Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Neunundachtzigste (XXXVII.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsier am 14. Februar 1849
Tages-Ordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 12. Februar 1849.
II. Zweite Lesung der Grundrechte.
Vorsitzender: Präsident Smolka.
Minister: Stadion, Krauß, Bach, Thinnfeld.
Anfang: 10 1/2 Uhr.
Präs. Nachdem die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter versammelt ist, erkläre ich die Sitzung für eröffnet. Der Herr Schriftf. Streit wird das Protokoll der gestrigen Sitzung vorlesen. (Geschieht.)
Ist gegen die Fassung dieses Protokolles etwas zu erinnern? - Da gegen die Fassung dieses Protokolles nichts eingewendet wird, so erkläre ich dasselbefür richtig aufgenommen.
Es ist ein neu gewählter Abgeordneter eingetroffen, nämlich der für Reichenberg gewählte Abg. Theodor Hornbostl (Großer Beifall), derselbe hat sich mit seiner Legitimationsurkunde ausgeweisen, und wurde der fünften Abtheilung zugelost; die Wahlacte sind bereits eingetroffen, ich ersuche demnach den Herrn Schriftführer der sechsten Abtheilung diesen Wahlact im Vorstands-Bureau zu erheben. Es sind noch einige Wahlacten im Vorstands-Bureau, wo die betreffenden Herren Abgeordneten bereits eingetroffen sind, und zwar der Wahlact des Abg. Berger, welcher von der siebenten Abtheilung zu prüfen wäre; sodann der des Abg. Pillersdorf, der von der vierten Abtheilung zu prüfen ist, endlich der Wahlact des Abg. Meisels, welcher zwar schon einer Prüfung unterzogen wurde; da jedoch die Stimmzettel fehlten, so wurde sich deßhalb an das Ministerium des Innern verwendet; die Stimmzettel sind eingesendet worden; dieser Wahlact ist von der vierten Abtheilung zu prüfen. Ich ersuche demnach die betreffenden Herren Schriftführer, diese Wahlacte in Empfang nehmen zu wollen. Die Vorstände der siebenten und vierten Abtheilung, ersuchen die Mitglieder dieser Abtheilungen, Morgen um 9 Uhr sich zu versammeln, nachdem einige Wahlacte geprüft werden sollen. Es ist für den volkswirthschaftlichen Ausschuß aus dem Gouvernement Küstenland, ein Mitglied an die Stelle des ausgetretenen Herrn Abg. Hagenauer zu wählen; ich ersuche die Herren Abgeordneten des Gouvernements Küstenland sich heute Nachmittags, allenfalls um 4 Uhr, im Sectionszimmer Nr. 1 zu versammeln, und die Wahl vorzunehmen. Ferner ist in den volkswirthschaftlichen Ausschuß ein Stellvertreter des auf längere Zeit beurlaubten Abg. Stark zu wählen. Ich ersuche die Abgeordneten des Gouvernements Böhmen, sich heute Nachmittag im Sectionszimmer Nr. 3 zu versammeln und die Wahl vorzunehmen. Endlich hat der Vorstand desselben Ausschusses anzeigen lassen, daß zufolge Beschlusses dessen Sitzungen stets am Montage um 10 Uhr Vormittags abgehalten werden; außergewöhnliche Sitzungen werden durch besondere Einladungskarten bekannt gegeben werden.
Es ist eine Interpellation angemeldet vom Herrn Abg. Zeiser an das Ministerium des Innern. Wollen der Herr Abgeordnete die Interpellation selbst vorlesen? (Ueberläßt die Vorlesung den Herrn Schriftf. Streit.)
Schriftf. Streit (liest die Interpellation).
Interpellation des Abg. Joh. Zeiser an das Ministerium des Innern.
Nach dem §. 3 des über die Aufhebung des Unterthänigkeits-Verhältnisses und über die Grundentlastung unterm 7. September 1848 erlassenen Gesetzes, sind die aus der Zehentherrlichkeit herrührenden Natural- und Geldleistungen ausdrücklich aufgehoben, und sollen vom Tage des erlassenen Gesetzes angefangen, ohne Rücksicht auf die noch in der Entscheidung schwebende Frage der Entschädigung sogleich aufhören.
Dessenungeachtet haben in Galizien im Ržesžower Kreise in den Ortschaften Grekóco, Krawce, Cygany, Maidan, Brzestowa, Gara, Komorow, Krzatka, Kanizow, Zielauka, Liprica, Wola Ranizowska, Maziornia, Fezow, Przyszaw und Stany die betreffenden Pfarrer den Naturalzehent eingefordert, und fordern gegenwärtig auch die, die Stelle des Naturalzehents vertretenden Körnerschüttungen ein.
