Ètvrtek 22. února 1849

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Zweiundneunzigste (XL.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsier am 22. Februar 1849.

Tages-Ordnung.

I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 20. Februar 1849.

II. Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte.

Vorsitzender: Präsident Smolka.

Auf der Ministerbank Niemand.

Anfang um 10 1/2 Uhr.

Präs. Die zum Beginne der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter ist anwesend. Ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Der Herr Schriftführer Wiser wird das Protokoll der gestrigen Sitzung vorlesen.

Schriftf. Wiser (liest das Protokoll vom 21. Februar 1849 vor).

Präs. Ist bezüglich der Fassung des vorgelesenen Protokolls etwas zu erinnern? — Da nichts eingewendet wird, so erkläre ich das Protokoll für richtig aufgenommen. — Der Herr Abg. Paul hat sich als erkrankt anmelden lassen. Dem Abg. Dominkusch habe ich einen achttägigen Urlaub ertheilt. Es ist eine Interpellation angemeldet an das Ministerium des Innern vom Reichstags-Abgeordneten Johann Martini, unter Beitritt der Abg. Pawlikowski, Stawarski, Mazurkiewicz und Posacki.

Schriftführer Streit (liest).

Interpellation des Reichstags-Abgeordneten Johann Martini an das hohe Ministerium des Innern.

Mit dem Gesetze vom 7. Sept. 1848 sind alle Unterschiede zwischen Dominical- und Rusticalgründen, d. i. die Grundherrlichkeit aufgehoben worden; es sind alle Hoheitsrechte und Privilegien, welche den Dominicalgründen anklebten, weggefallen. Unter diese Privilegien gehört offenbar auch das Propinationsrecht in Galizien, d. i. das Recht der Herrschaften, — geistige Getränke ausschließend zu erzeugen und auszuschänken; denn dieses Recht ist ein Ausfluß der nun nicht mehr bestehenden Grundherrlichkeit; es war mit dem Besitze vom Dominical-Grund und Boden verbunden, es war ein Recht, welches einen wesentlichen Unterschied zwischen Dominical- und Rusticalgründen bildete.

Würde man behaupten, daß das Propinationsrecht durch das Gesetz vom 7. September 1848 nicht aufgehoben worden ist, so müßte man zugeben, daß nicht alle Unterschiede zwischen Dominical- und Rustical-Grundstücken aufgehoben sind, weil den Besitzern von ehemaligen Dominical-Grundstücken ein Recht gebühren würde, welches den Besitzern von ehemaligen Rustical-Grundstücken nicht zustände; man würde zugeben, daß einem Staatsbürger über den andern noch Hochheitsrechte, die im constitutionellen Staate selbst den Gerichten nur unter gewissen Beschränkungen zugestanden werden, unbedingt zustehen; denn der Besitzer des Propinationsrechtes schreibt sich auch das Recht zu, Haussuchungen, Getränke-Revisionen und Confiscationen gegen andere Staatsbürger vorzunehmen; man würde zugeben, daß der im Gesetze vom 7. September 1848 ausdrücklich aufgehobene Bier- und Branntweinzwang mit den ihm anhaftenden Verbindlichkeiten in Galizien noch bestehe; denn die Schänker wären gezwungen, die zum Ausschanke bestimmten Getränke von Propinations-Berechtigten abzunehmen; man würde zugeben, daß die Unterthänigkeit, die Dominical-Gerichtsbarkeit noch nicht aufgehoben sei; denn die ehemaligen Herrschaften würden insofern noch Behörden seyn, als sie ausschließend berechtigt wären, Ausschank-Licenzen zu ertheilen, Bräugerechtsamen und dergleichen zu verleihen, Visitationen und Getränk-Confiscationen vorzunehmen, — kurz, man würde in Galizien neben der constitutionellen Freiheit auch mittelalterliche Freiheiten haben.

Das Brzezaner k. k. Kreisamt hat mit dem Erlasse vom 11. December 1848, Z. 763, den Worten und dem Sinne des Gesetzes vom 7. September 1848 gemäß, — erklärt, daß den mit ordentlichen Schankbefugnissen betheilten Schänkern das Recht zustehe, Getränke zum Ausschanke von wo immer her, und nicht bloß von der Herrschaft zu nehmen; das k. k. galizische Landespräsidium hingegen hat diese Ansicht des Kreisamtes laut der Beilage für unrichtig erklärt, und den Gemeinden der Herrschaft Nawosiolka bedeuten lassen, daß die Propination unverändert so fortzubestehen habe, wie früher.

