Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Fünfundneunzigste (XLIII.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsier. am 1. März 1849.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungs-Protokolles vom 27. Februar 1849.
II. Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte.
Vorsitzender: Präsident Smolka.
Auf der Ministerbank: Stadion.
Präs. Es ist die zum Beginne der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter versammelt. Ich erkläre daher die Sitzung für eröffnet. Herr Schriftführer Gleispach wird das Protokoll der letzten Sitzung verlesen.
Schriftf. Gleispach (liest das Protokoll vom 27. Februar 1849).
Präs. Ist bezüglich der Fassung des Protokolles etwas zu erinnern? Nachdem nichts eingewendet wird, erkläre ich das Protokoll für richtig angenommen. — Der Abg. Androvich war durch längere Zeit ohne Urlaub abwesend, und wurde zu Folge der Geschäftsordnung aufgefordert, sich dem §. 29 der Geschäftsordnung gemäß binnen 14 Tagen am Sitz des Reichstages einzufinden. Er hat diese Aussorderung erhalten. Die Frist von 14 Tagen ist gestern abgelaufen und auch vom Abg. Androvich eine Eingabe angelangt. Der Herr Schriftf. Ullepitsch wird Namens des Vorstandes dießfalls einen Antrag stellen.
Schriftf. Ullepitsch. Die vom Abg. Nicolaus Androvich eingelangte Eingabe lautet wörtlich wie folgt:
"Hoher Reichstagsvorstand!
In einer Proclamation an die Völker Oesterreichs, woran ich auch als dalmatinischer Abgeordneter Mitarbeiter war, ist erklärt worden, daß Wien nur der Sitz eines österreichischen Reichstages sein kann. In Folge dieser Erklärung, um consequent zu sein, überzeugt ohnehin, daß das Ministerium Wessenberg nicht in der Absicht, die Sicherheit in den Berathungen dem Reichstage zu verschaffen, sondern die Volksvertretung zu erniedrigen, den Reichstag in ein kleines Städtchen in Mähren verlegt hat; erlaube ich mir, mit dieser ehrfurchtsvollen Zuschrift dem hohen Reichstagsvorstande anzukündigen, daß ich den Entschluß gefaßt habe, mich nie nach Kremsier zu begeben. — Ich hoffe, daß der hohe Vorstand die Güte haben wird, die Vorlesung davon zu geben, denn mein Entschluß, wenn nicht motivirt, dürfte ein seltsamer vorkommen, und mir den Tadel meiner Committenten mit Fug und Recht zuziehen.
Wien am 27. Februar 1849.
Nicolaus Androvich m. p.
Abgeordneter für Ragusa in Dalmatien."
Die im §. 29 der Geschäftsordnung vorgezeichnete Aufforderung an den Herrn Abgeordneten, nach Kremsier zu erscheinen, ist unterm 19. Jänner erfolgt, und laut des an das Vorstands-Bureau gelangten Retour-Recepisses ihm richtig eingehändigt worden.
Präs. Wünscht Jemand über diesen Antrag zu sprechen? Diejenigen Herren, welche dem Antrage des Vorstands-Bureau's beipflicheen, wollen aufstehen. — Der Antrag ist angenommen, und es wird dem zu Folge das Ministerium des Innern angegangen werden, eine neue Wahl für den Wahlbezirk Ragusa in Dalmatien auszuschreiben.
Es ist ein neugewählter Herr Abgeordneter eingetroffen, nämlich der Herr Abgeordnete Carl Kübeck (allgemeiner Beifall). Dieser Herr Abgeordnete wurde in zwei Wahlbezirken gewählt, nämlich in dem zweiten Wahlbezirke der inneren Stadt Wien, und dann in dem Wahlbezirke Bruck an der Mur; der Herr Abgeordnete hat sich mit seinen dießfälligen Legitimations-Urkunden ausgewiesen, und wenn anwesend, kann der Herr Abgeordnete an der heutigen Berathung sofort Theil nehmen. — Der Herr Abgeordnete hat sich für den 2. Wahlbezirk der Stadt Wien entschieden. Es ist sonach an das Ministerium des Innern das Ersuchen gestellt worden, für den Wahlbezirk Bruck an der Mur eine neue Wahl auszuschreiben. Es ist auch der Wahlact für den zweiten Wahlbezirk der inneren Stadt Wien bereits eingelangt, und nachdem der Herr Abg. Kübeck der 1. Abtheilung zugelost wurde, so ersucheich den Herrn Schriftführer der 2. Abtheilung, den Wahlact Behufs der Prüfung desselben in Empfang zu nehmen.