Das Kreisamt aber, an welches sich die ehemals zehentpflichligen Parteien um Abhilfe gewendet, hat sich dahin geäußert, daß sich das obige Gesetz auf den geistlichen Zehent nicht beziehe.
Indem ich diesen Umstand dem Ministerium mittheile, stelle ich zugleich die Frage, ob das Ministerium nicht gesonnen wäre, das Ržesžower Kreisamt wegen jener irrigen Auslegung eines so klaren Gesetzes zurechtzuweisen, und auf diese Art unnöthige und verderblichen Streitigkeiten zwischen Geistlichen und Pfarrkindern zu verhüten.
Kremsier, den 14. Februar 1849.
Präs. Diese Interpellation wird dem Ministerium übermittelt werden. Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist die Fortsetzung der Generaldebatte über die §§. 13, 14 und 15. Gestern hat gesprochen, als letzter Redner der Abg. Klaudi. Es hätte nun das Wort der Herr Abg. Löhner, allein derselbe verzichtete auf das Wort; sodann der Abg. Mycewski. Derselbe hat ebenfalls auf das Wort verzichtet. Es hätte nun das Wort der Herr Abg. Kudlich. (Verzichtet.) Der Herr Abg. Borrosch.
Abg. Borrosch. Der erste verehrliche Herr Redner in dieser Generaldebatte, ein würdiger Priester der katholischen Kirche, der auch ich angehöre, hat den Wunsch ausgesprochen, daß der Geist Gottes bei der Berathung über die nächsten grundrechtlichen Paragraphe "uns zu einem erfreulichen Resultate verhelfen möge." Meiner Ueberzeugung gemäß, muß dieser Wunsch auf unser gesammtes parlamentarisches Wirken ausgedehnt werden, und wahrlich, der Geist Gottes wird mit Jedem von uns seyn, zu welchem politischen oder religiösen Glauben er sich auch bekenne, wenn er den religiösen Kern, der in jeder vom Geiste Gottes durchhauchten Religion sich vorsindet, treu im Gemüthe bewahrt hat, also die menschliche Pflichten auch hier auf Gott bezieht, den Urquell alles Seyn's, und eingedenk ist des Christus-Gebotes allgemeiner Bruderliebe.
Indem ich nun auf die Grundsätze eingehe, welche uns bei der so schwierigen Festsetzung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche leiten müssen, wofern wir nicht aus der Scylla in die Charybdis, aus dem Polizeistaate, der die freie Geistesthätigkeit nur hemmte, in die Hierarchie, die den Geist tödtet, verfallen sollen, erkläre ich ein für allemal, daß ich unter Hierarchie nicht die notwendige geistliche Aemterabstufung und die Leitung in kirchlichen Angelegenheiten verstehe, sondern die anmaßliche Herrschsucht was immer für eine Priesterschaft, wenn sie einen ungebührlichen Einfluß auf weltliche Dinge nimmt, und Andersgläubige verfolgt. Mit inniger Theilnahme erfüllten mich die Leiden der katholischen Kirche in Irland, worüber mein Herz oft blutete, aber auch mit inniger Theilnahme die Vertreibung der unglücklichen Protestanten aus dem Ziller Thale Tirols, die noch grausamere Verfolgung der Alt-Lutheraner in Preußisch-Schlesien, alles leider Ereignisse aus noch ziemlich neuer Zeit. Ob ein versteckter Zelotismus oder polizeiliche Verdächtigung, ob der kirchliche oder der weltliche Arm, an der in jüngster Zeit auch gegen die Deutschkatholiken begonnenen Unterdrückung sich betheiligt habe, weiß ich nicht, muß es aber gleichfalls tief beklagen.
Ich kann mir die befremdende Erscheinung, daß nur von Seite der katholischen Kirche zahlreiche Adressen, welche sämmtlich im Inhalte übereinstimmen, mit einziger Ausnahme jener des Wiener Clerus, an den Reichstag gelangten, und keine andere Kirche ihre Wünsche aussprach, nur aus dem Umstande erklären, daß die Nichtkatholiken den kleinsten Bruchtheil der Gesammtbevölkerung bilden, und daher von Petitionen eher Nachtheil als Nutzen erwarteten, also unbedingt dem echt christlichen Sinne des Reichstages vertrauen, obgleich er fast ganz aus Katholiken besteht. Ueberall noch, wo der Staat den unheilvollen Bund mit der Kirche zu einer Staatskirche einging, gerieth er in Gefahr, in einen Kirchenstaat umgewandelt zu werden, überall war da die in der Minderzahl befindliche Kirche die unterdrückte, die Kirche der Mehrzahl aber die Unterdrückerin.