Diese, weder mit den Worten noch mit dem Sinne des Gesetzes vom 7. September 1848 vereinbare Entscheidung des k. k. galizischen Landespräsidiums veranlaßt mich, an das hohe Ministerium des Innern die Frage zu stellen:

1. Wird vom hohen Ministerium die Ansicht des k. k. galizischen Landespräsidiums, daß durch das Gesetz vom 7. September 1848 in Hinsicht des Propinationsrechtes in Galizien gar nichts geändert worden sei, für richtig anerkannt?

2. Bestehet in Galizien insbesondere noch der Bier- und Branntweinzwang, d. h. sind die mit ordentlichen obrigkeitlichen Schankbefugnissen betheilten Schänker noch immer gezwungen, das Getränke zum Ausschanke ausschließend von der ehemaligen Herrschaft zu nehmen?

3. Ist das hohe Ministerium der Ansicht, daß diejenigen Privatpersonen in Galizien, welche sich das Propinationsrecht zuschreiben, das Recht haben, bei andern Privatpersonen Hausuntersuchungen, Getränke-Revisionen und Confiscationen vorzunehmen?

Kremsier den 22. Februar 1849.

Wir schließen uns der Interpellation an.

Johann Martini, Reichstags-Abgeordneter für Podhayce.

Constantin Posacki, Abgeordneter.

Johann Stawarsky.

Stanisl. Pawlikowsky.

Mathias Masrukiewicž.

(Beilage der vorstehenden Interpellation.)

An die Gemeinden der Herrschaft Nowosioka zu Handen des Gemeinderichters und Reichstags-Deputirten Johann Martini.

Das hohe Landes-Präsidium hat mit Decret vom 25. December l. J., Z. 16076, dem Kreisamte bedeutet, daß durch das allerhöchste Patent vom 7. September l. J. in Hinsicht des Propinationsrechtes in Galizien gar nichts geändert worden sei, daher auch die im kreisämtlichen Erlasse vom 11. December l. J., Z. 763-a.v., enthaltene Ansicht daß den mit ordentlichen obrigkeitlichen Schankbefugnissen betheilten Schänkern das Recht zustehe, Getränke zum Ausschanke von wo immer her, und nicht bloß von der Herrschaft zu nehmen, ebenfalls unrichtig sei, und den Gemeinden daher zu bedeuten sei, daß die Propination unverändert so fort zu bestehen habe, wie früher.

Hiernach haben sich also die Gemeinden zu benehmen und steht ihnen lediglich frei, sich diesfalls höheren Ortes zu verwenden.

Brzezan am 30. December 1848.

Widmann m. p.

Präs. Diese Interpellation wird an das Ministerium des Innern geleitet werden. Weiter hat der Abg. Neuwall eine Interpellation angemeldet. Wollen der Herr Abgeordnete dieselbe selbst vorlesen?

Abg. Neuwall (liest:)

Vor dem März 1848 hatten die Conservativen das Ruder der Regierung in Ungarn in Händen. Die Repräsentation des ungarischen Reichstages vom März 1848, und ein eigenes ungarisches Ministerium sind hervorgegangen aus einer Ständetafel, wo von nur adeligen Wählern gewählte adelige Comitats-Deputirte ein Votum hatten, sind gebilligt worden von der aus lauter Aristokraten bestehenden Magnatentafel. Jene politische Organisation also, welche die bis zur offenen Empörung getriebene Trennung Ungarns von Oesterreich angebahnt hat, ist vorzugsweise von der magyarischen Aristokratie ausgegangen. Das allgemeine Drängen nach Freiheit, welches vor einem Jahre gleichzeitig in ganz Europa eintrat, mußte in Ungarn eine Emancipation der bis dahin politisch nicht berechtigten unadeligen Staatsbürger zur Folge haben, es hörte somit das Vorrecht des magyarischen Adels auf, vermöge welchen derselbe das politische Leben in Ungarn monopolisirt hatte.

