Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Sechsundneunzigste (XLIV.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsier am 2. März l849
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 1. März 1849.
II. Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte.
Vorsitzender: Präsident Smolka.
Anfang um 3/4 auf 10 Uhr.
Präs. Die erforderliche Anzahl Abgeordneter ist versammelt; ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Der Herr Schriftf. Wiser wird das Protokoll der gestrigen Sitzung vorlesen. (Geschieht.) Ist bezüglich der Fassung des Protokolles etwas zu erinnern? (Pause.) Da nichts eingewendet wird, so erkläre ich das Protokoll als richtig aufgenommen. — In der ersten Abtheilung ist an die Stelle des Abg. Hagenauer der Abg. Kübeck in den Finanzausschuß gewählt worden. (Bravo.) Der Vorstand des Schulausschusses ersucht die Mitglieder dieses Ausschusses, sich morgen um 4 Uhr Nachmittags zu versammeln. — Der Vorstand der II. Abtheilung ersucht die Mitglieder derselben, sich morgen früh um halb 9 Uhr zu versammeln, um einige Wahlacte zu prüfen.
Es ist zur Reichstags-Zahl 4612 eine von den Vorständen aller Gemeinden des Bezirkes Castelnuovo unterzeichnete Vertrauensadresse an den Reichstag eingelangt; die Adresse enthält auch einige Petitionspuncte und ist dem Constitutions-Ausschusse zugewiesen worden; sie wird auf dem Tische des Constitutions-Ausschusses zur Einsicht für die Herren Abgeordneten aufliegen. Zufolge eines Beschlusses des Constitutions-Ausschusses wird zur Kenntniß der hohen Kammer gebracht, daß nachstehende Eingaben daselbst zur Einsicht der Herren Abgeordneten aufliegen:
36 Petitionen theils für, theils gegen die Theilung Galiziens. — Sodann zur Reichstags-Zahl 1699, Bitte des galizischen Reichtags-Deputirten Johann Martini um Aufnahme von Bestimmungen zur Wahrung der Nationalität der deutschen Colonien. — Ferner zur Reichstags-Zahl 183, 474, 836 und 4551. Petitionen für die Absonderung der Bukowina von Galizien; dann Reichstags-Zahl 772, 826, 701 und 3580, Petitionen gegen die Absonderung der Bukowina von Galizien. Zur Reichstags-Zahl 4792, eine Petition aus Sandec in Galizien wegen Beibehaltung des Ordens der Clarisserinnen in Alt-Sandec. — Zur Reichstags-Zahl 4794, eine Petition der Tarnower Diöcese gegen die Einziehung der geistlichen Güter. — Alle diese Stücke liegen auf dem Tische des Constitutions-Ausschusses zur Einsicht der Herren Abgeordneten bereit.
Der Herr Abg. Ivichievich hat gestern ein Memorandum in Betreff der Banknoten und deren Verwechslung unter die Herren Abgeordneten vertheilen lassen. Es sind mehrere italienische Exemplare des Memorandums im Bureau der stenographischen Berichte; da aber diese nicht unter alle Herren Abgeordneten vertheilt werden können, so mögen die italienischen Herren Abgeordneten sie daselbst erheben.
Es sind einige Interpellationen angemeldet; eine vom Abg. Wildner an das Gesammt-Ministerinm, Wollen Herr Abgeordneter sie selbst vorlesen?
Abg. Wildner (liest von der Tribune:)
"Interpellation an das Gesammt-Ministerium!"
"Als Seine Majestät Franz Joseph I. unter Zustimmung des solidarisch verantwortlichen Gesammtministeriums im Antritts-Patente vom 2. December 1848 nicht nur als constitutioneller Monarch der auf dem Reichstage in Kremsier vertretenen Völker, sondern ausdrücklich als König von Ungarn, Croatien und Slavonien, so wie als Großfürst von Siebenbürgen im Angesichte von Europa das feierliche Versprechen gab, freie und zeitgemäße Institutionen einzuführen, die Gesammtmonarchie heilbringend umzugestalten und zu verjüngen, die wahre Freiheit, die Gleichberechtigung aller Völker des Reiches, die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetze, die Theilnahme der Volksvertreter an der Gesetzgebung, die Theilung der Thronrechte mit den Vertretern seiner Völker, die Vereinigung aller Länder und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper zu verwirklichen, da jubelte der Reichstag zu Kremsier hoch auf, und alle von ihm vertretenen Völker jubelten freudig nach, denn es stand das schöne Bild eines einigen, freien und mächtigen Oesterreichs als ein in naher Zukunft realisirbares im lieblichsten Farbenschmucke vor ihren Augen.