Toleranz-Edicte milderten wohl Vieles, aber sie können den Anforderungen unserer Zeit nicht mehr genügen; in dem Begriffe Intoleranz liegt schon die Prätension einer Berechtigung zur Suprematie, und hinter der vornehmen Duldung lauert die Unduldsamkeit auf die erste günstige Gelegenheit, um die Tyrannei des Gewissenszwanges wieder einzuführen. Daß hierin die protestantische Staatskirche trotz des Foitschrittsprincipes dessen sie sich rühmte, keine Ausnahme machte, nicht einmal in Staaten, welche hochgerühmt sind wegen ihren freisinnigen Verfassungen, zeigt uns die Geschichte Englands, zeigt uns in neuester Zeit die Constitution Schwedens und Norwegens, wo die grasseste Intoleranz zum Staatsgrundsatze erhoben wurde. Bei dieser Gelegenheit will ich die Vertheidiger gewisser Reciprocitäts- und Retuasions-Maßregeln, aus Anlaß eines früheren grundrechtlichen Paragraphes, auf das Verwerfliche einer Theorie aufmerksam machen, sobald diese nicht rein national-ökonomische, sondern auch Humanitäts-Interessen berührt.
Gleiches Recht für Alle heißt der Grundsatz der wahren Volksfreihelt, und die echte, eben so oft von Demagogen verläugnete, als von den Vertheidigern der absoluten Fürstengewalt gelästerte Demokratie, welche in der Erbmonarchle auf demokratischer Grundlage größere Bürgschaften für die Erreichung der höchsten Zwecke der Menschheit findet, als in einer republikanischen Staatsform, ohne deßhalb in Widerspruch zu gerathen mit der ewigen Wahrheit, daß alle Gewalten vom Volke ausgehen, erkennt nur in der Gesammtheit der Staatsbürger das Volk.
Die echte Demokratie duldet nicht, daß 999 Theile des Volkes, sei es in politischer, sei es in religiöser Beziehung, das letzte Tausendstel unterdrücken, indem sie die Geltung als Ganzes usurpiren, und eben so wenig, daß das eine Tausendstel vermöge seines Gewichtes die Wagschale mit den 999 anderen Theilen, als zu leicht emporschnelle. Ein weiteres Merkmal der echten Demokratie, liegt in der von ihr durchgeführten Versöhnung zwischen der numerischen und der itellectuellen Majorität; die Letztere wird sich immer in der Minderzahl befinden, und doch bricht sie, als die Trägerinn der Ideen, die Bahn für den Fortschritt, und streut die Saatkörner der Zukunft. Ihr, als der geistigen Macht des Volkes, gebührt somit und fällt auch immer die Leitung anheim. Wie soll sich nun die echte Demokratie verhalten, damit sie nicht selber in die alten Sünden des Polizeistaates und der Hierarchie verfalle? Wie schützt sie sich dagegen? Dadurch, daß sie dem Geiste Gottes gehorcht, wie er sich in der moralischen Weltordnung offenbart. Den Menschen schuf er als Vernunftwesen mit freier Selbstbestimmung und mit dem Sittengesehe, das als Gewissen kein Zwangsgebot ist für die Tugend, die sonst eben keine wäre, sondern nur ein leiser Mahner vor, und ein strenger Richter nach der That. Demgemäß verfährt auch die echte Demokratie im Staate und in der Kirche, sie erkennt das Volk als mündig an, gewährt ungehindertes Wahl- und Erwählungsrecht, sie bringt zur vollen Entfaltung das Gemeindeleben, und vermeidet alle, die Selbsterziehung des Staatsbürgers verhindernden Präventivgesetze.
Der weltliche und geistliche Despotismus hätte freilich nicht etwa die für sie so einträgliche Welt, wohl aber das gemeine Volk ganz anders geschaffen, als der liebe Gott, und wie ließe sich's dann so leicht regieren. Herrschaftsbeamten fänden noch jetzt bei den ehemaligen Unterthanen den Robotstrieb vor, die Recrutirungs Commission den Assentirungstrieb, Polizei-Directoren bei Jedermann den Spionir- und Denunciationstrieb, gewisse Armenanstalten den Verhungerungstrieb, und manche geistliche Orden nebst dem Ketzervertilgungstriebe auch den edlen Verzichtleistungstrieb bezüglich aller irdischen Güter, gegen Anweisung auf das Himmelreich. (Beifall.)