Die erste Folge der Erhebung aller Landes-Ansassen zu politisch berechtigten Staatsbürgern war, daß die Nicht-Magyaren die ihnen bis dahin vorenthaltene Amrkennung ihrer Nationalität mit Recht begehrten. Es machen nämlich die vormärzlichen Sprachgesetze Ungarns von den Jahren 1836, 1840 und 1844 die magyarische Sprache nicht bloß zur Staatssprache für die höchsten Regionen des politischen Lebens, sondern zur ausschließlichen Schul-, Unterrichts- und Kirchensprache (nur predigen darf man in andern Sprachen) zur ausschließlichen Sprache der Gerichtsbehörden, der Verwaltungsstellen, zur ausschließlichen Sprache jedes officiellen Aktes. Ja ein nachmärzliches Gesetz vom Jahre 1848 geht noch weiter und macht die magyarische Sprache zur ausschließlichen Berathungssprache, sogar in solchen Versammlungen der Kreise, Städte und Gemeinden, wo die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung aus Staven oder Deutschen oder Romanen besteht. Bei diesen Bestimmungen der Legislatur hat es der Magyarismus nicht bewenden lassen, sondern vielmehr alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Nichtmagyaren zur Magyarisirung, sogar ihrer Namen, zu bewegen.

Auf diese Thatsachen gestützt, mußte daher schon das Ministerium Wessenberg in der Durchführung der Gleichberechtigung aller Nationen in den ungarischen Ländern das wirksamste Mittel zur Beendigung des entzündeten Bürgerkrieges sehen, wie der mit ungetheiltem Beifalle dieser hohen Kammer aufgenommene Vortrag des Ministers Doblhoff vom August v. J., und die bekannte Staatsschrift eben dieses Ministeriums beweisen. Das ungarische Repräsentantenhaus und die Magnatentafel wiesen die hervorgehobene Gleichberechtigung der Nationalitäten mit solchem Uebermuthe zurück, daß sogar die Ertheilung einer Antwort auf obenerwähnte Staatsschrift in öffentlicher Sitzung einstimmig abgelehnt wurde. Die von der Krone versuchte Beschwichtigung des Bürgerkrieges durch Ernennung und Absendung eines königlichen Commissärs wurde durch dessen schändliche Ermordung vereitelt. Das ungarische Repräsentantenhaus und Magnatentafel schreckten in ihrem Widerstande gegen die gerechten Forderungen der Nichtmagyaren nicht davor zurück, die Fahne der Rebellion gegen den Thron offen und herausfordernd aufzupflanzen. Die Ueberfälle bei Schwechat und Fridau, die Erklärung der Thronbesteigung Sr. Majestät des Kaisers und Königs Franz Joseph I. als Usurpation reihten sich in rascher Folge aneinander.

Die kaiserl. Regierung sah sich daher zur Wiedereroberung Ungarns genöthiget, die hohe Kammer bewilligte, größtenteils zu diesem Zwecke, und zu jenem der organischen Einfügung Ungarns in den Gesammtstaat, einen Credit von 80 Millionen. Der Erfolg zeigte sich der gerechten Sache günstig, der größte Theil des Landes ist durch die kaiserl. Waffen erobert.

Welches sind bis nun die Resultate der ungeheuren, jenen Zwecken an Blut und Geld gebrachten Opfer? Diese Frage zu stellen sind dieses hohe Haus und die in ihm vertretenen Völker zu stellen wohl berechtigt; denn in den Motiven der Creditsbewilligung liegt zugleich der legale, und in Uebereinstimmung mit der Krone ausgesprochene Volkswille, dessen Ausführung der unwiderstehlichen Tapferkeit des kaiserlichen Heeres übertragen wurde, und nun nach den siegreichen Erfolgen erwartet wird.