Im festen Vertrauen auf dieses Wort des Thrones und Gesammt-Ministeriums bewilligte der österreichische Reichstag in so überwiegender Majorität die Mittel, um die Wirksamkeit des Thrones in Ungarn, welche durch die ungarische Magnaten-Tafel eben so gut wie durch die Tafel der Abgeordneten bei der Gesetzgebung und Verwaltung zugleich auf Null reducirt worden war, wieder herzustellen, und die oben aufgezählten Versprechen zu realisiren, besonders da die auf dem Reichstage in Kremsier vertretenen österreichischen Völker, selbst abgesehen von dem erwähnten kaiserlichen Worte, ein heiliges Recht haben, den Inhalt der obigen Versprechungen zu verwirklichen.
Ein heiliges Recht ist es ja, daß die hiesigen Völker mit den ungarischen gleich behandelt werden, daß also jene durch 36 Jahre fortgesetzte himmelschreiende Ungerechtigkeit aufhöre, vermöge der die hiesigen Völker zu den, auch den ungarischen Völkern gleichmäßig zu Gute kommenden Centralbedürfnissen jährlich um 22—23 Millionen mehr zahlen, als die ungarischen Völker, bei denen die Adelsherrschaft noch nicht einmal so viel Gerechtigkeitssinn hatte, um auf die adeligen und geistlichen Güter eine Steuer umzulegen, geschweige denn eine andere Einkommensquelle für die öffentlichen Lasten zu eröffnen.
Ein heiliges Recht der hiesigen Völker ist es ferner, nach Einführung der gleichmäßigen Besteuerung in Ungarn und sohinniger Entfernung aller Gefährdung des hiesigen Acker- und Weinbaues auf die Aufhebung der Zoll-Linie zwischen Ungarn und dem übrigen Oesterreich, für unterdessen aber auf eine rationelle Regulirung derselben überhaupt, namentlich auf die Aufhebung des adeligen Privilegiums der Zollfreiheit zu dringen.
Ein helliges Recht der hiesigen Völker ist es, darauf zu dringen, daß in Ungarn jede Adelsherrschaft verschwinde, welche durch die ganze Geschichte herauf mit dem hiesigen Monarchen im Kampfe lag, und seine Plane so durchkreuzte, daß Ungarn nicht einmal zu dem Höhenpuncte der Cultur gebracht werden konnte, auf den die anderen Länder Oesterreichs selbst durch die absolute Herrschaft gehoben worden waren; jene Adelsherrschaft sage ich, welche bis, zum gegenwärtigen Augenblicke nicht einmal ihre ungeheueren Besitzungen besteuert hat, und in neuester Zeit, als ein wüthender Kampf gegen den Thron begann, den sie doch immer nur zum Schutze ihrer Privilegien abgenützt hatte, selbst in ihrer Magnaten-Tafel keinen einzigen Mann fand, der seine Stimme für denselben erhoben hätte, besonders da sich alle die, welche der Thron so gütig behandelt hatte, aus dieser Tafel fern hielten und nach dem Satze: Absentes pro consentientibus habentur, alle die Beschlüsse mitgenehmigten, welche sowohl dem Throne — als den hiesigen Völkern so feindselig entgegentraten.
Ein heiliges Recht der hiesiqen Völker ist es weiter, darauf zu dringen, daß an die Stelle dieser entfernten, veralteten und unzeitgemäßen Adelsherrschaft eine zeitgemäße Volksvertretung gelange, bei der sich alle Stämme Ungarns — nicht bloß der magyarische — mit gleichem Rechte betheiligen, welches Recht zu beweisen so viel hieße, als das Licht der Sonne erst beweisen wollen, welches Recht daher den ungarischen Brüdern so zu Theil werden muß, wie es den hiesigen Völkern bereits zuerkannt ist, so daß die Usurpirung dieses Rechtes durch eine bestimmte Race Menschen durchaus unzulässig ist.