Aber trotz aller angewandten Verdummungsmittel vermochte man nicht, den Völkern den Verstummungstrieb auf die Dauer einzuflößen, die Vernunft macht immer wieder ihr göttliches Recht geltend und befinden sich dann die Regierungen in großer Verlegenheit, so berufen sie auch wohl Reichstage, aber überhören auch da leider oft die Stimme der Volksvertreter. (Beifall links.) Schon in den Worten des Heilandes: "Gebet Gott was Gottes, und dem Kaiser was des Kaisers ist," liegt die Aufforderung an die Völker als Vernunftwesen zum Gebrauche ihrer Urtheilskraft, um nicht in der Befriedigung der Bedürfnisse des innern ewigen Lebens vermittelst der Kirche und des äußern zeitlichen Lebens vermittelst des Staates, beide mit einander zu vermengen oder in einander "aufgehen" zu lassen. Mit einfach göttlicher Klarheit wurden diese Worte zu einer Zeit und in einem Lande gesprochen, wo die größte weltliche Tyrannei, eine pharisäische Hierarchie und ein von der welterobernden Roma verhängter Belagerungszustand herrschte, und wenn dem ungeachtet Unverstand und der böse Wille diesen Ausspruch aufgriff, um daraus den Rechtstitel der absoluten Fürstengewalt herzuleiten, wenn demungeachtet ein blutgieriger Fanatismus diese Worte des göttlichen Lehrers allgemeine Bruderliebe als Kreuzespanier benützte, um die Völker im wahnsinnigen Vertilgungskriege zu treiben, so kann es uns nicht wundern, wenn die in jenem Ausspruche gleichfalls mit enthaltene vernunftgemäße Begründung, alle staatsbürgerliche und religiöse Freiheit verketzert wird. Die katholische Kirche Oesterreichs sagt sich nun gleichfalls von der Bevormundung des Polizei-Staates los, sie will mit dem Volke gehen; sie thue es, das Volk wird mit ihr gehen und der heilige Bund wird währen bis an das Ende der Tage, denn fest bin ich überzeugt, daß einst das hehre Christenthum mit allen seinen verschiedenen, den vielfachen Abstufungen des Vorherrschens, bald der Gemüths-, bald der Verstandesspäher in den Individuen entsprechenden Kirchen die Weltreligion seyn wird, eben weil es demokratisch im erhabendsten, im göttlichsten Sinne, weil es so volksthümlich ist, daß es das heilige Gemeingut der gesammten Menschheit werden muß. Die gegenseitige Bruderliebe wird dann auch zu einer völkerrechtlichen Wahrheit werden, und die Idee von Völkers-Friedenscongressen nicht mehr eine verspottete sehn. Zwar haben auch die Diplomaten seit 1815 gar manchen Friedens-Congreß gehalten, aber dabei die Fäden, an denen sie in dünkelhafter Staatsklugkeit die Schicksale der Völker lenken zu können vermeinten und lenken zu wollen sich vermaßen, zu einem unlösbaren Knäuel verwirret und das Schwert des Bürgerkrieges, das auch während dieser angeblichen 30 Friedensjahre niemals in ganz Europa ruhte, das die eingeschläferten Völker oft genug mit bösen Träumen aufschreckte, haut nun auch im Herzen Europas den gordischen Knoten durch und schafft Ruhe; aber die Erschöpfung der Völker ist kein wahrer Friede, und befriedigen kann sie nur das weise Walten einer freisinnigen, von Liebe zum Volke erfüllten Regierung. Ich habe mit einer Aeußerung des geehrten ersten Redners in dieser Generaldebatte begonnen, und muß mit einer Aeußerung desselben Herrn Redners schließen. Er behauptete, die weltliche Macht habe der katholischen Kirche Glanz und Reichthum aufgedrungen, die weltliche Macht habe Autodafé's und Inquisitionsgerichte eingeführt, um die katholische Kirche zur herrschenden zu machen, und ihr gerade dadurch den größten Nachtheil zugefügt. Die katholische Kirche muß allerdings von jedem Vorwurfe frei gesprochen werden, sie ist dafür nicht belastbar. Der geehrte Redner hätte aber