Die im ministeriellen Programme vom 27. November v. J. als Princip ausgesprochene Gleichberechtigung aller Nationalitäten und die organische Einfügung Ungarns waren die jubelnd begrüßte Flagge, unter welcher das gegenwärtige Ministerium die Leitung des Staatsschiffes übernahm. Obwohl nicht zu verkennen ist, daß durch die kaiserlichen Patente vom l5. December an die serbische Nation und vom 22. December an die sächsische Nation in Siebenbürgen jenes Programm theilweise dem Vollzuge entgegengeführt worden ist, und diese ersten Schritte zur Verwirklichung der den Völkern gemachten Versprechungen volle Anerkennung, sowohl in als außer diesem hohen Hause gefunden haben, so muß doch gegenüber solcher Erscheinungen, wie sie in dem bisher eroberten Theile Ungarns auftauchen und in mehreren Artikeln des Journales "die Presse" gründlich besprochen werden, sich dem unbefangenen Beobachter unwillkürlich die Frage aufdrängen, ob das Ministerium zur vollständigen Behebung der bisherigen magyarischen Suprematie in Ungarn, und dessen Sonderstellung gegen Oesterreich wirksame Schritte gethan habe? Ein parteiloser Blick auf die Zeitereignisse in Ungarn muß zur Wahrnehmung führen, daß zwar in den eroberten Theilen Ungarns kaiserliche Regierungs-Commissäre aufgestellt, und kaiserliche Regierungen eingesetzt wurden, nirgends aber begegnet man einer officiellen Anerkennung der nichtmagyarischen Idiome, sogar nicht in jenen Gegenden, wo sich die Bevölkerung magyarischer Zunge in der entschiedensten Minorität befindet, nirgends begegnet man einer Maßregel der Regierung, welche zu dem Schlusse berechtigte, daß die Regierung, die in dem ministeriellen Programme vom 27. November und in dem kaiserl. Manifeste vom 2. December auf die feierlichste Weise proclamirte Gleichberechtigung der nichtmagyarischen Nationalitäten durchaus zur Wahrheit zu machen sich bestrebe. Sagt doch das ministerielle Programm selbst, daß in Ungarn die Völker sich erhoben haben gegen die bisherige magyarische Alleinherrschaft!

Bringt man die Wahl der Regierungs-Organe in Ungarn mit der Durchführung des Programms in Zusammenhang, so gewahrt man sogar in nicht magyarischen Städten und Bezirken nur Magyaren als Regierungs-Commissäre, welche ihrer politischen Richtung nach der vormärzlichen ungarischen Regierung angehören. Erwägt man, daß die vormärzliche größtentheils aus Conservativen zusammengesetzte Magnatentafel an der Abfassung der vormärzlichen Sprachgesetze Antheil genommen hat, und mit diesen das gleiche Recht anderer Völker höhnenden Gesetzen einverstanden gewesen ist; erwägt man, daß die conservative ungarische Hofkanzlei die Allerhöchste Bestätigung der Sprachgesetze bevorwortet und erwirkt hat; erwägt man endlich, daß das Organ der Alt-Conserrativen in der ungarischen Presse der "Figyelmezö" eine Verewigung der bisherigen anomalen Sonderstellung Ungarns im österreichischen Gesammtstaate, wenn auch unter veränderten Formen, jedenfalls doch der Wesenheit nach anstrebt, so muß, abgesehen von allen kriegerischen Dispositionen der Gang der Dinge in Ungarn nicht ganz unbegründete Besorgnisse hervorrufen.

Die Völker erwarten mit Vertrauen aber auch mit Ungeduld die Verwirklichung der im Ministerialprogramme und im kaiserlichen Manifeste gegebenen Verheißungen. Diese hohe Kammer hat eben die unabweisliche Verpflichtung, für diese in allen Gauen des Gesammtvaterlandes mit Jubel aufgenommenen heiligen Versprechungen einzustehen.

Ich interpellire daher das Gesammt-Ministerium, folgende Fragen zu beantworten, und zwar:

1. Ob dasselbe gegen die Wahrheit der angeführten Thatsachen keine Einwendung zu machen habe?

2. Ob es, diesen Thatsachen, gegenüber dem in seinem Programme und dem kaiserlichen Manifeste vom 2. December 1848 auf die feierlichste Weise ausgesprochenen Principe der Gleichberechtigung der Nationalitäten in Ungarn, volle Geltung zu verschaffen entschlossen sei?

Präs. Diese Interpellation wird an das Gesammt-Ministerium geleitet werden.

Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist die Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte.