Es ist ein heiliges Recht der hiesigen Völker, sich mit den ungarischen in Einen großartigen Staatskörper zu vereinen, denn sie haben sich durch Jahrhunderte schon in allen Bedrängnissen wechselseitig geschützt und gerettet, stehen in tausenderlei Verbindungen des Handels, der Industrie, des geselligen und Familienlebens, wurden durch die pragmatische Sanction miteinander engst verbunden, stehen in der unzertrennlichsten physischen Verbindung miteinander durch Flüsse, Straßen, Eisenbahnen, Canäle.
Alles dieses Angeführte beweist, daß der österreichische Thron nur Principien der Gerechtigkeit aussprach, wenn er die oben erwähnten Versprechungen, namentlich die der Theilung der Thronrechte mit Volksvertretern — also nicht mit einer Adelsherrschaft! — im Angesichte von Europa allen seinen Völkern, also auch den ungarischen feierlich machte, und das Gesammt-Ministerium denselben zustimmte.
Getragen von dem Hochgefühle ihrer Pflicht, machte sich unsere unvergleichliche Armee auf, um die Realisirung dieser naturrechtlichen, uns noch dazu vom Throne versprochenen Principien, in Ungarn anzubahnen; sie eilte in der rauhesten Jahreszeit durch tausendfältige Beschwerden hindurch von Sieg zu Sieg, drang in die Hauptstadt Ungarns, den Sitz der die Rechte des Thrones wie der dortigen und hiesigen Völkern gleichmäßig verachtenden Magnaten- und Abgeordneten-Tafel, und beengte den von beiden aufgestachelten Landsturm auf die Theißgegend, wo nach Ueberwindung der Terrain-Hindernisse wohl der Sieg des Rechtes seine letzten Opfer fordern wird.
"Da kommen nun auf einmal alle die, welche durch ihr Wegbleiben aus der Magnatentafel den rechtsverletzenden Beschlüssen der letzteren beigestimmt hatten, welche ungeachtet ihrer Macht, ihres Ansehens, ihres Vermögens gar nichts gethan hatten, um den schreienden Ungerechtigkeiten entgegen zu treten, ja! welche in den vormärzlichen Tagen die heftigsten Gegner der Steuerausgleichung und der Volksrechte waren, auf einmal wieder hervor, drängen sich in die ungarische Verwaltung, die unter ihren Händen als eine der miserabelsten von ganz Europa dastand, und machten die Gefahr augenscheinlich, als ob das Blut der Söhne der hiesigen Völker nur zu dem Ziele vergossen, und das von ihnen bewilligte Geld nur zu dem Ziele verwendet worden wäre, damit die ungarische privilegirte Kaste ihre Privilegien, mit denen sie doch offenbar durch die Gestattung der Empörung gegen die Krone va banque gespielt hatte, unangetastet erhalte, und mit denselben wieder ihren vielhundertjährigen Kampf mit dem Rechte des hiesigen Thrones, sowie des hiesigen Volkes nicht minder als des ungarischen fortsetze und das schöne große Ungarn ja recht lange durch Mißkennung des Volksrechtes in seinem traurigen Zustande lasse, den diese Kaste ungeachtet aller entgegengesetzten Bestrebungen des Thrones durch Jahrhunderte so beharrlich forterhalten hat. —
Ich habe die lebendigste Ueberzeugung, daß die hiesigen Völker dieß nie und nimmer zugeben werden; sie haben den festen Willen, ihre Finanzen dauernd zu ordnen, was nur dadurch möglich ist, daß Ungarn zu der Gerechtigkeit genöthiget werde, die 22 bis 23 Millionen jährlich zu den Centrallasten beizusteuern und die hiesigen Völker von dieser, ihnen durch 36 Jahre ungerecht aufgebürdeten Last zu befreien; sie haben den festen Willen, auch ihren Brüdern in Ungarn die Wohlthat der Volksvertretung mit Entfernung aller Adelsvorrechte, also auch des adeligen Steuer- und Gesetzgebungs-Privilegiums angedeihen zu machen; sie haben den festen Willen, nach Herstellung dieser Gleichmäßigkeit in der Besteuerung die unnatürliche Grenzlinie zwischen Brüdern zu entfernen, und dadurch Handel, Industrie und Urproduction in Ungarn gleichmäßig eben so zu fördern, wie in den hiesigen Ländern; sie haben den festen Willen, mit den ungarischen Brüdern in Einen großen Staatskörper zusammenzuwachsen, in welchem über alle Stämme und Individuen die gleiche Sonne der Gerechtigkeit und der mit ihr identischen Freiheit wärmer scheinen soll, und der, fest verbunden mit Deutschland, seine hohe Aufgabe im Osten glorreich erfülle.