statt des Wortes Kirche, Hierarchie sagen sollen, und die Kirchengeschichte und die moralische Verantwortlichkeit, sowohl des hierarchischen Byzanz, als des hierarchischen Rom, würden schwer in die Wagschale zu Gunsten des so hart angeklagten weltlichen Staates gefallen seyn. Uebrigens bin ich überzeugt, daß die Meisten unserer Seelsorger nur beabsichtigen, dem Volke treue Hirten im evangelischen Sinne zu werden. Ich bin ferner überzeugt, daß die Entvormundung und Autonomie der Kirche unerläßlich seien, wenn sie ihren heiligen Beruf im Geiste des Erlösers, des göttlichen Lehrers brüderlicher Menschenliebe, vollkommen soll erfüllen können, aber mit dieser Entvormundung und Autonomie der Gemeinden, sowohl in ihrem staatsbürgerlichen, als in ihrem kirchlichen Leben (natürlich ohne Beeinträchtigung der constitutionellen Freiheitsrechte Aller) ganz gleichen Schritt halten. Ich bin fest überzeugt, daß die katholische Kirche ohne Aufgebung eines einzigen ihrer Grunddogmen; nur aus sich selber heraus sich von eingeschlichenen Mißbräuchen reinigen kann und wird. Das aber sind Früchte, die im Wachsthume des constitutionellen Lebens reifen müssen; sie können nicht erzielt werden durch Polizei-Staatsgesetze, mögen sie nun erzielt werden von der absoluten Fürstengewalt, oder von einer gleichfalls oft despotisirenden Demokratie. Der Reichstag kann nur die Bedingungen für das gesunde Wachsthum des constitutionellen Lebens schaffen, indem er die Freiheit aller Staatsbürger, mit strenger Einhaltung des Grundsatzes der Gleichberechtigung schirmt, und so dem Polizeistaate wie der Hierarchie unübersteigliche Schranken setzt. Ich glaube nicht, daß die parlamentarische Rednerbühne eine Kanzel für Contraverse seyn darf, und will daher nur auf einige gestern da und dort häusig ziemlich leidenschaftlich und einseitig ausgefallenen Bemerkungen erwidern, um wenigstens nachzuweisen, wie es sich hier um vielfach verzweigte Gegenstände handle, für welche mehr als ein Gesichtspunct der Beurtheilung aufzustellen ist. Es war z. B. von den Vereinen die Rede, und ein verehrtes Mitglied hat sehr scharfsinnig den Unterschied zwischen freien Vereinen und geistlichen Associationen auseinander gesetzt. Er hat aber, wie mich bedünkt, einen Hauptumstand dabei übersehen, daß die Vereine freier Staatsbürger Niemanden in der Ausübung seiner constitutionellen Rechten und Pflichten verhindern. Ich glaube, daß dieses ein wesentliches Kriterium ist. Wollen Sie aber demgemäß weiter vorgehen, so werden Sie finden, daß hier, wie überall die Uebergangsstufen so allmälige sind, daß es kaum gelingen dürfte, eine scharfe Demarkationslinie für ein etwaiges Gesetz zu ziehen. Doch ich will hier die Zeit nicht mißbrauchen, und enthalte mich alles dessen, was ich noch weiters in dieser Beziehung bemerken wollte; kann aber nur auffordern, daß man möglich jedes Eingreifen in das, was organisch sich entwickeln muß, vermeiden möge.
Wir müssen der constitutionellen Freiheit vertrauen, und ganz gewiß war die katholische Kirche, war selbst die Hierarchie in den verschiedenen Jahrhunderten nicht dieselbe; denn auch sie kann nicht dem mächtigen Einflusse und den gebieterischen Bedürfnissen der Zeit sich entziehen. Vertrauen wir fest auf die constitutionelle Freiheit in so vielen Beziehungen, so können wir es auch hier, wenn wir, noch einmal sei es wiederholt, nur in den Grundrechten für die Schranken gegen Polizei, Staat und Hierarchie die erforderliche Sorge tragen. (Bravo.)
Präs. Der folgende Herr Redner hat auf's Wort verzichtet, der anwesende Herr Abg. Wildner hat die Priorität dem Abg. Kudler abgetreten; der Abg. Kudler hat das Wort.