Aus dem Gouvernement Böhmen wurde als Stellvertreter in den Entschädigungsausschuß der Abg. Pulpan gewählt. — Es ist an die Stelle des ausgeschiedenen Abg. Hagenauer aus der 1. Abtheilung ein Mitglied für den Finanzausschuß zu wählen. Ich ersuche demnach die Herren Abgeordneten der 1. Abtheilung, sich morgen zu versammeln vor der Sitzung um 1/2 9 Uhr, um diese Wahl vorzunehmen.
Es sind im Laufe dieser Tage, und zwar bis gestern Abend, viele Vertrauens-Adressen aus Böhmen an den Reichstag angelangt. (Bravo.) Ich habe eine Consignation dieser Adressen verfassen lassen *) [Folgt am Schlusse des Berichtes.], aus welcher hervorgeht, daß im Ganzen 343 Adressen eingelangt sind. (Beifall.) Es sind diese Adressen verschiedenen Inhalts, jedoch hauptsächlich nach dem Wortlaute, der von Seite des Vereines Slowanska lipa vorgeschlagen wurde, abgefaßt. Wenn die hohe Kammer es gestattet, wird sie vorgelesen werden. (Vielseitiger Ruf: Ja, ja!)
Schriftf. Streit. Soll ich sie böhmisch vorlesen? (Wird bejaht. — Liest:)
"Svrchovaný øíšský snìme!
Rokování a uzavøení slavného shromáždìní o základních právech národù rakouských zvýšilo ve veškerých zemích našeho mocnáøství hlubokou úctu pøed vznešenou politickou moudrostí a neohroženou mužnou svobodomyslností øíšského snìmu v takové obdivení, že nemohou nižepsaní déle se zdržeti, tento pocit v jednoduchých slovech shromáždìným poslancùm; v Kromìøíži veøejnì vyjeviti, a s ujištìním své nikdy nezvratné dùvìry jim zároveò prosbu pøednesti: Aby v stejném duchu stálé svobodomyslnosti neodcizitelná práva národù rakouských i dále chránli, skuteènì požádavky mocnáøství v skutek a v platnost uvádìli, a pak pevnì pøesvìdèeni byli, že za øíšským snìmem stojí vìtšina milionù, že rakouští národové jsou dospìlí, by toliko v celku svých vlastní vùlí zvolených poslancù, pravé zjevení své vùle a jedinou autoritu uznávali, s níž jejich konstituèní svoboda kvìte neb hyne.
Výbor lípy Slovanské v Praze dne 22. února 1849.
Václav Hanka m. p., pøedsedatel.
Vilem Gauè m. p., jednatel.
Kristian Štefan m. p., sekretáø.
S. Vávra m. p., sekretáø."
"Hohe Reichsversammlung!
Die Debatten und Beschlüsse der hohen Versammlung über die Grundrechte der Völker Oesterreichs haben in den gesammten Völkern unserer Monarchie die tiefste Hochachtung für die erhabene politische Weisheit und die unerschrockene männliche Freisinnigkeit des Reichstages zu einer solchen Bewunderung gesteigert, daß die Unterzeichneten nicht umhin können, dieses Gefühl in einfachen Worten den versammelten Deputirten in Kremsier öffentlich darzulegen, und mit der Versicherung ihres nimmer wankenden Vertrauens ihnen zugleich die Bitte vorzulegen: In gleichem Geiste des unerschütterlichen Freimuthes die unveräußerlichen Rechte österreichischer Völker auch fernerhin zu wahren, die wirklichen Bedürfnisse der Monarchie geltend zu machen, dann fest überzeugt zu sein, daß hinter dem Reichstage die Majorität von Millionen stehe, und daß Oesterreichs Völker reif genug sind, um nur in der Gesammtheit ihrer selbstgewählten Vertreter die wahre Offenbarung ihres Willens, und die einzige Autorität anzuerkennen, mit welcher ihre constitutionelle Freiheit steht und fällt.
Der Ausschuß der Slovanska lipa in Prag, 22. Februar 1849."