Bei diesem unerschütterlichen Willen der hiesigen Völker würde nie ein Ministerium fortbestehen können, welches Ungarn gegenüber von diesen Principen der Gerechtigkeit lassen würde, besonders da dieselben im Antritts-Patente vom 2. December 1848 auch vom Könige von Ungarn, Croatien und Slavonien, sowie vom Großfürsten von Siebenbürgen im Angesichte von Europa feierlichst anerkannt sind, und da sie das Alpha und Omega des Gedeihens unserer Finanzen, somit der ganzen Zukunft des sonst überall hoffnungsreichen Oesterreichs bilden, ohne dessen Anschluß auch kein kräftiges Deutschland gedenkbar ist. — Ich frage nun das Gesammt-Ministerlum, welches unter der Aegide der obigen Principien den Krieg gegen den ungarischen, nicht aus der Volksvertretung, sondern nur aus einer privilegirten Kaste hervorgegangenen Reichstag und seinen Landsturm begann und bisher glücklich führte:
1. Ist das Ministerium fest entschlossen, den in Kremsier vertretenen Völkern die feierlich versprochene Gleichberechtigung zu wahren, ihnen daher die bisher so ungerechter Weise getragene Ueberbürdung von jährlichen 22—23 Millionen abzunehmen und den ungarischen Ländern — versteht sich im Wege einer billigen Allmäligkeit — aufzulegen?
2. Ist das Ministerium fest entschlossen, nach Herstellung dieser gleichmäßigen Besteuerung die so unbrüderliche Gränzlinie zwischen Ungarn und dem anderen Oesterreich hinwegzuräumen, und dieselbe alsbald auf ein zeitgemäßes Princip mit Aufhebung aller Steuerprivilegien zurückzuführen?
3. Ist das Ministerium fest entschlossen, die Aufhebung aller Vorrechte, und mithin die Gleichheit vor dem Gesetze in Ungarn sogleich herzustellen, und mithin auch das Privilegium des Adels bei der Gesetzgebung aufzuheben?
4. Ist das Ministerium fest entschlossen, an die Stelle dieser ganz unzeitgemäßen Adelsherrschaft eine Volksvertretung nach vernunftrechtlichen Grundsätzen, somit unter verhältnißmäßiger Betheiligung aller Nationalitäten, einzuführen und die Rechte des Thrones mit derselben zu theilen?
5. Ist das Ministerium fest entschlossen, diese ungarische Volksvertretung mit der hiesigen zu vereinen, damit sie den Bau eines großen, mächtigen und freien Oesterreichs vollbringen helfe?
6. Ist das Ministerium fest entschlossen, diesen seinen festen Entschluß den ungarischen Stämmen alsbald kund zu geben, und diese Bedingungen der bevorstehenden Pacification Ungarns zum Grunde zu legen? Ist endlich
7. das Ministerium entschlossen, das was in den hier vertretenen Ländern bereits als vorläufige Verfassungsnorm veröffentlicht wurde, auch in Ungarn alsbald zu publiciren, und auf Grundlage desselben die ungarische Volksvertretung mit dem Beisatze einzuberufen, daß an den obigen Grundlagen der Pacification nichts geändert werden dürfe?"
Präs. Diese Interpellation wird an das Gesammt-Ministerium geleitet werden.
Eine weitere Interpellation liegt vor, vom Abg. Strasser, ebenfalls an das Gesammt-Ministerium. — Wollen der Herr Abgeordnete diese Interpellation vorlesen?
Abg. Strasser (liest von der Tribune:)
"Interpellation an das hohe Gesammt-Ministerium!"
"Laut eines Finanz-Ministerial-Erlasses vom 21. Mai v. J., Z. 1193, welcher durch die Landes-Präsidien vorschriftmäßig zur genauen Darnachachtung kundgemacht worden ist, wurde nach vorlaufiger reifer Erwägung aller Verhältnisse vom damaligen Ministerrathe die unbedingte Nothwendigkeit anerkannt, eine vorübergehende Maßregel zu ergreifen, um einer bedenklichen Störung des Geldumlaufes dadurch zu begegnen, daß die k. k. pr. österreichische Nationalbank die Ermächtigung erhielt, in ihrer statutenmäßig übernommenen Verbindlichkeit zur Einwechslung der Banknoten eine Beschränkung eintreten zu lassen, weil ungeachtet der von der Bank getroffenen wirksamen Vorkehrungen die Zeitereignisse einen ganz unerwarteten stürmischen Andrang bei den Verwechslungscassen, und einen äußerst raschen, jede Berechnung überschreitenden Münzausfluß verursacht, oder zur Folge gehabt hatten.