Abg. Langie. Bevor die Tagesordnung beginnt, erlaube ich mir eine Interpellation an den Herrn Präsidenten zu richten. — Als die hohe Kammer beim Beginne ihrer Verhandlungen beschlossen hat, ein stenographisches Bureau zu errichten, so mußte sie einen Zweck, und zwar einen wichtigen Zweck, vor Augen haben. Es ist wohl einleuchtend, daß die Arbeiten des stenographischen Bureaus nicht bestimmt sind, zu Zeitungsartikeln verwendet zu werden. Der Zweck derselben war offenbar der Nutzen für das Haus selbst; — es konnte wohl dabei nicht die Absicht des hohen Hauses seyn, dieses stenographische Bureau nur dazu zu errichten, um uns nach Wochen, Monaten oder vielleicht gar nach Jahren ein voluminöses Angebinde zum Andenken an unser parlamentarisches Zusammenleben zu verehren. Ich glaube vielmehr, daß es die Absicht war, die stenographischen Berichte dem Hause so schnell zu liefern, damit sie noch im Verlaufe der wichtigeren Debatten benützt werden könnten. Wenn dieser Zweck nicht erreichbar ist, so wäre es allerdings schwer einzusehen, wozu man ein so sorgfältig geleitetes und so kostspieliges Stenographen-Bureau unterhalten sollte; nun bekommen wir aber erst nach Wochen (Ruf: nach Monaten) die stenographirten Reichstagsberichte zu Gesichte. Dieses Versäumniß ist uns jetzt um so empfindlicher bei den wichtigen Verhandlungen über die Grundrechte; ich glaube, daß es zweckmäßig wäre, die Einrichtung der Druckerei, welche natürlich die einzige Ursache dieser Verspätung seyn kann, in's Auge zu fassen. Es ist wohl uns allen bekannt, daß hier nicht die ganze Staatsdruckerei, sondern nur eine Abtheilung derselben etablirt wurde, es ist also wahrscheinlich, daß ihre Kräfte nicht zureichend seyn dürften; um so auffallender aber ist es uns, wenn diese nicht zureichenden Kräfte der Druckerei dennoch hinreichen, um Privatarbeiten zu besorgen, wir hingegen auf die stenographirten Reichstags-Verhandlungen erst warten müssen, bis die Privatarbeiten fertig sind, so ist es uns allen bekannt, daß hier ein Reichstagsblatt herauskommt, was doch nur eine Privatunternehmung ist, und als Gratisbeilage dem österreichischen Correspondenten dient. Ich sehe nicht ein, warum das unsere Buchdruckerei hier besorgen soll, abgesehen davon, daß von Zeit zu Zeit Brochuren von Privatverfassern aus dieser Staatsbuchdruckerei erscheinen, derlei Speculationsgeschäfte können nicht verwehrt werden, (einer öffentlichen Anstalt), so auch der ärarischen Buchdruckerei, die, wie wir aus dem Staatsvoranschlag wissen, auch eine Finanzquelle abgibt, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß ihre Kräfte hinreichen, um vor Allem, den Hauptzweck zu erfüllen, zu dem sie hier etablirt ist. Ich glaube also, daß es zweckmäßig wäre, erstens die Druckerei anzuweisen, vor Allem und wenn ihre Kräfte unzureichend sind, ausschließlich auf die Drucklegung der stenographischen Reichstags-Verhandlungen und der Reichstags-Protokolle sich zu beschränken; und zweitens nicht abzuwarten, bis die gedruckten Bögen der parlamentarischen Verhandlungen zu voluminösen Heften anwachsen, sondern täglich zur Vertheilung in die Kammer so viele Bögen zu liefern, als eben gedruckt werden können, damit diese Verhandlungen noch im Laufe der Debatte benützt werden könnten. — Ich erlaube mir daher die Frage an das Präsidium, ob die Durchführung dieser meiner Anträge in den Wirkungskreis des Präsidiums gehört, oder ob ich sie als besondere Anträge bei der morgigen Sitzung dem hohen Hause vorzulegen habe? (Beifall.)

Präs. Ich erlaube mir dem Herrn Abgeordneten darauf zu antworten, daß das Vorstandsbureau allerdings auf diese so leidige Verzögerung der Herausgabe der stenographischen Berichte sein Augenmerk gewendet, — auch über diesen Gegenstand einige Vorstandssitzungen gehalten hat. — Das Vorstandsbureau beabsichtiget, darüber morgen einen ausführlichen Vortrag zu erstatten, und einige Vorschläge zu machen, wie diesem Uebelstande abzuhelfen wäre. Der Herr Abgeordnete wird sich vielleicht bis morgen, wo eine definitive Antwort ertheilt werden wird, vor der Hand mit dem Gesagten bescheiden. — (Bravo! Bravo!)

