die er, gebemmt durch dunkle Machinationen, als Menschenfreund einzuführen viel zu ohnmächtig war. (Beifall.) Es ist traurig, ihn von Laien und Priestern jener Kirche geschmäht zu hören, die er zu reinigen, und durch Wissenschaften ihrem erhabenen Berufe zuzuführen gestrebt hat; es ist aber empörend, zu hören, daß eine seiner erhabensten Handlungen, das Toleranz-Patent, bloß die Geburt materieller Absichten zur Hebung der Gewerbe, und nicht der herrliche Keim in seiner großen Seele für die einstige Religionsfreiheit war! (Großer Beifall.)

Wenn Sie, meine geehrten und hochwürdigen Herren, den Absolutismus in der österreichischen Dynastie verdammen wollen, so sehen Sie sich in Oesterreichs Regentenreihe nach anderen Männern um, und tasten Sie nicht jenen an, der ein Despot war, weil er für die Heranbildung seines Volkes, welches er innig liebte, es sein mußte; tasten Sie nicht jenen an, den dle ganze civilisirte Welt verehrt. (Beifall.)

Die Bischöfe stehen mit ihrem Memorandum und Petitionen vor den Schranken des Hauses. Wohlan denn, meine Herren, sprechen wir die Freiheit der Kirche aus, wahren wir aber dabei das Recht der Gesammtheit, des vernünftigen, ausprägbaren Gesammtwillens, dann wird es sich zeigen, ob es dem Episcopate mit dem Rufe nach Freiheit auch Ernst war. Meine Herren, die Zeit ist gekommen, wo selbst die liberale Despotie vom Throne ferne bleiben muß, wir wollen, daß das Bevormundungssystem sein Ende erreiche. Aber in dieser lebenswichtigen Frage können wir uns mit dem Wollen allein nicht begnügen, nicht eine Freiheit geben, dort, wo sie bald zur Knechtschaft führen könnte, nicht dann, wenn wir nicht zugleich die freien Institutionen gründen, auf welchen sie allein gedeihen kann. Darum, meine Herren, wenn der Abgeordnete für Sillian Ihnen zugerufen hat: "Geben Sie dem Kaiser eine feste Krone, den Bischöfen eine freie Mitra, und dem Volke den grünenden Bürgerkranz!" — so rufe ich Ihnen zu: "Geben Sie dem Kaiser eine constitutionelle Krone, der Kirche nicht eine freie Mitra, nein, die allgemeine, wahre Freiheit auf Grundlage zeitgemäßer Institutionen, damit das grünende Laub des Bürgerkranzes nicht zum verwelkten Myrthenkranze werde an der jungfräulichen Stirne der geopferten Freiheit. (Anhaltender, stürmischer und sich erneuernder Beifall.)

Präs. Ich werde mir erlauben, den Schluß der Sitzung zu beantragen. Die nächste Sitzung ist morgen 9 Uhr. Ich ersuche aber die Herren etwas zeitlicher als gewöhnlich erscheinen zu wollen. — Die Tagesordnung wird sein: Die Verlesung des heutigen Protokolles, dann Berichte über Wahlacte und beanständete Wahlen, — ferner der Bericht des Finanz-Ausschusses wegen der Depositen. Dann hat der Herr Vorstand des Schul-Ausschusses einen Bericht angemeldet; endlich Vorträge des Petitions-Ausschusses. Wenn nichts dagegen eingewendet wird, so wird es bei dieser Tagesordnung verbleiben. —

Die heutige Sitzung erkläre ich für geschlossen.

(Um 2 1/4 Uhr.)


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