Durch den nämlichen Ministerial-Erlaß wurde aber auch zugleich festgesetzt, daß Jedermann verhalten sein soll, die Noten der privilegirten österreichischen Nationalbank bei allen Zahlungen nach ihrem vollen Nennwerthe anzunehmen, und zwar mit dem Beisatze, daß, wenn die Zahlung in einer bestimmten Geldsorte gebührt, dieselbe nach der Wahl des Schuldners in dieser Münzsorte oder nach deren Werth zur Zeit der Zahlung in Banknoten zu leisten sei. Am darauffolgenden Tage, nämlich am 22. Mai v. J. beschloß jedoch der Ministerrath, daß diese letztere Bestimmung sich bloß auf jene Zahlunzen zu beziehen habe, welche in Gold- oder ausländischen Silbermünzen gebühren, daß aber für alle anderen Zahlungen der rücksichtlich der Annahme der Banknoten nach ihrem vollen Nennwerthe ausgesprochene Grundsatz zu gelten habe. Auch diese Nachtrags-Verordnung wurde vorschriftmäßig zur allgemeinen Kenntniß gebracht.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß diese beiden, im Mai v. J. durch den Drang außerordentlicher Umstände herbeigeführten, ja möglicher Weise Von der. Klugheit einem größeren Uebel durch ein kleineres vorzubeugen gebotenen Ministerial-Erlässe als Verfügungen erscheinen, die auf das Tiefste in die privatrechtlichen, vertragsmäßig festgestellten Verkehrsverhältnisse der Staatsbürger eingreifen, und der Ministerrath hat dieses in dem ersterwähnten Erlasse auch ausdrücklich anerkannt, indem er am Schlusse desselben erklärte:
"Diese Vorschrift hat nur einstweilen, und so lange als die gegenwärtigen außerordentlichen Umstände dauern, zu gelten, und es wird, wenn solche nicht vor dem Zusammentritte des ersten Reichstages wieder außer Anwendung gesetzt worden sein sollte, eine der ersten Aufgaben des Ministerrathes sein, dem gedachten Reichstage die erforderlichen Gesetzesvorschläge zur Feststellung dieses Gegenstandes vorzulegen."
Ich will nicht eingehen in die Würdigung von Gründen, welche das gegenwärtige Ministerium bisher an der Erfüllung einer ganz im Geiste constitutioneller Regierungsmaximen liegenden, von einem anderen Ministerrathe gemachten Zusicherung gehindert haben, ja ich gebe selbst zu, daß es unter den jetzigen Verhältnissen geradezu unmöglich sei, die der k. k. privilegirten österreichischen Nationalbank durch den Ministerial-Erlaß vom 21. v. J. transitorisch eingeräumte Begünstigung rücksichtlich der Verwechslungsverbindlichkeit ihrer Noten, und das allgemeine Gebot dieselben bei allen Zahlungen nach ihrem vollen Nennwerthe anzunehmen, ohneweiters aufzuheben; allein gewiß und unbestreitbar ist es, das dieses Provisorium, in soweit es vorzüglich durch die Nachtragsverordnung vom 22. Mai v. J. auch die Zahlungen von Forderungen zum Gegenstande hat, die aus Darleihensverträgen herrühren, welche die Stipulation des §. 987 a. b. G. B. enthalten, entweder sogleich außer Kraft gesetzt, oder aber durch ein förmliches Gesetz, sei es nun nach einem vom Ministerium einzubringenden Vorschlag oder Entwurf, oder in Folge der vom hohen Reichstage zu ergreifenden Initiative geregelt werden muß.