Uebergehend zum nächsten Gegenstand der Tagesordnung, nämlich zur Special-Debatte über den §. 14, welcher von dem Herrn Berichterstatter bereits vorgelesen wurde, werde ich vor Allem der hohen Kammer die eingezeichneten Redner angeben. Als Redner haben sich gegen den §. 14 einschreiben lassen die Herren Abg. Haßlwanter, Selinger, Sidon, Wildner, Neuwall, Wierzchlejski, Pitteri, Dylewski, Ullepitsch, Lasser, Jelen, Rulitz, Hauschild, Dobrzánski und Popiel.

Für den Paragraph haben sich einzeichnen lassen die Herren Abg. Borrosch, Brestl, Schuselka, Schneider, Goldmark, Brauner, Leop. Neumann, Klaudi, Jonak, Petranovich, Tomek und Löhner.

Es sind zum §. 14 bereits mehrere Verbesserungsanträge eingebracht worden. Ich habe schon verlesen den des Abg. Sidon, sodann des Abg. Rulitz und Ziemialkowski. Seitdem sind noch einige Verbesserungsanträge eingebracht worden, und zwar ein eventueller Zusatzantrag vom Abg. Lhotta zu dem Antrag des Abg. Ziemialkowski, für den Fall nämlich als der Verbesserungsantrag des Abg. Ziemialkowski in dem Theile, wo das Kirchenpatronat aufzuheben beantragt wird, angenommen werden sollte. Dieser Zusatzantrag lautet:

"Rechte und Pflichten des Patronates werden jedoch durch ein besonderes Gesetz geregelt werden. Bis zur Erlassung dieses besonderen Gesetzes bleiben die bisherigen Verhältnisse aufrecht."

Ein Verbesserungsantrag des Abg. Skrzynski lautet:

"Alle Religionsbekenntnisse sind im Staate gleichberechtigt."

Ein Zusatzantrag des Herrn Abg. Brauner, welcher nach dem letzten Absatz des §. 14 zu setzen wäre, lautet:

Ebenso wenig wird vom Staate ein weltlicher Zwang zur Beobachtung von Verpflichtungen ausgeübt oder sanctionirt, welche Jemand durch geistliche Weihen oder Ordensgelübde übernommen hat."

Präs. Als der erste gegen den Paragraph eingeschriebene Redner hat der Abgeordnete Haßlwanter das Wort.