Präs. Diese Adressen gehen aus von 732 Stadt- und Dorfgemeinden; 170 Gemeinden haben bloß durch ihre Ausschüsse und Vorstände unterschrieben; überdieß sind aber 40,595 individuelle Unterschriften beigefügt. (Beifall.) Ich glaube, daß dieses Verzeichniß seines großen Umfanges wegen nicht verlesen werden sollte, aber es wird in die stenographischen Berichte eingereiht werden.
Der Vorstand des Petitionsausschusses hat ersucht, der hohen Kammer zu verkündigen, daß eine Petition von Bürgern der Stadt Sternberg eingelangt sei mit 611 Unterschriften gegen die Emancipation der Israeliten. Der Ausschuß hat beschlossen, dieses zur speciellen Kenntniß der hohen Kammer zu bringen. Diese Petition wird dem Constitutions-Ausschusse zugetheilt, und auf den Tisch des Hauses zur Einsicht der Herren Abgeordneten aufgelegt werden.
Es sind einige Interpellationen angemeldet worden, und zwar eine vom Herrn Abg. Bodgas an den Minister des Innern; — der Herr Abgeordnete hat ersucht, daß die Interpellation von einem der Herren Secretäre verlesen werde.
(Schriftf. Streit liest:)
"Interpellation des Reichstags-Abgeordneten Thomas Bogdas an den Minister des Innern.
Die Bedrückungen der Unterthanen durch ihre Grundherren waren in keinem Lande so hart und häufig wie in Galizien, und obwohl das Patent vom 7. September 1848 dem bisherigen Unterthan eine Erlösung von seinen Lasten und Bedrängungen versprach, so beweisen zahlreiche Beschwerden von Gemeinden aus dem Tarnower und Bochnier Kreise, welche an mich gelangen, daß die alte Willkür und dle Uebergriffe der ehemaligen Grundherren noch fortbestehen. Es ist zwar auf den Antrag des Abg. Szaszkiewicz zur Regulirung dieser Verhältnisse im Reichstage selbst ein Ausschuß niedergesetzt worden, dieß hindert jedoch nicht, daß das hohe Ministerium solche provisorische Maßregeln treffe, welche geeignet wären, die definitive Regulirung anzubahnen und einer bedenklichen, immer wachsenden Aufregung im Lande vorzubeugen. Es wird dem hohen Ministerium nicht entgangen sein, daß die meisten der angedeuteten Mißbräuche seit den gesetzlichen Bestimmungen des Jahres 1820 ihren Ursprung haben, und daß jedenfalls auf die Josephinische Gesetzgebung zurückgegangen werden müßte. — Ich stelle demnach die Frage: welche Verfügungen will das Ministerium treffen, damit das Patent vom 7. September 1848 in Wirklichkeit treten, und damit den Mißbräuchen der Grundherren gegen die bisherigen Unterthanen, mit Rücksicht auf entzogene Rustical-Gründe, Gemeinde-Hutweiden, Wälder und Nutznießungen, welche der Gemeinde zustehen, wirksam entgegengetreten werde.
Kremsier am 1. März 1849.
Thomas Bogdas, Reichstags-Abgeordneter."
Präs. Diese Interpellation wird dem Ministerium des Innern zugemittelt werden.
Eine weitere Interpellation liegt vor an das Gesammt-Ministerium vom Abg. Löhner. Wollen der Herr Abgeordnete diese Interpellation vorlesen?
Abg. Löhner (liest:)
"Interpellation an das Gesammt-Ministerium!
Laut den übereinstimmenden Berichten der officiellen und nicht officiellen Blätter haben die russischen Truppen von den bereits längere Zeit besetzten wallachischen Fürstentümern aus die österreichischsiebenbürgische Gränze überschritten. Dieselben sind, angeblich 20.000 Mann im Ganzen stark, in Kronstadt und Hermannstadt eingerückt, und haben, über den bloßen Garnisonsdienst hinaus, derart octiven Antheil an den militärischen Operationen genommen, daß die Oesterreicher nur als beigeordnetes Corps unter russischem Oberbefehle fochten.
Zu gleicher Zeit weist die von dem betreffenden russischen Befehlshaber zu Kronstadt erlassene Proclamation wörtlich darauf hin: "daß er, selbst wenn er sich mit dem österreichischen General nicht verständiget hätte, dennoch bleiben würde, zum Schutze der Stadt, wie es der Wille seines Herrn und Kaisers sei."