Insbesondere gestatten es die eigenthümlichen Verhältnisse jener Provinz, von der ich einen Wahlbezirk zu vertreten die Ehre habe, durchaus nicht länger, daß ein ministerielles, ohne Zustimmung oder Einflußnahme der gesetzgebenden Gewalt erlassenes Provisorium, wodurch einem Paragraph des a. b. G. B. zeitweilig derogirt, und der Grundsatz: "Pacta dant legem contractibus" weggeläugnet wird, ja welches nach meiner individuellen Ansicht, zu der ich mich auch als Richter bei Entscheidung eines einschlägigen Rechtsstreites bekennen würde, nicht eirmal zum Gesetze erhoben werden kann, weil es einen Eingriff in die feierlich stipulirten Vertragsrechte von Privaten, die gleich dem Eigenthum heilig und unantastbar sind, enthält, als allgemein verbindliche Norm hingestellt bleibe, und zu Begriffsverwirrungen und Rechtsstreitigkeiten Veranlassung gebe.
In Tirol, und zwar in den deutschen wie in den italienischen Kreisen, wurden nämlich jährlich Tausende von Schuldbriefen oder Obligationen aus geschlossenen Darleihensverträgen unter Privaten, Corporationen und Stiftungsverwaltungen errichtet, in welchen nicht nur die als Darleihen gegebenen und empfangenen Münzsorten genau bezeichnet wurden, sondern auch immer die Clausel, und zwar bei Pupillar- und Curatel-Geldern im ausdrücklichen Auftrage der Vormundschaft oder Curatelbehörde eingeschaltet wurde, daß die Zurückzahlung des empfangenen Capitals in klingender Conventions- oder tarifmäßiger Münze, mit Ausschluß jeder Gattung Papiergeldes erfolgen müsse.
Nun waren bereits vor dem Erscheinen der ministeriellen Erlässe vom 21. und 22. Mai v. J. viele Capitalien zur Zurückzahlung auf- oder abgekündet, und seither find zumal von Schuldnern, denen die zwangsweise ausgesprochene allgemeine Verbindlichkeit zur Annahme der Banknoten nach ihrem vollen Nennwerthe nur das Präludium einer bald nachfolgenden theilweisen oder gänzlichen Entwerthung dieses früher sehr gesuchten Papiergeldes schien, Hunderttausende von Gulden abgekündet worden, während die Gläubiger, gestützt auf die ausdrückliche Stipulation im Darleihensvertrage, sich weigern, ihre in klingender Münze und in bestimmten Geldsorten gegebenen Capilalien bei der Rückzahlung in Papiergeld anzunehmen und dadurch 10—12 Percent zu verlieren.
Darüber entstanden Processe, und die in erster und zweiter Instanz erflossenen abweichenden Urtheile — worüber mir aus meinem Wahlbezirke Mittheilungen zugekommen sind — liefern den Beweis, daß nicht nur die Parteien, sondern auch die Gerichtsbehörden durch die provisorisch erlassenen Ministerial-Verfügungen über den klaren Inhalt des §. 987 a. b. G. B. irre geworden sind.
Dem Vernehmen nach sind nun bereits solche divergirend entschiedene Rechtsfälle im Revisionszuge bei der obersten Justizstelle anhängig, und es ist sohin die Möglichkeit vorhanden, daß durch eine Entscheidung in höchster Instanz — wenn auch nur für einen einzelnen Fall — den ministeriellen Erlässen vom 21. und 22. Mai v. J. die Wirksamkeit eines Gesetzes zugesprochen werden könnte, welche das damalige Ministerium ohne Verläugnung der constitutionellen Principien nur bis zum Zusammentritte des hohen Reichstages in Anspruch nahm und nicht länger in Anspruch nehmen konnte.
Alle diese Umstände veranlassen mich, das hohe Ministerium dringlichst um möglichst schnelle Beantwortung folgender Fragen zu bitten:
1. Ob dasselbe nicht geneigt sei, die Verpflichtung zur Annahme der Banknoten bei allen Zahlungen nach ihrem vollen Nennwerthe, in sofern die gegenwärtigen Verhältnisse den Widerruf der ministeriellen Erlässe von 21. und 22. Mai v. J. nicht erlauben sollten, durch eine Ministerial-Verfügung sogleich nur auf jene Fälle zu beschränken, in welchen die Zurückzahlung eines in klingender Münze gegebenen Darleihens nicht ausdrücklich wieder in den nämlichen oder anderen klingenden Geldsorten und mit specieller Verwahrung gegen jedes Papiergeld bedungen worden ist?