Abg. Haßlwanter. Meine Freunde und Collegen aus Tirol haben bei dem §. 13 wirklich jene Ansicht vertheidigt, welcher in unserer Provinz die Majorität angehört. Ich danke ihnen dafür und der Dank Tausender wird ihnen folgen, wenn auch die Entscheidung nicht so ganz in diesem Sinne ausfiel. — Wenn ich bei dem §. 14 und 15 über die allgemeine Beurtheilung der Stellung der Kirchen zueinander und zum Staate spreche, so kann ich nicht bei demselben Standpunkte bleiben, ich muß heraus aus dem engen Kreise meiner Berge, mich stellen auf das Gebiet der katholischen Kirche, als deren Sohn ich das Wort ergreife. Die katholische Kirche hatte bisher in Oesterreich die ihr gebührende Stellung nicht, sie lag in unverdienter Knechtung. Sie hieß die herrschende Kirche, und war doch nur die Magd im Staate, und doch erhob sich schon so manche Stimme dahin, daß die katholische Kirche nicht emancipirt werden könne, weil die Bischöfe, weil die Hierarchen sich auf eine, die Freiheit des Bürgers gefährdende, den Absolutismus des Staates unterstützende Art benommen haben, sohin ihr gegenwärtiger Ruf nach Freiheit höchst verdächtig sei. Nur ein genaueres Auffassen des bisherigen Zustandes kann zeigen, ob in Oesterreich die Hierarchie in ihrer kirchlichen Einsetzung, oder ob sie in der ihr vom Staate aufgedrungenen Stellung diesen Vorwurf verdiene, ob sohin in der Kirche oder im Staate die Reform vorzunehmen sei. Ich glaube das Letztere, und ich werde es begründen, wenn ich auch dadurch vielen ein Stein des Anstoßes werde. Die Einschränkung der katholischen Kirche in Oesterreich ging gleichen Schrittes mit der Einschränkung der übrigen Rechte der Einzelnen, der Corporationen, der Gemeinden der Provinzial-Verfassungen, ging aus demselben Principe, dem Streben des Staates nach Absolutismus, hervor. Die Voraussicht war richtig; läßt sich die Kirche die Bevormundung gefallen, dann kann selbe leicht in allen gesellschaftlichen Kreisen eingeführt werden. Dieses Streben bestand schon unter Maria Theresia von 1748 bis 1780. Sie führte die gallicanischen Grundsätze praktisch ein: daß die Kirche nur eine geistige Gewalt habe, daß das Collegium der Bischöfe die höchste Instanz sei, und als Folge dessen, Reform alles Bestehenden, wobei man unter die Rubrik: "das Aeußere der Religion" alles legte was man selbst ummodeln wollte, und alles Andere als Uebergriffe der Päpste, als Unwissenheit des früheren Zeitalters erklärte, wozu sich Hilfsarbeiter selbst aus der Clerisei fanden. Der Staat verbot 1749 die Visitation der Kirchen durch päpstliche Legaten; die Bischöfe waren froh, und stellten so ein bisher bestandenes Primitialrecht ab. Die Regierung traf Anordnungen über die Vorträge der Theologie 1752, maßte sich die Censur der theologischen Werke an 1753, erklärte, daß der Papst nur eine rathende Stimme habe, der Staat aber die anordnende Behörde sei 1754. Man schwieg, als die Lehrbücher der Theologie, die ein Dispositions-Recht des Staates über alle Kirchengüter vertheidigten, die bloße Würdigung der Religion, als Polizeianstalt, ein strenges Placetur-Regime erlebten. Die Bischöfe schwiegen, und gefielen sich als ziemlich unabhängige Hierarchen. Der Staat schrieb die Gottesdienst-Ordnung vor, erließ Fastengebote und Gesetze bei Taufen und Begräbnissen und alles dieses, und noch weit mehr, geschah ohne eigentlichen Kampf ja selbst zum Theil mit Hilfe der Bischöfe. — Wie kam dieß? Die österreichische Kirchengeschichte hat auch seit älterer Zeit wenige ausgezeichnete Bischöfe aufzuweisen, sie waren größtentheils Männer ohne große Tugenden und ohne sehr bemerkbare Laster. — In der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhundertes wurden die bischöflichen Stühle Männern aus dem höchsten Adel verliehen, welche gewöhnlich glaubten, den Forderungen ihrer Stellung genüge zu leisten, wenn sie ihre Pontifikal-Akte mit Anstand vollzogen, ihr Brevier fleißig beteten, ein großes Haus führten, viel für die Armen thaten, die Regeln der Etiquette beobachteten, und die Angelegenheiten ihrer Diöcese nach den Rathschlägen der Consistorien und Vertrauten leiteten. Um theologische Gelehrsamkeit kümmerten sie sich nicht, noch weniger um weltliche Wissenschaften und es galt als eine Klugheitsmaßregel, sich den Hof, von dem die Beförderungen abhingen, geneigt zu erhalten. Männer dieser Art waren auf den bischöflichen Stühlen, als unter Maria Theresia die Reformen begannen; einige wenige derselben schloßen sich an den Hof an, die Mehrzahl erwartete geduldig "was denn da werden würde," und solchen Schwächen gegenüber trat ein der kühne und rasch um sich greifende Kaiser Joseph, der trotz seiner vielen Verdienste, doch in dem beklagenswerthen Wahne war, daß sein Wissen und Wille überall allein durchdringen