Abg. Kudler. Es war in der Generaldebatte bisher von den §§. 13 und 14 meist nur nebenher die Rede, dagegen hat das, was der §. 15 enthält, die allgemeine Aufmerksamkeit im höheren Grade auf sich gezogen; ich glaube Ursache zu haben, anzunehmen, daß der Constitutions-Ausschuß aus guten Gründen sich in den §. 15 gerade so erklärte, wie es geschehen ist, das heißt, daß ihm die Frage über das Verhältniß zwischen Staat und Kirche als eine so umfassende, und in der Ausführung so weitreichend erschienen ist, daß er sie vielmehr der künftigen Gesetzgebung zu überlassen sich bewogen fühlt. Ich kann nicht läugnen, daß ich diese Ansicht vollkommen theile, aber ich gehe noch einen Schritt weiter; ich glaube nämlich, daß der §. 15 in den Grundrechten nicht einmal nöthig sei, er ist eine bloße Verweisung freilich in einer wichtigen Sache auf andere Gesetze, die gewiß erfolgen werden und müssen. Ich werde nicht Gelegenheit haben, bei dem §. 15 insbesondere zu sprechen, deßhalb habe ich meine Meinung, es sei dieser Paragraph aus den Grundrechten wegzulassen, sogleich hier entwickeln wollen. Allein die Verhandlungen, die bisher geführt worden, bleiben dessenungeachtet wichtig, sie gewähren vielleicht der künftigen Gesetzgebung in Kirchensachen so manche Ausbeute, so viele wichtige Fingerzeige, sie zeigen derselben wie die Volksvertreter darin gestimmt sind. Ich werde es daher nicht umgehen, mich auch in die Erörterung dieser hochwichtigen Frage einzulassen. Man hat bei dieser Discussion den Redner öfter den Vorwurf gemacht, daß sie vorgehen ohne den Standpunct genau zu bezeichnen, aus welchem die wichtigen Fragen über die (mit einem zweideutigen Ausdrucke sogenannte) Emancipation der Kirche, eigentlich über den bestrittenen Punct der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der katholischen Kirche entschieden werden soll. Ich erlaube mir, um diesen Standpunct näher zu bezeichnen, meine Darstellung an das mit wenigen Sätzen anzuknüpfen, was gestern der ehrenwerthe Herr Abg. für Kuttenberg gesagt hat, ich glaube nämlich die Religion sei nicht Sache des Bürgers, sondern Sache des Menschen, sie beruht auf dem Glauben, auf Lehr-Meinungen, die man überzeugt ist annehmen zu müssen, weil man sie für wahr, in manchen Fällen sie für geoffenbart hält.
Dadurch zeigt sich auch die Religion wirksam, so liefert sie Beweggründe für die äußeren Handlungen. Die Freiheit des Religionsbekenntnisses scheint mir demnach schon in der Natur der Sache gegründet; ich kann durchaus dem Staate kein Recht zuerkennen, hierin zwingend aufzutreten; einmal ist die bürgerl. Gesetzgebung gar nicht berechtigt, gar nicht in der Lage, über die Wahrheit einer Confession zu entscheiden, — eine Behauptung, die mir recht viel Verdruß gemacht hat, die aber doch richtig ist. Man hat gesagt: Soll der Landesherr seinen Glauben verläugnen, kann er als Gesetzgeber etwas anderes, oder muß er nicht vielmehr das als wahr ansehen, was er als Christ glaubt? Wenn an diesen Behauptungen etwas Wahres wäre, so hätten die heidnischen Imperatoren Recht gehabt, das Christenthum eine Irrlehre zu nennen; denn ihnen stand dann ja das Recht zu, über die Wahrheit der Religion zu entscheiden. Der Sultan hätte das Recht gehabt, wenigstens früher auf eine entwürdigende Art gegen die Bekenner des Christenthums vorzugehen, man hätte mit Recht sie dort Ungläubige genannt. Lassen wir daher dergleichen Anmaßungen zu Gunsten der bürgerlichen Gewalt bei Seite. Ich weiß, man kann die Leute durch Dragoner in die Messe jagen, aber Katholiken macht man dadurch nicht aus ihnen. (Bravo.)
Im Grunde steht man sich bei einem solchen Vorgange selbst im Lichte, denn soll die Religion wirken, so muß sie durch Glauben, durch Ueberzeugung, kurz durch das Innere zu wirken im Stande seyn. Was sollen Beschränkungen in Glaubenssachen von Seite der bürgerlichen Gewalt, welche nicht einmal die Mittel hat sich zu überzeugen, ob das, was man ihr über den Glauben sagt, zu dem man sich bekennt, wahr oder falsch ist, da sie durch den nächsten Heuchler hintergangen werden kann.
Es ist schon früher bemerkt worden, daß sich, wenn gleiche religiöse Ueberzeugungen von einer Mehrheit getheilt werden, Vereine, Gesellschaften, Kirchen bilden. Ich glaube, man kann das Recht des Staates, zu beurtheilen, ob die Sätze und Glaubensmeinungen eines solchen Vereines nicht etwa der bürgerlichen Wohlfahrt nachtheilig sind, dem Staate nicht bestreiten; denn für das bürgerliche Wohl zu wachen, ist er verpflichtet. Eine solche Gemeinde erhält dann, wenn ihre Vereinbarlichkeit mit dem Wohle der bürgerlichen Gesellschaft anerkannt ist, auch die Anerkennung vom Staate; sie erscheint dann als eine in der bürgerlichen Gesellschaft erlaubte Vereinigung. Bis daher ist man wohl ziemlich allgemein einverstanden, ja, was wie ich aus den Petitionen der Episcopate gelesen habe, auch auf jener Seite. — Die Kirche ist eine Gesellschaft, und als solche besteht sie im Staate: aber ich glaube, das hohe Haus kaum aufmerksam machen zu müssen, daß von hieraus sich der Weg in der Beurtheilung scheidet. "Die Kirche ist eine Gesellschaft," damit soll, wie man behauptet, die Sache abgethan seyn; wirklich? also eine Gesellschaft, wie etwa ein Verein von Tulpenfreunden oder Violinspielern? Ist sie nicht vielmehr eine Gesellschaft die einen unermeßlichen Einfluß auf das Wohl der ganzen bürgerlichen Gesellschaft übt.