2. Ob dasselbe nicht gesonnen sei, dem hohen Reichstage im Nachhange und in Erfüllung der von einem früheren Ministerium im Erlasse von 21. Mai v. J., Z. 1093, gemachten Zusage einen Gesehesentwurf in kürzester Frist zur Berathung vorzulegen, durch welchen ohne Verletzung und Eingriff in vertragsmäßig bestimmte Rechte und Verbindlichkeiten eine definitive Regelung dieser Angelegenheit auf constitutionellem Wege angestrebt und mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Staates, der privilegirten österreichischen Nationalbank und der als Gläubiger oder Schuldner bei der Annahme von Banknoten betheiligten Staatsbürger eine billige gesetzliche Normirung dieser Verhältnisse zu Stande gebracht werden könnte?"
Präs. Diese Interpellation wird an das Gesammt-Ministerium geleitet werden.
Der Herr Abg. Polaczek, dem ich einen achttägigen Urlaub erthellt habe, hat unter Einsendung eines ärztlichen Zeugnisses seine Erkrankung angezeigt. — Der Vorstand der neunten Abtheilung ersucht die Mitglieder derselben, morgen um halb 9 Uhr sich zu versammeln. Der Vorstand des Constilutions-Ausschusses wird dem hohen Hause eine Mittheilung machen.
Abg. Feifalik (von der Tribune:) Ich fühle mich glücklich, dem hohen constituirenden Reichstage anzuzeigen, daß die Constitution im Entwurfe vollendet ist. (Anhaltender, stürmischer Beifall.) Gestatten Sie mir, meine Herren, daß ich bei dieser Gelegenheit einen flüchtigen Blick auf die Thätigkeit Ihres Constitutions-Ausschusses werfe, es dürfte dieses in manchem Anbetracht nicht überflüssig sein.
Im Anfange August vorigen Jahres aus dem Vertrauen der Vertreter der einzelnen Gouvernements hervorgegangen, begann der Constitutions-Ausschuß sogleich seine Thätigkeit und fand sich in der Lage — wiewohl mancherlei Vorstudien nöthig waren — gegen Ende des Monates September den Entwurf der Grundrechte dem hohen Hause vorzulegen. Welche verhängnißvollen Ereignisse hierauf die Thätigkeit des Ausschusses gelähmt und unterbrochen haben, dieß liegt in unser Aller herber Erinnerung. — Nachdem der Reichstag hieher nach Kremsier berufen worden, begannen sogleich die Berathungen über die Grundrechte in den Abtheilungen. Die Herren erinnern sich, daß ein Drittheil dee Mitglieder des Ausschusses bei diesen Berathungen als Referenten fungirten. Nach dem Schlusse dieser Berathungen gingen die Erinnerungen der Abtheiluagen wie er zurück an den Constitutions-Ausschuß. Dieser hatte nun nach der Geschäftsordnung die Verpflichtung zu erfüllen, den Entwurf einer nochmaligen und schließlichen Revision zu unterziehen. Dieser zuletzt revidirte Entwurf liegt in Ihren Händen, und befindet sich gegenwärtig in der Vollberathung; er ward Ihnen in der Hälfte December übergeben. Erst seit diesem Zeitpuncte befindet sich eigentlich das Fünfercomité des Constitutions-Ausschusses in der Möglichkeit, an das eigentliche Constitutionswerk Hand anzulegen.
Der Entwurf des Fünfercomité's gelangte an den Constitutions-Ausschuß, wie ich bereits in einer früheren Sitzung erwähnte, am 16. Jänner d. J.; seit dieser Zeit befand sich der Constitutions-Ausschuß, so zu sagen, in Permanenz, die nur durch jene Stunden unterbrochen wurde, welche die Anforderungen der Natur dem Menschen abdringen. Es erforderte nahe an ein Halbhundert Sitzungen, bevor der Außschuß mit den Berathungen über den Constitutions-Entwurf zu Ende gelangte. — Dieser Entwurf wird zum Drucke vorbereitet, und binnen wenigen Tagen wird er sich in Ihren Händen befinden. — Unterziehen Sie ihn einer aufmerksamen Würdigung; es werden hiebei Ihnen jene Partieen nicht entgehen, welche das Resultat heißester Gegenstrebungen und vorläufigen Uebereinkommens zwischen den Vertretern der einzelnen Nationalitäten, zwischen den Interessen der größeren und kleineren Ländereinheiten anzusehen sind. Prüfen Sie diesen Entwurf mit aller Aufmersamkeit, mit aller Strenge, wir wünschen es; wenn Sie aber die Berathungen hier in diesem Saale beginnen, dann, meine Herren, bitte ich Sie, nicht zu vergessen, daß Sie die Principien eines freien politischen Lebens schaffen sollen, nicht bloß für die einzelnen Länder, sondern auch für unser gesammtes Vaterland, an welchem wir mit inniger, treuer Liebe hängen (Beifall); dann bitte ich Sie, meine Herren, nicht zu vergessen, daß Sie Bande weben sollen, fest, unzerreißlich, aber auch nicht verletzend für die verschiedenen Völkerstämme unter sich und mit ihrem viel geliebten Kaiser! (Beifall.)