Blickt man auf Dasjenige, was über die Veranlassung, den Verlauf und Zusammenhang dieser Vorgänze bekannt geworden, so ergibt sich, daß der commandirende General, angeblich auf Verlangen der siebenbürgischen Sachsen, diese Truppen aus eigenem Entschlusse berufen, so zwar, daß selbst die Beistimmung des österreichischen Kriegsrathes zu Kronstadt erst an dem Tage eingeholt wurde, wo die Russen daselbst bereits einmarschirten.
Es ergibt sich ferner, daß zwar in dem officiellen Wiener Blatte darauf hingewiesen wird, das Ministerium habe keine derartige Ermächtigung an Puchner ertheilt, andererseits aber stimmen alle Nachrichten dahin, daß ein Courier aus Petersburg den russischen Generalen an der siebenbürgischen Gränze die Instruction brachte, auf jeweilige Requisition der Oesterreicher einzurücken, und in der officiellen Darstellung ist nichts über den Umstand erwähnt, ob etwa das Ministerium, durch unmittelbare Unterhandlung in Petersburg die erwähnte Instruction an die russischen Generale erwirkt habe.
Die letzte und wichtigste Frage bleibt somit im Dunkeln — die, ob jener kaiserliche Wille, auf den sich der russische General beruft, lediglich auf einem einseitigen Entschlusse des russischen Alleinherrschers oder auf einem förmlichen Einverständnisse beider Cabinete beruhe. Es sind in diesem Augenblicke bereits mehr als 20 Tage, daß die Russen auf unserem Boden, in unseren Städten stehen, ohne daß Europa, daß Oesterreich, ja auch nur dieser Reichstag wüßte, auf welche Bedingungen sie gekommen sind, auf welche sie gehen werden.
Eine solche Verwirrung aller natürlichen Verhältnisse muß jedem Freunde der Freiheit und des Vaterlandes tief bedrohlich scheinen.
Ein lange festgestelltes, stillschweigendes Uebereinkommen aller europäischen Cabinete bezeichnet jeden nicht tractatmäßigen Einmarsch fremder Truppen in einen selbstständigen Staat, unter welchem Vorwand immer, als ein Ereigniß, welches die Ehre und die Selbstständigkeit des betreffenden Landes, die Sicherheit des staatlichen Besitzstandes, die Aufrechthaltung des Vertrauens zwischen den Völkern, und somit des Friedens ernstlich bedroht. Namentlich sind aber die an der Mündung der Donau gelegenen Provinzen und das Verhältniß der an sie gränzenden Staaten die empfindlichsten Stellen für Europas Sicherheit und Ruhe.
Es ist nicht zweifelhaft, daß jeder Zuwachs an Territorium und Einfluß, jeder Gewinn an strategischen Entwicklungspuncten in diesen Gegenden zu Rußlands Gunsten ein Gewicht mehr gegen die Existenz der Türkei in die Wage wirft, also alle Seemächte Europas zu der ernsthaftesten Gegenwirkung aufruft. Von Oesterreich selbst gar nicht zu sprechen, das seine innersten Bedürfnisse, seine schönsten Hoffnungen auf Ausdehnung nach jener Richtung hinweisen, dessen Flanke unmittelbar durch jeden Truppenmarsch dort gefährdet, dessen Gränze fast die ganze Türkei entlang eine künstliche, nationell vermischte erscheint.
Die Frage ist also nicht bloß eine österreichische, sondern sie interessirt von Oesterreich aus den ganzen europäischen Status quo.
Hier sind also nur zwei Fälle möglich: entweder die russische Occupation geschah in Folge eines näheren Einverständnisses, oder gar ausdrücklichen Abschlusse beider Cabinete — dann erscheint Oesterreich ganz Europa gegenüber solidarisch verantwortlich für alle nachtheiligen Consequenzen, welche für die Sicherheit Europas folgen können, oder diese Vorgänge geschahen ohne Mitwirkung des österreichischen Cabinets — dann übernimmt es jedenfalls die erwähnte Verantwortlichkeit für sie in dem Augenblicke, wo sie ihm bekannt wurden.
In beiden Fällen ist der unmittelbare Rückstoß auf Oesterreichs Stellung im Westen und Süden zu befürchten, und die Andeutung genügt, die Gefahren nahe zu legen, die daraus für unsere Gränzen und Häfen erwachsen können.