müsse. In einem seiner ersten Decrete sprach er aus, daß die Bischöfe alle päpstlichen Reservatrechte, und zwar mit der schriftlich beizufügenden Clausel "aus eigenem Rechte" selbst ausüben sollten. Die Verbindung der Orden mit dem Ordensgeneral wurde 1781 auf die Bischöfe übertragen, und sie nahmen geistliche Befugnisse aus weltlicher Hand. Die bischöflichen Seminarien wurden 1783 aufgehoben, und General-Seminarien eingeführt, wo der Staat selbst Religion lehrte. Man schwieg, und es mußte sich so die Ansicht gründen, daß dieß Alles in der Ordnung sei, und so erschienen hunderte von Verordnungen über die Zahl der Kerzen, die auf einem Altare brennen dürfen, über das Nichthalten gewisser Feierlichkeiten, über das Nichtzusammenleben in einem Kloster, u. s. w. Eingriffe in den Grundsatz, daß in religiösen Dingen jeder nur seiner Ueberzeugung folgen solle. Kaiser Joseph kam auf den Satz: "Die Kirche ist nur auf das Dogma beschränkt und bei demselben der Bischof Papst." Alles andere, selbst was ganz frei seyn sollte, regelt und bevormundschaftet der Staat. Das Volk murrte, und mit Ausnahme Ungarns und den Niederlanden gehorchte; nur bei Einführung des Toleranzpatentes zeigte es eine gereiztere Stimmung. Das Toleranzpatent ging nicht aus der Quelle der Gewissensfreiheit, sondern aus der Hoffnung, viele Gewerbsleute als Einwanderer zu erlangen, hervor. (Oho!) Sie hatte daher auch nicht die Freiheit der einzelnen Kirchen, sondern die Erfindung eines Models zum Zwecke, in den alle diese Religionen passen sollten; da wurde etwas weggenommen, da etwas zugegeben, und ein Heer von Verordnungen versuchte es vergebens, die verschiedenen Elemente in Eines zu verschmelzen. Man gab nur einer bestimmten Zahl von Protestanten oder nicht unirten Griechen die Bewilligung ihres öffentlichen Cultus. Die Protestanten waren indirect genöthigt, mehrere Katholiken zum Uebertritte zu vermögen, um diese Zahl zu erlangen, daher die verhaßte Proselytenmacherei. Schulen und Kirchhöfe wurden häufig gemeinsam, gemischte Ehen und Streite über Kindererziehung fanden sich ein, von dem Wesentlichen der einen oder der andern Religion, durfte in den Schulen nicht gesprochen werden, nur von allgemeinen Grundsätzen. Auch außer der Schule wurden die Controversen verboten, und insbesondere die Gespräche der Landleute über Religionsunterschied. Da besteht keine wahre religiöse Freiheit, wo nicht jedem einzelnen Bekenntnisse gestattet ist, die Erziehung und Bildung der Jugend, gerade in jenen Principien zu bewerkstelligen, die ihr als höchste Richtschnur für das ganze menschliche Leben seyn sollen; der Staat bestimmte, zu welcher Religion und in welcher Art und Weise man übertreten dürfe; er milderte noch einiges hinsichtlich der Toleranz der Juden, andere kleinere Religionsgesellschaften wurden mit Stockschlägen bedroht und mußten jedenfalls vornehm ignorirt werden. Da konnte es nicht anders kommen, als daß jeder Theil klagte. Dem Akatholiken war das öster. Kirchenrecht zu viel, dem Katholiken zu wenig katholisch, und Kaiser Joseph kam selbst in die sonderbare Lage, durch eine eigene Verordnung der Meinung zu widersprechen, daß er zum Protestantismus übertreten werde. Die Klugheit empfahl Gleichgiltigkeit. Wer noch weniger als Gleichgiltig war, war Atheist, wer mehr, bigott; und so erzeugte das Toleranz-Patent bis 1800 Religionsspötterei, welche dann dem Indifferentismus Platz machte. Anders hat sich in Frankreich und Belgien der Liberalismus geläutert; dort läßt man jeden bei seinen Glauben und huldigt dem Grundsatze, daß die Idee der Freiheit überhaupt und die der religiösen Freiheit insbesondere, die Einmischung der Staatsgewalt in die inneren Religionsverhältnisse nicht gestatten. Anders war es in England und Holland, da vergab die herrschende Kirche nichts von ihren Grundsätzen, forderte aber auch von dem Tolerirten kein Aufgeben derselben. Niemanden legt man ein Verschweigen der eigenen Ansicht auf und so war der Indifferentismus durch die Toleranz ausgeschlossen, während er bei uns eine nothwendige Folge derselben wurde. In einer förmlichen Auflösung war die katholische Kirchen-Verfassung zur Zeit des Todes Kaisers Joseph. Weltliche Suprematie; Desorganisation der Klöster; die bis in das kleinste Detail gehende Bevormundung von Seiten des Staates löste die freien Bande der Kirchenverfassung, und die Regierung vermochte nur dadurch den äußern Schein des Fortbestandes noch aufrecht zu erhalten, daß sie die Bischöfe ganz wie Beamte behandelte, und sie dieselben weder rechts noch links in einer andern, als in der vom Staate vorgeschriebenen Richtung gehen ließ. Als Leopold am 20. Februar 1790 die österreichische Regierung überkam,


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