Präs. Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist die Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte, namentlich die Fortsetzung der Debatte über den §. 15. Es hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Sidon.
Abg. Sidon (von der Tribune:) Meine Herren! Als in den Märztagen des vorigen Jahres die erste Kunde von dem gewaltigen Umsturze des staatlichen Lebens an meine Ohren drang, da rief ich wie Simon vor 1849 Jahren aus: Nun Herr! laß deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben das Heil meines Vaterlandes und meiner Kirche gesehen. Ja, meine Herren, damals hatte im freudigen Vorgefühle einer besseren Zukunft für Staat und Kirche mein Herz frohlockend gejubelt, denn ich sah im Geiste die Zeit heranbrechen, wo die im Staate bisher niedergetretenen Menschen- und Völkerrechte zur erfreulichsten Geltung gelangen und wo die in der Kirche so längst ersehnten Reformen endlich einmal ins Leben treten werden. Ich sah zugleich voraus, daß die Kirche die ihrer Würde einzig und allein entsprechende unabhängige Stellung gegen den Staat, nach welcher sie sich Jahrhunderte vergebens gesehnt hat, nunmehr einmal für sich vollkommen vindiciren werde. Dieses freudige Gefühl haben gewiß sehr viele, und ich muß es zur Ehre meiner Amtsbrüder sagen, die Mehrheit derselben, besonders die jüngeren, strebsameren, die ernsten Mahnungen der Gegenwart begreifenden Diener des Herrn mit mir getheilt, jedoch nur im Stillen, — an den hellen Markt des Tages durften sie nicht treten.
Man hat sich auch darüber gewundert, man hat gefragt: Ist nur an euch Priestern der bedeutsame Ruf des Zeitgeistes umsonst ergangen? Warum freut ihr euch nicht über die viel versprechende Bewegung, die jetzt alle Gemüther ergreift, und die auch dem richtig erkannten Interesse der Religion und der Kirche förderlich sein kann und muß? — Solche und ähnliche Stimmen ließen sich häufig vernehmen, ohne zu bedenken, daß die Aeußerung solches Vergnügens eine nicht gar so gefahrlose Sache war, als sie sich es vorstellen mochten. Der Absolutismus im Staate war freilich gebrochen, allein der Absolutismus in der kirchlichen Hierarchie war es nicht, der bestand, und besteht in Gänze noch aufrecht, und dem war es gar nicht lieb, daß sein Zwillingsbruder im Staate eines so jämmerlichen Todes verblichen, und er ahnte schaudernd was da kommen könne, und unterdrückte deßhalb mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft jedes freisinnige Emporstreben. Jene, welche an die Spitze der kirchlichen Gemeinschaft berufen sind, und welche deßhalb berufen waren, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen, die Oberhirten der Gläubigen schwiegen — ihre geistlichen Räthe, die Consistorien, diese getreuen Beistände des hierarchischen Absolutismus halfen ihnen wacker dabei, und wachten mit Argusaugen darüber, daß ja nirgends ein verwegenes Streben nach Neuerungen sich kund gäbe. Allein man erholte sich bald vom ersten Schrecken, man sah, daß sich die Idee der Freiheit zu gewissen Zwecken recht gut verwenden lasse, und die Resultate dieser Entdeckung sind die Ihnen vorliegenden Petitionen (Bravo). Die Episcopate petitionirten, das ist wahr; aber mehr thaten sie nicht, das ist auch wahr. Es blieb beim Alten.
Da war und blieb nun die freie Presse die alleinige Zufluchtsstätte, wohin sich die Wünsche, Hoffnungen und Bedürfnisse des Clerus flüchteten, und wo sie dieselben frei und ungescheut aussprechen konnten. Dieses geschah auch in reichlichem Maße,