Diese Betrachtungen sind solche, die sich von einem Boden der Thatsache jedem ruhigen Denker darstellen. Steht man aber auf dem Standpuncte des Oesterreichers, so drängen sich noch ganz andere traurige Fragen auf. Man fragt sich, wozu dieses Haus vor Kurzem über die gewohnten Lasten 80 Willionen außerordentlichen Aufwendes bewilligte, wozu ein Heer von 140.000 Mann unter einem laut gerühmten Marschall in Ungarn gegen die Aufständischen in Bewegung ist, wozu die Truppen und Generale im Banate und Siebenbürgen sind, wenn selbst der negative Schutz des österreichischen Bodens, der Schutz fester Städte (so heißt es wenigstens) gegen regellose Freibeuterhaufen von dem fremden Kaiser erbeten werden muß, auf alle Gefahren hin, die so eine Hilfe mit sich führt. Die Aufständischen flüchten überall, die Bülletins verkündigen Sieg auf Sieg, die außerordentlichen Eigenschaften unseres Militärs sind bekannt, die Vollmachten des Feldherrn sind mehr als königlich — wie kommts, daß, indeß jene gut geleitet, diese weise gebraucht werden, man Kosaken ruft, um österreichische Städte zu schützen? Man gesteht, indeß ein Ministerium der Kraft und Einheit ausschließend diese bethätiget, von einem fast unumschränkten Dictator unterstützt, daß, das Mißtrauen in den Schutz der eigenen Regierung so groß ist, daß Generale und Bürger den fremden Gewalthaber rufen. Die Armee rühmt sich mit lautem und gerechtem Stolze, die Erretterin, die Erhalterin der österreichischen Monarchie zu sein, und indeß wird ihr diese große Erinnerung für immer geschmälert, dadurch, daß Kosaken den Ruhm mit ihr theilen, eigenmächtig, fast heimlich gerufen, ohne Beschluß, ohne Vorwissen der höchsten Behörden! Dieß der eine Fall.
Und den andern Fall gesetzt: wenn es nicht so ist, wenn der österreichische General nur geheime Weisungen befolgte, als er den Wünschen der Bürger nachzugeben schien, wenn jene Occupation nur die vorhergesehene verabredete Folge des Bündnisses ist, das Oesterreichs Politik an die Rußlands, das Geschick seiner Völker, ihre Ehre und Freiheit an das Factum von 80 stumm gehorchenden Millionen knüpft, ein Bündniß, das uns vom civilisirten Europa reißend, zum westlichen Rußland macht, muß dann nicht jeder Oesterreicher, jeder freie Mann es für noch ärgeres Unheil halten, daß nicht Zufall, sondern Plan, nicht ein Ereigniß, sondern eine verhängnißvolle Entscheidung jenen Eintritt fremder Krieger auf österreichischen Boden bewirkt hat.
Darüber Klarheit sich zu verschaffen, und zwar bald, ist Pflicht jedes Volksvertreters. Ich stelle demgemäß folgende Fragen an das Ministerium:
1. Hat das Ministerium in einer Art Antheil an dem Einmarsche der Russen, oder hat es zwar nicht zu dem Einschreiten Puchners beigetragen, jedoch auf diplomatischem Wege in Petersburg die Erlassung solcher Instructionen an den russischen General veranlaßt, in Folge deren der Einmarsch erfolgte?
2. Den einen oder den anderen Fall gesetzt — ist das Ministerium bereit, die einschlagenden Papiere (resp. die Instructionen an Puchner oder an den Gesandten in Petersburg) auf den Tisch des Hauses zu legen?
3. Den ersten Fall gesetzt — ist das Ministerium entschlossen, den General Puchner zur standhältigen Rechtfertigung seines Schrittes zu verhalten?
4. Den zweiten Fall gesetzt — hat das Ministerium die Erlassung solcher Instructionen an die russischen Generale nur für die siebenbürgische Gränze, oder auch für andere Gränzen erwirkt?
5. Ist das Ministerium bereit, dem Hause erschöpfenden Aufschluß zu geben, ob und welche Verhandlungen bezüglich eines Bündnisses zwischen Rußland und Oesterreich, und mit welchem Erfolge stattgefunden?
6. Ist endlich das Ministerium bereit, im Falle die Occupation gegen seinen Wunsch stattgefunden, energisch die Räumung des österreichischen Gebietes zu betreiben."
(Großer Beifall.)