Ich glaube, von dieser Seite muß die Sache aufgefaßt werden, sonst ist die Auffassung unzureichend und unvollständig. An dem Daseyn, an dem Gedeihen, aber auch an dem richtigen Wirken der Kirche hat der Staat nicht etwa das gemeine Interesse, wie an einer andern, etwa einer ökonomischen Gesellschaft, sondern das höchste Interesse; denn es hängen die sittlichen Interessen damit zusammen. Es wäre wohl vergebene Mühe, mich weiter hier auszulassen über den überaus großen Einfluß, welchen die Kirche auf die bürgerliche Gesellschaft übt. Wer die Bildung, die sie im Moralischen gibt, verkennt, oder glaubt, die Regierung dürfe sich darum wenig bekümmern, sie soll nur ihre bürgerlichen Gesetze erlassen, der kömmt mir vor, wie ein Mann, der Weizen auf die Erde ausstreut, ohne gesorgt zu haben, daß die Erde früher umgepflügt und empfänglich für die Aufnahme des Samens gemacht werde. Weit entfernt daher, eine solche Indifferenz, wie man sie von solcher Seite will, im Verhältnisse des Staates gegen die Kirche anzusprechen, glaube ich vielmehr, der erstere sei sowohl positiv als negativ sein Interesse dabei zu wahren verpflichtet; er wird die Kirche unterstützen in ihrer Wirksamkeit, nicht etwa wegen der Freude, daß eine Gesellschaft mehr im Lande besteht, sondern wegen der Wohlthaten, mit welchen sie vergilt, was sie empfangen. Meine Herren, ich beziehe das nicht auf ein Kirchenbekenntniß, sondern auf alle, welche diesen günstigen Einfluß auf das bürgerliche Wohl äußern. Wenn Bekenner einer Kirche ihre Jugend aufwachsen lassen müßten, ohne die nöthige religiöse und sittliche Bildung, weil sie nicht die Mittel haben, dafür sorgen, so behaupte ich, soll die Regierung einer solchen dürftigen Gemeinde zu Hilfe kommen, denn dieser Beistand ist insoferne Staatssache, als die Gesellschaft die Vortheile nicht einbüßen soll, welche die religiöse und moralische Bildung auch bei diesem Theile der Einwohner gebracht haben würde. Auch von dieser Behauptung ist recht viel zugestanden in den Petitionen, die uns vorliegen, allein es wird volle Unabhängigkeit und Selbstständigkeit angesprochen. Die Kirche erklärt, sie will frei seyn vorder Bevormundung des Staates. Die Kirche, bemerken sie, sei eine vom Staate dem Ursprunge, dem Zwecke und den Mitteln nach verschiedene Gesellschaft, sie stehe nicht unter, sondern neben dem Staate, die Kirche sei übrigens so vollkommen organisirt, daß sie ohne Beihilfe des Staates geeignet ist, ihre Zwecke selbstständig zu erreichen; fremde Einmischung wird ihr ihre Wirksamkeit nur erschweren. Wirklich habe ich in diesen Petitionen eine glänzende Darstellung gelesen, wie die Kirche seyn soll, wie sie eigentlich gestiftet, welcher Zweck ihr vorgesetzt ist. Allein ist das Ideal, wie es dort hingestellt wird, auch immer reell, stellt sich das Kirchliche in der Wirklichkeit eben so vollkommen dar? Ich weiß nicht, wer es versuchen mag zu leugnen, daß sich Mißbräuche und Verirrungen auch in diese höchst ehrwürdige Gesellschaft einschleichen können, daß ein Verfall derselben bis zu einem gewissen Grade möglich ist, nicht wegen Mangelhaftigkeit der Institutionen, sondern deßwegen, weil die Fortpflanzung der Lehrer, die Leitung der Gesellschaft nur Menschen anvertraut werden konnte, Menschen, die nicht frei sind von Verirrungen und dem Einflusse der Leidenschaften. Will man eine Anerkennung für die Behauptung, daß solche Mißbräuche, solche Verirrungen möglich sind, so nehme man das corpus juris canonici zur Hand, wie viele Bestimmungen sind dort eben gegen Gefahren dieser Art enthalten; wäre die Gefahr nur erträumt, eingebildet, so wäre es eine Unklugheit gewesen, dagegen Bestimmungen zu erlassen. Hat man den Fanatismus nicht zurückhalten müssen, auf daß nicht Aberglaube