Präs. Diese Interpellation wird an das Gesammt-Ministerium gesendet werden. Der Schriftf. Ullepitsch hat eine Interpellation angemeldet an den Finanz-Ausschuß.
Abg. Ullepitsch. Bereits unterm 4. August v. J. habe ich einen Antrag des Inhaltes eingebracht, daß die hohe Versammlung dahin wirken wolle, daß in Rücksicht eines dringenden Bedürfnisses des Volkes und zur Förderung seiner materiellen Wohlfahrt, die Salzpreise thunlich ermäßiget werden. Laut einer am 19. gemachten Mittheilung von Seite des Ausschußvorstandes ist dieser mein Antrag dem Finanz-Ausschusse zur Berücksichtigung zugewiesen worden; eine Erledigung desselben ist mir bis nun noch nicht bekannt geworden. In Berücksichtigung der Wichtigkeit und Dringlichkeit meines Antrages, insbesondere für die ärmeren Volksclassen, erlaube ich mir an den Vorstand des Finanz-Ausschusses die Frage zu stellen, ob und welcher Anstand gegen die Erledigung meines Antrages obwaltet.
Abg. Schmitt (Vorstand des Finanz-Ausschusses.) Ich habe die Ehre, die an mich gestellte Frage zu beantworten. — Der Finanz-Ausschuß hat in Folge einer früheren, von Seite des Finanzministers gemachten Mittheilung den Gegenstand mit dem Herrn Finanzminister berathen und bereits vor geraumer Zeit, wenn ich mich recht erinnere, in der Mitte des Monates December von ihm die bestimmte Versicherung erhalten, daß er dem Vorstande einen geeigneten Gesetzesvorschlag bezüglich der Herabsetzung der Salzpreise in Berücksichtigung des großen Einflusses auf den Ackerbau, welcher dabei vorzüglich betheiliget sei, auch vorlegen werde. Ich erinnere also an die Erledigung dieses Gegenstandes bei der Creditsbewilligung von 80 Millionen. Ihr Finanz-Ausschuß hat bei mehreren Gelegenheiten die vom Finanzministerium früher zugesagte Vorlage des Gesetzentwurfes zwar nicht als Bedingung der Bewilligung des Credites gemacht, jedoch ausdrücklich als Erwartung der Zuhaltung eines vom Finanzminister gemachten Versprechens ausgesprochen. Dieser Ausspruch wurde auch bei Gelegenheit der Bewilligung des Credites genehmiget. Seit der Zeit habe ich im Auftrage des Finanz-Ausschusses, bei der seltenen Gelegenheit, daß die Herren Minister hier sind, diesen Gegenstand bei dem Herrn Finanzminister in Anregung gebracht, und von ihm die Versicherung erhalten, daß der Gesetzentwurf bereits fertig ausgearbeitet sei, jedoch gegenwärtig sich noch in der ministeriellen Behandlung befinde. — Wir erwarten im Verlaufe dieser Woche noch die Anwesenheit des Herrn Finanzministers nach seiner früher gemachten Miltbeilung, daß er bei dem Antrage wegen der Depositen anwesend sein werde. Es ist mir auch diesfalls der Auftrag geworden, ich werde mich demselben unterziehen und diesen Gesetzentwurf nochmals zur Sprache bringen, um dessen Erledigung zu betreiben.
Präs. Eine weitere Interpellation ist vom Abg. Schuselka an den Vorstand des Ausschusses für Schul- und Unterrichtswesen angemeldet.
Abg. Schuselka. Es sind vor geraumer Zeit zahlreiche Petitionen chirurgischer Gremien aus allen hier vertretenen Provinzen an den Reichstag eingelangt; ich selbst habe deren drei übergeben. Es ist auch in Wien eine Denkschrift des Gremiums der Wundärzte an die Mitglieder des Reichstages vertheilt worden, welche Schrift nach meinem Urtheile die Frage, ob das Ministerialdecret, welches die chirurgischen Studien aufhebt, aufrecht erhalten oder widerrufen werden soll, sehr gründlich und überzeugend dahin ausspricht, daß es im Interesse jener Gremien sowohl, als des Volkes selbst liegt, jenes Ministerialrescript zurück zu nehmen. Die Sachen sind dringend und wichtig, nicht bloß Derjenigen wegen, welche durch dieses Ministerialrescript in ihrem Gewerbe beeinträchtiget sind, sondern im Interesse der ländlichen Bevölkerung selber. Denn es steht zu befürchten, daß, während man durch diese Verfügung der ländlichen Bevölkerung eine Wohlthat zu Theil werden lassen wollte, daß sie in Zukunft nur von graduirten Doctoren der Medicin geheilt werden solle, daß die nämliche Bevölkerung in Consequenz dieser Verfügung bei den obschwebenden Verhältnissen dahin kommen könnte, daß sie weder von graduirten Doctoren, noch Wundärzten, sondern von Quaksalbern behandelt würde. In Rücksicht auf die Dringlichkeit stelle ich an den Ausschuß für Schule und Unterricht die Frage, ob der als volksfreundlich rühmlich ausgezeichnete Ausschuß jenen Gegenstand schon in Berathung gezogen, und ob die hohe Kammer demnächst einer Berichterstattung darüber entgegen sehen dürfte?
Abg. Haimerl. In dem Ausschusse für Schul- und Unterrichtswesen liegen bereits über diesen Gegenstand einige 20, und wenn ich nicht irre 27 Eingaben; die meisten davon, mehrere 20, sind bereits eingelaufen noch bevor dieser Ausschuß constituirt wurde, und damals dem Petitions-Ausschusse zugewiesen, nach der Constituirung des Ausschusses für Schul- und Unterrichtswesen aber an diesen abgegeben worden. Seit der kurzen Zeit des Bestandes dieses Ausschusses sind noch 4 weitere Eingaben über denselben Gegenstand eingelaufen. Von Seite des Ausschusses für Schul- und Unterrichtswesen sind alle diese denselben Gegenstand betreffenden Eingaben dem Herrn Abgeordneten für Saatz, als einem sachkundigen Mitgliede dieses Ausschusses, zur Bearbeitung und Berichterstattung für den Ausschuß zugetheilt worden, und ich glaube im Namen des Ausschusses die Versicherung aussprechen zu dürfen, daß von Seite des Ausschusses nichts verabsäumt werden wird, die Resultate der Berathung über diesen Gegenstand so bald als möglich vor das hohe Haus zu bringen.
Präs. Vor dem Uebergange zum nächsten Gegenstande der Tagesordnung habe ich Geschäftsordnungsmäßig einen eingebrachten selbstständigen Antrag zu verkünden; — es ist dieses der Antrag des Abg. Petranovich, welchen derselbe bei Gelegenheit der Verhandlungen über den §. 14 der Grundrechte eingebracht hat. Ich habe dazumal die Meinung ausgesprochen, daß derselbe als selbstständiger Antrag behandelt werden müsse, ich verkünde nun diesen Antrag, indem ich ihn verlese:
"Das Ministerium wäre bei der Vorlage der Verfassungsurkunde nach erfolgter dritter Lesung anzugehen, in dem dießfälligen Kundmachungspatente zu erklären, daß die dem §. 14 widerstreitenden Bestimmungen, die seit 42 über gemischte Ehen maßgebende päpstliche Bulle Cum Romanus Pontifex vom 22. Mai 1841, so wie die Verordnung hinsichtlich der Beobachtung der katholischen Feiertage seitens der griechisch nicht-unirten Christen als durch den §. 14 der Grundrechte behoben seien."
Der Herr Abgeordnete hat diesen Antrag bereits begründet, und ich werde demnach jetzt die Unterstützungsfrage stellen. — Wird dieser Antrag unterstützt? — Er ist hinlänglich unterstützt, wird dem Drucke übergeben und dann geschäftsordnungsmäßig behandelt werden.
Als nächster Gegenstand der Tagesordnung erscheint die Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte und namentlich die Debatte über den §. 15. — Der §. 15 wurde bereits vom Herren Berichterstatter gelesen. Es haben sich als Redner einschreiben lassen, und zwar dagegen die Herren Abgeordneten: Wiser, Wierzchlejski, Sidon, Helfert, Brauner, Maier Cajetan, Pitteri, Thieman, Dylewski, Helcel, Ambrosch, Prato, Lomnicki, Kaubel, Selinger, Lasser, Bielecki, Szabel, Ullepitsch, Ingram, Neuwall, Szaszkiewicz, Rulitz, Leszczynski, Dobrzanski, Kanski, Kossakiewicz, Machalski, Fluck, Hasslwanter, Krainski. Dafür haben sich einzeichnen lassen, die Herren Abgeordneten: Goriup, Borrosch, Peitler, Brestel, Purtscher, Schuselka, Hein, Kratochwill, Jonak, Tomek, Löhner, Posacki, Schneider, Demel, Brandl und Pinkas.