sich einschleiche; haben die canonischen Vorschriften, wegen den Gefahren der Finanztheologie, nicht die strengsten Strafen gegen die Simonie zu verhängen sich veranlaßt gefunden? Es finden sich eine Menge Vorschriften vor über gute Beispiele, mit welchen der Kleriker den Gemeinden vorleuchten soll. Alle diese Betrachtungen glaubt man damit eludiren zu können, daß man sagt, es sei gerade die Aufgabe der Kirche, dergleichen Mißbräuche zu wehren, eine solche Entartung zu hindern; es hat die Kirche die Pflicht dazu. Ich bin der letzte, der das in Abrede stellt, aber die Frage dreht sich hier nicht um das Recht allein; ich frage im Gegentheil, ist das, was man hier behauptet, immer geschehen, haben die Kirchenoberen immer ihren heiligen Beruf begriffen und erfüllt? Ich lese in der Geschichte einer Zeit, wo man nothwendig befunden hatte, eine Reformacio ecclesiae in capite et membris; man ist doch versucht, daraus zu schließen, es mögen die kirchlichen Obern nicht immer so völlig geneigt oder geeignet gewesen seyn, ihre Pflicht zu erfüllen. Wenn es aber dahin kommen würde, soll der Staat dann ruhig zusehen? Ich glaube, er würde kaum ruhig zusehen, wenn eine Nationalbank in Verfall geräth; die Wichtigkeit und der Nutzen der Kirche hält aber mit derselben auch entfernt keinen Vergleich aus. (Bravo.) Das, was man die Bevormundschaftung der Kirche nennt, hat in Oesterrelch nicht angefangen unter einem von Atheisten verführten Kaiser, wie man sich herausnahm, Kaiser Joseph II. den Herrlichen zu bezeichnen (Bravo); sie hat angefangen unter seiner frommen Mutter Maria Theresia. Als die Regierung sah, daß gewisse Bestimmungen denn doch ergriffen werden mußten, legte sie selbst Hand an. Konnte man etwa ruhig zusehen, wie, um nur einige Beispiele zu erwähnen, die Ansichten, die im Grunde ganz unkirchilch waren, über die Ablaßtheorie verbreitet wurden, wie man Unfug getrieben hat mit Wallfahrten, die endlich fast das Ansehen der Pfarrkirchen zerstört hätten. Ich glaube auch nicht, daß bloß aus einem überflüssigen Gelüste die Regierung eine Gottesdienstordnung zu erlassen sich veranlaßt gefunden hat; der Habsucht und Unersättlichkeit ist man durch eine Stolltarordnung entgegengetreten. (Beifall.) Wenn man die Petitionen aufmerksam liest, so sieht man, daß sie das jus in und das jus circa sacra auf eine sonderbare Art verschwimmen lassen, um im Stande zu seyn, das, was man mit vollem Rechte dem ersteren entgegenzusehen hat, auch gegen das letztere geltend zu machen. Der Staat hat kein jus in sacra, das wissen wir Alle; das Dogma, der Lehrbegriff müssen von ihm unangetastet gelassen werden. Ich kann mich deßwegen nicht bestimmt und ernst genug gegen einen Antrag erheben, den ich gestern in diesem hohen Hause gehört habe, nämlich, um manchen Uebeln ein Ende zu machen, die Hierarchie aufzuheben. Es ist möglich, daß ich in einem Mißverstande befangen bin. Was ich heute Hierarchie Nennen hörte, das ist nicht jene heilige Herrschschaft, welche das Wort bezeichnet, sondern die manchmal hervorgetretene Anmaßung kirchlicher Gewalthaber. Was aber die Abstufung der geistlichen Würden in der katholischen Kirche betrifft, so kann ich von der Behauptung nicht weichen, sie sei zum Theile divinae iustitutionis. Man möge sich von dem Lehrbegriffe der katholischen Kirche, lossagen, das könnte ich nur beklagen; aber so lange man ihn festhält, muß man auch jene Lehre festhalten, die auf das Innigste mit demselben verschmolzen ist. Was göttlicher Einsetzung ist, das können wir nicht abändern wollen; allein man hat auch noch weiter gesagt: die kirchliche Regierung ist eine absolutistische, und von einer andern Seite eine aristokratische. Daß sie es nicht ist, das wage ich mit voller Bestimmtheit zu behaupten.