Ich habe bereits mehrere eingebrachte Verbesserungsanträge vorgelesen, und zwar die der Herren Sidon, Kanski, Machalski, Madonizza, Peitler. Der Herr Abg. Hasselwanter, welcher den bei Gelegenheit der Verhandlung über §. 14 eingebrachten Verbesserungsantrag unter Vorbehalt der Vorlage desselben bei der Verhandlung über §. 15 zurückgezogen hat, hat nun diesen Antrag gänzlich zurückgenommen, und einen neuen vorgelegt; ich werde ihn vorlesen:
"Die katholische wie jede andere vom Staate anerkannte Kirche ordnet ihre Angelegenheiten selbstständig, und es wird ihr der Besitz und der Genuß der für ihre Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde gewährleistet."
Es liegt ferner ein Antrag vor vom Herrn Abg. Wierzchlejski, derselbe lautet:
"Die katholische Kirche, sowie jede andere Religionsgesellschaft ist in der Ertheilung ihrer Lehre, in der Ausübung ihrer Lithurgie, in der Handhabung ihrer Disciplin, im Verkehr mit ihren Obern und in der Bekanntmachung ihrer Anordnungen, sowie in der Ordnung und Verwaltung ihres Vermögens ungehindert; die übrigen Verhältnisse zwischen dem Staate und der Kirche werden im Einverständnisse mit dem Kirchenoberhaupte durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden."
Ein weiterer Verbesserungs-Collectivantrag der Herren Abg. Wiser, Schmitt, Szabel, Oheral, Brestel, Löhner, Stamm, Tomek, Tomicek und Johann Beck lautet folgendermaßen:
"Das Verhältnis des Staates zu den einzelnen Religionsgesellschaften (Kirchen) ist durch ein organisches Gesetz zu regeln, welchen folgende Bestimmungen zur Grundlage dienen sollen:
a) Jede Kirche steht wie alle Gesellschaften und Gemeinden im Staate unter den Gesetzen und dem Schutze des Staates.
b) Jede Kirche ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbstständig.
c) Das Recht, die Kirchenvorsteher durch freie Wahl zu bestellen, wird den kirchlichen Gemeinden und Synoden, zu welchen auch die Gemeinden Vertreter senden, eingeräumt.
d) Das Kirchenvermögen wird durch Organe, welche von den kirchlichen Gemeinden oder nach Umständen von Diöcesan- oder Provinzial-Synoden zu wählen sind, unter dem Schutze des Staates verwaltet.
Bis zur organischen Regelung des Kirchenwesens auf diesen Grundlagen bleiben die vom Staate bisher in dieser Beziehung ausgeübten Rechte in Wirksamkeit."
Der Herr Abg. Helcel hat bereits bei der Verhandlung über den §. 13 einen Verbesserungs-Antrag gestellt, welchen ich verlesen habe, und der auch unterstützt wurde. Der Herr Abgeordnete hat ihn jedoch zurückgezogen und schlägt eine andere Fassung des §. 15 vor. Diese lautet:
"Die Religionsgesellschaften ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten in Betreff der Lehre, Cultus, Verfassung, Disciplin und Verkehres selbstständig, unabhängig von der Staatsgewalt. Das Verwahrungsrecht (jus cavendi), wornach die Staatsgewalt die Befugniß hat, die Religionsgesellschaften die Gränzen ihrer Wirksamkeit nicht überschreiten zu lassen, kann nur durch gesetzliche Reprässivmaßregeln ausgeübt werden."
Den Verbesserungsantrag des Abg. Ziemialkowski habe ich bereits verlesen, er ist auch unterstützt worden. Es sind noch andere vorliegend: der Antrag des Abg. Szaszkiewicz.
(Schriftführer Streit liest:) "Jede Religionsgesellschaft (Kirche) ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten in Betreff der Lehre, des Cultus, der Disciplin, des freien Verkehrs mit dem Oberhaupte, der Bestellung ihrer Vorsteher nach ihren Grundsatzungen und Verwaltung ihres Vermögens unter dem Schutze des Staates selbstständig, bleibt aber in ihren äußeren (bürgerlichen) Beziehungen wie jede andere Gesellschaft im Staate den Staatsgesetzen unterworfen.